Ein freudiger und zugleich trauriger Tag
Julian Assange ist frei! George W. Bush ist es schon lange! Ein Kommentar.
Heute Nacht erfuhr die Welt: WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist auf dem Weg auf die Nördlichen Marianen, um dort seine Freiheit zu erwirken. Die Inseln, die im Pazifischen Ozean liegen, unterstehen der US-Justiz. Dort soll Assange sich schuldig bekennen. Im Gegenzug wird man ihn zu fünf Jahren Haft verurteilen, die er bereits in Belmarsh abgesessen hat.
Bei aller Freude über diese Wendung, bleibt festzuhalten: Die Verbrechen, die er aufgedeckt hat, sind also seine Schuld – denn schuldig bekennt sich er. Und nicht diejenigen, die die Menschenrechtsverletzungen, die WikiLeaks aufgedeckt hat, begangen oder gar angeordnet haben.
Assange wird nicht frei sein
Man verwechsle diesen Coup deshalb nun nicht mit Mildtätigkeit der US-Administration. Für den amerikanischen politisch-militärischen Komplex ist das, was Assange widerfuhr, Mahnung genug an alle investigativ arbeitenden Reporter draußen in der Welt. Washington hat nun über Jahre dargelegt, was jemanden blüht, der die menschenverachtenden Exzesse US-amerikanischer Kriege aufs Tapet bringt – und zudem auch noch beweisen kann.
Und nebenher kommt Assange nicht frei. Die äußeren Umstände mögen so aussehen. Aber der Australier wird sicherlich zeit seines Lebens mit den Folgen der Isolationshaft und seiner Verfolgung zu tun haben, auseinandersetzen müssen. Das ist das eigentliche Gefängnis, in das man ihn lebenslang gesteckt hat. Er wird vermutlich nicht mehr investigativ arbeiten dürfen. Zwar ist nichts darüber bekannt, aber es wäre mehr als überraschend, wenn es nicht von Seiten der Amerikaner eine Unterlassungsklausel gäbe. Assange wechselt damit gewissermaßen in den offenen Vollzug.
Wer nicht auch auf diese Weise enden möchte, der sollte den Vereinigten Staaten tunlichst nicht in den Weg kommen: Auch diese Botschaft schwingt leise mit bei der Meldung, dass Julian Assange freikommen wird.
Gericht für Assange, Kaffee für Bush
Bei den Osmanen soll es so gewesen sein, dass der Überbringer einer schlechten Nachricht seinen Kopf verlor. Meist handelte es sich dabei um Boten, die mit der schlechten Nachricht an sich gar nichts zu tun hatten. Die Vereinigten Staaten haben sich dieses Prinzip angeeignet. Der Botschafter, der von den Menschenrechtsverletzungen kündete, verlor seine gesamte Existenz.
Aber diejenigen, die diese Verbrechen begangen haben, in deren Namen Kriege entfesselt wurden, laufen weiterhin unbehelligt herum. George W. Bush gilt in den USA mittlerweile als ein elder statesman. Als Donald Trump Präsident war, hob ihn auch die demokratische Presse in den Stand eines politischen Weisen. Der ehemalige US-Präsident wurde nie damit konfrontiert, für seine Verbrechen geradestehen zu müssen, für die stellvertretend derjenige inhaftiert war, der diese Verbrechen ans Licht der Öffentlichkeit hievte.
Während Julian Assange auf den Marianen formaljuristisch für seine Freiheit kämpft, brüht sich George W. Bush womöglich seinen Morgenkaffee auf. Womöglich wird er demnächst gefragt, wie er die neueste Entwicklung im Falle Assange betrachte – dann fungiert er als Experte und spricht über einen, der einen Geheimnisverrat übte, der ihn schlecht aussehen ließ. Bis die Welt auch das wieder vergessen hatte. Bush steht hier natürlich nur exemplarisch als höchster Verantwortlicher für diese Menschenrechtsverbrechen.
Dieser 25. Juni 2024 ist ein freudiger Tag: Freiheit für Assange. Wenigstens ein bisschen Freiheit. Und gleichzeitig ist es ein trauriger Tag. Die Schergen haben gewonnen. Sie haben der Welt bewiesen, dass ihnen die Welt gehört. Und nichts und niemand kann sie aufhalten. Nicht mal die Wahrheit. Und noch nicht mal eine Wahrheit, die dokumentiert und beweisbar ist. Assange kommt frei. Die Aufklärung liegt in Ketten.
Quelle: overton-magazin.de… vom 25. Juni 2024
Tags: Ecuador, Grossbritannien, Imperialismus, Irak, Kultur, Repression, Schweden, USA
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