Wahlprogramm der CSU und CDU – Politikwechsel fürs deutsche Kapital
Ener Zink. Seit Monaten führt die Union mit weitem Abstand die Wahlumfragen an, und dass Merz Ende Februar nicht gewinnt, scheint eigentlich kaum noch eine Möglichkeit zu sein. In ihrem Wahlprogramm mit dem Titel „Politikwechsel für Deutschland“ bekommen wir einen Ausblick darauf, was wir möglicherweise in den nächsten 4 Jahren von einer CDU/CSU-geführten Regierung erwarten können. Damit ihr es nicht müsst, haben wir uns durch das Programm gequält und wollen euch in diesem Artikel Abschnitt für Abschnitt einen Überblick geben.
Die Unionsparteien sind sich einig: Deutschland steckt in einer tiefen Krise und es braucht einen Richtungswechsel, mit dem sie grundlegend für Veränderung sorgen. Um das zu erreichen, wollen sie durch soziale Angriffe auf die Lebenssituation von Arbeiter:innen, Jugendlichen und Unterdrückten wieder mehr für die Großunternehmer:innen herausschlagen und somit die BRD auf der Weltbühne stärken. Begleitet wird das Ganze von rassistischer Demagogie, Abschiebewahn und Aufrüstungspolitik. Das werden uns im Folgenden Stück für Stück anschauen.
- „Ein Land, auf das wir wieder stolz sein können“
An erster Stelle wollen die Unionsparteien endlich wieder ein Deutschland schaffen, auf das man stolz sein könne. Diesen Stolz und die Möglichkeit einer positiven Identifikation mit diesem sehen sie in einigen Punkten angekratzt. Einer ist die sich im Niedergang befindende Wirtschaft. Dafür machen sie v. a. die Ampelregierung verantwortlich und blenden somit die 16 Jahre davor, in welchen sie regiert haben, völlig aus. Darüber hinaus sei die „gefährdete Sicherheit“ ein zentraler Aspekt, welcher sie in ihrem Ausleben von deutschem Patriotismus behindere. Diese sehen sie in zweierlei Hinsicht gefährdet: nach außen durch eine mögliche kriegerische Auseinandersetzung mit dem Rivalen Russland und im Inneren durch Gewalt auf den Straßen. Worin sie deren Ursprung sehen und wie sie diese bekämpfen wollen, führen sie in den folgenden Abschnitten aus.
Im Grunde ist diese Passage sehr viel nationalistischer Quatsch. Die Union stellt die BRD dabei in die Tradition einer „großen Erfolgsgeschichte“, welche es nun weiterzuschreiben gelte. Man braucht sich nicht viel mit Geschichte auseinanderzusetzen, um zu merken, wie niederträchtig es ist, die blutige deutsche Vergangenheit als Erfolg darzustellen. Doch auch unabhängig von den deutschen Verbrechen kann der Staat in einer Klassengesellschaft immer nur der herrschenden Klasse dienen und ist somit kein tolles Ding, auf das wir stolz sein sollten, sondern ein Werkzeug, um unsere beschissene Situation weiterhin aufrechtzuerhalten, damit sich die Reichen weiterhin die Taschen vollstopfen können. Dieser Staat ist nicht unser Staat!
- „Für ein Land, das wieder Wohlstand für alle schafft“
Als Antwort auf die Stagnation und die damit einhergehende schlechte Situation der BRD im Weltgespann will die Union den Wohlstand Deutschlands bzw. eigentlich, genauer gesagt, den Reichtum der Unternehmen und Großeigentümer:innen sichern und noch weiter ausbauen. So plant sie, die Unternehmensteuern deutlich zu senken und dafür zu sorgen, dass zukünftig weniger Menschen den Spitzensteuersatz zahlen müssen. Um das Ganze zu finanzieren, da sie auch weiterhin an der Schuldenbremse festhalten, will sie unter anderem das Bürger:innengeld vollständig abschaffen, was sie dann damit begründet, dass sich Arbeiten ja wieder lohnen müsse. Wer arbeitslos ist, soll dann zukünftig durch eine schnelle verpflichtende Vermittlung vom Arbeitsamt wieder in das Berufsleben eingegliedert werden, was in der Praxis zur Annahme von schlecht bezahlten Jobs mit miserablen Arbeitsbedingungen führt. Als wäre das nicht schon genug, wird in Zeiten wo durch Inflation und Nullrunden die Löhne immer weiter sinken, ebenfalls angedacht, die Höchstarbeitszeiten zu ändern. Damit wir zukünftig nicht nur gezwungen sind, in Niedriglohnjobs zu arbeiten, sondern das Ganze gleich auch noch bedeutend länger. Damit schwingt aber auch gleichzeitig die Gefahr mit, dass, wenn die Nachfrage nach Arbeitskraft niedrig ist, wir schneller in Teilzeitarbeit gesteckt werden können.
Klimaschutz läuft dabei nur über gewisse wirtschaftliche Innovationen und Investments in neue Technologien sowie den Emissionshandel. Darüber hinaus sollen die gerade erst vom Netz genommenen Atomkraftwerke möglichst schnell wieder in Betrieb genommen werden. Währenddessen tut man alles nur erdenklich Mögliche, um die Automobilbrache künstlich weiter am Leben zu erhalten. Quasi aus Gewohnheit bekennt man sich dennoch augenscheinlich zu den Pariser Klimazielen. Mit dem bereits gefallenen 1,5-Grad-Ziel, sind diese jedoch schon sicher gescheitert. Die spürbaren Folgen dessen, wie Extremwetterereignisse, wollen sie durch verpflichtende Elementarschädenversicherungen abdecken, wodurch die Verantwortung weiter auf Individuen abgewälzt wird. Das Programm ist klar: Die Krise sollen wir, die Arbeiter:innenklasse zahlen.
Ehrlicher wäre: für ein Land das wieder Wohlstand für alle Kapitalist:innen schafft.
- „Für ein Land, das frei und wieder sicher ist“
Die CDU konstatiert, dass die von Scholz 2022 heraufbeschworene „Zeitenwende“ nun politisch konsequent in die Praxis umzusetzen sei. Das bedeutet Aufrüstung nach innen wie außen, im Interesse des deutschen Kapitals und auf Kosten der Arbeiter:innen. Diese geforderte Durchsetzung von „Recht und Ordnung“ im Inneren verfolgt dabei den Zweck, jeglichen Widerstand gegen die Angriffe auf die Arbeiter:innen und Jugendlichen zu unterdrücken. Dafür sollen z. B. Jugendliche früher bestraft werden und die Anwendung des Jugendstrafrechts für 18- bis 21-Jährige nicht mehr stattfinden. Darüber hinaus soll die Anonymität im digitalen Raum, sofern möglich, vollständig abgeschafft und die IP-Adresse verpflichtend gespeichert werden. Auch die Überwachung von Mobil- und Festnetztelefonen will die Union stärker umsetzen. Nicht zu vergessen, dass die Cannabis-Legalisierung ebenfalls ein Dorn im Auge der Unionsparteien ist, was bei Rücknahme dazu führen würde, dass z. B. wieder etliche Jugendliche kriminalisiert werden würden.
Anknüpfend an die Antisemitismusresolution des Bundestags sagt die CDU/CSU dem Islamismus und Antisemitismus in ihrem Programm den „Kampf“ an. Dass ihnen der wirkliche Schutz von Jüd:innen egal ist, sollte hierbei klar sein. Diese Floskeln dienen eigentlich nur dazu, Migrant:innen und Geflüchtete weiter zu kriminalisieren und die Repression gegen die Palästinasolidaritätsbewegung zu verschärfen, da diese die Staatsräson und somit die Interessen des deutschen Imperialismus, Israel bedingungslos zu unterstützen, angreift. So redet sie statt über den mit dem Erstarken von rechten Parteien zunehmenden vor allem über angeblichen „zugewanderten“ und linken Antisemitismus. So soll, wer das „Existenzrechts“ Israels leugnet, nach dem Volksverhetzungsparagraph bestraft oder bei migrierten Menschen gleich die Staatsbürger:innenschaft oder der Aufenthaltstitel entzogen werden.
Doch die sozialen Angriffe auf uns und der Autoritarismus, um diese durchzusetzen, bilden nur einen Teil, den die CDU/CSU vorschlägt, um Deutschland in der internationalen Konkurrenz zu stärken. Die andere Seite stellt die massive Aufrüstung nach außen dar, um in der immer häufiger mit Waffen ausgetragenen Neuaufteilung der Welt zwischen den Imperialist:innen auch noch ein Wörtchen mitreden zu können. Anstelle von einem Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt) sollen in Zukunft mindestens 2 bis hin zu 3 Prozent direkt an die Bundeswehr gehen. Zudem spricht man sich für die Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland aus und kündigt uns Jugendlichen an, dass wir wieder gezwungen werden sollen, „für das deutsche Vaterland“ zu dienen, durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Der sogenannte „Operationsplan Deutschland“ wird voll und ganz unterstützt und soll auch unter der Union freudig in die Tat umgesetzt werden.
Im Kapitel „Stopp illegaler Migration“ legt die Union dar, dass für sie die GEAS-Reform, welche das Asylrecht in der EU schon de facto abgeschafft hat, noch nicht weit genug geht und letzteres nun formal nahezu vollständig beendet werden soll. So werden jegliche freiwillige Asylprogramme abgeschafft und „sichere“ Drittstaaten- und „Rückführungs“-Abkommen ausgeweitet, wobei die Anforderungen an diese erst stark herabgesetzt wurden und in keiner Weise wirklich Sicherheit verkörpern. Alle Menschen, die in Europa Asyl beantragen, sollen in einen „sicheren“ Drittstaat deportiert werden. Man bekennt sich erneut zum rassistischen Dublin-Abkommen und möchte dieses rigoroser in die Tat umsetzen. Damit Migrant:innen und geflüchtete Personen sich gegen diese Maßnahmen nicht wehren können, will sie den Lebensstandard nach dem „Bett-Brot-Seife“-Prinzip so niedrig wie möglich halten. Die einzige Form von Migration, die sie in Zukunft noch dulden will, ist das Anwerben möglichst billiger Facharbeiter:innen aus dem Ausland. Um die geplanten massenhaften „Rückführungen“ und den weiteren Ausbau des „Schutzes“ der deutschen und EU-Außengrenzen sicherzustellen, soll die Bundespolizei mit neuen Befugnissen und Technologie ausgerüstet werden, unter anderem mit Drohnen. Mit Sicherheit hat diese rassistische Abschottungspolitik wenig zu tun.
- „Für ein Land, das wieder zusammenhält“
Ein unter den Vorzeichen der letzten Punkte „geeintes“ Land braucht laut Union v. a. eines: „Leitkultur“. Diese entspricht im Wesentlichen der reaktionären konservativen Ideologie beider Unionsparteien, gesprenkelt mit einzelnen Lippenbekenntnissen zur Förderung von „Kultur“ und Sport. Ein Hauptaugenmerk jedoch fällt dabei auf den „Schutz der Familie“, welcher nichts anderes ist als eine massive Welle an Rollbacks gegen Rechte von Frauen, LGBTI+-Personen und Jugendlichen. So soll z. B. das erst im November in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz wieder zurückgenommen werden, da es den Jugendschutz und das Sorgerecht der Eltern untergraben würde. An Paragraphen 218, also der Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, wollen beiden Parteien jedoch dringend festhalten. Diese Politik der Union führt dazu, dass immer mehr Sorge- und Carearbeit durch die Krise in die private Sphäre gedrängt und somit die Belastung von Frauen verstärkt wird und Abhängigkeitsverhältnisse zunehmen, was sie somit einem erhöhten Risiko patriarchaler Gewalt aussetzt. Auch Queers und Jugendliche müssen so mit einer Verschärfung ihrer Unterdrückung rechnen.
Was macht die CDU jetzt damit?
Während sie klar die Nase gegenüber allen anderen Parteien vorne hat, verkündete sie auf der Pressekonferenz zum Wahlprogramm, dass sie nicht für politische Zusammenarbeit mit den Grünen sind und bezeichneten die SPD-Politik unter Scholz als schlichtweg peinlich. Auch eine Zusammenarbeit mit der AfD schlossen sie dort aus, da sich deren Absicht des Austritts aus EU, Euro und NATO nicht mit den eigenen Plänen für den deutschen Imperialismus vereinbaren ließe.
Relevant zu betrachten ist jedoch, dass die AfD selbst immer weniger den Fokus auf eine Anti-EU, Anti-NATO Politik setzt, vor allem im Vergleich zu vor 10 Jahren. Das lässt eine schwarz-blaue Koalition eventuell doch wahrscheinlicher als gedacht wirken – vor allem, nachdem sich nun abzeichnet, dass die Union mit Stimmen der AfD eine Abschiebeverschärfung schon vor den Wahlen durch den Bundestag bringen will. Ähnliches haben wir schon in Österreich gesehen, wo die Christdemokrat:innen vor der Wahl sich gegen eine Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen FPÖ ausgesprochen hatten und jetzt auf dem besten Weg hin zur gemeinsamen Regierungskoalition sind. Schaut man sich das Programm abschließend an, merkt man, dass inhaltlich auch gar nicht so viel Differenzen zur AfD bestehen. Die Rhetorik ist zwar weniger rabiat und die Forderungen insgesamt weniger zugespitzt, aber der Grundton „Mehr Abschiebung, Bundeswehr und Polizei, weniger Sozialleistungen, Umverteilung von unten nach oben sowie eine Politik im Sinne deutscher Werte“ ist derselbe. Wo nichts „links, woke oder gegendert“ ist, um es mit Söders Worten zu sagen.
Doch was braucht es jetzt?
Zusammengefasst lässt sich auf jeden Fall sagen: Wir Jugendlichen haben mit dem Programm der CDU nichts zu gewinnen! Darüber hinaus zeigen uns ihre politische Perspektiven, dass der Kampf gegen Rechtsruck und Krise nicht nur einer gegen die AfD sein kann. Wir können uns bei diesem auch nicht auf ein Parteienverbot oder die „Einheit der Demokrat:innen“ verlassen. Wir sehen doch vor unseren Augen, wie die Brandmauer immer weiter bröckelt.
Es braucht vielmehr einen Zusammenschluss aller Organisationen der Arbeiter:innen und Unterdrückten, welcher nicht nur in moralischen Appellen, sondern durch konkreten Kampf gegen Rassismus, soziale Angriffe und für soziale Verbesserungen die Auseinandersetzung gegen den Rechtsruck führt. „Taktisches Wählen“ wird uns nicht vor rechter Politik bewahren. Es braucht eine solche Bewegung, welche sich an Schulen, Unis und in Betrieben verankert, um den Kampf voranzutreiben und letztendlich auch zu gewinnen! Wenn du auch diesen Schritt gehen willst, dann schreib uns an und lass uns gemeinsam den Kampf gegen Rechtsruck und Krise führen – in der Schule und auf der Straße!
Quelle: revolution… vom 7. Februar 2025
Tags: Arbeitswelt, China, Deutschland, Europa, Imperialismus, Politische Ökonomie, Russland, Ukraine, USA
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