90 Prozent der ukrainischen Medien wurden von USAID finanziert
Florian Rötzer. RSF spricht von der Förderung “unabhängiger” Medien. USAID soll nun Teil des Außenministeriums werden und offen nationale Interessen im Ausland fördern.
US-Präsident Donald Trump will mit der libertären Kettensäge und dem von Elon Musk geführten Department of Government Efficiency den Staat und seine Institutionen verkleinern, Ministerien schließen oder verschlanken, Personal in Massen abbauen und staatliche Ausgaben ausdünnen. Das wird auch als Kampf gegen den Marxismus bezeichnet. Getroffen hat es auch das Entwicklungsministerium USAID (United States Agency for International Development), das Trump eine „kriminelle Organisation“ nannte, und die meisten Ausgaben für Auslandshilfe. Manche vermuten, USAID habe den Zorn von Elon Musk auf sich gezogen, nachdem dessen Generalinspekteur eine Untersuchung von Starlink angeordnet hatte.
Die Website von USAID wurde ebenso abrupt geschlossen wie der X-Account und der Hauptsitz. Die über 10.000 Mitarbeiter sollen weltweit zuhause bleiben, nur Personal bestimmter Programme arbeitet weiter, das sollen nur ein paar Hundert sein. Das Budget in Höhe von 40-50 Milliarden US-Dollar ist eingefroren. USAID verwaltete einen Großteil der Auslandsgelder und arbeitete eng mit dem Außenministerium und dem Nationalen Sicherheitsrat zusammen. In 130 Länder flossen nach einem CSR-Bericht 2023 Gelder, am meisten nach Europa und dort in die Ukraine, in die seit 2022 alleine 46 Milliarden kamen. Der größte Posten der Ausgaben ging in „Governance“, also in politische Beeinflussung, gerne Unterstützung der Zivilgesellschaft und der Demokratie genannt.
Außenminister Marc Rubio wurde als Chef von USAID benannt und wird nach der vermutlich rechtswidrigen Zerschlagung die Folgebehörde in das Außenministerium eingliedern. Damit wird deutlich gemacht, dass Auslandshilfe direkt den außenpolitischen Interessen dienen wird. Rubio macht das auch klar: „Jeder Dollar, den wir ausgeben, solange ich Außenminister bin – und solange Präsident Trump im Weißen Haus sitzt – wird ein Dollar sein, der unsere nationalen Interessen fördert.“
Das war auch zuvor so, aber USAID hatte den Anschein der Unabhängigkeit erwecken sollen. Gegründet 1961 hat es mit seinen Programmen versucht, den Einfluss der USA durch humanitäre Hilfe, aber auch durch Unterstützung zahlreicher Initiativen, Medien und NGOs zu sichern und mitunter Regime Change zu befördern. Man kann annehmen, dass Trump die amerikanischen Interessen nicht mehr verdeckt, sondern brachialer durchsetzen wird.
Nach einem Bericht von UnlockAid „gingen fast neun von zehn Dollar, die USAID im Haushaltsjahr 2022 ausgab, an seine internationalen Vertragspartner, von denen die meisten in oder um Washington, DC, ansässig sind. Nur einer von zehn Dollar ging direkt an lokale Gruppen an vorderster Front, und vielleicht sogar noch weniger.“ 2023 soll die Hälfte der Gelder an nur 10 Institutionen gegangen sein. Die verteilen die Gelder weiter, allerdings soll kaum etwas ankommen:
„Forscher der University of Washington bezeichnen Amerikas Auslandshilfe als „phantom aid“, weil die in den USA ansässigen ‚Durchführungspartner‘ der US-Regierung den größten Teil des Geldes behalten, u. a. zur Bezahlung von Gehältern oder Fixkosten oder zur Verwaltung von Programmen. Nach ihrer Überprüfung eines typischen Gesundheitsprogramms werden z. B. in der Regel 15-30 % für die Fixkosten der beauftragten Organisation (manchmal auch mehr) bezahlt, weitere ~25 % für das Personal in der Zentrale und weitere ~25 % für das Personal, das in den Empfängerländern lebt, um die lokalen Partner zu verwalten. Damit verbleibt die Differenz für die eigentliche Programmdurchführung, die oft unter zahlreichen Organisationen aufgeteilt wird, die um geringe Beträge konkurrieren müssen. Auch die Gehälter der Vertragsnehmer liegen in der Regel weit über den lokalen Gehältern, manchmal um das Zehnfache, was zu Verzerrungen in der lokalen Wirtschaft und zur Abwanderung von Fachkräften führen kann.“ Kritisiert wird, dass USAID weitgehend intransparent arbeitet.
Reporter ohne Grenzen wurden durch das Vorgehen der Trump-Regierung aufgeschreckt, weil sich journalistische Organisationen, Journalisten und Medien, die Gelder von USAID erhalten haben, besorgt meldeten. RSF erklärte, „dass diese Maßnahme ein Vakuum schaffen wird, das Propagandisten und autoritären Staaten in die Hände spielt. Reporter ohne Grenzen (RSF) appelliert an die internationale Öffentlichkeit und private Geldgeber, sich für die Nachhaltigkeit unabhängiger Medien einzusetzen.“
Dass es wohl keine unabhängigen Medien sind, die an der Finanzierung durch USAID mit der Anbindung an amerikanische geopolitische Interessen hängen, scheint man bei RSF zu unterschlagen. RSF wird zur Hälfte von staatlichen Geldern finanziert, weitere 20 Prozent kommen aus Stiftungen wie National Endowment for Democracy oder Ford Foundation. Das Ausmaß der Steuerung ausländischer Medien macht RSF dennoch deutlich, auch wenn noch einmal gesagt wird, dass USAID „unabhängige“ Medien in mehr als 30 Ländern gefördert habe:
„Nach einem USAID-Dokument, das inzwischen offline genommen wurde, finanzierte die Behörde im Jahr 2023 die Ausbildung und Unterstützung von 6200 Journalisten, half 707 nichtstaatlichen Nachrichtenagenturen und unterstützte 279 zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Mediensektor, die sich für die Stärkung unabhängiger Medien einsetzen. Das Budget für Auslandshilfe 2025 enthielt 268.376.000 Dollar, die vom Kongress zur Unterstützung ‚unabhängiger Medien und des freien Informationsflusses‘ bereitgestellt wurden.“
Besonders betrifft die Einstellung der Gelder ukrainische Medien. Dort wurden 90 Prozent der Medien von USAID unterstützt, meist als Hauptgeldgeber, was natürlich auch bedeutet, dass die Berichterstattung amerikanischen Interessen entsprochen hatte. Dazu kommen Gelder von westlichen Staaten, um die ukrainische Bevölkerung mit den „richtigen“ Informationen zu versorgen. Jetzt laufen Gespräche, dass die EU-Staaten für USAID einspringen sollen.
Ukrainische Medien rufen zu Spenden auf. „Seit Jahren“, so Kyiv Independent, „werden unabhängige Nachrichtenredaktionen in der Ukraine durch Zuschüsse ausländischer Regierungen unterstützt, die es ihnen ermöglichen, ihre Gemeinden im Zeitalter von Propaganda und Desinformation mit korrekten Informationen zu versorgen.“
Der Rada-Abgeordnete Maryan Zablotskiy von der Präsidentenpartei „Diener des Volkes“ stellt sich hinter Trump und sieht eine Reform der USAID-Gelder als notwendig an: „Fast alle laufen auf endlose Gesprächsrunden und Konferenzen hinaus und sind daher mittelmäßig und bedeutungslos. Das zweite und wichtigste Problem besteht darin, dass die meisten dieser Gelder in den Vereinigten Staaten selbst verbleiben, als Nettogewinn der privaten Unternehmen, die diese Zuschüsse gewähren.“ Er listet einige Förderungen auf wie Unterstützung bei der Erstellung einer YouTube-Talkshow namens “Ebout” oder Unterstützung der Musikgruppe TVORCHI. Er meint: „Vielleicht braucht es jemand. Aber warum die amerikanischen Steuerzahler das brauchen, verstehe ich nicht ganz. Und warum bitten wir nicht um Gelder für etwas, das eindeutig notwendiger ist?“
Ob USAID, wie Trump und Konsorten behaupten, tatsächlich auch bestimmte westliche Medien – „Fake-News-Medien“ – wie Politico, New York Times, Reuters oder die Nachrichtenagentur AP, direkt mit Millionen unterstützt hatte, ist schwierig festzustellen. Die Medien erklären, sie hätten keine Zuwendungen von USAID erhalten, es habe lediglich ganz normale Abonnements gegeben. Wenn tatsächlich Millionen geflossen sind, wäre Zweifel angebracht.
Quelle: overton-magazin.de… vom 9. Februar 2025
Tags: Georgien, Imperialismus, Lateinamerika, Neoliberalismus, Neue Rechte, Politische Ökonomie, Ukraine, USA
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