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MAGA-Krise: Formiert sich eine Anti-Trump-Bewegung?

Submitted by on 28. November 2025 – 12:38

Hamza Khiri, Juan Andres Gallardo & James Dennis Hoff. Epstein-Akten, Regierungs-Shutdown und Millionen auf den Straßen. Trumps zweite Amtszeit ist geprägt von Machtkämpfen und Skandalen. Wie kann die Arbeiter:innenklasse den Widerstand gegen seine brutale Regierung in einem Moment der Schwäche auf die nächste Stufe heben?

Nur 11 Monate hat Trump gebraucht, um den perfekten Sturm zu entfachen, der zu seinem drastischsten Popularitätsverlust seit seinem Amtsantritt im Januar dieses Jahres geführt hat. Die wirtschaftliche Lage, die hohen Lebenshaltungskosten und die eingefrorenen Löhne, der größte Regierungsstillstand in der Geschichte, der Hunderttausende Menschen an den Rand der Verzweiflung gebracht hat, und der Verdacht, dass die Akten zum Fall Epstein zurückgehalten werden, belasten seine ohnehin schon angeschlagene Popularität, die nun auf nur noch 38 Prozent gesunken ist.

Der am Dienstag veröffentlichte Bericht der neuen Reuters/Ipsos-Umfrage liefert einige eindringliche Daten über den Imageverlust des Präsidenten, während die MAGA-Welt (Make America Great Again, die soziale Basis, die ihn an die Macht gebracht hat) in interne Machtkämpfe versinkt und die von Trump selbst angeheizten Verschwörungstheoretiker:innen den Druck auf die Regierung verschärfen. 

Die Einigkeit innerhalb der MAGA-Bewegung, die Trump im letzten Jahr zum Wahlsieg verhalf, scheint nun aufgrund der offensichtlichen Korruption und Misswirtschaft der US-Regierung zu bröckeln. Zunehmend gewinnen Figuren der US-amerikanischen Rechten an Prominenz, die ihre Unzufriedenheit mit Trump publik machen. Dies war abzusehen, da MAGA in den 10 Jahren seit dem ersten Wahlsieg Trumps mehrere Transformationen durchgemacht hat. Die Bewegung verbindet mittlerweile breite Teile der Bevölkerung mit einer Anti-Establishment Haltung: Von verarmten Arbeiter:innen der aussterbenden Kohleindustrie, über esoterische Impfgegner:innen und christlichen Fundamentalist:innen bis zu den faschistischen Milizen und der Alt-Right-Anhängerschaft. Ziel der Trump-Kampagne, die diese Gruppen unter dem Slogan “Make America Great Again” verband, war, die Korruption der Regierung und die Herrschaft der Elite zu beenden. Angesichts der bisherigen Aktivitäten der Trump-Regierung, der vielleicht korruptesten US-Regierung aller Zeiten, scheinen viele seiner Anhänger:innen desillusioniert zu sein. Seine Wähler:innenschaft, die zu einem großen Teil aus Arbeiter:innen im mittleren Westen besteht, sieht ihre Lebensgrundlage nach Jahren der Krise existenziell gefährdet. Doch anstatt der erhofften Wirtschaftsstabilisierung dank Trumps Sinn für “Deals”, werden ihnen Subventionen und Sozialleistungen massenhaft gestrichen. 

Wie aus dem Bericht von Reuters/Ipsos hervorgeht, ist der Rückgang der Zustimmungsrate nach Themen am stärksten in den Bereichen Wirtschaft und Lebenshaltungskosten. Wir erinnern uns, dass Trump die Wahl vor allem mit dem Versprechen gewonnen hat, die Kaufkraft wiederherzustellen, wodurch er seine Wähler:innenschaft sogar auf Teile der traditionell demokratischen Basis ausweiten konnte. Aber diese Versprechen wurden nicht nur nicht eingehalten, die wirtschaftlichen Bedingungen haben sich inmitten der Preissteigerungen, die auf den Zollkrieg folgten, der anhaltenden Stagnation der Löhne und der Verwerfungen, die die mehr als 40-tägige Schließung der Regierung in der heimischen Wirtschaft von Millionen Menschen verursacht hat, noch weiter verschlechtert. 

So wird im Bericht geschrieben: „In diesem Jahr wurde der Präsident besonders von der Wahrnehmung geplagt, dass er nicht genug tut, um Haushalten bei den täglichen Ausgaben zu helfen – ein Problem, das auch die Biden-Regierung hart getroffen und zu Trumps Sieg über Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris bei den Präsidentschaftswahlen im letzten Jahr beigetragen hat.“

„Die Inflationsrate ist seit Trumps Amtsantritt im Januar im historischen Vergleich hoch geblieben. Die Verbraucherpreise in den USA stiegen in den zwölf Monaten bis September um 3 Prozent, trotz der Abschwächung des Arbeitsmarktes. Etwa 65 Prozent der Befragten – darunter jede:r dritte Republikaner:in – sind mit Trumps Umgang mit den Lebenshaltungskosten unzufrieden.“

Skandal um Epstein-Akten

Zudem haben die neuen Enthüllungen rund um die Dokumente des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein in den USA eine politische Erschütterung ausgelöst, die im Zentrum der MAGA-Bewegung Wirkung zeigt. Die Enthüllung der “Client List“, die im Wahlkampf noch als triumphale Geste der Transparenz präsentiert wurde, ist inzwischen zu einer unkontrollierbaren Krise für Donald Trump und seine Verbündeten geworden.

Jeffrey Epstein war ein US-amerikanischer Finanzmagnat, der über Jahrzehnte hinweg ein Netzwerk von Beziehungen zur politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Elite der USA und der Welt aufgebaut hat. Der langjährige Freund Trumps betrieb ein Netzwerk für sexuellen Missbrauch und Handel mit Minderjährigen und veranstaltete Partys auf seiner Privatinsel, an denen einflussreiche Persönlichkeiten wie ehemalige Präsidenten, Mitglieder des Königshauses und Prominente aus der Unterhaltungsbranche teilnahmen.

Die Debatte um die Epstein-Akten erhielt erneut Aufmerksamkeit durch die Veröffentlichung von mehr als 20.000 E-Mails und Dokumenten im Zusammenhang mit dem Fall, die unter anderem direkte Verweise auf Trump enthalten. Darunter befinden sich Berichten zufolge auch Korrespondenzen, in denen Epstein erwähnt, dass Trump „mehrere Stunden mit einem der Opfer” in seinem Haus verbracht habe. Der Umgang des Weißen Hauses mit dem Fall verschlimmerte die Lage zusätzlich. In der entscheidenden Phase der Debatte setzte Trump Abgeordnete wie Lauren Boebert und Nancy Mace massiv unter Druck, ihre Unterstützung für eine vollständige Veröffentlichung der Akten zurückzuziehen. Diese Interventionen scheiterten jedoch. Und als deutlich wurde, dass die Offenlegung nicht mehr zu verhindern war, vollzog Trump eine abrupte Kehrtwende. In einem verspäteten Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen, erklärte er öffentlich, die Republikaner sollten „für die Veröffentlichung der Epstein-Akten stimmen, denn wir haben nichts zu verbergen“. Die Reaktionen innerhalb der republikanischen Partei offenbaren nun ein tiefer liegendes Problem. Führende Vertreter:innen des extrem rechten Flügels, darunter Marjorie Taylor Greene, haben die Haltung der Trump-Regierung scharf angegriffen und den Umgang mit den Akten als „rote Linie“ bezeichnet, als etwas, das selbst für überzeugte MAGA-Wähler:innen nicht akzeptabel ist. 

Schließlich hat das von den Republikanern kontrollierte Repräsentantenhaus am Dienstag die Maßnahme verabschiedet, mit der das Justizministerium aufgefordert wird, die Epstein-Akten zu veröffentlichen. Auch der Senat führte eine Abstimmung im Eilverfahren durch. Doch die ganze Episode hat ihren Schaden am Vertrauen der Basis bereits angerichtet. 

In dieser Zeit haben sich besonders rechte Figuren der MAGA-Bewegung profilieren können. So konnte Marjorie Taylor Greene, die bisher durch antisemitische und rassistische Verschwörungstheorien Bekanntheit erlangte, durch ihren öffentlich ausgetragenen Kampf gegen Trump als Stimme gegen die Elite, diesmal inklusive Trump, darstellen. Sie war eine der ersten Republikaner:innen, die die Veröffentlichung der Epstein-Akten forderte und die ihren Unmut über die Vertuschungsversuche äußerte. Außerdem konnte sie sich durch ihre Position gegen die Unterstützung Israels hervorheben, Als eine von wenigen US-Politiker:innen hat sie den Genozid in Gaza als ebensolchen benannt. Nun darf man nicht den Fehler machen, Taylor Greene wegen dieser Äußerungen als Verbündete oder als Stimme für Palästina zu deuten. 

Zum Einen vertrat Verschwörungstheorien – QAnon, jüdische Weltall-Laser, Landesweiter Wahlbetrug 2020 – die selbst Trump dazu veranlassten, sie als „Wacky Marjory“ (durchgeknallte Marjory) zu betiteln,  Zum Anderen ist sie eine Hetzerin, die Antifa und Black Lives Matter zu Terrorgruppen erklärt hat und mehrfach gesagt hat, dass muslimische Repräsentant:innen nicht in die Regierung gehören. Weil es fast keine anderen Stimmen im Parlament gibt, die sich gegen den Genozid aussprechen, konnte Taylor Greene und andere Figuren der extremen Rechten wie Candace Owens oder Nick Fuentes an Beliebtheit gewinnen. Der Genozid in Gaza und die Bombardierung Katars sowie die Verwicklung der USA in den „12-tägigen Krieg” zwischen Israel und dem Iran hatten bereits Ablehnung unter dem isolationistischen Teil seiner MAGA-Basis hervorgerufen, die in Frage stellten, dass es Interesse von „America First” liege, Israel zu helfen.

Diese Positionen wurden von Leuten wie dem Influencer und White-Supremacy-Aktivisten Nick Fuentes noch weiter verschärft, der kürzlich von dem Journalisten und Star-Moderator der konservativen Rechten, Tucker Carlson, interviewt wurde, wo Fuentes seinem Antisemitismus und Rassismus freien Lauf ließ. Das passiert, während in Foren von extrem rechten Trollen viele Anhänger von Fuentes, sogenannte Groypers, seit Monaten alle möglichen Verschwörungstheorien verbreiten. 

Die Umfragedaten zeigen auch, dass, obwohl Trumps Anhänger:innen mehrheitlich die brutale Behandlung von Migrant:innen und Massenabschiebungen oder die Entsendung der nationalen Garde in Staaten, die ihm nicht gehorchen, gutheißen, dies nicht ausreicht, um über die katastrophale Gesamtbilanz seiner Amtsführung hinwegzutäuschen.

Widerstand gegen Trump formiert sich

Im Schatten der parlamentarischen Unruhen formiert sich ein noch breiterer gesellschaftlicher Widerstand gegen die Trump-Regierung, der weit über parteiinterne Konflikte hinausreicht. Während sich im Kongress erste Absetzbewegungen abzeichneten und selbst loyale MAGA-Abgeordnete öffentlich Zweifel äußerten, gingen am 18. Oktober Millionen von Menschen auf die Straßen der USA. Die „No Kings“-Märsche, die bereits im Juni erstmals gegen die autoritäre Regierung demonstrierten, wuchsen im Oktober mit ca. 7 Millionen Teilnehmer:innen zu einer der größten Massenmobilisierungen gegen einen amtierenden US-Präsidenten in der jüngeren Geschichte an.

In Städten wie New York, Boston, Chicago, Los Angeles und San Diego strömten Hunderttausende zusammen. Allein in Chicago füllten bis zu 250.000 Demonstrierende dutzende Straßenblöcke um ihrem enormen Zorn über Trumps Umgang mit demokratischen Institutionen, seiner Außerkraftsetzung verfassungsrechtlicher Grenzen und dem Einsatz des Nationalgardisten gegen Zivilisten Ausdruck zu verleihen. Immer häufiger war dabei die Forderung nach einem Generalstreik zu hören. Noch aussagekräftiger sind die Proteste in zahlreichen Städten im mittleren Westen und Süden der USA, normalerweise republikanische Hochburgen, bei denen Tausende auf die Straße gingen. 

Diese Mobilisierungen richten sich nicht nur gegen Trumps autoritären Regierungsstil, sondern auch gegen konkrete Angriffe seiner Administration: Den massiven Einsatz von ICE gegen Migrant:innen, die militärische Präsenz auf den Straßen mehrerer Großstädte sowie wiederholte Übergriffe auf Gewerkschaften, trans-Feindlichkeit und die Unterstützung des Genozids in Gaza. Schilder, auf denen ICE als „Trumps Gestapo“ bezeichnet wurde, waren ebenso verbreitet wie Solidaritätsbekundungen mit Palästina. 

Dazu kommen die elektoralen Niederlagen der Republikaner. In New York konnte der sozialdemokratische Zohan Mamdani eindrucksvoll die Bürgermeisterwahlen für sich entscheiden, obwohl das Trump-Lager alles in seiner Macht stehende versuchte, um dies zu verhindern. Hinzu kommen Wahlniederlagen in Virginia und New Jersey, und eine erfolgreiche Abstimmung für eine Neuaufteilung der Kongresswahlkarte zugunsten der demokratischen Partei. Dieser Trend zeigt die wachsende Stimmung gegen das Trump-Regime, das sich auch an der Wahlurne manifestiert, dies ist jedoch keinesfalls gleichbedeutend mit einem Aufschwung der Demokraten, die den Kampf gegen die Rechte nicht annehmen werden.

Die aktuellen Entwicklungen offenbaren eher eine Anti-Trump-Haltung, die die Demokraten nicht als Rettung, sondern als kleineres Übel sieht. Dies zeigen auch ihre Beliebtheitswerte, die weiterhin Trumps unterirdische Werte unterbieten. Die „No Kings“-Proteste waren größtenteils von Gewerkschaften und NGOs organisiert, die der demokratischen Partei nahestehen. Diese versucht, wie schon bei Black Lives Matter, die Bewegung zu kooptieren und in eine Wahlmaschine für sich zu kanalisieren. Zwar spricht der Bürgermeister von Chicago von einem Generalstreik und andere Vertreter:innen über den Kampf gegen den ICE-Terror auf den Straßen, ihre realen Taten bleiben jedoch weit dahinter. Die Krise der demokratischen Partei seit der Wahlniederlage 2016 hat sie mittlerweile ihre Hegemonie über die Arbeiter:innenklasse gekostet. Zu oft sind sie mit halbgaren Maßnahmen Trumps Angriffe begegnet und immer wieder in internen Machtkämpfen den progressiven Flügel um Bernie Sanders unterbunden. 

Um tatsächlich einen wirksamen Widerstand gegen Trump aufzubauen, braucht es die Selbstorganisierung der Arbeiter:innenklasse. Diese hat nun mehrmals mit riesigen Mobilisierungen gezeigt, dass sie gewillt ist zu kämpfen. Sie darf sich nicht erneut der verräterischen Volksfront der demokratischen Partei ergeben, die in der nächsten Amtsperiode die Angriffe auf die Arbeiter:innen fortsetzen wird. Es braucht Maßnahmen, die einen Generalstreik im ganzen Land tatsächlich umsetzbar machen, das bedeutet, dass alle Arbeiter:innen in ihren Betrieben für demokratische Versammlungen einstehen müssen, in denen sie notwendige Maßnahmen besprechen. Es braucht Gewerkschaften, die sich von der Bürokratie der demokratischen Partei lösen und tatsächlich bis zum Ende mit streikenden Arbeiter:innen kämpfen. Es braucht landesweite Koordinierung von unabhängigen Streiks und Protesten, die sich nicht bloß gegen die schlimmsten Angriffe von Trump verteidigt, sondern einen langfristigen Prozess führt, indem sie das kapitalistische System auseinandernimmt, dass sie immer wieder in solche Krisen stürzen wird. Dafür braucht es endlich eine echte revolutionäre Arbeiter:innenpartei in den USA, die über die Verwaltung des Kapitalismus durch Demokraten und Republikaner, hinausgeht. 

In diesem Sinne veröffentliche unsere US-amerikanische Schwesterzeitung Left Voice einen Aufruf an die Democratic Socialists of America (DSA), die der demokratischen Partei untersteht, ihre Verbindung zu dieser bürgerlichen Partei zu trennen und den Schritt zum Aufbau einer sozialistischen Arbeiter:innenpartei zu unternehmen. 

Quelle: klassegegenklasse.org… vom 28. November 2025

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