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Portugal: Generalstreik gegen Angriffe auf das Arbeitsrecht

Submitted by on 2. Dezember 2025 – 10:58

Mit ihrer Reform „Arbeit XXI“ bereitet die rechte portugiesische Regierung die brutalste Attacke auf die Rechte von Arbeiter:innen seit der Troika vor. Doch nun sieht sie einer Rückkehr des Generalstreiks entgegen, der für den 11. Dezember angekündigt ist: der erste seit zwölf Jahren.

„Ein echter Eingriff in die Rechte von Arbeiter:innen“. So bezeichnet der Allgemeine Zusammenschluss der Portugiesischen Arbeiter (CGTP) das Projekt der rechten Regierung von Luís Montenegro (PDS/CDS). Am 24. Juli legte die Exekutive dem Parlament das Maßnahmenpaket „Arbeit XXI“ vor: über hundert Änderungen des Arbeitsgesetzbuches, die eine tiefgreifende Überarbeitung und einen Frontalangriff auf die geltende Arbeitsgesetzgebung darstellen. Die Maßnahmen betreffen Bereiche wie Elternschaft, flexible Arbeitszeiten, die Probezeit, Gewerkschaftsfreiheit und das Streikrecht selbst.

Ein Angriff auf die schwächsten Arbeiter:innen

In einem etwa 15-seitigen Dokument mit dem Titel „Gründe für den Kampf gegen die Vorschläge der PSD/CDS-Regierung“ prangert die CGTP (die größte portugiesische Gewerkschaft) eine Reform an, die nach den Vorstellungen von Unternehmen gestaltet wurde und „ein Modell auf der Grundlage von Niedriglöhnen und prekären Arbeitsverhältnissen“ ausbaut. Unter den Vorschlägen ist insbesondere die Ausweitung der Gründe für befristete Arbeitsverträge hervorzuheben, darunter auch Situationen, in denen Arbeiter:innen langzeitarbeitslos sind, eine erste Anstellung suchen oder im Ruhestand sind – eine Maßnahme, die diejenigen, die bereits in prekären Positionen auf dem Arbeitsmarkt sind, noch angreifbarer machen wird.

In Portugal betrafen befristete Arbeitsverträge – ob über einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum – im Jahr 2022 laut Angaben der Zeitung Eco 31 Prozent der Erwerbstätigen, gegenüber 24 Prozent im Jahr 2010. Bei den Jüngsten liegt dieser Anteil bei über der Hälfte. Dies ist ein deutlicher Anstieg der Prekarität, und 80 Prozent dieser Beschäftigten geben an, sich unfreiwillig in dieser Situation zu befinden.

Das neue Maßnahmenpaket zur Arbeit sieht auch Erleichterungen für die Auslagerung von Arbeitsplätzen an Subunternehmen vor. Bislang war es einem Unternehmen, das Arbeitsplätze abgebaut oder Massenentlassungen vorgenommen hatte, ein Jahr lang untersagt, auf Outsourcing zurückzugreifen. Die Regierung möchte dieses Verbot aufheben, damit Unternehmen leichter festangestellte Arbeiter:innen durch weniger geschützte Leiharbeiter:innen ersetzen können, was auch die Tarifverträge schwächt.

Der Gesetzentwurf ist auch ein Angriff auf „uberisierte“ Arbeitnehmer:innen. Die Zahl der Scheinselbständigen ist exponentiell gestiegen: In den 2000er Jahren wurden etwa 59.000 Arbeitnehmer:innen auf Rechnung bezahlt (in Portugal als „Recibos Verdes“ bezeichnet, ein Instrument für Selbständige); 2013 waren es bereits 286.000, die diesem System angehörten, und 2023 waren es laut Jornal de Notícias mehr als eine halbe Million.

Im Durchschnitt verdienen sie 541 Euro pro Monat, also deutlich weniger als den nationalen Mindestlohn, der derzeit bei 870 Euro liegt. Dabei handelt es sich schon um einen der niedrigsten in Europa, der angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten, insbesondere für Wohnraum, völlig unzureichend ist.

Ein Großteil dieses Anstiegs ist auf Gesetzesänderungen in den letzten Jahrzehnten zurückzuführen, die zu einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes geführt haben. Viele Unternehmen haben traditionelle Arbeitsverträge durch Dienstleistungsverträge ersetzt und damit die Risiken und Kosten auf die Arbeiter:innen abgewälzt. Arbeitgeber:innen, die diese „uberisierten“ Beschäftigten im Rahmen des „Recibos verdes“-Systems einstellen, zahlen keine Sozialabgaben und garantieren keine Rechte wie Urlaub, Zulagen oder Abfindungen. Dieser Trend hat sich mit den Krisen von 2008 und 2011 bis 2014 verstärkt und auch nach dem wirtschaftlichen Aufschwung angehalten, sogar im öffentlichen Dienst. Die meisten dieser Arbeitnehmer:innen üben Tätigkeiten aus, die mit einer Festanstellung vergleichbar sind, und etwa 15 Prozent von ihnen arbeiten für ein einziges Unternehmen. Bislang galt jede Person, die mehr als 50 Prozent ihres Einkommens von einem einzigen Unternehmen bezog, als „wirtschaftlich abhängig“ und hatte in bestimmten Fällen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Mit dem neuen Gesetz steigt diese Schwelle auf 80 Prozent, wodurch viel mehr Arbeiter:innen im Falle eines Arbeitsplatzverlustes ohne jeglichen Schutz dastehen.

Jede Möglichkeit des Widerstands verhindern

Eine weitere umstrittene Änderung betrifft Entlassungen. Im Falle einer rechtswidrigen Entlassung müssen Beschäftigte, die ihre Wiedereinstellung beantragen, eine Kaution beim Gericht hinterlegen. Selbst wenn das Gericht die Entlassung als rechtswidrig anerkennt, kann sich das Unternehmen für eine finanzielle Entschädigung anstelle einer Wiedereinstellung entscheiden. Wie viele prekär Beschäftigte mit Familien, die sie versorgen müssen, werden es unter diesen Umständen wagen, vor Gericht zu ziehen? Diese Maßnahme stellt auch einen indirekten Angriff auf die Gewerkschaften dar, da sie die Entlassung von Arbeitnehmervertreter:innen mit einem Federstrich erleichtert.

Auch das Streikrecht wird eingeschränkt. Die Regierung beabsichtigt, die Zahl der Sektoren, die der Mindest- oder Notdienstpflicht unterliegen, auszuweiten. In kleinen Unternehmen, in denen es keine Gewerkschaften gibt, hängt künftig sogar das Aushängen von gewerkschaftlichen Informationen von der Genehmigung des Unternehmens ab. Darüber hinaus können die Arbeitszeiten durch die Einrichtung einer „Stundenbank“ dereguliert werden. Dann werden unbezahlte Überstunden ermöglicht, die möglicherweise durch Freizeit ausgeglichen werden, was zu Überlastung und einer Verkürzung der Ruhezeiten führt.

Schließlich betrifft der Vorschlag auch den persönlichen Bereich der Arbeiter:innen: Er sieht Änderungen beim Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub sowie bei Stillpausen vor und streicht das Recht auf Urlaub bei Fehlgeburten – Maßnahmen, die einen deutlichen Rückschritt im Bereich des Familien- und Sozialrechts darstellen.

Kampf gegen die neue neoliberale Offensive

Es handelt sich um einen der schwersten Angriffe auf das Arbeitsrecht seit der Troika, vor dem Hintergrund einer allgemeinen Beschleunigung neoliberaler Reformen. Nicht dass sich das Leben der Arbeiter:innen unter der Regierung der Sozialistischen Partei verbessert hätte: Diese hat alle vom IWF auferlegten Strukturreformen beibehalten und jeden Versuch eines groß angelegten Streiks unterstützt von ihrer Gewerkschaftszentrale UGT unterbunden. Dadurch hat sie den Weg für eine noch reaktionärere extreme Rechte geebnet.

Aber die Rückkehr der Rechten an die Macht, Hand in Hand mit der extremen Rechten von Chega – die vorgibt, die Arbeiter:innen zu verteidigen, aber systematisch für die arbeiterfeindlichsten Maßnahmen stimmt – bedeutet eine Verschärfung der Offensive gegen die am stärksten Unterdrückten und Ausgebeuteten: Jugendliche, Frauen, rassistisch unterdrückte und prekär lebende Menschen.

Die Demonstration gegen die Reform am Samstag, dem 8. November, war ein großer Erfolg: Nach Angaben der Organisator:innen gingen in Lissabon 100.000 Menschen auf die Straße – ein Erfolg in Portugal. Dieser Tag muss als Ausgangspunkt für einen erfolgreichen Generalstreik am 11. Dezember dienen, zu dem die Gewerkschaften CGTP und UGT aufgerufen haben. Der letzte Generalstreik in Portugal fand 2012 statt, als das Land in der Staatsschuldenkrise steckte. Es ist notwendig, eine möglichst breite Streikbewegung aufzubauen, die den laufenden Angriffen gewachsen und fähig ist, die Regierung zum Einlenken zu bewegen, aber auch mehr Rechte zu erringen, wie z. B. Lohnerhöhungen, die Übernahme von Leiharbeiter:innen in Festanstellungen und die Beendigung prekärer Arbeitsverhältnisse. Die Empörung ist groß, wie auch der Streiktag im öffentlichen Dienst am 24. Oktober gezeigt hat, an dem je nach Branche zwischen 80 und 90 Prozent der Beschäftigten teilnahmen.

Quelle: klassegegenklasse.org… vom 2. Dezember 2025

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