Der finanzmarktgetriebene Kapitalismus – eine bürgerliche Irrlehre
Guenther Sandleben. Wer einigermaßen mit der ökonomischen Literatur vertraut ist wird wissen, dass die Vorstellung von der Herrschaft des Finanzkapitals zu einer herrschenden Lehre geworden ist. Die politische Bedeutung dieser Lehre ist nicht zu unterschätzen. Sie ist Sammelpunkt einer diffusen Kapitalismuskritik, die politisch von weit rechts bis hin zu linksorientierten Diskursen reicht. Stephen Bannon z.B., Chefberater von Trump und Ideengeber für die Wende hin zu „America First”, soll ein „scharfer Kritiker des Finanzkapitalismus” sein[i].
Auch viele „Marxisten” teilen noch immer diese Theorie und geben den Versuch nicht auf, sie mit der Kritik der politischen Ökonomie von Marx zu verbinden. Das bisherige Resultat solcher Bemühungen ist nicht nur ein brutaler Eklektizismus, der untauglich ist, die sich vor unseren Augen abspielenden ökonomischen Katastrophen zu begreifen, sondern auch eine völlige Verunstaltung der Marxschen Theorie.
Dies führt zur These, dass die Lehre vom finanzmarktgetriebenen Kapitalismus selbst in den „marxistischen” Variationen nicht über das theoretische Feld bürgerlicher Argumentationsweisen hinausgekommen ist. Sie hat mit der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie nur insofern etwas zu tun, als sie diese in apologetischer Absicht bürgerlich uminterpretiert und dabei verfälscht. Unter falscher Flagge wird gesegelt. Solche Fälschungsversionen bilden Blockaden in der Aneignung der Kritik der politischen Ökonomie und eines kritischen Verständnisses des Bestehenden. Dagegen richtet sich der folgende Artikel, der ganz dem Motto folgt:
„Vergesst die Marxisten, lest Marx! Denn der ist modern.”[ii]
Inzwischen hat sich zwar wegen der offensichtlichen Schwäche der Banken und der niedrigen Zins- bzw. Verwertungsraten von Finanzkapitalen die theoretische Diskussion etwas verlaufen, eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Lehre hat aber nicht stattgefunden. Auch viele „Marxisten” teilen noch immer die Vorstellung von der Herrschaft des Finanzkapitals und geben den Versuch nicht auf, sie mit der Kritik der politischen Ökonomie von Marx zu verbinden. Das bisherige Resultat solcher Bemühungen ist nicht nur ein brutaler Eklektizismus, der untauglich ist, die sich vor unseren Augen abspielenden ökonomischen Katastrophen zu begreifen, sondern auch eine völlige Verunstaltung der Marxschen Theorie. Aus der einstigen Kritik der politischen Ökonomie ist eine Rechtfertigungslehre bestehender Verhältnisse geworden.[iii]
Nachfolgend wird die These entwickelt, dass die Lehre vom finanzmarktgetriebenen Kapitalismus selbst in den „marxistischen” Variationen nicht über das theoretische Feld bürgerlicher Argumentationsweisen hinausgekommen ist. Sie hat mit der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie nur insofern etwas zu tun, als sie diese in apologetischer Absicht bürgerlich uminterpretiert und dabei verfälscht. Unter falscher Flagge wird gesegelt. Solche Fälschungsversionen bilden Blockaden in der Aneignung der Kritik der politischen Ökonomie und eines kritischen Verständnisses des Bestehenden.
Grundzüge der Lehre von der Dominanz der Finanzmärkte
Die Lehre von der Dominanz der Finanzmärkte präsentiert sich unter verschiedenen Namen: In Formulierungen wie „Raubtierkapitalismus”, „Hierarchie der Märkte”, „finanzmarktgetriebener Kapitalismus”, „finanzgetriebene Akkumulation”, „finanzkapitalistisches Akkumulationsregime”, „finanzinvestorengetriebener Kapitalismus” oder schlicht „Finanzmarktkapitalismus” (FMK) ist die Dominanz des Finanzsektors eingraviert. Sämtliche Vorstellungen laufen darauf hinaus, dem aufgeblähten Finanzsektor und den dort handelnden Akteuren eine dominante Stellung in der Wirtschaft einzuräumen. Finanzmärkte und Finanzinvestoren darunter die Banken sollen die Warenproduktion, die häufig als „Realökonomie” bezeichnet wird, bestimmen, indem sie die Profitorientierung in der Produktion erzwingen und darüber entscheiden, in welchem Umfang überhaupt investiert werden soll. Begriffe wie „Hierarchie der Märkte” mit dem Finanzsektor als zentraler Steuerungsgröße oder „finanzmarktgetriebener” bzw. „finanzinvestorengetriebener Kapitalismus” verweisen auf die Dominanz der Finanzmärkte bzw. der Finanzinvestoren. Lucas Zeise macht darauf aufmerksam, „dass die These von der Herrschaft des Finanzkapitals – in dieser oder jener Formulierungsvariante – mittlerweile Allgemeingut geworden ist”[iv]. Dies gilt vor allem für den linken Mainstream, wobei nicht übersehen werden sollte, dass die FMK-Theorie schon frühzeitig auf heftige Kritik stieß, die in jüngster Zeit mehr Beachtung zu finden scheint.[v]
Dominanz heißt, dass Finanzmärkte Industrie und Handel antreiben, oder – wie es Joachim Bischoff ausdrückte – „dass das Leihkapital und seine Anlageformen die industriellen und merkantilen Operationen des gesamtgesellschaftlichen Kapitals beherrschen.”[vi] „Finanzinvestoren”, darunter Banken, Versicherungsunternehmen, Hedgefonds, Pensions- und Investmentfonds seien heute die „mächtigsten Agenten des modernen kapitalmarktgetriebenen Kapitalismus”.[vii]
Die Dominanz-These weist in ihrer vollständigen Ausgestaltung drei Argumentationsstufen auf:
- Allgemeine Grundlage ist die These von der Herrschaft des Geldes über die Ware.
- Die zweite Ebene der Argumentation lautet: Geld schafft den Zins und der Zins spielt eine besondere Rolle nicht nur für die Verwertung des Finanzkapitals sondern auch für das in Industrie und Handel angelegte Kapital.
III. Auf der dritten Argumentationsstufe ist der zentrale gesamtwirtschaftliche Zusammenhang formuliert: Der Finanzsektor beherrscht die Industrie.
Jörg Huffschmid hat in der deutschsprachigen Diskussion die These von der Vormacht oder Herrschaft der Finanzmärkte bzw. Finanzinvestoren maßgeblich befördert. Zahlreiche Aufsätze, vor allem aber seine populäre Schrift „Politische Ökonomie der Finanzmärkte”, geschrieben Ende der 1990er Jahre und als „epochales Werk”[viii] gewürdigt, prägten die Diskussion. Die Dominanz-These wurde theoretischer Bezugspunkt für ein breites Spektrum politischer Bewegungen und Organisationen, die sich im Umfeld der 2007 einsetzenden großen Krise zusammenfanden, darunter globalisierungskritische Autoren von Attac, die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (Memorandum-Gruppe), die Euro-Memo-Group, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, große Teile der Gewerkschaften und der Hans-Böckler-Stiftung, diverse Zeitschriften, darunter „Blätter für deutsche und internationale Politik” und „Sozialismus”.
- Herrschaft des Geldes über die Ware
Schon immer tat sich die ökonomische Theorie schwer, das Geld zu begreifen. Geld wird definiert, statt erklärt. Es soll das Medium oder der Gegenstand sein, der Geldfunktionen erfüllt. Wie es zu diesen Geldfunktionen kommt, wird nicht gesagt. Nehmen wir die wichtige Funktion des Geldes als Wertstandard. Von ihr wird gesagt, dass sie die verschiedenen Arten des stofflichen Reichtums einer Gesellschaft vergleichbar machen würde. Wie kann das möglich sein? Wie sollen Papierzettel mit dem Aufdruck Euro, Dollar, Yen etc. der Güterwelt mit ihren vielfältigen Gebrauchswerten einen gemeinsamen Nenner schenken können? Das ist Zauberei!
Marx hat das Geldrätsel gelöst, indem er nachwies, dass in unserer Zeit die Güter keineswegs bloße Gebrauchswerte sondern Waren sind, also neben dem Gebrauchswert noch einen Wert, der sich als Tauschwert darstellt, besitzen würden. Das Spezifische der Warenform bestehe in der Wertform, die sich weiter entwickeln würde zur Geldform.
An dieser Stelle sei schon der Hinweis erlaubt, dass der Geld- und Finanzsektor in der Theorie von Marx keineswegs etwas von der „Realproduktion” Abgetrenntes sein kann, sondern dass die als Waren produzierten Güter die Geldform notwendig besitzen müssen. Das Geld dient als Erscheinungsform der Warenwerte, d. h. die Warenwerte können sich im Geld als gleichnamige, qualitativ gleiche und quantitativ vergleichbare Größen darstellen. Diese wissenschaftliche Erkenntnis des Geldes hat große Bedeutung für die Erklärung von Krisen, deren Wurzeln in der Warenproduktion stecken und die deshalb nicht oberflächlich als Krisen der Finanzmärkte gedeutet werden können.
Wie positioniert sich in dieser Frage die FMK-Theorie? Die zentrale These, wonach der Finanzsektor die Realökonomie beherrschen würde, verweist auf die Zweiteilung und Gegenüberstellung beider Sektoren: Auf der einen Seite das Geld und der daraus hervorgehende Kredit, auf der anderen Seite steht eine heterogene Güterwelt. Die Ökonomie zerfällt in zwei Parallelwelten, die unvermittelt existieren sollen. Diese Zweiteilung von monetärem und realem Sektor durchzieht die gesamte bürgerliche Theoriegeschichte, die bis heute das von Marx gelöste Geldrätsel weitgehend ignoriert.
Schon vor etwa 150 Jahren brachte Marx seine Kritik an dieser Dichotomisierung der Ökonomie auf den Punkt als er in den Theorien über den Mehrwert vermerkte:
„Hier wird also erstens Ware, in der der Gegensatz von Tauschwert und Gebrauchswert existiert, in bloßes Produkt (Gebrauchswert) und daher der Austausch von Waren in bloßen Tauschhandel von Produkten, bloßen Gebrauchswerten, verwandelt. Es wird nicht nur hinter die kapitalistische Produktion, sondern sogar hinter die bloße Warenproduktion zurückgegangen.” In dem Wort „Produkt”, so Marx weiter, werde das „Wesen der Ware und der in ihr liegende Widerspruch unterdrückt.”[ix]
Marx bezog seine Kritik auf das „kindische Geschwätz eines Say” – ein französischer Ökonom, der bis heute durch das nach ihm benannte „Saysche Theorem” bekannt geblieben ist. Während diese klassisch-neoklassische Traditionslinie im Geld eine bloß verschwindende Form des Austauschs – eine Art Schleier – sieht, verwandelt die FMK-Theorie das Geld in eine die Güterwelt beherrschende Macht. Im Zentrum steht die These von der „Nichtneutralität des Geldes”. Dahinter steckt eine besondere Auffassung vom Geld, die sich nicht auf Marx, sondern auf John Maynard Keynes beruft und den Kern des heutigen Monetärkeynesianismus[x] bildet.
Das Dominanzverhältnis von Geld und Ware im Monetärkeynesianismus
Wenn dieser Keynesianismus die „Nichtneutralität des Geldes” proklamiert und die monetären Grundlagen der klassisch-neoklassischen Theorie angreift, dann bedeutet das keineswegs, dass das „kindische Geschwätz eines Say” zur Dichotomisierung der Ökonomie in Güter- und Geldsphäre kritisch überwunden worden wäre. Die theoretische Trennung beider ökonomischer Sphären dient auch dem Monetärkeynesianismus als Ausgangspunkt, nur mit dem Unterschied, dass die Gütersphäre nicht als ein sich eigengesetzlich steuernder Bereich mit dem Geld als bloßem Schleier darüber gesehen wird. Es soll sich anders herum verhalten: Geld besitzt angeblich eine „Steuerungsfunktion” und dominiert den „Gütermarkt”.
Die äußerliche Gegenüberstellung von Geld- und Gütersphäre mit dem Geld als übergreifender Macht offenbart eine entscheidende Schwäche der monetär-keynesianischen Dominanzthese. Es entsteht das Rätsel, weshalb Waren im Geld eine gemeinsame Wertform erhalten können, wenn sie – reduziert auf heterogene, inkommensurable Güter – keine Gemeinsamkeit untereinander besitzen.
Mit einer solchen Interpretationsweise von Waren wird nicht nur deren spezifischer Charakter ausgeblendet, also genau das gemacht, was Marx an der Sayschen Produkttheorie kritisierte. Auch die Bestimmung des Geldes, etwas Gemeinsames zu verkörpern und gegen jede beliebige Ware austauschbar zu sein, kann unmöglich aus einer heterogenen Güterwelt hervorgehen. Sie muss so aufgefasst werden, als habe sie einen Ursprung, der mit den Gütern nichts zu tun hat.
Say bildete sich ein, dass der Geldcharakter unmittelbar aus der stofflichen Natur des Goldes entstehe, eine Fehlinterpretation, die Marx als „Magie des Geldes”, oder als „Geldfetisch” bezeichnete, der „nur das sichtbar gewordene, die Augen blendende Rätsel des Warenfetischs” sei.[xi] Zur Lösung des Geldrätsels fehlt die verbindende Wert- und Geldtheorie.
Keynes und die Monetärkeynesianer setzen der Güterwelt ein Geld gegenüber, dessen Ursprung nicht weniger mysteriös ist. Es soll nicht aus den Eingeweiden der Erde herauskommen, sondern stattdessen aus den Gelddruckmaschinen der Notenbanken. Der Staat soll die Macht besitzen, Papierzetteln durch seinen Stempel in Geld zu verwandeln.
Die Frage, wie ein solcher Stempel den Papierzetteln die Geldeigenschaft stiften kann, die darin besteht, sich gegen jede andere Ware auszutauschen, ist auf diese Weise nicht zu beantworten. Statt die Voraussetzungen des Geldes zu klären, setzt der Monetärkeynesianismus die Bestimmungen des Geldes als gegeben voraus. Geld wird zu einer technischen Angelegenheit.
Das hier ungelöst gebliebene Geldrätsel lässt zugleich die Frage offen, durch welchen ökonomischen Prozess die heterogene Güterwelt gleichnamig gemacht wird. Wodurch verwandeln sich Güter in Waren? Für Monetärkeynesianer wie für Neoklassiker entsteht die gemeinsame Qualität der Ware durch das Geld, das den Waren ihren Wert stiften soll. Anders ausgedrückt: Erst das Geld verwandelt die heterogenen Güter in Waren. Hansjörg Herr, ein Monetärkeynesianer, bringt diese mysteriöse Funktion des Geldes auf den Punkt, wenn er schreibt:
Geld auf Warenmärkten ist als Wertstandard von zentraler Bedeutung, „weil es die verschiedenen Arten des stofflichen Reichtums einer Gesellschaft erst vergleichbar(!) macht…Geld als Wertstandard erzeugt(!) erst die (Be-)Rechenbarkeit ökonomischer Prozesse.”[xii] Im Lehrbuch wird später zu dieser „Geldfunktion Wertstandard” folgendes vermerkt: „Geld als Wertstandard(!) ist grundsätzlich eine Nicht-Ware und wird der Güterwelt von außen(!) vorausgesetzt”.[xiii]
Offenkundig ist, dass die Waren im Preis eine gemeinsame Qualität haben, die sie als Güter nicht besitzen würden. Dass staatlich gedruckte Papierzettel dafür die Ursache sein sollen, ist überhaupt nicht einsehbar. Wie sollte eine solche „Nicht-Ware” heterogene Güter in gleichnamige Waren verwandeln? Dieser Umwandlungsprozess bleibt ein unergründliches Geheimnis, das ohne Klärung des inneren Zusammenhangs von Waren und Geld, also ohne Werttheorie und der daraus hervorgehenden Frage nach der Notwendigkeit des Geldes nicht gelüftet werden kann.
Halten wir fest: Wenn Geld die Kraft besitzt, Güter in Waren zu verwandeln und auf diese Weise deren Wert stiftet, dann dominiert es die Ware.
Zur Bedeutung von Silvio Gesell
Die These von der Herrschaft des Geldes über die Ware ist keineswegs eine monetär-keynesianische Erfindung. Keynes verweist in seinem bekannten Werk „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes” (1936) auf den „zu Unrecht übersehenen Propheten Silvio Gesell (1862 – 1930)”, dessen Werk „Einfälle tiefer Einsicht enthält”.[xiv]
Tatsächlich hat Gesell das Dominanzverhältnis von Geld und Ware in grundsätzlich gleicher Weise bestimmt wie Keynes, was zu dem Vorwurf führte, Keynes habe die Geld-, Zins- und Kapitaltheorie Gesells plagiiert[xv]. Da die monetär-keynesianische Dominanzthese – wie noch gezeigt wird – auch auf den nächsten zwei Argumentationsstufen eine große strukturelle Ähnlichkeit mit der Argumentation von Gesell besitzt, lässt sie sich als gesellianisch-keynesianisch charakterisieren.
Die Vorstellung von der Herrschaft des Geldes über die Ware hat die marxistisch ausgelegten FMK-Theorien stark geprägt. Unter ihrem Einfluss wurde die Werttheorie, das Herzstück der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie, in eine „monetäre Werttheorie” umgemünzt. Ein bedeutender Vertreter ist Michael Heinrich.
Der Beitrag der monetären Wertlehre zur Dominanzthese
Monetär nennt sich diese Wertlehre deshalb, weil hier das Geld eine die Werte schaffende Kraft besitzen soll. Allerdings hat Heinrich den auffallend engen Bezug seiner Wertlehre zum Monetärkeynesianismus nicht thematisiert. Stattdessen versucht er den Eindruck zu erwecken, seine Wertlehre sei Resultat einer „neuen Marxlektüre”, die zur Beseitigung von Fehlern und Inkonsistenzen geführt habe, die Marx wegen des nicht immer gelungenen „Bruchs mit dem theoretischen Feld der klassischen politischen Ökonomie” unterlaufen wären.
Wie an anderer Stelle näher ausgeführt, läuft Heinrichs monetäre Wertlehre auf „die völlige Auflösung der Marxschen Werttheorie unter dem Schein ihrer konsequenten Ausführung” hinaus[xvi]. Er betreibt eine „Keynesianisierung der Marxschen Theorie”[xvii], mit der Konsequenz, dass sich die uminterpretierten Geld- und Wertkategorien für die in der FMK-Theorie enthaltene Dominanzthese verwerten lassen.
Die zentrale Vorstellung des Monetärkeynesianismus, dass Geld völlig ohne Geldware auskommen würde, dass es heutzutage reines Zeichengeld der Zentralbank also eine Nicht-Ware sei und der Güterwelt äußerlich gegenüberstehe, ist in der monetären Wertlehre ebenso fest verankert wie die Auffassung, dass die Güter ihre Werte und damit ihren Warencharakter erst im Austausch durch den Bezug auf Geld erhalten würden.
In der monetären Wertlehre gehen die produzierten Dinge in den Austausch, ohne dass sie Werte besitzen. Sie sind nur stofflich verschieden.
„Gebrauchswerte werden also erst(!) innerhalb und durch(!) den Austausch zu Waren”, schreibt Heinrich und er stellt immer wieder den Punkt heraus, „dass die Produkte ihre Wertgegenständlichkeit erst im Austausch(!) erhalten, vor dem Austausch also noch gar keine(!) Waren sind”.[xviii] Der Wert existiert nur „als Bezug der Ware auf Geld”, heißt es später. „Nur indem die Waren auf Geld bezogen werden, kann sich ein kohärenter gesellschaftlicher Zusammenhang zwischen den verschiedenen Privatarbeiten herstellen”.[xix]
Konsequent ist es, wenn Heinrich im Gegensatz zur Marxschen Wertbestimmung nicht mehr in der Arbeitszeit das Größenmaß des Werts sieht, sondern im Geld[xx], denn schließlich soll es für die Wertbildung zuständig sein.
Heinrich sagt – gelegentlich verklausuliert: Güter werden durch das Geld kommensurabel gemacht, indem es den Wert stiftet. Das ist die gleiche Auskunft über die zentrale Funktion des Geldes, die Hansjörg Herr gegeben hat. Diese Vorstellung vom Geld ist tief verwurzelt in der bürgerlichen Theorie. Beide sind in diesem theoretischen Feld stecken geblieben. Beide ignorieren den theoretischen Inhalt der wissenschaftlichen Revolution von Marx.
Marx hat das direkte Gegenteil geschrieben:
„Die Waren werden nicht durch das Geld kommensurabel. Umgekehrt. Weil alle Waren als Werte vergegenständlichte menschliche Arbeit, daher an und für sich kommensurabel sind, können sie ihre Werte gemeinschaftlich in derselben spezifischen Ware messen und diese dadurch in ihr gemeinsames Wertmaß oder Geld verwandeln”.[xxi]
Hier ist das Geld äußeres Maß der in den Waren schon existierenden Werte, nicht der Schöpfer der Werte. Es misst, was in der Ware vorhanden ist. Es dominiert nicht die Ware. Vielmehr ist Geld eine Konsequenz der Ware.
Heinrichs monetäre Wertlehre wiederholt einerseits das „kindische Geschwätz eines Say”, worin das „Wesen der Ware und der in ihr liegende Widerspruch unterdrückt” (Marx) wird, andererseits wird Say‘s vulgärökonomische Botschaft monetär-keynesianisch durch die These von der Dominanz des Geldes korrigiert.
Die monetäre Wertlehre stellt die Marxschen Werttheorie auf den Kopf. Sie dementiert wesentliche Zusammenhänge und ist keineswegs deren Rekonstruktion. Dass sie in der mehr marxistisch ausgelegten FMK-Theorie weit verbreitet ist, beweist nur, dass die Verwendung Marxscher Formulierungsweisen missbraucht wird, um gegenteilige bürgerliche Inhalte zu mystifizieren. Man segelt unter falscher Flagge.
- Herrschaft des Geldes über die Verwertung des Kapitals
Die Magie des Geldes, Güter in Waren zu verzaubern und zu dominieren, wird auf der zweiten Argumentationsstufe um Kapitaleigenschaften erweitert, die gleichfalls im Geld stecken sollen und die Kraft zu besitzen scheinen, ihren Verwertungszwang in die „Realökonomie” hineinzutragen. In der FMK-Theorie wird ein solches Dominanzverhältnis häufig in der Weise vorgebracht, dass die Finanzmarktakteure in der Lage sein sollen, ihre Renditebedürfnisse der Wirtschaft aufzuzwingen. Da ihre Renditebedürfnisse auf Zinseinnahmen (einschließlich Dividenden) und Kursgewinne abzielen, erhält der Zins eine zentrale Bedeutung für die Verwertung des Kapitals, nicht nur im Finanzsektor sondern auch in Industrie und Handel.
Diese in der heutigen FMK-Theorie enthaltene Dominanzbeziehung von Zins und Profit hat Gesell vor mehr als 100 Jahren formuliert und zu begründen versucht. Meist wird ausgeblendet, dass Keynes selbst und vor allem die Monetärkeynesianer seine Dominanz-These übernommen haben.
Geld, Geldzins und Profit in der Theorie Gesells
Gesell erklärt den Zins direkt aus der Herrschaft des Geldes über die Ware. Den Grund für die Überlegenheit des herkömmlichen Geldes sieht er in der Möglichkeit des Geldbesitzers, den Kauf von Ware zu verweigern. Geld verderbe nicht, es roste nicht und schaffe Sicherheit. Es unterliege keinem Verkaufszwang. Der Besitzer des Geldes, so Gesells Konsequenz, „kann also die Nachfrage nach Waren hinausschieben; er kann seinen Willen geltend machen”.[xxii]
Solche Entscheidungsspielräume besäßen gerade nicht die Warenanbieter, denn Waren würden verderben, veralten, erforderten besondere Lagerkosten etc.[xxiii] Sie erzwingen den Verkauf:
„Die Eigentümer erhalten von der Ware den Befehl, sie zu Markte zu führen … Das Angebot der Ware geht also von der Ware aus, nicht vom Eigentümer”. „Folglich”, so Gesell, „wird die Nachfrage der Regel nach eine Sonderleistung zu fordern imstande sein für das Vorrecht, vom Markt fernbleiben zu können.”[xxiv]
Ein solcher Geldzins werde „von den Waren, also unmittelbar aus dem Kreislauf von Ware und Geld erhoben”.[xxv] Ein Austausch von Äquivalenten kann deshalb nicht stattfinden, wie Gesell hervorhebt.[xxvi]
Halten wir fest. Der Geldbesitzer verfügt über Handlungsspielräume. Sein Geld knöpft der Ware eine Abgabe ab. Diese Abgabe ist der Zins. Das Geld ist kein einfaches Tauschmittel, es ist in dieser Funktion zugleich zinsaneignendes „Geldkapital”.
Gesell geht noch einen Schritt weiter, wenn er meint, Geld sei das einzige originelle Kapital, das überhaupt existiert. Er bezeichnet diesen Kapitalcharakter des Geldes deshalb auch als „das Urkapital” und den Geldzins als „den Urzins”. Im Unterschied dazu sollen Produktionsmittel und ganze Industrieunternehmen an sich kein Kapital sein.
Wären solche Waren ebenfalls Kapital, könnte sich das Geld der Ware gegenüber nicht „als Kapital aufspielen”[xxvii]. Wenn Fabriken, Schiffe, Häuser etc. einen Kapitalcharakter erhalten, dann nur deshalb, weil sie „vom Geld (!) in den Adel-, in den Kapitalstand erhoben worden (sind).”[xxviii]
Die Verwandlung von Fabriken in industrielles Kapital oder Realkapital geschieht durch das Geld. Das Geld verhindere den Bau von Fabriken solange, bis Fabriken knapp genug wären, dass sie Profite abwerfen. Läge der Profit, der auch als „Zins für Sachgüter” bezeichnet wird, über dem Geldzins, würde die Bautätigkeit zunehmen und der abnehmende Mangel an Häusern, Schiffen, Fabriken etc. würde schließlich zu einem Profitrückgang führen.
„Also muß es gesetzmäßig dahin kommen”, schreibt Gesell, „dass die Häuser, Schiffe, Fabriken, kurz, das gesamte sogenannte Realkapital den gleichen Zins einträgt, den das Geld dem Warenaustausch als Urzins aufbürden kann”.[xxix]
Den Kennern des Monetärkeynesianismus wird aufgefallen sein, dass die von Gesell vorgebrachte Dominanzkette von Geld, Zins und Profit zum Kernbestandteil monetär-keynesianischer Theoriebildung gehört, die sich auf Keynes „Allgemeiner Theorie” berufen kann. Wenige Hinweise sollen genügen, um diese These zu belegen.
Gesells Dominanzthese in der monetär-keynesianischen Anschauungswelt
Hajo Riese, ein prominenter Monetärkeynesianer, verbindet in Anlehnung an Keynes das Geld mit der Eigenschaft, dem Geldbesitzer eine Liquiditätsprämie zu stiften, die als „nichtpekuniärer Ertrag der Geldhaltung”[xxx] definiert wird und das Geld gegenüber den Waren privilegiert, die meist keine Liquiditätsprämie abwerfen würden. Dieser Vorzug des Geldes führe dazu, dass Geldbesitzer ihr Geld solange zurückhielten, bis sie einen Zins bekämen, der im Vergleich zur Liquiditätsprämie hoch genug sei, um das Geld anderen als Kredit zur Verfügung zu stellen.
„Kapital ist deshalb eine Form der Aufgabe von Liquidität, weil der Vermögensbesitzer (als Gläubiger) dem Unternehmer (als Schuldner) Geld zum Kauf von Produktionsmitteln bereitstellen (‚vorschießen‘) muß. Kapital repräsentiert aus diesem Grund stets einen Produktionsmittelwert”. Erst diese Aufgabe von Liquidität führe zur Nachfrage von Waren und damit zum Tausch.
Das Geld beherrscht den Warenaustausch und schafft damit zugleich Schranken für die Bereitstellung von Fabriken, Bergwerken, Schiffen etc.
„Erst das Knapphalten von Produktionsprozessen”, schreibt Riese weiter, „läßt den Profit entstehen: Kapital wird deshalb knappgehalten, damit sich diejenigen Güterpreise bilden können, die die Erzielung eines Profits erlauben”.[xxxi]
Alle wichtigen Punkte sind der Theorie Gesells entnommen:
o Erstens soll Geld gegenüber der Ware privilegiert sein.
o Zweitens besitzt der Geldbesitzer dank des Geldprivilegs die Entscheidungsfreiheit, Geld zum Kauf von Waren zur Verfügung zu stellen.
o Drittens hält der Geldbesitzer das Geld solange zurück, bis der gewünschte Zins erzielt wird.
o Viertens stiftet diese Bereitstellung von Geld (Aufgabe von Liquidität) der Wirtschaft ihren Kapitalcharakter.
o Fünftens schafft der Zins durch Verknappung und entsprechende Preisreaktion den Profit und
o sechstens steuert die Zinsrate die Profitraten in der gesamten Wirtschaft.
Das gesellschaftliche Verhältnis, das verschlüsselt als ein Ding in Gestalt des Geldes erscheint, wird nicht nur nicht in dieser dinglichen Gestalt erkannt, es wird umgekehrt aus dem Geld selbst hervorgezaubert. Einem solchen Geld wird nicht nur die Eigenschaft der allgemeinen Austauschbarkeit zugeordnet, sondern es soll aus sich selbst heraus Erträge hervorbringen, die zunächst in Gestalt der Liquiditätsprämie, nach Aufgabe der Liquidität in Gestalt von Zins anfallen. Geld- und Kapitalfunktionen sind ineinander verschmolzen, als wären beide eine Eigenschaft der Banknote. Statt sie zu erklären, werden sie im Geld als Kaufmittel (Riese: „Geld zum Kauf von Produktionsmitteln”), als „Liquiditätsprämie”, als dadurch entstehender Zins, der durch „Knapphalten von Produktionsprozessen den Profit entstehen (läßt)” unterstellt und dazu in der absurden Form, als entstünden sie durch die Wunderkraft der Notenbanken.
Gesell und Riese meinen, dass Zins und Profit aus Änderungen von Preisrelationen hervorgehen würden. Aber wie sollen innerhalb der Schranken des Warenaustauschs solche Überschüsse entstehen, wo Verkäufer zugleich Käufer und Käufer auch Verkäufer sind?
Was der Warenkäufer als Geldbesitzer gewinnt, verliert er gleich wieder als Warenbesitzer. Es ist unmöglich, aus einem solchen Null-Summen-Spiel Zins und Profit zu erklären. Die Summe der zirkulierenden Werte bleibt gleich, wie auch immer die Verteilung sein mag. Werte kann die Zirkulation nicht schaffen, gleichgültig, ob Äquivalente oder Nicht-Äquivalente getauscht werden.[xxxii]
Die monetär-keynesianische Methodenlehre als Bestandteil der FMK-Theorie
Die von Gesell herausgestellte Entscheidungsfreiheit des Geldbesitzers, der gerade nicht unter Verkaufszwang steht, sondern abwarten kann und deshalb den Zins bekommen soll, hat Riese – ohne Gesells Beitrag zu erwähnen – zu einer eigenen methodologischen Positionierung verleitet. Der klassischen und der von ihr geprägten Marxschen ökonomischen Theorie wirft er vor, „methodisch antiquiert” zu sein, da eine „entscheidungstheoretische Fundierung von Marktprozessen” fehle.[xxxiii] Dieser methodische Irrweg sei verantwortlich für die Stagnation der an Marx ausgerichteten Diskussion.
„Der Marxismus, die methodischen Defizite der klassischen Ökonomie mit sich schleppend, wurde (oder blieb) eine ephemere Erscheinung der Wissenschaftsgeschichte”.[xxxiv]
Inhaltlich läuft dieser Vorwurf auf die These hinaus, Marx habe die Anschauung von der Sonderstellung des Geldes im Tauschprozess nicht geteilt, da er stattdessen das Geld aus der Ware und die Geldzirkulation aus der Warenzirkulation ableitet. Rieses Methodenkritik ist ihrem Kern nach eine Geldkritik – von einem vulgärökonomischen Standpunkt aus vorgebracht.
Die von Riese eingeforderte „Entscheidungstheorie” benötigt nicht mehr die Analyse des ökonomischen Zusammenhangs, die Klärung der inneren Verbindungen von Ware, Geld und Kapital. Ihr genügt es, die Größen, über die der Geldbesitzer entscheidet, in ihrer Trennung und Gegenüberstellung zu belassen und sie nur äußerlich-funktional aufeinander zu beziehen. Dieser Funktionalismus blendet den besonderen historischen Charakter ökonomischer Größen und damit zugleich deren spezifisch-kapitalistische Formbestimmungen aus. Solch eine apologetische Sichtweise bürgerlicher Verhältnisse ist zu einem wesentlichen Merkmal der gesamten FMK-Theorie geworden.[xxxv]
Die von Riese als notwendig geforderte ökonomische Entscheidungstheorie hat nur mikroökonomische Bedeutung, um das Verhalten einzelner Marktakteure in der Konkurrenz plausibel zu machen; sie besitzt aber gerade keine Relevanz für makroökonomische Marktprozesse. Denn vom gesamtwirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet besitzt der Finanzsektor einen anderen Charakter. Die Entscheidungstheorie wird bedeutungslos, da die Summe der Wertpapiere in den Depots – von Neuemissionen bzw. Rücknahmen abgesehen – stets unverändert bleibt. Die Frage ist völlig nebensächlich, wer Wertpapiere kauft oder verkauft, wer mehr Geld halten möchte, weil seine Liquiditätspräferenz oder seine Angst vor Kursverlusten gestiegen ist.
Ferner unterstellt Rieses Entscheidungstheorie einen Finanzinvestor, der nicht unter dem Verwertungszwang seines Leikapitals steht und deshalb das Kreditgeschäft beliebig aufschieben kann, bis sich die für ihn günstigen Zinsen einstellen. Das ist eine völlig naive Sichtweise, die kapitalistische Verwertungsverhältnisse gerade ausklammert.
Tatsächlich ist der Finanzinvestor von seiner spezifisch ökonomischen Bestimmung her nichts anderes als der subjektive Träger des von ihm ausleihbaren Geldes. Der Verwertungszwang seines Leihkapitals treibt ihn in das Kreditgeschäft. Umgekehrt erhält der fungierende Kapitalist, sofern er kreditwürdig ist, zu den üblichen Marktkonditionen den Kredit, den er haben möchte, gleichgültig wie der einzelne Kreditgeber handlungstheoretisch positioniert sein mag.
Man sieht also: Das von Riese vorgebrachte Entscheidungskalkül einzelner Marktakteure erweist sich in der Konkurrenz der Kapitale, wo in Gestalt von Angebot und Nachfrage Massenverhältnisse aufeinander wirken, als irrelevant. Die Wirtschaftsdynamik wird durch solche Handlungskalküle, die der Willkür des Einzelnen unterliegen, gerade nicht bestimmt.
Trotz solcher struktureller Begrenzungen wird das Entscheidungskalkül in der FMK-Theorie zur Erklärung der Akkumulationsdynamik verwendet, vor allem wenn es um die Frage geht, ob ein Finanzinvestor Wertpapiere kaufen und Kredite vergeben sollte, um durch Kreditvergabe Investitionen zu initiieren oder ob er Geld besser zurückhalten sollte.
Riese und Heinrich
Rieses Methodendiskussion weist interessante Parallelen zur neuen Marxlektüre auf: Beide beanstanden, dass Marx irgendwie noch im Diskurs klassischer Theoriebildung steckengeblieben sei. Die Differenz zwischen beiden besteht darin, wieviel Marx vom klassischen Denken übernommen habe. Riese verwirft die Marxsche Theorie, weil sie vollständig auf dem theoretischen Feld der Klassik operiere. Seine Kritik fällt deshalb radikal aus. Er zerreißt das Tuch zur linksorientierten Debatte.
Das macht Heinrich gerade nicht: Sein Operationsfeld ist die marxistisch orientierte Debatte. Mit der Klassik, beruhigt er die „Marxisten”, sei es gar nicht so schlimm bei Marx bestellt. Dessen Argumentation trage lediglich einen „ambivalenten Charakter”. Sie enthalte nicht nur ärgerliche „Überbleibsel des klassischen Diskurses”, sondern bereits schon genügend Elemente einer neuen wissenschaftlichen Diskussion. Mein Anliegen mit der monetären Werttheorie, so beruhigt Heinrich weiter, besteht in einer Beseitigung der Fehler, die Marx gemacht habe. Wie man sehen konnte, läuft diese Korrektur auf eine Verabschiedung der Werttheorie und deren Reformulierung auf monetärkeynesianischer Grundlage hinaus. Was Riese und Heinrich vereint ist die Abkehr von der Arbeitswerttheorie, also auch die Abkehr von einer Wissenschaft, die die Mehrwertproduktion beweist.
Das Verhältnis von Tausch und Kredit im Monetärkeynesianismus
Riese identifiziert den Geldkredit mit dem Geldumlauf, d. h. das Kreditbedürfnis mit dem Bedürfnis der Geldzirkulation wenn er schreibt:
„Für die Geldökonomie ergibt sich der Tausch aus dem Kredit, für die Tauschökonomie ergibt sich der Kredit aus dem Tausch”.[xxxvi]
Diese kreditbezogene Anschauungsweise ignoriert zentrale ökonomische Zusammenhänge.
Der Geldkredit ist lediglich in besonderen ökonomischen Situationen ein notwendiger Ausgangspunkt von Tauschprozessen, wenn ein bestehendes Unternehmen Pleite zu gehen droht oder wenn ein Unternehmen gegründet wird. In beiden Fällen kann der Unternehmer erst dann seine Produktionsvoraussetzungen oder seine Handelswaren kaufen, nachdem er die entsprechenden Kredite erhalten, sich also als funktionstüchtige Einheit konstituiert hat.
Jedoch stehen Geldkredit- und Tauschverhältnisse in einem völlig anderen Zusammenhang, sobald das Unternehmen fest etabliert ist. In diesem sich stets wiederholenden Reproduktionsprozess fließt Geld aus dem Verkauf der Waren zurück, das für weitere Käufe verfügbar ist, ohne dass dafür ein neuer Geldkredit in Anspruch genommen werden muss. Verkauf von Waren und der Kauf neuer Waren sind nacheinander und nebeneinander laufende Phasen im Kreislaufprozess des Warenkapitals.
In der monetär-keynesianischen Diskussion werden die verschiedenen Phasen des industriellen Kapitals auf den Kreislaufprozess des Geldkapitals, auf M – X …(Produktion)…X‘ – M‘ (M: Geld, X: Ware, X‘: Warenkapital) reduziert,[xxxvii] als würden Kreislaufprozesse mit anderen Ausgangs- und Endpunkten gar nicht existieren. Jedoch relativiert sich die Bedeutung des Geldkapitals, sobald weitere Kreisläufe, der Kreislauf des produktiven Kapitals und des Warenkapitals hinzugenommen werden.[xxxviii]
Die These der monetär-keynesianischen „Verpflichtungsökonomie” (Riese), der Geldvorschuss „M” setze die Kreditaufnahme voraus, ignoriert die normal verlaufende Warenmetamorphose, worin das Geld – von Überproduktionskrisen abgesehen – eine flüchtige Existenz besitzt.
Dass diese Warenmetamorphose (X – M – X) nur eine Konsequenz des spezifisch-gesellschaftlichen Charakters der warenproduzierenden Arbeit ist, also aus der besonderen Form des Produzierens hervorgeht, wird nicht gesehen. Die Warenproduktion schließt notwendig Verkauf der Waren, die für den Produzenten gerade keine Bedürfnisse befrieden können, und Kauf von den benötigten Waren ein. Eine solche Warenmetamorphose ist ökonomisch notwendig; daraus eine „entscheidungstheoretische Fundierung von Marktprozessen” (Riese) zu zimmern, verkennt die ökonomischen Bedingungen und muss als „methodisch antiquiert” zurückgewiesen werden.
Festzuhalten ist: Die monetär-keynesianische Identifizierung von Geldkredit und Geldumlauf, d. h. das absichtliche Zusammenwerfen der Kreditbedürfnisse mit den Bedürfnissen des Geldumlaufs ist eine falsche ökonomische Bestimmung, die maßgeblich zur Illusion beiträgt, der Kreditgeber steuere über die Geldzirkulation die Warenzirkulation.
Die von Riese ins Spiel gebrachte These vom Geldkredit als Voraussetzung des Tausches verstärkt die Bedeutung des Geldes und schafft den Eindruck, als stünden die Finanzmärkte im Zentrum des wirtschaftlichen Geschehens. Finanzinvestoren wie Banken, Fonds, Versicherungen erscheinen in dieser monetär geprägten Vorstellungswelt als besondere Geldmächte, als könnten sie durch ihre Kreditentscheidung den Akkumulationsprozess steuern. Das ist nicht nur eine zentrale These des Monetärkeynesianismus, sie hat die gesamte FMK-Theorie geprägt und bildet hier die Kernthese.
Das gesellianisch-keynesianische Paradigma in der marxistisch orientierten Dominanzthese
Man hat gesehen, dass die These von der Dominanz des Finanzsektors vom gesellianisch-monetärkeynesianischen Paradigma bestimmt wird. Marxsche Erklärungsweisen spielen darin keine eigenständige Rolle. Sie erhalten Bedeutung nur insofern, als sie entsprechend uminterpretiert werden, also passend gemacht sind für einen gesellianisch-monetärkeynesianischen Begründungszusammenhang. Resultat ist eine zur Marxschen Theorie direkt gegenläufige Waren- und Geldbestimmung. Was den Zusammenhang von Zins und Profit angeht, hat sich in der FMK-Theorie das gesellianisch-montärkeynesianische Paradigma ebenfalls durchgesetzt.
Lucas Zeise, der sich selbst in der Tradition der „Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus” sieht, hat gelegentlich das Geld direkt mit dem Kapital gleichgesetzt und diese Verquickung von Geld- und Kapitalfunktion als notwendige „Korrektur” der Marxschen Theorie ausgewiesen. „Dass der Zins zum Wesen des Geldes gehört, war auch Marx‘ Auffassung”, schreibt Zeise.[xxxix] „Geld ist Kredit, und weil der Kredit Zins trägt, zugleich fiktives Kapital”.[xl] Auch die „Aktie ist Geld”[xli].
Was hier als Beseitigung von Mängeln der Marxschen Geldtheorie verkündet wird, läuft auf deren Substitution durch das gesellianisch-keynesianische Paradigma hinaus, mit der von Zeise auch ausgesprochenen Konsequenz, dass nicht das Kapital, sondern das Geld der „vertrackte Kern des Kapitalismus” sei. Die Marxsche Theorie ist Nebensache geworden, ideologische Beigabe einer ihr direkt entgegenlaufenden Vorstellung.
Im Gegensatz dazu hat Marx Geld und zinstragendes Kapital voneinander unterschieden. Nicht das Geld schafft den Zins und dieser den Profit. Marx leitet umgekehrt den Zins aus dem Profit ab. Quelle des Profits ist nicht die vom Geldbesitzer erzeugte Knappheit von Investitionen, sondern die Produktion, die Verausgabung und Aneignung von Mehrarbeit.
Diesen schroffen Gegensatz haben die an Marx orientierten FMK-Autoren ohne klärende Diskussion beiseitegeschoben. Mit der These, die Finanzinvestoren würden ihre Renditebedürfnisse der Realökonomie aufzwingen,[xlii] haben sie sich auf zweierlei Weise auf gesellianisch-keynesianisches Terrain begeben. Erstens übernehmen sie die Vorstellung, dass die „Realökonomie” ihren Kapitalcharakter zumindest in gewisser Hinsicht vom Finanzsektor erhält. Zweitens gerät der Profit des fungierenden Kapitals durch das vorherrschende Renditebedürfnis der Finanzinvestoren in Abhängigkeit zum Zins. Beide Punkte hängen eng miteinander zusammen.
Wie der Kapitalcharakter in die Realwirtschaft gelangt
Zunächst zum ersten Punkt: Wenn FMK-Autoren sagen, die Akkumulation sei „finanzmarktgetrieben”, dann kommt die treibende Kraft, also der Stachel der Akkumulation nicht mehr aus der Produktion selbst, sondern wird extern vom Finanzmarkt bzw. durch die hier operierenden Finanzinvestoren hervorgerufen.
Die Gegenüberstellung von Finanzsektor und „Realwirtschaft” mit dem Hinweis, dass der Finanzsektor dominant sei, drückt gleichfalls die Vorstellung aus, als wäre die eigentliche Produktion frei von Kapitalbestimmungen und als würden diese erst von außen – etwa durch die Aufnahme von Krediten – hineingetragen.
Die Finanzmärkte und deren Akteure würden ihre Profitbedürfnisse der Wirtschaft aufzwingen, schreibt Hickel und fordert: „Die Produktionswirtschaft(!) braucht wieder Vorrang vor der Finanzwirtschaft.”[xliii] Im Memorandum von 2009, das u. a. von Hickel und Hufschmid ausgearbeitet wurde, wird die kapitalistische Produktion ebenfalls zur „Produktionswirtschaft” verklärt.
„Die Herrschaft der Finanzmärkte offenbart sich in der Vorgabe (!) von zu erzielenden Renditen gegenüber der Produktionswirtschaft (!). So ist der Anspruch auf eine Rendite von 25 Prozent nach Steuern nicht das Ergebnis einer seriösen Unternehmenspolitik, sondern diese wird auf den Finanzmärkten autoritär vorgegeben. Diese katastrophalen Konsequenzen der Übertragung von Finanzmarktinteressen auf die Produktionswirtschaft (!) wird viel zu wenig thematisiert.”[xliv]
Mit ihrem Begriff „Produktionswirtschaft” blenden die Autoren den originell kapitalistischen Charakter der Produktion aus. Sie thematisieren deshalb auch die Renditeziele als externe Vorgaben der Finanzmärkte. In dieser Konstruktion spiegelt sich die Dichotomie von „Realwirtschaft” und Finanzwirtschaft, darin eingeschlossen die von Produkt und Geld. Alle Kapitalbestimmungen scheinen sich im Finanzsektor zu konzentrieren, der dann seinen Kapitalcharakter der Produktionswirtschaft aufzwingen soll. Die Vorstellung vom Geld als „Urkapital” (Gesell) oder vom Kapital als „eine Form der Aufgabe von Liquidität” (Riese) ist hier das bestimmende Paradigma.
Steuerung des Profits durch den Zins
Der zweite Punkt, die monetär-keynesianische Profitbestimmung als Konsequenz einer zinsbedingten Kapitalverknappung, wird in der mehr marxistisch ausgelegten Dominanzthese in verklausulierter Weise unter anderem mit der „Exit-Option” in Verbindung gebracht: Finanzinvestoren würden Renditeziele für Unternehmen aufstellen und könnten sich, wie z. B. Huffschmid schreibt, bei Nichteinhaltung
„durch Verkauf ihrer Anteile jederzeit aus dem Unternehmen zurückziehen, und diese Exit-Option verschafft ihnen Druckpotential”.[xlv]
Mit Rückzug wird assoziiert, dass Unternehmen neue Kredite verweigert oder alte Kredite zurückgefordert werden, also Verknappung von Kapital. Eine solche „Exit-Option” soll solche Profitraten bzw. „Renditeziele” erzwingen, die Finanzinvestoren für Unternehmen aufgestellt hatten.
Die Nähe zum monetär-keynesianischen Ableitungsmuster ist offensichtlich: Die Finanzinvestoren, die ihr Kapital als zinstragendes Kapital verwerten, bestimmen die Profitraten oder anders gesagt: Der Zins, den die Finanzinvestoren haben wollen, bestimmt den Profit.
Michael Wendl hat diesen Zusammenhang als den „harten Kern der These von der finanzgetriebenen Akkumulation” bezeichnet und zurecht kritisch darauf hingewiesen, dass Huffschmid mit dieser These
„faktisch die Sicht des monetär-keynesianischen Paradigmas (übernimmt), dass der Geldvermögenszins den Gütermarktzins, also den Profit steuert”.[xlvi]
III. Hierarchie der Märkte oder wie der Finanzsektor die Industrie beherrscht
Die Herrschaft von Geld und Zins mündet schließlich in der gesamtwirtschaftlich ausgerichteten These von der Hierarchie der Märkte, die als die dritte Dimension der Dominanzbeziehung bezeichnet worden ist: Industrie und Handel, d. h. alle fungierenden Kapitale sollen vom Finanzsektor beherrscht werden.
In Gesells Theorie ist es der Geldbesitzer, der durch seine Bereitschaft, Geld für die Nachfrage von Waren zur Verfügung zu stellen, die Akkumulationsdynamik der Wirtschaft lenkt. Die monetär-keynesianische Betonung des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses enthält die gleiche Dominanzbeziehung: Der Geldbesitzer – hier mehr als Kreditgeber gefasst – stellt dem Unternehmer (der einseitig als Schuldner auftritt) Geld zum Kauf von Produktionsmitteln bereit und steuert über den Kreditmarkt die Wirtschaft. In der FMK-Debatte wird diese Dominanzbeziehung des „Vermögens- oder Kreditmarkts über den Gütermarkt” als „Hierarchie der Märkte” bezeichnet.[xlvii]
In dieser Hierarchie-Konstellation sind ein Gütermarkt unterstellt, der keine eigene Kapitalbestimmung – noch nicht einmal die Bestimmung als Ware – besitzt und ein ihm übergeordneter „Vermögens- oder Kreditmarkt”, der kraft seiner Kapitalbestimmungen den Gütermarkt steuert. Man wird sofort an Gesells These erinnert, dass Fabriken und andere Produktionsmittel schon deshalb kein Kapital sein könnten, weil sich ansonsten das Geld der Ware gegenüber nicht „als Kapital aufspielen” könnte. Fabriken etc. erhielten einen Kapitalcharakter nur deshalb, weil sie vom Geld „in den Kapitalstand” erhoben würden. Exakt diese Denkstruktur ist im Begriff „Hierarchie der Märkte” enthalten. Marxistisch orientierte FMK-Autoren konnten diesen Begriff nur deshalb akzeptieren, weil sie die Marxsche Theorie entsprechend umformuliert, d. h. keynesianisiert hatten.
Befragen wir zwei an der Marxschen Theorie orientierte Autoren, wie sie die Steuerungsfunktion des Vermögensmarktes begründen.
„Hierarchie der Märkte” in der Version von Michael Heinrich
Es ist das Kredit- und Bankensystem, schreibt Heinrich in Fortsetzung seiner monetären Wertlehre, „über welches die kapitalistische Produktion letzten Endes gesteuert wird.” Er ist der Meinung, dass die von Keynes betonte
„Hierarchie der Märkte (die Zinsen(!) des Kapitalmarktes bestimmen den Umfang der Investitionen und damit den Güter- und den Arbeitsmarkt) nicht(!) im Widerspruch zur Marxschen Theorie (steht)”. Denn die Zinsen(!), die auf dem Kapitalmarkt zu zahlen wären, würden die Unternehmer dazu zwingen(!), einen Profit zu erzielen, der es erlaubt, mindestens diese Zinsen zu zahlen.[xlviii]
Heinrich spricht vom „Druck auf die Löhne”, der vom Zins und damit vom Finanzsektor ausgehen würde. Diesen Zusammenhang findet man bei allen marxistisch orientierten FMK-Theoretikern, verbunden mit der These, der finanzmarktgetriebene Kapitalismus habe zur Umverteilung von unten nach oben geführt.
Der Verwertungszwang des Kapitals, bei Marx eine Bestimmung des fungierenden Kapitals selbst, hat Heinrich gesellianisch-keynesianisch in einen äußeren Zwang zur Zinszahlung umgemünzt. Nun ist nicht mehr der Profit, sondern der Zins die treibende Kraft der Verwertung des fungierenden Kapitals und der Akkumulation. Der Unternehmer erhält eine Nebenrolle; er ist, wie Riese es nannte, bloßer „Vikar des Geldkapitalisten”.
Die keynesianisch orientierten Anpassungsarbeiten, die Heinrich an den Marxschen Kategorien zur Kritik der politischen Ökonomie vornimmt, laufen auf den zentralen Punkt hinaus, den originell kapitalistischen Charakter aus der Produktion zu entfernen, zumindest aber so weit zu verharmlosen, dass der durch das Kapital geschaffene Gegensatz zur Lohnarbeit seine Sprengkraft verliert. An die Stelle dieses Klassengegensatzes wird ein Gegensatz von Finanzsektor einerseits und der Produktion andererseits aufgemacht, worin Unternehmer und Lohnarbeiter vereint gegen die externe Finanzmacht gesetzt sind. Genau das ist die Klassentheorie Gesells,[xlix] die sich auf Mystifikationen stützen kann, die aus den Verhältnissen selbst herauswachsen[l].
Finanzinvestor – eine „wirtschaftliche Zentralfigur”? Der Beitrag von Stephan Krüger
Auch Stephan Krüger geht von Marx aus, um dann Schritt für Schritt die Marxschen Begriffe an die des Monetärkeynesianismus anzupassen. Zunächst entnimmt er der Marxschen Theorie die These, dass nicht der Eigentümer (z.B. Aktionär, Kreditgeber) sondern der fungierende Kapitalist der Hauptakteur der kapitalistischen Produktion sei. Später schiebt er ihn in eine Nebenrolle und macht den Eigentümer zur „wirtschaftliche Zentralfigur”[li]. Diese Verkehrung läuft wiederum auf eine Ausblendung des originell existierenden Kapitalcharakters in der Produktion hinaus. Der Unternehmer wird zum Gehilfen des Geldkapitalisten uminterpretiert.
Wenn nun nicht mehr der Unternehmer sondern der Finanzinvestor das Steuer in der Hand hält, dann bestimmt dieser den Kurs der Wirtschaft ganz in der Weise, wie es im monetär-keynesianischen Begriff von der „Hierarchie der Märkte” zum Ausdruck kommt. Finanzmärkte steuern die Akkumulation, worauf Krügers Bezeichnung „finanzkapitalistisches Akkumulationsregime” direkt verweist.
Mit dieser Keynesianisierung ist die Marxsche Akkumulationstheorie für die gesellianisch-monetärkeynesianisch geprägte dritte Argumentationsstufe der Dominanzthese passend gemacht.
Krügers These von der Dominanz der Finanzinvestoren verbindet sich – wie in der monetär-keynesianischen Theorie – mit der Vorstellung, dass es nicht mehr das industrielle Kapital selbst sei, das die Verwertung betreibe und deshalb schlechte Arbeitsbedingungen erzwingen würde. Stattdessen „definiert” der Finanzinvestor
„Renditevorgaben für die reproduktiven Unternehmen, die diese nur durch fortgesetzten Druck auf die Arbeitslöhne realisieren können”.[lii] Weiter schreibt er: „Die Steuerung der Ökonomie durch die Renditevorgaben des ‚Investors‘ zwingt dem Management das Primat einer kostenoptimierten Ressourcenverwendung auf.”[liii]
Renditeziele, Druck auf die Arbeitslöhne, Ökonomisierung der Produktion – kurz: der kapitalistische Verwertungsprozess, dessen Zweck und dessen Mittel werden extern durch die Finanzinvestoren in die Produktion getragen,[liv] was umgekehrt heißt, dass die Produktion jenseits des Finanzmarktes solche Verwertungszwänge nicht besitzt, also eine Art „Produktionswirtschaft” darstellt, worauf schon im vorigen Kapitel verwiesen worden ist. Es sind die Finanzmärkte und deren Akteure, die für sämtliche Verwerfungen der kapitalistischen Ökonomie verantwortlich sein sollen, nicht nur für den niedrigen Lohn und für die schlechten Arbeitsbedingungen, sondern auch für die Entstehung von Krisen, für die wachsende Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung.
Aufblähungsthese als Argument für die Macht der Finanzmärkte
Wegen der behaupteten Dominanz des Geld- und Kreditsystems ist der Kapitalismus auch als „Geldwirtschaft”[lv] gekennzeichnet worden, eine Namensgebung, die teilweise von marxistisch orientierten Autoren verwendet wird. Immer wieder ist diese Herrschaft des Finanzsektors in einen Zusammenhang mit dem übermäßigen Wachstum des Finanzsektors[lvi] gebracht worden – eine These, die keineswegs neu ist[lvii].
Aus einer Aufblähung des Finanzsektors die Vorherrschaft abzuleiten, widerspricht schon den auffälligsten Krisenerscheinungen, wonach ein zu stark gewachsener Sektor die Konkurrenz gegen sich hat. Die Preise fallen, Kapital wird entwertet. Statt stark zu sein, ist ein überproportional gewachsener Sektor ökonomisch schwach.
Warum sollte dieses Gesetz der Konkurrenz nicht auch für den Finanzsektor gelten? Statt die Wirtschaft zu dominieren, ist ein aufgeblähter Finanzsektor besonders krisenanfällig und auf Staatshilfen angewiesen.
Die derzeit niedrigen Zinsen drücken diese Schwäche aus. Würde das Finanzkapital tatsächlich die Industrie und damit die Profitquellen beherrschen, müssten die Zinsen hoch und dürften gerade nicht niedrig sein.
Die FMK-Theorie selbst weist darauf hin, dass es sich bei der Aufblähung des Finanzsektors vor allem um „fiktives Kapital”, also um Aktien, Anleihen und Derivate handelt, die schneller als die produzierende Wirtschaft wachsen würden. Aber wie können solche Titel Macht über die „industrielle Basis” erhalten?
Wie der Name schon sagt, ist fiktives Kapital nur vorgestelltes Kapital – kein wirkliches Kapital. Denn der Finanzinvestor (Verleiher) hat das wirkliche Kapital als Leihkapital ohne Äquivalent fortgegeben; was ihm verbleibt ist ein Zahlungsversprechen, d. h. fiktives Kapital, das in einem Anspruch auf Rückzahlung und Zins besteht. Durch die Möglichkeit der Aufspaltung von Kapitaleigentum und Kapitalfunktion verbleibt der Eigentümer, der als Finanzinvestor sein Kapital verliehen hat, jenseits der Produktion. Er verwertet sein Kapital, indem er es fortgibt, also die Verfügung darüber abtritt. Statt „wirtschaftliche Zentralfigur” zu sein, ist er vom Verwertungsprozess des wirklichen Kapitals abhängig, auf dessen Bewegung er keinen Einfluss hat.
- Zum Eklektizismus in der FMK-Theorie
Man hat gesehen, dass entgegen einer weit verbreiteten Meinung die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie in der FMK-Theorie inhaltlich keine eigenständige Rolle spielt. Sie wird entweder von vornherein als „methodisch antiquiert” (Riese) ausgegrenzt oder sie wird inhaltlich soweit modifiziert, dass sie in das gesellianisch-monetärkeynesianische Argumentationsmuster hinein passt. Die typisch Marxsche Ausdrucksweise wird gelegentlich zwar noch verwendet, allerdings erhält sie einen neuen Inhalt, der sich mal mehr mal weniger deutlich von der ursprünglichen Marxschen Begrifflichkeit entfernt. Ein solcher Eklektizismus ist vor allem in den marxistisch ausgelegten FMK-Theorien weit verbreitet und wird gelegentlich auch offen eingestanden, meist mit dem Hinweis, Fehler, Lücken, Inkonsistenzen oder die fehlende Aktualität der Marxschen Theorie durch keynesianische Ergänzungen auszuräumen.
Bekennender Eklektizismus
Der offene Eklektizismus bekennt sich zur Verbindung verschiedener Theorien, darunter der Marxschen und Keynesianischen Theorie. Er idealisiert das Zusammenstückeln solcher Theorieelemente und spricht selbstbewusst von einem „nützlichen Eklektizismus”[lviii]. Huffschmid reiht sich ebenfalls in diese Tradition ein. Hickel und Troost bescheinigen wohlwollend, Huffschmid habe „die konstruktive Symbiose von Elementen der marxschen und keynesschen Theorie geradezu genial in seinem Buch ‚Politische Ökonomie der Finanzmärkte‘” vollzogen.[lix]
Zeise, ein gleichfalls bekennender Eklektizist, meint zu einer „schlüssigen Theorie über das Geld” zu gelangen, wenn er sich „im Grundsatz an Karl Marx” orientiert. Damit sei es aber nicht getan. Daher versucht er, „wichtige Geldtheorien und insbesondere John M. Keynes zu rezipieren und darzustellen”, in der Hoffnung, „einige Schwächen der Marx`schen Darlegung” so zu beseitigen, dass eine Analyse des hochmodernen und hochdestruktiven Finanzsektors möglich wird.
„Zudem scheint Marx das Problem des Geldkapitals im 1. Band noch nicht annähernd so konsequent durchgearbeitet zu haben, dass ihm keine Widersprüchlichkeiten unterlaufen wären.” Das gelte auch für einige Abschnitte im dritten Band des Kapitals.[lx]
Professor Nouriel Roubini betrachtet den Eklektizismus als eine besonders hohe Stufe wissenschaftlicher Erkenntnis:
„Fast jede ökonomische Denkrichtung kann einen Beitrag zur Erklärung der jüngsten Krise leisten, weshalb wir uns in unserer Analyse auf ein breites Spektrum von Autoren beziehen. Keynes hat in diesem Zusammenhang genauso seinen Platz wie viele andere”.
Roubini rechtfertigt seinen „ganzheitlichen Ansatz” damit, ergebe auf diese Weise die „Ideologie an der Garderobe ab”[lxi], ohne sich Gedanken darüber zu machen, dass seinem aus verschiedenen – sich widersprechenden – Theorieelementen zusammengestückelten „ganzheitlichen Ansatz” notwendig die innere Konsistenz fehlen muss, mit der Folge, dass willkürlichen Deutungsweisen moderner kapitalistischer Verhältnisse Tür und Tor geöffnet sind, je nach Interessenlage und politischer Konstellation.
Verborgener Eklektizismus
Wenig heroisch und meist verschüchtert tritt der verdeckte Eklektizismus auf, der sich zu verbergen sucht, indem er dem Leser einredet, Keynes habe eine Theorie aufgestellt, die teilweise nicht im Widerspruch zur Marxschen Theorie stehe und wegen des höheren Aktualitätsgrads geeignet sei, die Marxschen Lücken bzw. die antiquierten Vorstellungen vor allem zum Geld- und Kreditsystem auszuräumen. Diese häufig nicht offen ausgewiesene Keynesianisierung der Marxschen Theorie erfolgt unter dem Schein der Fortentwicklung Marxscher Begriffe mit der Konsequenz, dass die innere Konsistenz verloren geht. Verschiedene FMK-Autoren, darunter Michael Heinrich und Stephan Krüger, gehören dieser Richtung an. Sämtliche Varianten des Eklektizismus führten zu einer Vulgarisierung bis hin zur gänzlichen Beseitigung der Marxschen Theorie.
Krüger sieht in Keynes einen Theoretiker,
„der mit dem Instrumentarium traditioneller Wirtschaftslehre zu tieferen Einsichten … vorstößt”, woraus zu folgern sei, dass „dessen Theorie in eine Marxsche Analyse der kapitalistischen Produktionsweise integriert werden kann”.[lxii]
Sein Integrationsversuch läuft auf die Keynesianisierung eines Großteils der Marxschen Begriffe hinaus, wo mit Marx begonnen und mit einer keynesianischen Umformulierung geendet wird, um dann das Gegenteil von dem zu behaupten, was Inhalt der Marxschen Kategorien war. So macht er zum Beispiel die Marxsche Unterscheidung zwischen Geld und dem fiktiven Kapital durch etliche Winkelzüge rückgängig, um dann beides zusammen in einen keynesianisch interpretierbaren Geldmengenbegriff zusammenzuwürfeln.[lxiii]
Ebenso verschwimmen die Besonderheiten des Leihkapitals gegenüber dem fiktiven Kapital. Nach anfänglicher Unterscheidung wird schließlich Beides als „gesamtwirtschaftliches Geldvermögen” aufgefasst, als hätte fiktives Kapital, das doch gerade für fortgegebenes Geld steht, immer noch eine Geldform, vergleichbar mit dem Leihkapital. In diesem Begriffswirrwarr wird der Anspruch auf Geld, der durch den Akt des Verleihens entstanden war, mit dem Geld, das noch verliehen werden muss, gleichgesetzt.
Schließlich wird die Marxsche These von der Unterordnung des zinstragenden Kapitals unter die kapitalistische Produktionsweise in ihr Gegenteil verkehrt, indem ein Finanzmarktkapitalismus gezimmert wird, worin der Eigentümer des zinstragenden Kapitals, der doch in Wirklichkeit gerade außerhalb der Produktion steht, zur „wirtschaftlichen Zentralfigur”[lxiv] uminterpretiert wird.
Resultate
Die These von der Herrschaft des Finanzkapitals, auch als Dominanzthese bezeichnet, begegnete uns auf drei Ebenen: Auf der elementaren Ebene ist sie als Dominanz des Geldes über die Ware formuliert, worin die Vorstellung enthalten ist, dass die Geldzirkulation, die schon kreditgesteuert sein soll, die Warenzirkulation bestimmt. Als schaffende gesellschaftliche Kraft besitzt das Geld nicht nur Geldfunktionen sondern auch Kapitalfunktionen. Die entsprechenden gesellschaftlichen Verhältnisse – der eigentümliche gesellschaftliche Charakter warenproduzierender Arbeit als Komplex von Privatarbeiten, das daraus entstehende Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer, das Kapitalverhältnis in der Produktion und das zwischen Finanzinvestoren (Leihkapitalisten) und fungierenden Kapitalisten – werden im Geld als ein Ding, als Banknote oder als sonstiger liquider Vermögensgegenstand vorausgesetzt, aber gerade nicht erklärt.
Daraus folgt auf der zweiten Argumentationsebene, dass Geld seinen Kapitalcharakter in die Wirtschaft hinein trägt („Geld als Urkapital”). Es schafft das Kapitalverhältnis, indem es seine eigene Verwertungsweise der Wirtschaft aufzwingt. Seine Verwertungsrate, der Geldzins, schafft den Profit und steuert dessen Höhe. Geld ist, wie es z. B. der Buchtitel von Lucas Zeise ausdrückt, „der vertrackte Kern des Kapitalismus”.
Diese umfassende Vorherrschaft des Geldes führt direkt zur dritten Dimension der Dominanzthese, der Herrschaft des Finanzsektors über Industrie und Handel, in der FMK-Theorie variantenreich ausgedrückt u. a. als finanzmarktgetriebener oder finanzinvestorengetriebener Kapitalismus. Unter dieser Formel vereinigen sich Gesellianer, Monetärkeynesianer aber vor allem Autoren, die in Marxscher Theorietradition zu stehen scheinen.
Dass ein solches Theoriegemisch eklektizistische Argumentationsweisen hervorbringt, ist geradezu selbstverständlich. Der Eklektizismus wird entweder offen eingestanden oder er wird mehr in versteckter Form als Fortentwicklung, als Ergänzung, als das Ausräumen von Inkonsistenzen oder sonstiger angeblicher Mängel der Marxschen Theorie ausgewiesen. In beiden Fällen erhält die Argumentationsweise einen beliebigen Charakter.
Unser wichtigstes Resultat führt zur These, dass die Vorstellung von der Herrschaft des Finanzkapitals ihrem Kern nach auf dem monetär-keynesianischen Theorieansatz beruht, dessen Postulate meist stillschweigend der Theorie Gesells entnommen worden sind, die wiederum auf der klassischen Dichotomie von Geldsphäre und Gütersphäre beruht.
Marxsche Erklärungszusammenhänge spielen auf allen drei Dominanz-Ebenen grundsätzlich keine eigenständige Rolle. Sie sind in das gesellianisch-monetärkeynesianische Paradigma durch Uminterpretationen und Umdeutungen inhaltlich eingepasst worden. Ihre Bedeutung beschränkt sich auf sprachliche Ausdrucksweisen, die den Anschein erwecken, als handle es sich um eine Modernisierung der Marxschen Geld-, Kapital- und Akkumulationstheorie. Sofern noch Reste der Marxschen Theorie fortexistieren, bilden sie einen nebensächlichen und eklektischen Anhang der FMK-Theorie. Sie sind nicht mehr als ein Werbegeschenk an die „marxistische Leserschaft”, die man nicht verlieren möchte.
Die These von der Herrschaft des Finanzkapitals weist keinerlei Gemeinsamkeiten mit der Marxschen Theorie auf.
Wie die Analyse der verschiedenen Dominanzebenen zeigte, gibt es nicht nur keine Übereinstimmungen, die Dominanzthese steht im direkten Widerspruch zur Marxschen Kritik der politischen Ökonomie: Die ökonomischen Beziehungen von Ware und Geld bzw. von Profit und Zins werden umgekehrt gesehen. Daraus folgt, dass die Kernthese der FMK-Theorie, die behauptete Dominanz des Finanzkapitals, eine der Marxschen Theorie völlig fernstehende und widersprechende These darstellt.
Anders formuliert: Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie hat nichts mit der FMK-Theorie zu tun; sie enthält eine dazu entgegengesetzte Erklärung von Akkumulation und Krisen. Daraus folgt, dass die FMK-Autoren, selbst wenn sie sich in der Marxschen Tradition wähnen sollten, ganz auf dem theoretischen Feld bürgerlicher Vorstellungen operieren. Ob Selbsttäuschung oder bewusste Täuschung sei dahingestellt: Das gelegentlich ins Feld geführte marxistische Vokabular ist bestenfalls glanzvoll zubereitetes Werbematerial, um Teile der linksorientierten Leserschaft bei der Stange zu halten.
Bei diesem Artikel handelt es sich um eine überarbeitete Fassung meines Beitrags: Herrschaft des Finanzkapitals? Versuch einer theoretischen Klärung, in: Welcher Kapitalismus, welche Krise? Finanzmarktkapitalismus in der Diskussion, herausgegeben von Dieter Janke und Jürgen Leibiger, Leipzig 2015
Quelle: proletarische Briefe… vom 7. März 2017
[i] „Stephen Bannon ist ein scharfer Kritiker des Finanzkapitalismus, wie man aus einer im Internet dokumentierten Rede erfahren kann…Der Kapitalismus müsse zurückgeführt werden zu seiner eigentlichen Bestimmung: Wohlstand für die Breite der Gesellschaft zu schaffen. Bannon klingt fast wie ein Occupy-Jünger, wenn er in seiner Vatican-Rede die ‘Partei von Davos‘ angreift, jene liberale Elite, die auf dem Rücken der Mittelschicht den ‚Globalismus‘ predige, in dem Waren, Geld und Menschen frei zirkulieren. Er will dagegen eine andere globale Vision setzen: nationale Souveränität, markiert durch Zölle und Grenzen”. Jörg Lau: America first! In: Die Zeit vom 26.1.2017.
[ii] Lisa Nienhaus: Er ist wieder da. In: Die Zeit vom 26.1.2017. Titelthema: Hatte Marx doch Recht?
[iii] Vergleiche dazu: Sandleben, Guenther / Schäfer, Jakob: Apologie von links, Köln / Karlsruhe 2013; Siehe eine kritische Würdigung des Buches unsererseits unter Vom Elend des revidierten Marxismus und der alternativen Politikberatung.
[iv] Zeise, Lucas: Euroland wird abgebrannt. Profiteure, Opfer, Alternativen, Köln 2012, S. 43.
[v] Sandleben, Guenther: Nationalökonomie & Staat. Zur Kritik der Theorie des Finanzkapitals, Hamburg 2003; Sandleben: Finanzmarktkrise – Mythos und Wirklichkeit. Wie die ganz reale Wirtschaft die Krise kriegt, Norderstedt 2011; Mattick, Paul: Business as Usual. Krise und Scheitern des Kapitalismus, Hamburg 2012 (englische Originalausgabe 2011); Sandleben/Schäfer; Apologie, a.a.O.; Krumbein, Wolfgang / Fricke, Julian / Hellmer, Fritz / Oelschläger, Hauke: Finanzmarktkapitalismus? Zur Kritik einer gängigen Kriseninterpretation und Zeitdiagnose, Marburg 2014; Wendl, Michael: Machttheorie oder Werttheorie, Hamburg 2013; Wendl: Säkulare Stagnation oder Schieflage der Verteilungspolitik, in: Sozialismus 3/2014; Wendl: Ein Marxismus ohne Wert? Neomarxistische Kapitalismustheorien auf dem Prüfstand, in: Sozialismus 6/2014; Neubauer, Emil: Der hässliche Deutsche – Dritter Akt?, Norderstedt 2015.
[vi] Bischoff, Joachim: Finanzgetriebener Kapitalismus, in: Sozialismus 4/2014, S. 56.
[vii] Huffschmid, Jörg: Kapitalismuskritik heute – Zeitdiagnosen: Vom Staatsmonopolistischen zum Finanzmarktgetriebenen Kapitalismus, Herausgegeben von Rudolf Hickel und Axel Troost, Hamburg 2010, S. 31.
[viii] Hickel/Trost in: Huffschmid, Kapitalismuskritik, S. 10ff.
[ix] Marx, Karl: Theorien über den Mehrwert, Band 2, in: MEW (Marx-Engels-Werke) 26.2, S. 501f.
[x] Eine besondere Interpretationsvariante des Monetärkeynesianismus hat die sogenannte „Berliner Schule” hervorgebracht, deren bedeutendster Vertreter Hajo Riese ist. Diese monetär-keynesianische Richtung ist gemeint, wenn nachfolgend vom Monetärkeynesianismus die Rede ist.
[xi] Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 1, nach der vierten von Friedrich Engels herausgegebenen Auflage, in: MEW 23, S. 107f.
[xii] Herr, Hansjörg: Geld, Währungswettbewerb und Währungssysteme: theoretische und historische Analyse der internationalen Geldwirtschaft, Frankfurt 1992, S. 29f; (!) wurde hinzugefügt.
[xiii] Heine, Michael / Herr, Hansjörg: Volkswirtschaftslehre. Paradigmenorientierte Einführung in die Mikro- und Makroökonomie, 4. Auflage, München 2013, S. 356; (!) wurde hinzugefügt.
[xiv] Keynes, John Maynard: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Übersetzung: Fritz Waeger, München und Leipzig 1936, S. 298.
[xv] Preparata, Guido G.: On the art of innuendo: J. M. Keynes’ plagiarism of Silvio Gesell’s monetary economics, in: Paul Zarembka (ed.) Confronting 9-11, Ideologies of Race, and Eminent Economists (Research in Political Economy, Jg. 2002, Volume 20) Emerald Group Publishing Limited, pp.217 – 253, S. 233ff.
[xvi] Sandleben: Monetäre Werttheorie als Preistheorie. Geld und Wert bei Michael Heinrich, in: Sozialismus 10/2008, S. 45 (auszugsweise als Internetversion unter: http://www.guenther-sandleben.de/).
[xvii] Sandleben/Schäfer; Apologie, S. 67ff.
[xviii] Heinrich, Michael: Die Wissenschaft vom Wert, 4. korrigierte Auflage, Münster 2006, S. 232, 216; (!) wurde hinzugefügt. Die These, das jenseits des Austauschs den Waren ihre Werteigenschaft fehlt, sie also nur Güter sind, die erst im Austausch gegen Geld ihren Wert erhalten, wird an vielen Stellen mal mehr mal weniger deutlich formuliert. „Vor dem Austausch und in Abstraktion vom Geld kann es keine Wertgegenständlichkeit und daher auch kein quantitativ bestimmtes Wertsystem geben”. Ebenda S. 280). Oder die Formulierung: „dass den Waren erst innerhalb des Austausches Wert und Wertgröße zukommen” (Ebenda, S. 232).
[xix] Heinrich, Wissenschaft, S. 251.
[xx] Heinrich, Wissenschaft, S. 218f, 243.
[xxi] Marx, MEW 23, S. 109.
[xxii] Gesell, Silvio: Die natürliche Wirtschaftsordnung, 6. Auflage, Herausgeber Karl Walker, Rudolf Zitzmann Verlag, Lauf bei Nürnberg 1923/1984, S. 189. Gesells Freigeldtheorie zielt auf die Beseitigung dieser Vorherrschaft des Geldes ab, indem dem Geld die gleichen Verluste zugeführt werden sollen wie der Ware. Geschieht dies, dann sei für jeden einerlei, „ob er Geld oder Waren besitzt oder spart, dann sind Geld und Ware vollkommen gleichwertig, dann ist Proudhons Rätsel gelöst, seine Seele aus dem Fegefeuer befreit; die Fesseln sind zerschnitten, die die Menschheit seit jeher an der Entfaltung ihrer Kräfte hinderten” (Ebenda, S. 39). Hier also die auf Proudhon und dessen Schüler Alfred Darimon zurückgehende Illusion, durch bloße Änderung im Zirkulationsinstrument könnten alle Übel der bürgerlichen Gesellschaft ausgeräumt werden. Vergleich dazu die Kritik von Marx, Ökonomische Manuskripte von 1857/58 (Grundrisse), MEGA II/1.1, Berlin 1976, S. 49ff).
[xxiii] Keynes, (Allgemeine Theorie, S. 189) bezeichnete solche Wertminderungen als „Durchhaltekosten”, die beim Geld „unbeachtlich” wären.
[xxiv] Gesell, Natürliche Wirtschaftsordnung, S. 188 und S. 190.
[xxv] Ebenda, S. 324. Gesell bezeichnet den Zins auch als „Abgabe” oder „Tribut” (Ebenda, S. 190), den der Warenbesitzer an den Geldbesitzer durch Abschlag vom Verkaufspreis entrichten muss.
[xxvi] Ebenda, S. 314.
[xxvii] Ebenda, S. 287.
[xxviii] Ebenda, S. 327; (!) wurde hinzugefügt.
[xxix] Ebenda, S. 326. Gesells Vorstellung, dass Unternehmen, Schiffe Häuser etc. erst unter dem Einfluss des Geldes einen Profit abwerfen würden, hat Keynes gelegentlich in der Weise modifiziert, als würden alle „dauerhaften Waren” aus sich selbst heraus einen Zins abwerfen. Keynes (Allgemeine Theorie, S. 187) spricht von Weizenzinsfuß, Kupferzinsfuß, Häuserzinsfuß und Stahlwerkzinsfuß. Die scheinbare Fähigkeit von Geld bzw. Waren, ihren eigenen Wert zu verwerten, und zwar unabhängig von der Reproduktion, bezeichnete Marx als „die Kapitalmystifikation in der grellsten Form” (Marx: Das Kapital. Band 3, MEW 25, S. 405) und deren Vertreter als „Vulgärökonom” – eine Bezeichnung, die auf das gesellianisch-monetärkeynesianische Paradigma ebenfalls zutrifft. „Das Ding (Geld, Ware, Wert) ist nun als bloßes Ding schon Kapital, und das Kapital erscheint als bloßes Ding; das Resultat des gesamten Reproduktionsprozeses erscheint als eine, einem Ding von selbst zukommende Eigenschaft; es hängt ab von dem Besitzer des Geldes, d.h. der Ware in ihrer stets austauschbaren Form, ob er es als Geld verausgaben oder als Kapital vermieten will”. (Ebenda, S. 405).
[xxx] Riese, Hajo: Grundlegungen eines monetären Keynesianismus, Band 1: Das Projekt eines monetären Keynesianismus, Marburg 2001, S. 26.
[xxxi] Ebenda, S. 29f.
[xxxii] Die Vorstellung, Zins und Profit würden durch die Warenzirkulation geschaffen, hat Marx systematisch widerlegt, u. a. im ersten Band des Kapitals (MEW 23, S. 170-181).
[xxxiii] Riese: Was bleibt von Marx? – Was von Marx bleibt. In: Olaf Gerlach/Stefan Kalmring/Andreas Nowak (Hrsg.): Mit Marx ins 21. Jahrhundert, Hamburg 2003, S. 27ff.
[xxxiv] Ebenda, S. 29.
[xxxv] Näheres zur „Apologie von links” in: Sandleben/Schäfer, Apologie.
[xxxvi] Riese, Grundlegungen, S. 23.
[xxxvii] Vgl. Heine/Herr, Volkswirtschaftslehre, S. 344.
[xxxviii] Vergleiche dazu ausführlich Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 2, MEW 24: S. 31-123.
[xxxix] Zeise: Geld – der vertrackte Kern des Kapitalismus. 2. unveränderte Auflage, Köln 2011, S. 54.
[xl] Ebenda, S. 60.
[xli] Ebenda, S. 66.
[xlii] “Sie (vor allem die verschuldeten Unternehmen) sind den Ansprüchen ihrer Aktionäre, der Investment- und Pensionsfonds ausgesetzt(!), die verlangen, dass „ihre” Unternehmen Quartal für Quartal steigende Gewinne ausweisen.”(Huffschmid, Jörg: Politische Ökonomie der Finanzmärkte. Aktualisierte und erweiterte Neuauflage, Hamburg 2002, S. 13). Der Eigentümer des Kapitals, der als Finanzinvestor sein Kapital fortgibt um es durch Zinseinnahmen und Kursgewinne zu verwerten, „definiert Renditevorgaben(!) für die reproduktiven Unternehmen….Die Steuerung(!) der Ökonomie durch die Renditevorgaben(!) des ‚Investors‘ zwingt dem Management das Primat einer kostenoptimierenden Ressourcenverwendung auf” (Krüger, Stephan: Allgemeine Theorie der Kapitalakkumulation, Hamburg 2010, S. 608f; (!) wurde hinzugefügt.
„Obwohl einzelne institutionelle Kapitalanleger häufig nur Minderheitsbeteiligungen an den Unternehmen halten, sind sie in der Lage, (z.B. durch einen angedrohten Abzug von Kapital) einen erheblichen Druck(!) auszuüben und ihre Interessen am ‚Shareholder Value” geltend zu machen, also an der Aktionärsrendite, die sich aus Dividenden und Kursgewinnen zusammensetzt…Die Renditeerwartungen(!) orientieren sich an der möglichen Verzinsung(!) des eingesetzten Kapitals an den Finanzmärkten(!).” (Demirović, Alex / Sablowski Thomas: Finanzdominierte Akkumulation und die Krise in Europa, in: PROKLA. Verlag Westfälisches Dampfboot, Heft 166, 42. Jg. 2011, Nr. 1, S. 77 – 106, im Internet verfügbar unter: http://www.prokla.de/wp/wp-content/uploads/2012/demirovic-sablowski.pdf, S. 83; (!) wurde hinzugefügt).
[xliii] Hickel, Rudolf: Zerschlagt die Banken. Zivilisiert die Finanzmärkte, Berlin 2012, S. 13.
[xliv] Memorandum: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Köln 2009, S. 90; (!) wurde hinzugefügt.
[xlv] Huffschmid, Kapitalismuskritik heute, S. 87f, ähnlich S. 100.
[xlvi] Wendl, Marxismus ohne Wert, S. 64).
[xlvii] Heine/Herr, Volkswirtschaftslehre, S. 348.
[xlviii] Heinrich, Wissenschaft, S. 300; (!) wurde hinzugefügt.
[xlix] „Als Arbeiter … gilt jeder, der vom Ertrag seiner Arbeit lebt. …Einen Gegensatz … bilden … die Rentner, denn ihr Einkommen fließt ihnen vollkommen unabhängig von jeder Arbeit zu. …Der Unternehmergewinn und der Handelsprofit sind, sofern man die in ihnen meistens enthaltenen Kapitalzinsen oder Grundrenten in Abzug bringt, ebenfalls als Arbeitserlös anzusprechen. Der Direktor einer Bergwerks-Aktiengesellschaft bezieht sein Gehalt ausschließlich für die von ihm geleistete Arbeit” (Gesell, Natürliche Wirtschaftsordnung, S. 39).
[l] Marx, MEW 25, S. 392ff.
[li] Krüger, Kapitalakkumulation, S. 608ff.
[lii] Ebenda, S. 608.
[liii] Ebenda, S. 620.
[liv] Wenn Krüger dem Konzep von der Hierarchie der Märkte folgend den Kreditgeber als wirtschaftliche Zentralfigur setzt, dann hat diese falsche Bestimmung nicht nur zur Folge, dass die von Marx thematisierten originär existierenden Kapitalbestimmungen des Produktionsprozesses vernebelt werden, sondern auch, dass ein Gegensatz zwischen Kreditgebern und Lohnarbeitern konstruiert wird. Marx sah Zins und zinstragendes Kapital nicht in einem Gegensatz zur Lohnarbeit, sondern nur zum fungierenden Kapital. Statt bloßer „Vikar des Geldkapitalisten” zu sein, stehen sich Geldkapitalist und Industriekapitalist „wirklich gegenüber”, nicht nur juristisch, sondern auch in ihren jeweiligen Rollen im Reproduktionsprozess (Marx, MEW 25, S. 385). „Andererseits jedoch ist in der Form des Zinses dieser Gegensatz gegen die Lohnarbeit ausgelöscht; denn das zinstragende Kapital hat als solches nicht die Lohnarbeit, sondern das fungierende Kapital zu seinem Gegensatz;…soweit das Kapital nicht fungiert, exploitiert es nicht die Arbeiter und tritt in keinen Gegensatz zur Arbeit” (Ebenda, S. 392).
[lv] Zum Beispiel Riese in seinem Aufsatz „Geldökonomie, Keynes und die Anderen” (in: Riese Grundlegungen). Gottfried Feder, wirtschaftspolitischer Wortführer der NSDAP, verwendete vor fast 100 Jahren in einer Schrift die Bezeichnung „Mammonismus”, um die Macht des Geldes auszudrücken (Feder: Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes. Verlag Jos. Huber, Diessen vor München, 1919).
[lvi] „Im Jahr 2007 summierte sich das in Form von Krediten, Anleihen und Aktien angelegte zinstragende und fiktive Kapital global auf 202 Billionen US-Dollar. Im Jahr 1990 betrugen diese globalen Finanzanlagen 261% des globalen Sozialprodukts, im Jahr 2007 waren es 276%. (…). Der Zusammenhang der verschiedenen Kreisläufe gleicht einer auf dem Kopf stehenden Pyramide, bei der sich die Basis, der Kreislauf des industriellen Kapitals, relativ klein ausnimmt im Vergleich zu den darauf aufbauenden Kreisläufen des Finanzkapitals, d.h. des zinstragenden Kapitals, des fiktiven Kapitals und der Derivate.” (Demirović/Sablowski, Finanzdominierte Akkumulation, S. 79). „Das Volumen aller Finanztransaktionen ist mittlerweile 75mal so hoch wie die gesamte Weltproduktion. Allein das verwaltete Vermögen … ist vom 1,8fachen der Weltproduktion im Jahr 1999 auf das 30,4fache in 2010 explodiert.” Hickel: Schöpferische Zerstörung. Warum Deutsche Bank & Co. zerschlagen werden müssen. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 3/2012, S. 65. Krumbein, Finanzmarktkapitalismus S. 17ff, hat die Aufblähungsthese mit dem Hinweis in Zweifel gezogen, dass die Finanzmärkte allenfalls in Teilen aufgebläht wären.
[lvii] Unter „Mammonismus” verstand Feder (Manifest, S. 11) „die „unheimliche, unsichtbare, geheimnisvolle Herrschaft der großen internationalen Geldmächte.” Schon in seiner damaligen Argumentation spielten aufgeblähte Kreditverhältnisse und Zinsen eine zentrale Rolle: „Wo muss die Brechung der Zinsknechtschaft einsetzen?” Fragt Feder. Seine Antwort: „Beim Leihkapital!” (also im Finanzsektor). „Warum?” fragt er weiter? Weil das Leihkapital gegenüber allem industriellen Großkapital so übermächtig ist….20:1 ist das Verhältnis des Leihkapitals zum industriellen Großkapital” (Ebenda, S. 6).
[lviii] So der Titel des Aufsatzes von Fülberth, Georg: Nützlicher Eklektizismus. In: Mit Marx ins 21. Jahrhundert, Hamburg 2003.
[lix] Hickel und Troost in: Huffschmid, Kapitalismuskritik heute, S. 17.
[lx] Zeise, Geld – der vertrackte Kern, S. 9, 50.
[lxi] Roubini, Nouriel / Mihm, Stephen: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft, Frankfurt/New York, 2011, S. 15f.
[lxii] Krüger: Keynes und Marx, Hamburg 2012, S. 18.
[lxiii] Krüger: Politische Ökonomie des Geldes, Hamburg Krüger 2012, S. 78, 92ff.
[lxiv] Krüger, Kapitalakkumulation, S. 609.
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