Der Iran und das Atomabkommen
Mina Khani. Es gab vor einigen Wochen einen Brief an Federica Mogherini, unterschrieben von linken Intellektuellen wie Judith Butler und David Harvey, die die Fortsetzung des Atomabkommens gefordert haben. Dieser Brief wurde auch von Figuren der reaktionären iranischen Befürworter des Regimes wie Soroosh und Parsi, die als Lobbyisten des iranischen Regimes innerhalb iranischer intellektuellen Kreisen bekannt sind, unterschrieben. Viele linke Iraner*innen sind immer wieder von solchen Aktionen frustriert und wissen nicht wie sie damit umgehen sollen. Ich denke, die beste Antwort darauf ist, die politische Lage des Iran aus der Perspektive der Subjekte der progressiven iranischen Kräfte zu erklären.
Wie von vielen erwartet, wurde das Atomabkommen (JCPOA) zwischen dem Iran und den P5+1, also dem UN Sicherheitsrat plus Deutschland als nicht-ständigem Mitglied und der Europäischen Union, durch Donald Trump aufgekündigt. Kurz zuvor hatte Netanjahu in einer live-Präsentation verkündet, dass der Mossad, der israelischen Geheimdienst, über mehrere tausend Dokumente verfüge, die Beweise für ein aktives iranisches Atomprogramm wären. Das Ziel dieses klandestinen Programms sei die Atombombe, was wiederum ein Vertragsbruch mit dem JCPOA wäre.
Der Zeitpunkt für diese Manöver ist kein Zufall. Netanyahu und Trump hatten zu Beginn der Massenproteste im Iran, die seit Anfang Januar dieses Jahres anhalten, den Protestierenden versprochen, sie würden auf der Seite der „iranischen Bevölkerung“ stehen. Trotz des spontanen Charakters der Proteste haben allerdings nur kleine Teile der Demonstrant*innen darauf reagiert. Es gab keine Bilder von Protestierenden, die mit Plakaten und Parolen eine Intervention der Großmächte gefordert hätten.
Klar ist, dass die USA mit ihrem neuen Präsidenten Trump zur Doktrin der „Achse des Bösen“ zurückgekehrt ist. Diese Politik wurde nach dem 11.September von George W. Bush entwickelt um die Interventionen der USA und anderer imperialistischer Großmächte im Nahen und Mittleren Osten zu legitimieren. Natürlich mit der vortrefflichen Idee „Demokratie und Menschenrechte“ in der Form von Bomben zu sähen. Auf dieser Grundlage wurde der so genannte arabische Frühling systematisch ins Chaos gestürzt. Es gibt mittlerweile zahlreiche Länder, in denen Krieg und Terror herrschen und keine progressive Alternative in Sicht ist. Jeden Tag eine neue „islamistische Terrorbande“, die es zu zerschlagen gilt. Die Bilder von hungernden, geflohene Menschen, toten Kindern und gespenstischen Ruinenstädten sind zur Normalität geworden.
Wenn wir über die Entwicklungen in den Nahen und Mittleren Osten sprechen, müssen wir immer beachten, dass sie sowohl von den Entwicklungen des globalen Nordens und imperialistischen Ländern als auch von den regionalen Entwicklungen beeinflusst sind.
Blicken wir auf die sich zuspitzende Situation im Iran. Diese lässt sich gut aus drei unterschiedlichen Perspektiven betrachten: Die Rolle des Imperialismus im Iran und der gesamten Region, die innenpolitischen Spannungen und die zunehmende Instabilität des Regimes sowie die Rolle die der Iran als Regionalmacht spielt.
Die imperialistische Politik gegenüber dem Iran und dem Mittleren Osten
Die imperialistische Außenpolitik der USA, der europäischen Staaten und Israels in der Region fußt auf drei Elementen. Zum einen auf die Suche nach Verbündeten, deren eigene Ziele kurz- oder mittelfristig mit denen der imperialistischen Mächte korrelieren. Den Druck auf Länder durch harsche Sanktionen erhöhen um sie zu destabilisieren und somit zu Verhandlungen zu zwingen. Und zu guter Letzt die Anwendung direkter oder indirekter militärischer Interventionen durch Stellvertreterkriege, Bewaffnung reaktionärer Kräfte, Besatzung und eine Ausweitung von Waffenlieferungen in die Region.
Ich glaube, dass aus materialistischer Sicht schon mehr als klar sein sollte, dass es dabei um Ressourcenzugang und deren Ausbeutung geht. Da die Motivation der imperialistischen Politik klar ist, sollte es bei der Analyse hauptsächlich darum gehen wie die imperialistischen Mächte diese Politik durchsetzen und weniger darum, warum sie das machen. Es ist wichtig, dabei die Komplexität der imperialistischen Politik zu erkennen, zu kontextualisieren und zu analysieren.
Wichtig dabei ist zu erklären, dass die Politik der imperialistischen Mächte nach dem Kalten Krieg nicht mehr in Dualitätsdebatten zu erfassen ist. Am Beispiel der postrevolutionären iranischen Geschichte ist es sehr leicht zu erkennen, wie diese Debatten zu falschen und vereinfachten Positionen führen, die nur Regime-Change und Reaktion kennen. Genauso wie vor der Revolution von 1979 gibt es auch danach eine historische Entwicklung der imperialistischen Politik der USA und Europas gegenüber dem Iran.[1]
Keine materialistische Analyse der jetzigen Situation des Irans ist möglich, ohne dass wir auf die Zeit der Revolution 1979 zurückblicken und die Entwicklung der islamischen Regierung des Iran und die imperialistische Politik aus iranischer Perspektive betrachten.
Iran 1979, Khomeini übernimmt die Führung. Die Bevölkerung akzeptiert ihn als religiösen Führer, vor allem, weil er durch seine Propaganda und Netzwerke Elemente von marxistischem Antiimperialismus vereinnahmt. Die antiimperialistischen Diskurse, die sich nach der Operation Ajax und dem Putsch gegen Mosadegh verfestigt haben, vereinen sich mit dem Antikolonialismus aus der Zeit der Zwangsmodernisierung des Irans durch den Vater Pahlavi’s und Gründer der Dynastie, Rezah Shah. Einer der Gründe, warum Khomeini so beliebt war und warum der iranische Antiimperialismus der damaligen Zeit eine Schwäche für religiöse Figuren und Strömungen hatte, war, dass die Bevölkerung nur Jahrzehnte zuvor ein Trauma erlebt hatte.
Reza Shah (an der Macht 1925 – 1941), zunächst Verbündeter Englands und Russlands, hat das Land durch extreme Maßnahmen im Zuge der Industrialisierung des Landes modernisiert. Die Frauen wurden durch Polizeigewalt und durch Zwang entschleiert und durften nicht mit Hijab in der Öffentlichkeit erscheinen. Außerdem wurden Moscheen und religiöse Trauerfeiern angegriffen. Khomeini hat daraus enormes politisches Kapital geschlagen und durch sein charismatisches Auftreten sogar Teile der marxistischen Strömungen der damaligen Zeit für sich gewonnen.
Kurz nach der Revolution und im Zuge der Sabotage der antiimperialistischen Diskurse der Revolution wurde die US-Amerikanische Botschaft in Teheran von einer Gruppe Khomeini Anhänger besetzt. Die Botschafter*innen wurden als Geisel genommen, was zum bis heute andauernden Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Iran und den USA führte. Als Antwort darauf haben die USA den Irak im ersten „Golfkrieg“ sowohl ideologisch als auch durch massive Waffenlieferungen unterstützt. Zwar wurde später auch die iranische Seite mit Waffen beliefert aber auf der ideologischen Ebene blieben die USA auf der Seite des Iraks und somit Saddam Husseins.
Das iranische Regime hat den Effekt dieser sabotierten Form des Antiimperialismus als einen wichtigen Teil seiner Ideologie verfestigt. Die USA haben es nie verarbeitet, dass sie durch die Revolution den direkten wirtschaftlichen und militärischen Zugang zum Iran verloren haben und somit zu einer Region mit bedeutenden fossilen Energieressourcen. Der Iran hat wiederum im Zuge seiner Etablierung als Regionalmacht den Antiimperialismus zur Legitimation ihrer Außen- als auch Innenpolitik genutzt.
Später haben die USA Sanktionen gegen den Iran verhängt, um den iranischen Staat unter Druck zu setzen. Die Sanktionen hatten für das gesamte Land, vor allem aber für den ärmsten Teil der Bevölkerung, verheerende wirtschaftliche und politische Folgen. Die Sanktionen waren es auch, die die Atomverhandlungen überhaupt erst ermöglicht haben. Europa, mit Deutschland an der Spitze, hat seit den Anfängen des islamischen Regimes immer eine, sowohl auf der diplomatischer wie auch wirtschaftlicher Ebene, labile Beziehung zum Iran aufrechterhalten. Die von den USA durchgeführten Sanktionen haben die europäischen Mächte also immer diplomatisch mitgetragen. Dennoch haben sich andere Staaten über die Zeit mit dem Iran verbündet. Russland und China sind die zwei wichtigsten. Das Ziel des Atomabkommens war, zu Gunsten von trans- und internationalen Firmen in westlichen Ländern, im Sinne der „freien Marktwirtschaft“ und der Globalisierung, diese Mauer von Sanktionen zu durchbrechen.
In Syrien hat der Iran seine geopolitischen Interessen verteidigt und die imperialistische Politik der westlichen Länder hat die Ruinen in Syrien im Namen der Bekämpfung des Diktators Assad gutgeheißen. Im Rahmen des Stellvertreterkrieges in Syrien wurde auch die innenpolitische Lage im Iran, trotz der massiven Unzufriedenheit der Bevölkerung, darauf vorbereitet, sich auf die „Moderaten“ im Iran und die Verhandlungen einzulassen.[2]
Innenpolitische Lage des Irans und die Instabilität des Regimes
Das iranische Regime hat sich direkt nach der, durch massive Repression sabotierten[3], Revolution auf Krieg und außenpolitische Krisen gestützt. Als Khoramshahr, eine wichtige, ölreiche Stadt im Süd-Iran vom Irak besetzt wurde, hat das iranische Regime viele junge Menschen für den Krieg gewonnen. Nach der „Befreiung“ Khoramshars durch iranische Truppen hat das iranische Regime den Krieg und die „Islamische Revolution“ feierlich propagiert. Repression und systematische Unterdrückung, die Ideologisierung als ein schiitischer Gottesstaat in der Region und die permanente Gefahr von außen sind einige Elemente, auf die das iranische Regime baut. Im Kontext der innenpolitischen Lage bedeutete es, dass das iranische Regime immer mit einer im Inland wachsenden Opposition konfrontiert war, die sich nicht dem intensivierenden staatlichen Dogma unterwerfen wollte.
Das iranische Regime hat schon seit Jahrzehnten alle paar Jahre mit Aufständen zu kämpfen, die das ideologische geformte Selbstbild des Irans strapazieren. Immer noch ist die einzig effiziente Antwort des Regimes auf Reformbestrebungen innerhalb der Bevölkerung massive Repression. In der Zeit von Ahmadinejad hat sich innerhalb der iranischen Bevölkerung die Angst verbreitet, dass der Iran wieder kurz vor einem Krieg stünde. Die Sanktionen wurden schon zu seiner Zeit verschärft. Während seiner Präsidentschaft hat sich die Konfrontation mit den USA und Israel und damit mit Europa weiter verschärft und die Unterdrückungsmaßnahmen wurden intensiviert. Ahmadinejad konnte noch nicht einmal sein einziges Versprechen, die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung, einhalten.
Mit der stetig steigenden Kriegsgefahr, der Verschärfung der Repression und der durch Sanktionen und Korruption ausgelösten wirtschaftlichen Krise erlebte der Iran die erste Welle der Massenproteste im Zuge der Wahlfälschungen von 2009. Nur wenige Tage nachdem der „Wahlsieg“ Ahmadinejads verkündet wurde, gingen allein in Teheran drei Millionen Menschen auf die Straße. Noch Monate später gab es massive Proteste und Auseinandersetzungen im gesamten Land. Die Protestwellen hatten zuerst eher einen reformistischen Charakter, wurden aber im Laufe der Zeit immer radikaler. Obwohl es seit einigen Jahren eine neue Arbeiter*innenbewegung gibt[4], haben die Arbeiter*innen kaum in organisierter Form an den Protesten teilgenommen. Das liegt daran, dass die Bewegung eher radikal demokratische Forderungen stellte ohne soziale Forderungen miteinzubeziehen. Die in der Student*innenbewegung involvierten Neumarxist*innen haben sporadisch an den Protesten teilgenommen. Sie wurden auch im Zuge der Niederschlagung der Grünen Bewegung gezielt in ihren Häusern, Universitäten und Cafés festgenommen. Obwohl sie keinen großen Einfluss auf die Bewegung hatten, hat das iranische Regime ihr progressives Potenzial ernst genommen. Die Bewegung wurde letztendlich niedergeschlagen. Die drei Köpfe der Grünen Bewegung (Mir Hossein Moussavi, Mehdi Karoubi und Zahra Rahnavard) stehen bis heute unter Hausarrest und dürfen keinen Zugang zur Öffentlichkeit haben. Die reformistischen Kräfte haben sich danach enorm zurückgezogen.
Die Wahlen nach dem Ende der Präsidentschaft Ahmadienejads erweckten vielleicht den Eindruck, als ginge es bei ihnen um eine Auseinandersetzung zwischen Hardlinern und Reformisten. Letztendlich einigten sich allerdings Reformisten und Hardliner auf einen neuen Kandidaten: Rohani, dem heutigen Präsidenten des iranischen Regimes. Die neuen Reformisten, die die radikaleren Teile, also die drei Köpfe der Grünen Bewegung, aufgegeben hatten, nannten sich von nun an die „Moderaten“. Sie haben zwar in der Zeit nach der Geburt der Grünen Bewegung mehr politische Freiheit und sogar die Freilassung der Köpfe der Grünen Bewegung versprochen, diese Versprechen aber nie eingehalten. Vielmehr haben sie sich auf die Aufhebung der Sanktionen und Verhandlungen mit Europa und auf das Atomabkommen konzentriert. Dies ist ein Grund, warum sie im Laufe der Verhandlungen von den westlichen Staaten und damit auch den westlichen Medien als „liberale“ Kräfte wahrgenommen und dargestellt wurden.
Die wirtschaftliche Lage des Irans verschlechterte sich indes immer weiter. Die politische Unzufriedenheit war und ist sehr groß aber auch die Frustration über die Niederlage der Grünen Bewegung. Diese Situation hat das Regime genutzt, um eine Scheinalternative vorzuschlagen: „Das Atomabkommen“. Die Bilder der feiernden Menschen auf den Straßen Teherans nach der Unterzeichnung des Abkommens wurden auch in westlichen Medien ausgestrahlt und zelebriert. Was vom iranischen Regime und auch den europäischen Staaten eigentlich zelebriert wurde, waren die Wirtschaftsverträge hinter dem Atomabkommen.
Im Rahmen der Verwirklichung der wirtschaftlichen Verhandlungen zwischen Europa und dem Iran wurden viele Privatisierungs- und Neoliberalisierungsmaßnahmen durchgesetzt, die die Lage der Arbeiter*innen weiter verschlechterten. Das erklärt auch, warum die organisierten Kämpfe der Arbeiter*innen kurz nach Abschluss der Verträge stark zugenommen haben. Das ganze Jahr 2017 war durchzogen mit Streiks, die von illegalen, unabhängigen Arbeiter*innenverbänden organisiert wurden.
Die Massenproteste Anfang 2018 waren also kein Ausdruck einer einmaligen Explosion, sie waren das unvermeidliche Resultat einer politisch-wirtschaftlichen Situation und von Bewegungen, die zum größten Teil von den Arbeiter*innen angestoßen wurden. Allerdings haben auch die Hardliner eine kleine aber entscheidende Rolle gespielt. Sie waren mit den Ergebnissen des Atomabkommens nicht zufrieden, weil sie dadurch innenpolitisch ein Stück weit ihr ideologisches Gesicht verloren haben. Daher rührt ihre Teilnahme an den Protesten gegen die Regierung Rohanis. Deshalb haben sie mobilisiert und dafür auch soziale Fragen instrumentalisiert. Als die kleinen Aufstände sich zu Massenprotesten entwickelten, schwenkten die Hardliner wieder um und einigten sich mit der Regierung. Für sie war klar, dass sie an einem Strang ziehen müssen, als die Parole „Hardliner, Reformisten, Eure Zeit ist vorbei“ zum Slogan der Massenproteste wurde.
Bei den Massenprotesten wurden die sozialen Fragen immer in direkter Verbindung mit politischen Fragen thematisiert und die Proteste waren vom Charakter her viel massiver und breiter als die Grüne Bewegung. Aber auch sie wurden mit harter Repression zurückgedrängt. Viele Ermordete, viele Verletzte und viele Festnahmen konnten die spontanen, explosiven Massenproteste zerschlagen. Was sie aber nicht ändern konnten war die Unzufriedenheit der ärmsten Teile der Bevölkerung. Denn nach der Zerschlagung der landesweiten Proteste haben die organisierten Arbeitskämpfe zugenommen.
Der Iran steht vor einer Explosion. Die Arbeiter*innenbewegung wird immer größer, es gibt viele progressive Elemente innerhalb der besser organisierten Arbeiter*innenverbände. Die Frauenbewegung wird immer politischer und konkreter. Die Lehrer*innen – und Studierendenproteste haben viele progressive Elemente. Es gab einen öffentlichen Aufruf der bedeutendsten Arbeiter*innengewerkschaften, eine gemeinsame, einheitliche Arbeiter*innenorganisation zu schaffen. Es ist kein Zufall, dass die USA und Israel genau jetzt hart angreifen. Sie wollen den historischen Moment der Explosion nicht verpassen. Und es ist auch kein Zufall, dass das iranische Regime diese Eskalation weiter verschärft. Das Regime erhofft sich durch die außenpolitische Eskalation wieder einmal die Bevölkerung auf seine Seite zu bekommen.
Das iranische Regime hat sich im Laufe der Zeit durch Korruption und Unterdrückung in den Augen großer Teile der iranischen Bevölkerung delegitimiert. Die politische Instabilität im inneren des Iran ist ein wichtiger Grund für das Regime, die außenpolitische Lage als Projektionsfläche und Ablenkung zu benutzen.
Iran als Regionalmacht
Das Regime hat in seiner ersten Stabilisierungsphase schon versucht, die sabotierte Revolution sowohl ideologisch als auch militärisch für seine Regionalpolitik zu benutzen: Außenpolitisch die Ideologisierung der „Islamischen Revolution“ als eine Revolution, die exportiert werden musste; die Gründung der Hisbollah als iranische Armee im Libanon; die Unterstützung der Hamas und die Verbindung zu Russland und Syrien; der in die Länge gezogene Krieg gegen den Irak. Innenpolitisch die Vertiefung der ethnischen und religiösen Spaltungen im Iran und in der Region; die Gründung des Sepahs als ökonomisch höchst aktives iranische Paramilitär. Und zu guter Letzt die Fortsetzung des Atomprogramms als ein innen- wie außenpolitisch wichtiges Element.
Der Sepah (das iranische Paramilitär zum Schutz des Regimes, gegründet im Mai 1979) ist mittlerweile eine Säule der Macht im Iran[5]. Die Sepah nimmt gezielt Aktivist*innen, Journalist*innen, organisierte Oppositionelle, Kurd*innen und Frauen fest. Sie interveniert, zusammen mit Ghasem Soleimani als General des Militärs höchstpersönlich, in Syrien. Sie privatisiert Banken im Iran, verfügt über viele Geschäfte, Firmen und Fabriken. Die Sepah hat einen eigenen Geheimdienst- und Gefängnisapparat und ist die Einheit die, direkt nach Aufkündigung des Atomabkommens, von Syrien aus Israel angriff. Kurz nach den Auseinandersetzungen zwischen dem Iran und Israel begannen die landesweiten Lehrer*innenproteste. Auch hier schritt der Sepah ein und nahm eine der wichtigsten Figuren der Lehrer*innengewerkschaften – Mohammad Habibi – fest.
Syrien dient dem Iran schon seit Jahren als Projektionsfläche für regionale und lokale Politik. Auch innenpolitisch ist das Thema von wahlentscheidender Relevanz. Das iranische Regime hat seine Intervention in Syrien immer mit der Verteidigung der „Iranischen Grenzen“ in Syrien begründet. Die Reformisten haben bei den Wahlen nach der Niederlage der Grünen Bewegung immer wieder auf die Lage in Syrien hingewiesen. Die Bevölkerung stehe vor einer „Wahl“: entweder die Intervention in Syrien oder eine syrische Situation im Iran.
Natürlich strebt der Iran nach der Entwicklung eines Atomprogramms und es ist leicht sich vorzustellen, dass der Iran damit nicht nur eine „friedliche Entwicklung“ meint. Der Iran versucht sich auch nach der Aufkündigung des Abkommens durch Trump immer wieder an Europa zu wenden und fordert, dass das Abkommen von Europa gerettet wird. Der Iran ist, was sein ideologisches Bild im inneren des Landes sowie die wirtschaftliche Lage betrifft, in einer tiefen Krise.
Auch die Lage in Palästina verschärft sich weiter. Sie ist eine von vielen Fronten, die weiter ausgebaut werden und über die der Iran seine eigene Rolle in der Region definiert. Russland liefert die Waffen, China stellt seine Märkte zur Verfügung und auch mit der Türkei gibt es Annäherungen. Selbst zur Barzani – Regierung in der Autonomen Region Kurdistan hat der Iran mittlerweile recht gute Kontakte.
Der Stellvertreterkrieg zwischen dem Iran und Saudi-Arabien im Jemen ist ein weiterer Ausdruck für die regionalen Machtkämpfe. Der Iran wurde im Laufe seiner Etablierung als Regionalmacht für viele andere Mächte in der Region unverzichtbar und baut, seit der Gründung der islamischen Republik, alles darauf auf.
Die Projektionsfläche
Die USA hat das Atomabkommen aufkündigt, weil sie mit den diplomatischen Entwicklungen des Irans unzufrieden sind, besonders, weil sie den US-Profiten schaden.
Wenn Europa das Atomabkommen aufrechterhält und es lieber verteidigt, heißt das nichts weiter als dass Europa mehr Profite durch Privatisierungen und Neoliberalisierungen im Iran erwirtschaften kann als durch eine militärische Auseinandersetzung. Wenn der Iran sich auf das Atomabkommen einlässt, heißt es für den Iran weitere Profite für den korrupten Staat und mehr Unterdrückung der Bevölkerung. Wenn das Atomabkommen aufgekündigt wird, heißt es für den Iran mehr regionale Auseinandersetzungen und mehr Unterdrückungen der Bevölkerung.
Das Atomabkommen hatte große politische wie wirtschaftliche Folgen und genauso wird die Aufkündigung des Abkommens ruinierende politische und wirtschaftliche Folgen für den Iran haben. Was aber mit dieser Projektionsfläche durch alle Beteiligten systematisch versucht wird, ist, dass sie nicht außerhalb der Dualität denken können. Es wird in das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung eingedrungen und versucht, diese davon abzuhalten an eine Alternative jenseits von Regime-Change oder Regime-Fortführung zu denken.
Ein Grund für Frustration aber auch für Motivation. Es geht darum sich neue Wege auszudenken. Eine Delegation der Arbeiter*innengewerkschaften ist genau aus diesem Grund nach Europa gereist um für mehr internationale Solidarität zu werben.
Quelle: lowerclassmag.com… vom 7. Juni 2018
[1] http://openlettertomogherini.world/
[2] https://www.klassegegenklasse.org/was-steht-hinter-dem-atomdeal-mit-dem-iran/
[3] https://www.klassegegenklasse.org/iran-die-toechter-der-revolutionsstrasse/
[4] https://www.klassegegenklasse.org/auch-im-knast-ungebrochen-der-widerstand-iranischer-gewerkschafter/
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Iranische_Revolutionsgarde
Tags: Arbeiterbewegung, Europa, Frauenbewegung, Gewerkschaften, Imperialismus, Irak, Iran, Neoliberalismus, Syrien, USA
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