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Klimastreiks in der Schweiz

Eingereicht on 14. März 2019 – 11:37

Seit Monaten streiken Schüler*innen und junge Menschen rund um den Globus gegen den Klimawandel und für eine sinnvolle politische Antwort auf die Klimakrise. In der Hochschulzeitung der BFS Zürich „Im Übrigen“ behandeln wir die Entwicklung und die Herausforderungen und Perspektiven der Bewegung. (Redaktion sozialismus.ch)

Emil Spotter. Seit einigen Monaten wird auch in der Schweiz für den Klimastreik mobilisiert. Die grösste Jugendbewegung seit vielen Jahren schafft es erfolgreich, zehntausende Schüler*innen und vermehrt auch Studierende und Erwachsene für das Klima auf die Strassen zu bringen. Die willentliche Untätigkeit von Wirtschaft und Politik, der bleibende Eindruck des vergangenen heissen Sommers und der inspirierende Schulstreik der schwedischen Schülerin Greta Thunberg lösten weltweit Frustration, Alarmiertheit und Tatendrang unter den Schüler*innen aus. Nach diesem sehr erfolgversprechenden Start der Bewegung stellt sich die Frage, wie und mit welcher Strategie sich der Klimastreik in Zukunft weiterentwickeln sollte, damit erfolgreich Druck aufgebaut werden kann und er nicht in einigen Monaten wieder verpufft. Um dies zu gewährleisten, sind auch wir Studierende gefragt!

Am 21. Dezember 2018 organisierten sich erstmals 4‘000 Schüler*innen in zahlreichen Schweizer Städten, um während der Schulzeit gegen die herrschende Klimapolitik zu protestieren. Sie folgten damit dem Vorbild von Schüler*innen in anderen Ländern rund um den Erdball, deren Zahl im neuen  Jahr weiter anwachsen sollte: Australien,  Deutschland, Belgien, Kolumbien, Grossbritannien, die Niederlande, Uganda, Kanada und weitere. Am 18. Januar protestierten schweizweit nochmals 22‘000 Schüler*innen und am Samstag, dem 2. Februar waren unter den 65‘000 Teilnehmenden auch Lehrlinge, Studierende und zahlreiche weitere Unterstützende dabei. Bei all diesen Demonstrationen zeigten sich die Schüler*innen als kämpferische junge Menschen, welche für die eigene Zukunft auf die Strasse gehen, weil sich sonst nichts tut. Der junge, dynamische Charakter der Bewegung hat das Potenzial, viele – auch bisher nicht politisch interessierte Menschen – anzuziehen und längst überfälligen Druck gegen die bereits stattfindende Klimakatastrophe aufzubauen. Die Schüler*innen fordern die schweizer Politik auf, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 auf netto Null zu senken und sofort den nationalen Klimanotstand auszurufen.

(Heraus)Forderungen der Bewegung

Das Wissen darum, dass diesen Forderungen unter den aktuellen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen bis 2030 wahrscheinlich nicht nachgekommen wird, sollte uns nicht zur Folgerung verleiten, die Forderungen abzuschwächen. Denn die Klimakatastrophe ist real. Es ist fundamental wichtig für eine effektive Klimapolitik, die Ziele an dem auszurichten, was nötig ist, und nicht an irgendeiner diffus definierten „gemässigten Mitte“. Denn es ist genau jener Konsens der „Mitte“, jene „ja, aber“ Mentalität, welche in den vergangenen Jahrzehnten jeden Vorschlag für unmöglich erklärt hat, der effektiv etwas am Klimawandel geändert hätte. Die Streikenden erklären deshalb folgerichtig, dass wenn den Forderungen nicht nachgekommen wird, es nicht die Forderungen sind, die falsch sind. Falsch ist das System, welches nicht in der Lage ist, uns eine grüne Zukunft zu garantieren!

In den landesweiten Forderungen werden also strukturelle Veränderungen verlangt, doch dieser Fokus geht auf den Strassen zuweilen leider unter. An den Demos wird sehr offensichtlich auch ein Schwerpunkt auf individuelle, moralistische Veränderungen gesetzt. Veganismus, der Verzicht aufs Fliegen und allgemein die Reduzierung des eigenen CO2-Aussstosses fordern eine Selbstoptimierung in unserer Funktion als Konsument*innen im Kapitalismus. Ohne zu bestreiten, dass wir bereits viel für das Klima erreichen würden, wenn wir alle diesen Anforderungen gerecht werden würden – wir hätten es weiterhin nicht in der Hand, selbst die nötigen Massnahmen gegen die Klimakatastrophe einzuleiten und wir hätten keine Möglichkeiten, die umweltzerstörerischen und arbeiter*innenfeindlichen Produktionsweisen durch nachhaltige und demokratisch legitimierte zu ersetzen. Der Widerstand der Wirtschaftsführer*innen und der ihnen wohlgesinnten Politiker*innen gegen die Ablösung des jetzigen Wirtschaftssystems zugunsten einer grünen und solidarischen Alternative, welche den Klimawandel abzuwenden vermag, überrascht nicht. Diese Erkenntnis zeigt uns aber auf, dass wir nicht darauf warten können, dass die Klimakrise für uns gelöst wird. Ebenso wenig sollten wir uns als Individuen die Verantwortung dafür in die Schuhe schieben lassen – wir müssen den Kampf für eine nachhaltige und grüne Zukunft gemeinsam in die Hand nehmen!

Dynamische Entwicklung und Perspektiven

Den Klimastreiks sind bisher nicht nur Hass und Angriffe von rechts, sondern auch eine breite Welle an Sympathie entgegengekommen. Verschiedene Parteien und Nichtregierungsorganisationen würden gerne sichtbar an den Demonstrationen teilnehmen und einige Unternehmungen versuchen greenwashing zu betreiben, indem sie Exponent*innen der Schüler*innenstreiks einladen, um für sie zu referieren. Um sich vor solchen Vereinnahmungsversuchen zu schützen, wurden Parteifahnen und Organisationssymbole an den Demos verboten. Die Klimastreiks sind also ein umkämpftes Feld und die Schüler*innen setzen viel daran, die Deutungshoheit darüber zu behalten. Sie möchten eine dezentrale Jugendbewegung sein, doch sie fürchten sich zugleich davor, dass die Bewegung eine eigene, radikalere Dynamik annehmen könnte. So wurde das Flyern an den Demos anfänglich ebenfalls verboten und damit die Möglichkeit stark eingeschränkt, Inhalte und Analysen überhaupt zur Debatte zu stellen. Es scheint, als sorgen sich die Schüler*innen um die Marke «Klimastreik» und fürchten, nicht über alle Formen des Protestes wie bestimmte Slogans und Transparente mitbestimmen zu können. Doch um die Forderungen konsequent und effektiv zu halten, ist es unausweichlich, dass der Klimastreik kein monothematisches Anliegen bleibt. Er muss auch andere, damit verbundene Kämpfe miteinbeziehen und offen bleiben für weiterführende Analysen.

Ankündigung: Am 15. März 2019 findet ein internationaler Klimastreik statt. Es wird in vielen Städten lokale Demonstrationen geben (Informationen unter climatestrike.ch). Also auf die Strassen in Solidarität mit den Schüler*innen, liebe Studis!

SYSTEM CHANGE, NOT CLIMATE CHANGE!

Nach dem Streik ist vor der Aktion: Mit einer Aktion zivilen Ungehorsams wollen wir die grössten Klimasünder spüren lassen, dass es so wie es ist, nicht mehr bleiben kann:

Bist du Studentin oder Student und möchtest beim Klimastreik mitmachen? Für die Uni Zürich, ETH und ZHAW gibt es Whatsapp-Chats, in denen du dich vernetzen kannst und alles Wichtige rund um die Klimabewegung erfährst. Darüber hinaus wird es Anfang Semester noch ein offenes Treffen geben, wo die Mobilisierungskampagne für die Zürcher Hochschulen im Hinblick auf den Streik am 15. März besprochen wird. Haltet die Ohren steif, in den Chats werdet ihr zeitnah über alle Termine informiert. WhatsApp-Chat-Links für sind unter http://climatestrike.ch/regionalgruppen zu finden.

Quelle: sozialismus.ch… vom 14. März 2019

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