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Klimaproteste: Erfahrungsbericht aus Zürich zur massiven Repression

Eingereicht on 24. Juli 2019 – 8:31

Collective Climate Justice. Frühmorgens am Montag, dem 8. Juli 2019 setzten mehr als 100 Klimaaktivist*innen ein mutiges und deutliches Zeichen: Der Schweizer Finanzplatz soll seine massiven Investitionen[1] in klimazerstörerische Projekte sofort beenden. Getreu dem Motto «Wir drehen den Geldhahn zu» verbarrikadierten die Aktivist*innen die Eingänge der Credit Suisse am Paradeplatz in Zürich und der UBS am Aeschenplatz in Basel. Die beiden Banken haben sich dieser Kritik bis heute nicht gestellt und liessen die Blockaden stattdessen noch am gleichen Tag durch die Polizei räumen. Obwohl die Aktionen absolut friedlich verliefen, folgte eine Welle der Repression, wie sie ökologische Bewegungen in den vergangenen Jahren nicht erlebt haben: In Zürich wurden 64 und in Basel 19 Aktivist*innen verhaftet und ins Gefängnis gesteckt, gegen die nun zahlreiche Strafbefehle und Bussen in der Höhe von mehreren Zehntausend Franken verhängt wurden. Einige Erlebnisse aus Zürich mit Polizei und Strafbehörden, die lieber Banken als friedlich demonstrierende Menschen schützen, sind hier zusammengestellt.

Auch Aussenstehende merkten an besagtem Montagmorgen schnell, dass das riesige Polizeiaufgebot nicht bloss ein Einsatz, sondern vor allem eine Machtdemonstration war. Polizist*innen legten den Verkehr um den Paradeplatz lahm, stellten sich wie an einer Militärparade auf und liefen in soldatischen Kolonnen auf die Klimaaktivist*innen zu. Diese wurden brutal zu Boden gedrückt, grob festgehalten und schonungslos abgeführt. In Kastenwagen und mit Kabelbindern gefesselt, begann dann das lange Warten, für einige sogar bei brütender Hitze in Tiefgaragen.

Bei den anschliessenden Durchsuchungen und Befragungen zeigte sich, dass die Polizei nicht das leiseste Interesse daran hatte, diese mit einer möglichst geringen Belastung für die Inhaftierten zu gestalten. So mussten sich einige mehrmals einer Leibesvisitation unterziehen und das «Informationsblatt für festgenommene Personen», auf dem die Rechte der Verhafteten notiert sind, wurde teilweise gar nicht oder zu spät ausgehändigt. Telefonate an Angehörige und an eine rechtliche Vertretung wurden verwehrt und Fragen nach dem weiteren Vorgehen schroff abgewiesen. Verhafteten mit keinen oder schlechten Deutschkenntnissen wurde ausserdem eine Übersetzung auf Französisch oder Englisch verweigert; für sie verständliche Auskünfte nach ihren Rechten und nach den ausgehändigten Formularen wurden ihnen barsch vorenthalten.

Besonders hervorzuheben ist die sexistische Gewalt, welcher Aktivistinnen* ausgesetzt waren. Während den Verhaftungen wurde trotz lautstarker Aufforderungen deren Recht missachtet, ausschliesslich von Polizistinnen* angefasst und abgeführt zu werden. Die Polizist*innen machten sich anschliessend einen Spass daraus, deren Geschlecht mit Ausdrücken wie «Mannsweib» oder «Weiblein» zu «erraten». Bei den Leibesvisitationen fielen wiederholt abfällige Bemerkungen über den Körper der Verhafteten; eine Aktivistin wurde gar mehrfach als «Fotze» beleidigt. Des Weiteren wurden Aktivistinnen*, die während ihrer Haft ihre Periode hatten, Hygieneartikel verwehrt. Erst unter Androhung, die Wände der Zelle mit Blut zu beschmieren, wurden diese zähneknirschend ausgehändigt.

Die mindestens 48 Stunden Haft, welche die Staatsanwaltschaft für alle Verhafteten anordnete, sollten absichtlich eine psychologische Zermürbung darstellen. Obwohl die Zellen des «Propog» (seit 28 Jahren als «provisorisch» bezeichnetes Polizeigefängnis auf der Kaserne, das bereits mehrmals von der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter gerügt[2] wurde) für zwei Personen ausgerichtet sind, wurden die Aktivist*innen grossmehrheitlich isoliert eingesperrt. Ohne Kontakte zur Aussenwelt durfte die Zelle nur ein einziges Mal für eine Stunde im sogenannten «Spazierhof» verlassen werden. Die Uhrzeit sei für Häftlinge «nicht von Belang» und die Möglichkeit zu duschen wie auch Stift und Papier wurden ebenfalls oft verwehrt. Das ohnehin karge Essen war für Menschen, die sich laktosefrei, vegan, vegetarisch oder glutenfrei ernähren (müssen), nicht geeignet und wurde auch auf mehrfache Nachfragen nicht angepasst. Besonders krass sind die Fälle, in denen den Gefangenen eine medizinische Versorgung verweigert wurde – die Wärter*innen konnten sich beispielsweise nicht einmal dazu aufraffen, Medikamente aus dem Gepäck eines Gefangenen zu holen und ein weiterer Aktivist musste einen ganzen Tag auf den Gefängnisarzt warten.

«Solidarität ist eine Waffe», sagte eine Aktivistin, als sie entlassen wurde. Und Recht hat sie: Unterstützung fanden die Gefangenen der Bankenblockade in der Mahnwache, die rund um die Uhr vor dem Gefängnis gehalten wurde, und in den Solidaritätsdemos, die abends um die Gefängnisse zogen. Das Ziel der Repression ist klar: Die Aktivist*innen sollen eingeschüchtert und demoralisiert werden. Die auferlegten Bussen und Strafen sollten sie von weiteren Aktionen abhalten. Die Willkür und Verachtung, mit welcher die Gefangenen behandelt wurden zeigen deutlich, dass Polizei und Staatsanwaltschaft keine Skrupel im Umgang mit Menschen besitzen, welche sich gegen herrschende Verhältnisse und für eine lebenswerte Zukunft einsetzen. Doch die Solidarität und der Zusammenhalt haben gezeigt, dass wir mit dieser Aktion auf dem richtigen Weg sind – und dass uns weniger passieren kann, wenn wir mehr sind und solidarisch zusammenstehen.

Freiheit für den letzten Gefangenen der Bankenblockade vom 8. Juli: Free Prisoner 49!

Spende für die verhafteten Klima-Aktivist*innen

Am 8. Juli haben mehrere Hundert Aktivist*innen gegen die klimaschädlichen Banken Credit Suisse und UBS protestiert. Dutzende von ihnen wurden verhaften und die ihnen auferlegten Strafbefehle betragen nach heutiger Schätzung mindestens 64’000 Franken. Dies, weil sie sich für die Zukunft unseres Planeten eingesetzt haben! Unterstütze die Aktivist*innen mit einer Spende!

Zum Spendeaufruf

Quelle: sozialismus.ch… vom 24. Juli 2019


[1] In der Schweiz ansässige Banken besitzen zwar keine eigenen Kohlekraftwerke oder Pipelines, finanzieren aber die aktuell stattfindende Umweltzerstörung massgeblich mit: So emittiert der Finanzplatz Schweiz das 20-fache der Treibhausgasemissionen der ganzen Schweiz (Quelle: www.wwf.ch/sites/default/files/doc-2017-09/2016-05-Studie-Klima-Masterplan-Klima-Allianz.pdf) und unterstützt damit eine globale Erwärmung von 4–6 Grad Celsius (Quelle: www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/klima-und-finanzmarkt.html).

[2] Quelle: www.nkvf.admin.ch/dam/data/nkvf/Berichte/2014/polizeigefaengnis_zuerich/150721_ber.pdf

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