Trotz Repression Regierung zu Verhandlungen gezwungen
„… In Ecuador hat Präsident Lenín Moreno am Sonntag eine umfassende Ausgangssperre und die Militarisierung der Hauptstadt Quito und ihrer Umgebung angeordnet. Die Order erging inmitten heftiger Proteste gegen eine Reihe neoliberaler Maßnahmenin dem südamerikanischen Land. Die Ausgangssperre begann am Sonntag um 15:00 Uhr (Ortszeit) und wurde nur 38 Minuten im Voraus angekündigt. Tausende Menschen blieben dennoch auf den Straßen und hielten die Proteste aufrecht. Moreno sagte, die Maßnahme werde “das Handeln staatlicher Kräfte angesichts der unerträglichen Auswüchse der Proteste erleichtern”. Man werde “die Ordnung in ganz Ecuador wiederherstellen”, fügte der Präsident in einer kurzen Stellungnahme an, die über Radio- und Fernsehsender verbreitet wurde. Derweil kam es vor allem in Quito zu heftigen Auseinandersetzungen (…) Der Indigenen-Dachverband Conaie kündigte am Samstag an, dass er sich an dem von Präsident Moreno vorgeschlagenen “direkten Dialog” beteiligen wird. “Nach einem Konsultationsprozess mit Gemeinschaften, Organisationen, Volksgruppen und sozialen Organisationen haben wir beschlossen, am direkten Dialog teilzunehmen”, heißt es in einem Kommuniqué. Die Organisation akzeptierte damit ein persönliches Treffen mit dem Präsidenten, um “die Aufhebung oder Überarbeitung des Dekrets” über die Wirtschaftsreformen zu besprechen. Die Gespräche finden nach einer Woche heftiger Proteste statt, bei denen mindestens fünf Menschen getötet und fast 2.000 verletzt und inhaftiert wurden…“ – aus dem Beitrag „Ausgangssperre und Militär in Hauptstadt von Ecuador“ von Harald Neuber am 13. Oktober 2019 bei amerika21.de noch vor dem Beginn der Verhandlungen – die allerdings aufgenommen wurden, ohne dass die Mobilisierung unterbrochen wurde. Siehe zu fortgesetzten Protesten und Verhandlungsbeginn drei weitere aktuelle Beiträge sowie zwei Beiträge zur Frage, wer die Unterstützung der Moreno-Regierung betreibt und zwei Aufrufe zur Solidarität mit der Protestbewegung, schließlich den Hinweis auf den bisher letzten unserer Beiträge zur Massenbewegung in Ecuador: „Militär in Ecuador übernimmt Kontrolle“ ebenfalls von Harald Neuber am 14. Oktober 2019 bei telepolis ausführlicher zu den aufgenommenen Verhandlungen: „… Moreno kündigte am Samstagabend (Ortszeit) im nationalen Fernsehen seine Bereitschaft an, das umstrittene Dekret 883 zu revidieren, mit dem er Anfang des Monats die Abschaffung der Treibstoffsubvention und eine Reihe weitere Sparmaßnahmen verfügt hatte. “Für den Frieden und die Zukunft unseres Landes (….) werden wir das Dekret 883 entsprechend dem Wunsch indigener Organisationen und sozialer Gruppierungen überarbeiten”, sagte er. Moreno fügte hinzu, er werde einen monatlichen Bonus privater Unternehmen an ihre Mitarbeiter in Höhe von 20 US-Dollar vorschlagen, um die sozialen Folgen der landesweiten Blockaden seit Monatsbeginn abzufedern
In einem Kommuniqué haben die Vereinten Nationen indes moderierte Gespräche zwischen der Regierung von Moreno und den Bevölkerungsgruppen angekündigt, die gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik auf die Straßen gehen. Moreno hatte einen Dialog mit den Gegnern seiner Politik zu Beginn entschieden abgelehnt und hatte die Demonstranten beschimpft. Wenige Tage später schwenkte er angesichts der Massivität der Proteste auf einen konzilianteren Kurs ein. Dennoch gehen ecuadorianischen Behörden weiterhin gegen Regierungsgegner und kritische Medien vor. Am Samstag wurde das Signal des lateinamerikanischen Fernsehkanals Telesur abgeschaltet. “Unser Signal wurde ohne jegliche Rechtfertigung vom Satellitenkanal 722 und Kabel 626 in Ecuador entfernt. Wir verurteilen dieses Vorgehen und bitten unsere Zuschauer, die sofortige Freischaltung von Telesur zu verlangen”, sagte Sendechefin Patricia Villegas. Zuvor war das öffentliche Radio Pichincha Universal, dessen Redaktion regierungskritische Positionen vertreten hatte, unter zentrale Kontrolle der Medienbehörden in Quito gestellt worden. Mehrere Journalisten wurden von Polizei und Armee angegriffen oder festgenommen…“
„Ecuador. 11 días de Paro Nacional contra el paquetazo del FMI y el mal gobierno“ am 13. Oktober 2019 bei Resumen Latinoamericano ist eine Art Bestandsaufnahme der 11 Tage des Protestes im Land – und gleichzeitig ein Beitrag über die Fortsetzung dieser Proteste auch nach Aufnahme der Verhandlungen. So waren am Sonntag in Quito insgesamt 41 Straßen blockiert, im ganzen Land wurden Streiks und Demonstrationen fortgesetzt und großen Zulauf hatten auch die „Kochtopf-Demonstrationen“ in den verschiedenen Wohnvierteln größerer Städte. Die Fortsetzung der Proteste war eine der Bedingungen, unter denen das Indigenennetzwerk Conaie die Verhandlungen mit der Regierung Moreno aufgenommen hat, andere waren ein neutraler Ort, die Öffentlichkeit der Gespräche und die Teilnahme von Menschenrechtsorganisationen.
„Entrega pública y televisada del mandato de los pueblos y nacionalidades al presidente Lenin para una salida al conflicto, luego de 11 días de paralización“ am 14. Oktober 2019 bei der Conaie (Twitter) ist die Meldung des Gesprächsbeginn mit der Übergabe des Forderungskatalogs an die Regierung.
„Berlins Hoffnungsträger in Ecuador“ am 14. Oktober 2019 bei German Foreign Policy verweist auf Unterstützung: „… Morenos Kurswechsel ist in den deutschen Eliten begeistert begrüßt worden. Im Februar 2019 besuchte Frank-Walter Steinmeier als erster Bundespräsident seit über einem Vierteljahrhundert das Land; er wolle, hieß es zur Begründung, “den demokratischen Aufbruch Ecuadors würdigen”. “Gegen einen globalen Trend entscheidet sich Ecuador für einen Weg der Öffnung”, behauptete das Bundespräsidialamt: “Deutschland schätzt diesen mutigen Schritt”. Auch die Konrad-Adenauer-Stiftung streckt erneut ihre Fühler nach Quito aus. Am 7. März empfing der Generalsekretär der Organisation, Gerhard Wahlers, Ecuadors Vizepräsidenten Otto Sonnenholzer in Berlin; er hob, wie die Stiftung erklärt, deren “Interesse … an der Situation des Landes hervor und begrüßte die jüngste Entwicklung”. Ein erster Höhepunkt beim Ausbau der deutsch-ecuadorianischen Beziehungen war ursprünglich für diesen Monat vorgesehen. So sollte Präsident Moreno am 8. Oktober als Ehrengast beim Galadiner des Lateinamerika-Tags des Außenwirtschaftsverbandes Lateinamerika-Verein empfangen werden; Gespräche mit investitionswilligen deutschen Unternehmern waren geplant. Darüber hinaus sollte Moreno in Berlin nicht nur mit Bundespräsident Steinmeier, sondern auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentreffen: Sein neoliberaler Kurs stößt in Berlin auf Sympathie…“
„Apoyo incondicional de Pedro Sánchez a Lenín Moreno“ von Canarias Semanal am 13. Oktober 2019 bei kaosenlared dokumentiert, ist ein Beitrag zur Kritik an der bedingungslosen Unterstützung Morenos durch die spanische Regierung, hier als Beispiel dafür, dass dies eine EU-weite Haltung ist, die sich für die Durchsetzung des neoliberalen Diktats gegen die Bevölkerung Ecuadors stark macht.
„Convocan este lunes a manifestarse frente a las Embajadas ecuatorianas, en todo el mundo“ am 13. Oktober 2019 ebenfalls bei Resumen Latinoamericano ist die Dokumentation des Aufrufes der vernetzten Opposition Ecuadors, am Montag, 14. Oktober 2019 weltweit vor den Botschaften des Landes Solidarität zu bekunden.
„Llamado al gobierno de la República del Ecuador y la opinión pública nacional e internacional“ am 13. Oktober 2019 beim Alternativen Gewerkschaftlichen Netzwerk für Solidarität und Kampf ist die Dokumentation des Netzwerkes einer internationalen Solidaritätserklärung mit den Protesten in Ecuador, die von zahlreichen bekannten lateinamerikanischen Personen initiiert wurde.
Zu den Massenprotesten in Ecuador zuletzt: „Trotz Polizei und Armee – Hunderttausende auf den Straßen Ecuadors am Tag des Generalstreiks“ am 11. Oktober 2019 im LabourNet Germany
Quelle: labournet.de… vom 15. Oktober 2019
Tags: Altersvorsorge, Arbeiterbewegung, Arbeitswelt, Ecuador, Frauenbewegung, Lateinamerika, Neoliberalismus, Politische Ökonomie, Service Public, Widerstand
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