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Der Beginn der Bewegung der K-Gruppen in der BRD

Eingereicht on 16. Dezember 2019 – 18:15

„MAO-Archiv“. Die RPK-Arbeitskonferenz mit den zu ihr vorgelegten Hauptpapieren der Fraktionen war die zentrale Debatte zwischen schließlich drei Gruppen, die auch schnell in der Bundesrepublik Deutschland Freunde fanden, da die dortige Diskussion eifrig nachgeübt wurde (vgl. Bonn). Nicht zuletzt ging es bei dem Streit (man beachte auch die Auseinandersetzungen um die Veröffentlichung von Artikeln) um das damals wichtigste linksradikale Presseorgan, welches wöchentlich mit einer Auflage von 10 000 Exemplaren in fast jede noch so entlegene Gegend der Republik drang, von den örtlichen Revolutionären in ihren eigenen Zeitungen begeistert abgetippt bzw. nachgebetet wurde. Die RPK besaß unzweifelhaft den Nimbus der Hauptstadt der Revolte, das Frankfurter ‚SC-Info‘ des Sozialistischen Clubs bzw. die ‚Sozialistische Correspondenz Frankfurt‘ hatte da eher zweitrangige Bedeutung.

Es geht also nicht nur um bloße Theorie, sondern auch um handfesten politischen Einfluss mittels Kontrolle über die RPK. Die ML stellt sich dabei, zumindest in der Arbeiterkonferenz, die einen kaum zu unterschätzenden Stellenwert hatte angesichts der Septemberstreiks und der allgemein vollzogenen ‚proletarischen Wende‘, vor als Opposition gegen die studentischen Genossen, die vermutlich beim INFI bzw. den Thesenverfassern und der ihnen befreundeten Rotzeg verortet werden dürfen. Während die revolutionäre Berufspraxis der Lehrer aber Mitte 1969 noch anziehend erschien (vgl. 5.7.1969), vor allem für die teils mit weit überwiegender Mehrheit revolutionär organisierten Studierenden einschlägiger FU-Institute, eröffnete sie doch Perspektiven auf die Beeinflussung von Oberschülern, auch wenn proletarische Kinder durch die Sexpol-Kampagne kaum zu gewinnen waren (vgl. Aug.1969), war bei der RPK-Arbeitskonferenz der Mythos des ‚proletarischen Riesen‘ aufgrund der Septemberstreiks 1969 längst erwacht. Nun galt es, bolschewistische Betriebsarbeit zu machen oder wenigstens zu unterstützen (vgl. Sept. 1969, 1.11.1969).

Die ML Westberlin machten mutmaßlich eine kurze theoretische Pause (vgl. Okt. 1969), um danach umso lauter für ihre dabei einstudierten Mao Tse-Tung Zitate trommeln zu können und sich auch in der RPK-Redaktion fraktionell zu etablieren (vgl. 14.11.1969). Sie bieten damit das Vorbild für die bundesdeutschen Gruppen, die sich später zu ABG, KABD, KB und KBW zusammenschließen, aber auch teils für die KPD/ML, ist doch die Ruhrkampagne im engen Bündnis mit den ML und später nicht unwesentlich and er KPD/ML-ZB beteiligt.

In der Betriebsarbeit ist aber auch eine maoistisch-spontaneistische Tendenz tätig, die sich später als Proletarische Linke/Parteiinitiative (PL/PI) bzw. als Proletarische Linke (PL) organisiert und neben den ML und der KPD-Aufbauorganisation (KPD/AO) eine dritte bundesweite Linie von eher spontaneistischer als operaistischer, aber auf jeden Fall antiautoritär-maoistischer bis auch einmal terroristischer Ausrichtung in Anlehnung an die französische Gauche Proletarienne mitprägt, zu der wir keinen eigenen Artikel verfassen, ihre Darstellung ist in Frankreich enthalten.

Die Fraktionierung seitens der ML bzw. der ihren Artikel zunächst zensierenden RPK-Redaktionsmehrheit scheint Anlass zur Ausrufung der RPK-Arbeitskonferenz zu sein (vgl. 23.11.1969), auch wenn zunächst nur der Beirat einberufen wird (vgl. 21.11.1969, 29.11.1969), der sich aber gerade zwei Tage später, die Westberliner hatten ja im Gegensatz zu den östlichen K(l)assenbrüdern schon Telefon, umgehend zögerlich betreffs demokratischer Beratungen zeigte, die Arbeitskonferenz wird auf den 6.12.1969 verschoben, und nur bei der Zensur sofort entschieden zuschlug (vgl. 23.11.1969), auch wenn dies durchaus nicht nachhaltige Wirkung zeitigte (vgl. 28.11.1969). Der RPK-Beirat wird zum täglich tagenden Gremium angesichts des antiautoritären Aufstandes der Redaktion, sowie scheinbar schlicht voreilig vorpreschender ML-Parteigründer (vgl. 24.11.1969). Angesichts des damaligen Wertes der nahezu heilig hoch gehandelten Handelsmarke Marxismus-Leninismus (ML) verwundert es nicht, dass der RPK-Beirat darauf mehrheitlich leichtfertig hätte verzichten mögen. Lieber wird die eigene Position als die ML-Position betont.

Die Theoriefraktion aber erkennt perfekt pädagogisch, dass die Anderen sowieso unbelehrbar sind, besetzt mit akademischer Entschiedenheit zentrale Produktionsstätten des damals maßgeblichen linken Organs. Nicht nur höhere Deutschlehrer sind hier mutmaßlich beteiligt, sondern auch eine offenbar breite Koalition von späterer Rote Armee Fraktion (RAF) in Gestalt von Horst Mahler bis KPD/Aufbauorganisation (KPD/AO) in Gestalt von Wolfgang Schwiedrzik.

Zumindest die Berliner Studierenden in Gestalt der Rotzeg (Rote Zelle Germanistik) an der FU Berlin bleiben fleißige Schüler, ach nein, sogar richtig linke Lehrer der Revolution (vgl. 26.11.1969), die das Volk völlig bedienen würden, wenn es nur die Macht bereitwillig bolschewistisch an sie übergäbe.

Unter dem Eindruck des massenhaften Ausbruchs der klassenkämpferischen Kriminalität in Gestalt der Septemberstreiks 1969 überzeugte aber vermutlich auf der RPK-Arbeitskonferenz eher die ML-Fraktion im Verein mit der späteren PL/PI, schien doch die Abkehr von der Hochschularbeit angesagt, zumindest dort, wo sowieso ca. 80% der Studierenden in den verschiedenen Gruppen organisiert waren und trotzdem noch jede Demonstration eher mühelos von der Polizei verprügelt werden konnte … Die Septemberstreiks 1969 hatten da ganz andere Zeichen gesetzt. Massenhafter – hunderttausendfacher! – und völlig offensichtlicher gewalttätiger Gesetzesbruch wurde mit Lohnerhöhungen gehätschelt statt niedergeknüppelt, auch wenn einige der Vertreter des Kapitals schießen wollten wie auf Rudi Dutschke, aber: sie trauten sich einfach nicht!

Unter dem überwältigenden Eindruck dieser Streikwelle vermochte die revolutionäre Berufsperspektive der Lehrer nur noch eine untergeordnete Rolle einzunehmen. Die Rotzeg, deren einschlägige Fraktion neben dem Infi als wesentliches Hauptquartier der Semler/Horlemann-KPD zu verorten ist, musste sich hier erst der hinreichenden Anzahl proletarischer Kader, u.a. aus dem Sozialistischen Arbeiter- und Lehrlingszentrum Westberlin (SALZ) versichern, um entsprechend auftrumpfen zu können.

Interessant an den Marxisten-Leninisten Westberlin (vgl. 26.11.1969) erscheint dabei vor allem, dass eine Selbstorganisation der Arbeiter angestrebt wird, zu der die Arbeiterkonferenz werden sollte. Die bolschewistische Partei als autoritativer Ratgeber in allen Fragen des proletarischen Alltags scheint hier noch sehr fern. Es ist mehr die Auflehnung gegen oben, was auch immer das gerade heißen mag. BRD, NS, SDS, der ML kommen damals alle Führer fast gleich, Hauptsache Aufstand gegen sie und nicht so arg viel Gerede dabei… Natürlich wird doch arg viel geredet (vgl. 28.11.1969), aber die ML stellt sich damals eher hemdsärmelig praktisch dar, proletarisch sowieso. Einige bisher zusammenarbeitende Gruppen weisen mittlerweile offensichtlich ML-Fraktionen auf. Dies gilt auch für das Proletarierinnenzentrum (PROZ – vgl. Dez. 1969), welches als eines der Verbindungsglieder zwischen der ersten Welle der bundesdeutschen autonomen Frauenbewegung 1968 und der weiteren großen Welle ab 1974 wichtig ist. Im PROZ sowie den sich daran in Gefolge der RPK-Arbeitskonferenz orientierenden Gruppen wird vor allem Betriebsarbeit in typischen Frauenbetrieben, vor allem in der Elektroindustrie betrieben, z. b. bei ITT-Intermetall Freiburg, aber auch in anderen typischen Frauenarbeitsbereichen wie z.B. im HBV-Bereich im Ruhrpark Bochum.

Die Trotzkisten, in Gestalt der damals in Westberlin weitaus führenden Spartacisten des Spartacus – IAfeKJO (vgl. Dez. 1969), bleiben auch auf der RPK-Arbeitskonferenz bzw. den Auseinandersetzungen um die RPK trotz örtlicher prima proletarischer Praxis eher farblos, vermutlich waren sie intellektuell einfach zu eigensinnig für solcherlei Massenauftriebe.

Erfolgreicher zeigt sich da die allerdings erst später (vgl. Dez. 1969) so heißende PL/PI.

Allein der Aufschub der Veröffentlichung eines Artikel aber gereicht angesichts der alltäglich andauernden Anforderungen des Klassenkampfes zum Anlass einer erbitterten Auseinandersetzung, die zur mehr oder minder konsequent regional bzw. örtlich durchgeführten Dreiteilung der damaligen radikalen Linken der Bundesrepublik Deutschland führt.

Die sog. Harzer Gruppen teilen sich dabei später noch weiter auf in PEI bzw. PL, bzw. AO und ML andererseits (vgl. Jan. 1970).

Die PEI analysiert sich rückblickend selbstkritisch als alleinig antiautoritär ausgerichtet (vgl. 1.3.1970), was angesichts des antiautoritären Anspruchs der außerparlamentarischen Opposition nicht wirklich verwundern sollte.

[Weiteres – insbesondere zu den Zeitangaben – siehe die Auszüge aus der MAO-Datenbank]

Der Konferenzbericht der Redaktionsmehrheit

Geht man vom Abstimmungsergebnis der Arbeitskonferenz zur RPK-Frage aus, die Redaktion (nach dem Proporz (3 :3 : 3 :2) aus Mitgliedern der Roten Zellen, der „Harzer Front“, der „ML“ incl. Ruhrkampagne und den beiden Genossen von Geschäftsführung und Vertrieb zusammenzusetzen, liegt der Schluß nahe, sei nur der alte Zustand wiederhergestellt worden. Die Vorbereitung von der RPK als einem organisationsstiftenden Organ hat sich nicht durchsetzen können» Dennoch wurden in den Diskussionen während der zwei Tage Ansätze und Perspektiven gefunden, die die Grundprinzipien einer revolutionären Organisation konkretisieren können und bald ihren Ausdruck in einer endgültigen Reorganisation der RPK finden werden.

Der Verlauf der AK war wesentlich durch die widersprüchlichen Ansichten bestimmt, die die teilnehmenden Gruppen über die Aufgabenstellung der AK hatten. Für die „ML“-Fraktion und die mit ihr verbündete Ruhrkampagne stand von vornherein fest, I daS der RPK-Beirat „kein eigenständiges politisches Gremium, I bzw, die RPK nur eine pluralistisch zusammengesetzte Plattform für die ideologische Auseinandersetzung sein könne. Diese Einschätzung hatte die Haltung der „ML“ und Ruhrkampagne schon in den Auseinandersetzungen um den Abdruck des „ML“-Artikels zur Organisation- bzw. Schulungsfrage bestimmt, als sie dem Beirat das Recht zu mehrheitlich gefaßten Beschlüssen absprachen und ihn mit Hilfe der Redaktion – unter dem Vorwand, er sei paralysiert – abzusetzen versuchten, als er dennoch abstimmte.

Die im Beirat vertretenen Roten Zellen und die auf der Grundlage des „Harzer Papiers* zusammengeschlossenen Betriebsgruppen erwarteten dagegen von der AK die Klärung inhaltlicher Fragen (wie die Bestimmung der Rolle der revolutionären Intelligenz bei der Entfaltung des proletarischen Klassenkampfes, die Analyse der Bedingungen und der Schwerpunkte der Klassenkämpfe in der nächsten Etappe, die Voraussetzungen der zentralen Organisierung der Betriebs«, Hochschul- und internationalistischen Praxis), um die Fraktionierung nicht scheinhaft über Schulung, sondern über diese inhaltlichen Fragen voranzutreiben und schließlich aus diesem Zusammenhang heraus die Funktion der RPK neu zu bestimmen und sie – wenn möglich – als politisches Organ ihrer Fraktion zu instrumentalisieren.

Die quantitativ überwiegende Mehrheit der Versammlung schwankte zwischen Organisationsfeindlich keit und abstrakter Bereitschaft zu organisatorischer Veränderung, Sie sah die Notwendigkeit der Überwindung des alten Pluralismus ein, wollte sich aber auf keine der bestehenden Fraktionierungen festlegen lassen. Zum Richter über die Rolle der RPK gemacht, ( wählte sie das, was ihr als kleinstes Übel erschien: eine drittelparitätisch besetzte Redaktion, in der sie zwar selbst nicht mehr vertreten ist, in der aber zumindest dafür gesorgt sein sollte, daß keine der bestehenden Fraktionen die RPK als „Manipulationsinstrument “ in die Hände bekäme.

Um die Zusammensetzung der AK zu dokumentieren, geben wir zunächst die Teilnehmerliste wieder (Zahl der Delegierten in Klammern): Aktionsrat zur Befreiung der Frauen, Gruppe Dernburgstr. (4); Aktionsrat zur Befreiung der Frauen, Mehrheitsfraktion (4); Sozialistisches Arbeitskollektiv OSI (4); Sozialistische Assistentenzelle am OSI (4); ad-hoc-Physik TU (4); ad-hoc-Chemie TU (4); ad-hoc-Maschinenbau TU (4); ad-hoc-Wirtschaftswissenschaften TU (4); SALZ-Fraktion (4); SALZ-ML-Fraktion (4); Arbeiterkonferenz Mehrheitsfraktion (2); Arbeiterkonferenz-ML-Fraktion (2); PROZ-ML (4); Druck-ML (4); Ruhrkampagne (4); Kommunistische Zelle Historiker (4); Institutsgruppe Rote Publizistik (4); ad-hoc Biologie FU (4); 883-Redaktion (3); Rotzeg (4); Rotzmath (4), Rotzök (4); Rotz-Psych (4); Rotzjur (4); Rotzing (4); Rotzmed (4); Projektgruppe Elektroindustrie (4); Basisgruppe Moabit (4); Betriebsgruppe NCR (4); Betriebsgruppe Neckermann (4); Sektion Produktion der Soziologen (4); Infi-Projektgruppe Afrika (4); Italien-Arbeitskreis (3); Vietnam-Komitee (4); PalästinaKomitee (4); RPK-Geschäftsführung und Vertrieb (2).

Als nicht stimmberechtigte Gäste waren u. a. anwesend: BG Schering, BG Telefunken, Sozialarbeitergruppe, Arbeitsgruppe Revolutionäre Erziehung, Rote Zelle PH, ad-hoc Gruppe Soziologie FU, TU-Politreferat, Medizinerladen, Sozialistisches Anwaltskollektiv, Unione Emigrati Italiani Progressisti, Konföderation Iranischer Studenten, Rote Garde, SDS-Tübingen, SDS Gießen, SDS Hamburg, SIZ München, SDS-BV.

Dieses Spektrum „arbeitender Gruppen“ ging nun daran, nach dem Zerbrechen der organisatorischen Einheit SDS zum ersten Mal eine gemeinsame „Landesvollversammlung“ in Form einer Arbeitskonferenz der RPK zu veranstalten. Der Doppelcharakter der Arbeitskonferenz: Landeskonferenz verschiedener, in keinem organisatorischen Zusammenhang stehender Gruppen und zugleich speziell Arbeitskonferenz der RPK zu sein, bezeichnet genau die Umbruchstelle, an der die „Studenten-, Schüler- und Arbeiterbewegung“, als deren Organ die RPK sich bislang verstand, angelangt ist. War die RPK bislang die einzige Ebene der Kommunikation der unorganisiert „arbeitenden Gruppen“ und damit auch als Veranstalter einer Arbeitskonferenz noch denkbar, mußte sie selbst zum Gegenstand der Auseinandersetzung werden, sobald die „Bewegung“ über ihren Pluralismus hinausdrängte und per Fraktionierung versucht, verbindliche Organisationsformen herzustellen.

Im Verlauf der Arbeitskonferenz zeigte sich, welche Gruppen die notwendige Fraktionierung vorantreiben und diese Fraktionierung auch als Führungsanspruch im Hinblick auf die RPK formulieren wollten. Die langwierige Geschäftsordnungsdebatte, mit der die Konferenz begann, war insofern eine politische Debatte, als in ihr bereits der Anspruch der verschiedenen Fraktionen an die Arbeitskonferenz und an die RPK deutlich hervortrat Die „ML“ setzte ihre schon vor der AK begonnene Politik, in der RPK die friedliche Koexistenz aller Fraktionen zu etablieren, fort, indem sie ihr RPK-8-Punkte-Programm (vgl. S. 3) zur Grundlage der Diskussion zu machen versuchte, Sie warf damit den auf der Konferenz anwesenden organisationsfeindlichen Gruppen den Köder hin, daß die RPK auch weiter ein Blatt der „antirevisionistischen Gruppen in ihrer diffusen Pluralität bleiben dürfe. Der bescheidene Platz, den die „ML“ in der RPK für sich forderte, die Bescheidenheit, mit der sie die RPK als bloßes „Intellektuellen-Blatt“ als bloßes Diskussionsforum der Fraktionen bestimmt, die Anspruchslosigkeit, mit der sie „gleiches Recht für alle“ forderte, appellierte genau an die Gruppen, die sich der politischen Verantwortung stets entziehen und doch bei allen wichtigen Fragen mitberücksichtigt sein wollen. Gegenüber dem Versuch, die Diskussion auf der Arbeitskonferenz von vornherein auf die Frage der RPK und die Diskussion der RPK von Anbeginn auf ihre formalen Aspekte zu reduzieren, setzte sich der Gegenvorschlag durch, die fraktionelle Auseinandersetzung über inhaltliche Fragen voranzutreiben und erst aus diesem Zusammenhang die Funktion der RPK zu bestimmen. Die Mehrheit der Versammelten stimmte dafür, die Debatte mit der Diskussion eines von der provisorischen Redaktion in Auftrag gegebenen und von den Genossen Semler, Neitzke, Hartung, Jasper, Horlemann, Heinrich u.a. verfaßten Thesenpapiers zu eröffnen (vgl. S. 8).

Vorgelesen und diskutiert wurden die ersten vier Punkte dieses Papiers: über das richtige Verhältnis von Theorie und Praxis im Marxismus-Leninismus, über die Beziehung von Praxis und Organisation, über die Partei und die erste Etappe des Aufbaus, welche Stellung nimmt das Initiativ- und Kontrollaktiv der RPK ein und welche Aufgaben hat es zu übernehmen?

In diesen vier Punkten des Papiers wird der Versuch gemacht, die Kritik an der sektiererischen Position der „ML“in der Organisationsfrage noch einmal zu erhärten, zugleich aber einen Schlag gegen die rechtsopportunistischen und organisationsfeindlichen Fraktionen innerhalb der Studentenbewegung and Basisgruppen zu führen. Herausgefordert fühlen mußte sich nicht nur die „ML“, die ihre vagen Vorstellungen von demokratischem Zentralismus und Kaderpartei hinter dem ebenso vagen Begriff von Übergangsoragnisation verbirgt: provoziert wurden auch diejenigen, für die Organisation nichts anderes bedeutet, als das organische Zusammenwachsen der partikularisierten Praxisbereiche. Die „ML“ sagte nichts. Ihre Kritik beschränkte sich auf den Vorwurf der Praxislosigkeit und des Infi-Hintermännertums der Verfasser. Anders die Spontaneistengruppen. Sie reagierten heftig darauf, daß überhaupt von Partei gesprochen wurde. Mit der Gebärde intellektueller Redlichkeit warnten sie „vor einer Überidentifikation mit historisch» Organisationsmodellen“, zweifelten sie daran, ob man „außer von studentischen Massen überhaupt von Massen reden könnte“ und lehnten es ab, „sich durch formale Zwänge eine Verbindlichkeit auferlegen zu lassen“. Sie riefen im Chor: Zentralisierung ja, demokratischer Zentralismus nein, oder schoben dem vorgeschlagenen Organisationstypus ihre prozeßhaften Organisationsvorstellungen unter. Wogegen das Thesenpapier sich gewandt hatte, wurde durch die Antworten aufs Thesenpapier erst deutlicht gegen das Fortschleppen radikaldemokratischer, antiau-toritäter Ideologie als Rationalisierung für das Festhalten an bornierter kleinbürgerlicher Praxis, die sich zugleich anmaßt, über Mittel und Ziele des proletarischen Klassenkampfes Aussagen zu treffen. Seinen theoretischen Ausdruck findet das in Konzepten von föderativen Zusammenschlüssen sich selbst organisierender Zellen in den bestehenden Praxisbereichen. Für die Klärung der nächsten Schritte in Richtung auf verbindliche Organisation war weder die Kritik der „ML“ noch der Rechtsopportunisten relevant. Die wichtigen Fragen wurden fast ausschließlich diskutiert in der Polemik zwischen Thesenverfassern und den Genossen um das „Harzer“-Papier.

DAS THESENPAPIER

Das Thesenpapier steht sowohl der Form als auch dem Inhalt nach in engem Verhältnis zum „ML“-Organisationspapier: formal insofern, als es in Form einer Kritik des „ML“-Papiers aufgebaut ist und inhaltlich, als es – wie das „ML“-Papier – die Einsicht in die Schaffung einer proletarischen Organisation als nächsten Schritt angibt. Der Unterschied liegt darin, daß im Thesenpapier a priori die bolschewistische Partei als „die einzige Organisation, die die Leitung des Kampfes des Proletariats in die Hände nehmen, zentralisieren und die Arbeiterklasse siegreich zur Diktatur des Proletariats führen kann“, angenommen wird und dementsprechend in der Phase des Aufbaus der Partei die ersten organisatorischen Grundeinheiten „schon alle Merkmale der entwickelten Organisation enthalten“ sollen, während die „ML“ im vagen Begriff der Übergangsorganisation keine bestimmten Vorstellung von Form und Inhalt der zu schaffenden proletarischen Organisation zu erkennen gibt. Vom Prinzip der dialektischen Einheit von Theorie und Praxis ausgehend, führt das Thesenpapier die im Pamphlet „Den Kampf gegen die schwarze Linie führen“ begonnene Kritik an der „ML“-Organisations- bzw. Schulungskonzeption fort. Den Anspruch, Ansätze einer praktischen Kritik des „ML“-Konzepts zu entwickeln, erfüllt es aber nur unzureichend. Zwar geht es von richtigen Prinzipien aus (wie dem Prinzip des demokratischen Zentralismus und dem Prinzip der Verbundenheit mit den Kämpfenden und dem Prinzip der Massenkritik), klärt aber gerade nicht, wie der demokratische Zentralismus zum bestimmenden Prinzip gemacht werden kann, und wie die Prinzipien der Verbundenheit mit den Kämpfenden und der Massenkritik in der nächsten Etappe schon praktisch werden. Zwar behauptet es gegenüber der schwammigen Übergangsformel der „ML“ die Notwendigkeit des Aufbaus der Partei des Proletariats und entwickelt als ersten Aufbauschritt das Programm einer organisierten, praktischen Klassenanalyse (Untersuchungstrupps), geht aber nicht auf die Frage ein, auf welche praktischen Ansätze man sich jetzt schon stützen kann, um diesen ersten Schritt zu vollziehen. Da sich das Thesenpapier gegenüber der Studentenbewegung einer liquidatorischen Argumentation bedient, verbaut es sich selbst die Möglichkeit, die Dialektik von Bruch und Kontinuität dieser

Bewegung genauer zu bestimmen. Dieser Verstoß gegen das Prinzip der Verbundenheit mit den Kämpfenden, d. tu hier: mit den kämpfenden Fraktionen der sozialistischen Studentenbewegung führte dazu, daß gerade die Gruppe gegen das Thesenpapier aufstand, die als einziger, durch Praxis ausgewiesener Träger des vorgeschlagenen Initiativ- und Konzrollaktivs von den Verfassern des Thesenpapiers angesprochen war: die Projektgruppe Elektroindustrie und die mit ihr auf der Grundlage des „Harzer“ Papiers verbündeten Fraktionen anderer Betriebsgruppen.

„HARZER PAPIER“‚

Im Harzer Papier wird in systematischer Weise versucht, einen Arbeitsansatz im Produktionsbereich zu entwickeln, der implizit auch die Kritik an den bisherigen Experimenten in der Betriebs- und Basisarbeit enthält. Es wurde versucht, von einem sehr stark praxisbezogenen Ansatz her, das richtige Verhältnis von Führung und Massen zu entwickeln. Nach einer ungefähren Einschätzung der Entwicklung des Monopolkapitals hat der Großkonzern wesentliche Bedeutung für den umfassenden Klassenkampf des Proletariats: allein hier kann das Verhältnis von Führung und Massen, durch die äußeren Bedingungen erzwungen, in der Praxis richtig entwickelt werden. Hier, wie sonst nirgend, muß ein Kader seine Fähigkeiten, die Massen zu mobilisieren, immer wieder unter Beweis stellen.

Bei dieser, aus den praktisch anstehenden Fragen sich ergebenden Problematisierung beschränkten sich die Genossen der PEI auf ihren Praxisansatz und waren nicht in der Lage, klare Kriterien für eine proletarische Kampforganisation anzugeben. Dazu hätte gehört, präzise zu bestimmen, in welchem Verhältnis ökonomischer und politischer Kampf zueinander stehen. Die Trennung von ökonomischem und politischem Kampf, wie sie im Leninschen Parteitypus impliziert ist, kann nicht einfach übernommen werden. Gerade durch die richtige Einschätzung der Rolle der Großkonzerne im Spätkapitalismus, wie sie im Harzer Papier angegeben ist, besteht die Möglichkeit, jene Trennung, die sich als schwarzer Faden fast durch die ganze Geschichte der Arbeiterbewegung zieht, aufzuheben und damit eine entscheidende Korrektur anzubringen am bolschewistischen Kaderkonzept. Gerade in einer Anfangsphase der Klassenkämpfe wird der Großbetrieb die Konfliktebene sein, auf der die ersten größeren nicht bloß ökonomisch interpretierbaren Mobilisierungen stattfinden werden.

Jedoch in der Vagheit der Antwort der „Harzer“ Genossen auf diese Fragen deutet sich eine Gefahr des Papiers an: Wenn diese Probleme ungeklärt bleiben, so wird der ganze Ansatz sehr schnell in ökonomistischer Handwerkelei steckenbleiben. Die Kritik der Thesengenossen und Peter Schneider machte eine offensichtliche Schwäche des Papiers deutlich. Der strategische Ansatz wurde nur aus dem beschränkten Praxisansatz entwickelt, ohne die Erfahrungen der Arbeiterbewegung und die gegenwärtigen Bedingungen des Kampfes gegen den Staatsapparat zu berücksichtigen. Nur wenn das im Harzer Papier besser geleistet worden wäre, hätte auch in der Diskussion eine richtige Alternative zur abstrakten Adaption des bolschewistischen Parteikonzepts im Thesenpapier entwickelt werden können, diese in der Diskussion aufbrechenden Widersprüche zwischen dem Organisationskonzept des Thesenpapiers und den Vorstellungen der „Harzer Gruppe“ erwiesen sich bald als auf der Arbeitskonferenz selbst nicht lösbar. Daß beide Gruppen unter dem Druck, zu einer Lösung der RPK-Frage zu kommen, den Versuch machten, trotz unausdiskutierter Positionen als gemeinsame Fraktion aufzutreten, führte nur zu einer Verundeutlichung des Konflikts, zu taktischen Absicherungen, die die theoretische Diskussion immer wieder durchkreuzten. Das Zurückziehen des Thesenpapiers zu Gunsten des Harzer Papiers war ein Symptom für dieses Dilemma. Dennoch waren diese Widersprüche, aus denen Ruhrkampagne und „ML“ , ohne ein einziges Mal die Diskussion zu ihrer eigenen Sache zu machen, ständig taktische Vorteile zu ziehen versuchten, die wirklich produktiven Widersprüche auf dieser Konferenz. Das zeigte sich besonders deutlich in dem Unterschied zu der Kontroverse, die zwischen der Ruhrkampagne und den Genossen Huffschmid und Ströhle in der ökonomischen Analyse entstanden und die den Rahmen der akademischen Erörterung nicht verließ.

KRISENDISKUSSION

Dias Papier der Genossen Huffschmid und Ströhle enthält die zentrale These, daß der objektive Krisenzusammenhang des Kapitals durch subventionistische Maßnahmen des Staates steuerbar sei. Eine revolutionäre Strategie habe also auszugehen von der Wirkung des Kapitals auf die Arbeiterklasse, nämlich der sich immer mehr verschärfenden Notwendigkeit, die Mehrwertrate durch Intensivierung der Ausbeutung zu erhöhen. In diesem Zusammenhang sei die Analyse der Großkonzerne von immer stärkerer Bedeutung. Der prinzipielle Fehler dieses Papiers liegt jedoch darin, daß nur das Einzelkapital betrachtet und unzulässig zum Gesamtkapital verallgemeinert wird, nicht aber die Beziehung der vielen Einzelkapitalien zueinander untersucht wird. Wenn die Konkurrenz aufgehoben wäre, gäbe es kein Motiv zur Steigerung der Mehrwertrate mehr. Völlig losgelöst vom Proletariat als der größten Produktivkraft im Kapitalismus wird zum Teil mit Kategorien der bürgerlichen Ökonomie die objektive Bewegung des Kapitals als in sich völlig abgeschlossen behandelt. Nur die Auswirkung dieses objektiven Entwicklungsganges, nicht aber die Entwicklung selbst, tritt in Widerspruch zum Proletariat. Die Arbeiterklasse ist hier nicht als Subjekt, sondern nur leidend als Objekt der Mehrwertschöpfung begriffen. Die andere, dogmatische Seite dieser akademischen Position ist die Ruhrkampagne. Die Dialektik des Grund Widerspruchs von Kapital und Arbeit, die in den Thesen von Huffschmid und Ströhle völlig verloren ist, gerinnt hier zum starren Schema. Hier wird zwar die Konkurrenz als noch vorhanden konstatiert und damit auch die Krise, aber die Genossen der Ruhrkampagne machen dabei den Fehler, die Krise selbst als die konkrete und unmittelbare Bedingung zur revolutionären Massenaktivität zu setzen. Die nur theoretische Feststellung, daß Krisen zu erwarten sind, wird selbst schon gleichgesetzt mit einer Wirklichkeit, die revolutionär sein wird. Es kommt aber darauf an, in der praktischen Anwendung historischer und analytischer Erkenntnisse die Voraussetzung zu schaffen, damit die Krise eine wirklich revolutionäre Situation wird. Der Genosse Rabehl begreift die Krise nicht als machbare, sondern ordnet die subjektiven Faktoren der völlig formalisierten Krisendialektik des Kapitals unter, als ob nicht die fortschreitende Mobilisierung und Organisierung der Arbeiterklasse selbst schon Schritte auf dem Weg zur bewußten Gestaltung ihres Schicksals wären.

So hat die Ruhrkampagne ihren praktischen Ansatz in der Diskussion völlig verschwiegen, daß nämlich Wühlarbeit im Betrieb nur dann lohnend sei, wenn der jeweilige Konzern schon von Strukturkrisen angeknackst sei. Völlig abstrakt und mechanisch wird der Gesamtzusammenhang der Krise auf den Einzelbetrieb übertragen. Von dieser Warte aus wird jede Betriebsarbeit in Berlin sinnlos, da nach ihrer eigenen Argumentation hier die Krise ziemlich sicher wird subventionistisch aufgefangen werden können. Wie unverbindlich die eigene praktische Perspektive der Ruhrkampagne, im Ruhrgebiet Betriebsarbeit zu leisten ist, zeigt sich daran, daß kein Genosse aus dieser Gruppe offen propagiert, organisiert aus Berlin auszuschwärmen in die westdeutschen Krisengebiete und die Betriebsarbeit als perspektivlos aufzugeben. Die Ruhrkampagne selbst hat noch nicht einen einzigen Schritt in diese Richtung getan – abgesehen von einigen Reisen zwecks Anreicherung von empirischen Material. Stattdessen tauchten diese Zentristen unter, um am Ende der Arbeitskonferenz von der Warte des Weltgeistes her, alle in der Diskussion aufgetauchten Positionen fein säuberlich in die verschiedenen Schubladen zu ordnen und ein akademisches Seminarprogramm zur Lösung der anstehenden Fragen anzubieten.

Die Auflösung dieser unverbindlichen und rein akademischen Diskussionen stellt trotz aller beschriebenen Mängel das Harzer Papier dar. Es ist der einzige Ansatz, der aufzeigt, wie die Klassenanalyse gemäß dem Prinzip der Untersuchung und dem Prinzip der Verbundenheit mit den Kämpfenden praktisch und organisatorisch in Angriff genommen werden kann. Nur die zentrale Ausbildung und die einheitliche Organisation der Untersuchungsgruppen gewährleisten, daß die Ergebnisse ihrer Betriebsarbeit zu einer Klassenanalyse verarbeitet werden, die Auskunft über Fraktionen der Arbeiterklasse und die praktischen Bedingungen des Kampfes gibt. Nur auf diese Weise wird die objektivistische Betrachtung des Proletariats in ökonomischen Kategorien gesprengt werden.

Die ersten richtigen Schritte, um eine Klassenanalyse zu erstellen und damit auch die Voraussetzung zur Konstitution der revolutionären Organisation des Proletariats zu klären, werden bereits in Angriff genommen:

  • Die Korrektur der Lehrgänge für die Untersuchungsgruppen unter Einbeziehung der berechtigten Kritik am Harzer Papier und die organisierte Fortführung der praktischen Klassenanalyse.
  • Die genauere Bestimmung der Prinzipien, die jetzt schon für eine revolutionäre Organisation angegeben werden können. Im Anschluß an die Diskussion auf der AK müssen besonders zwei Fragen im Vordergrund stehen: die Beziehung von politischem und ökonomischem Kampf und das Verhältnis von Kadern und Massen.
  • Erstellung einer Industriekarte von Westberlin.

Diese Organisation wird in verbindlichem und solidarischem Zusammenhang von Kritik und Selbstkritik unter einer zentralen Leitung die nächsten Schritte in Angriff nehmen und die Diskussion um die richtige Strategie und Organisation im Produktionsbereich so in die Gruppen tragen, daß auf dem Wege der Fraktionierung die korrekte Linie durchgesetzt werden kann.

Quelle: Rote Pressekorrespondenz, Nr. 43/44/45 vom 19.12. 1969, S. 1-3 und S. 32/33

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 Quelle: trend.infopartisan… vom 16. Dezember 2019

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