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Australiens profitgetriebene Apokalypse

Eingereicht on 5. Januar 2020 – 12:38

Jerome Small. Einige Feuerwehrleute berichten von 150 Meter hohen Flammen. Richtig und langsam gelesen: 150 Meter hohe Flammen. Höher als ein 40 Stockwerke hohes Gebäude.

Das ist fortan Australiens neuer Sommer-Normalfall. Flammen und verängstigte Menschen, die sich in der dunklen Nacht oder im orangefarbenen Schein des Tageslichts am Strand zusammenkauern. Chaotisch und in Panik versetzt werden Tausende zur Flucht gezwungen. Städte und Orte waren tage- und wochenlang und nun monatelang in einen hautreizenden, giftigen bis tödlichen Rauchschleier gehüllt. Ein Gebiet weit grösser als das bei den Bränden am Amazonas und in Kalifornien betroffene Land brannte nieder.

Dutzende sind tot oder werden vermisst. Und dies ist erst der Anfang.

Die Melbourner Zeitung Age berichtet über die Evakuierung von Corryong, im Nordosten des Gliedstaates Victoria, am Silvesterabend: «Wer sich dem Konvoi anschliessen wollte, brauchte genug Treibstoff, um es bis ins etwa 85 Kilometer entfernte Tallangatta zu schaffen; alle schrieben ihre Namen auf eine Liste. Die Liste wäre für die Gerichtsmediziner*innen, falls alles schief geht.»

Die Flammen werfen ein sengendes Licht auf die Prioritäten der australischen Machthaber*innen.

Wir sehen, wie Feuerwehrleute sich mit erbärmlichen Papiermasken behelfen, während die Regierung jedes Jahr 12 Milliarden Dollar an Unternehmen für fossile Energieträger spendet (29 Milliarden Dollar, wenn man die indirekten Subventionen mitzählt).

Wir sehen, wie das Militär massive Kräfte mobilisiert, um das Öl und das Imperium im Nahen Osten zu verteidigen und Flüchtlinge aus diesen Kriegen zu fangen und in ein Inselgefängnis zu stecken – aber offensichtlich nicht in der Lage ist, eine Zivilbevölkerung in grosser Notlage in Sicherheit zu bringen.

Wir sehen, wie sich die politische und wirtschaftliche Elite nicht von genau den Industrien losreißen will, die diese Katastrophe verursacht haben. Sechs der 30 größten Unternehmen an der australischen Börse sind Bergbau- oder Fossilbrennstoffunternehmen – wahrscheinlich ein Weltrekord. Kohle macht 15 Prozent der Exporteinnahmen aus. Australiens herrschende Klasse ist einer der kohlenstoffsüchtigsten Teile einer globalen Elite, die Macht und Profit schon immer höher bewertet hat als die Erhaltung unseres Lebens und unseres Planeten.

Wir sehen den politischen Ausdruck dieses wirtschaftlichen Interesses: Ein Flügel des politischen Establishments (die Liberalen und Nationalen) kann nicht zugeben, dass diese Katastrophe etwas mit dem Klimawandel zu tun hat. Der andere Flügel des politischen Establishments (Labor und einige «dissidente» Liberale) wird sich über den Klimawandel informieren – während er der fossilen Brennstoff- und Bergbauindustrie riesige neue Gebiete des Landes erschließt.

Wir sehen, wie sich die Murdoch-eigenen Medien mit Lügen über die Treibstoffbelastungen überdrehen. Die Wahrheit ist, dass diese Brände die vorhersagbare – eigentlich die tatsächlich vorhergesagte – Folge des Klimawandels sind. Seit mehr als einem Jahrzehnt sehen wir, wie die kühlen, nassen Wetterfronten, die einst den Winterregen nach Südaustralien brachten, nach Süden wegglitten, genau wie von der Wissenschaft vorhergesagt. Es gibt keine Garantie dafür, dass diese Regenfälle jemals mit irgendeiner Regelmäßigkeit zurückkehren werden. Der Ökonom Ross Garnaut, selbst kein Radikaler, stellt fest, dass der Wasserscheide des größten Flusssystems des Landes die Wüstenbildung droht und vergleicht dies mit dem Zusammenbruch früherer Zivilisationen.

Wir sehen, wie die Gemeinden ohne Unterstützung bleiben. Eine der wenigen Aborigine-Gemeinden, über die in den Medien berichtet wird, ist Lake Tyers in Gippsland, wo ein kleiner Tank auf einem Lieferwagen die einzige Feuerlöschausrüstung ist, die der Gemeinde zur Verfügung steht. Währenddessen kostete das neue Flugzeug von Premierminister Scott Morrison angeblich 250 Millionen Dollar.

Wir sehen eine Party nach der anderen steigen im Kirribilli House [Aufenthaltsort des Premierministers, wenn sich dieser in Sydney aufhält; es befindet sich im luxuriösen Nobel-Viertel Kirribilli in Sydney. Anm. Red.], während das Land brennt und Sydney erstickt. Auf der verzweifelten Suche nach jemandem, der ihm die Hand schüttelt, sucht unser trotteliger, kohlebetriebener Premierminister Zuflucht bei der nationalen Cricketmannschaft.

Mit anderen Worten: Wir sehen den australischen Kapitalismus in seiner ganzen obszönen, kohlesüchtigen Pracht.

Auf der Suche nach Worten, die die Katastrophe beschreiben, finden viele Überlebende, Feuerwehrleute und Beobachter*innen eines: die Apokalypse. Und das ist sie ganz klar – für die Toten, für ihre Angehörigen, für die Gemeinschaften, die von der Feuersäule gesprengt und in Rauchsäulen verwandelt wurden.

Aber dies ist nicht das Ende der Tage. Es ist noch nicht einmal das Ende des Sommers. Es gibt noch viel mehr vom Land, das brennen wird.

Jeder, der Radio hört, hätte monatelang Bauern und Bäuerinnen, Bürgermeister*innen von Kleinstädten, LKW-Fahrer*innen  und alle möglichen Leute gehört, die bezeugen, dass weite Landstriche an der Ostküste von Brisbane bis Melbourne, die seit zehn Jahren trocken sind, seit drei Jahren keine nennenswerten Regenfälle mehr hatten und zundertrocken sind und nur darauf warten, zu explodieren. Hoffentlich haben die Meteorolog*innen Recht, dass die späte Verschiebung des Monsuns im Norden im späten Januar etwas Regen in den Süden bringen könnte. Ob das die Brände tatsächlich löscht, ist allerdings nur eine Vermutung. Und nicht auszudenken, was der Rest des Sommers und die kommenden Sommer bringen könnten.

Und das tritt ein, bevor wir die von der Klimawissenschaft diskutierten «Kipp-Punkte» erreichen; bevor die von der Labor Partei und der Liberalen Partei vorwärtsgetriebene Adani-Mine ihre gewinnbringende Giftladung in die Atmosphäre abgibt; bevor wir den «unkontrollierbaren» Teil des «unkontrollierbaren Klimawandels» erreichen, von dem Australiens Unternehmenseliten so reichlich profitieren; bevor Origin Energys Fracking im Northern Territory einen Gewinn abwirft; bevor BHP einen weiteren Weltrekordgewinn aufgrund ihres weltumspannenden Kohlegeschäfts verkündet.

Im Gegensatz zur biblischen Apokalypse ist diese scheinbar endlose Feuersaison kein Akt Gottes. Die mächtigsten Menschen auf der Erde und in Australien haben Entscheidungen getroffen, die dazu geführt haben – ganz bestimmte Entscheidungen im Interesse von Profit und Macht. Und sie werden nicht einfach wegen der Brände aufhören – nicht solange es noch Profit zu machen und politische Macht zu halten gibt.

Bei einer Kundgebung vor der Internationalen Bergbau- und Ressourcenkonferenz in Melbourne im Oktober drückte es ein chilenischer Aktivist gut aus: «Es ist ihnen egal, ob Menschen brennen. Es ist ihnen egal, ob der Planet brennt. Sie kümmern sich nur um ihre Macht. Sie werden die Herren der Asche sein.»

Kein Retter aus der Höhe wird uns erlösen. Der einzige Weg nach vorn ist der Aufbau einer radikalen Massenbewegung, die das Glaubensbekenntnis unserer Herrscher*innen, ihre wahre Religion, ihr Alpha und ihr Omega: ihre Profite und ihre Macht, herausfordern und schließlich stürzen kann.

Quelle: redflag.au… vom 5. Januar 2020; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch

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