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Erfolge der venezolanischen Ölarbeiter, trotz Repression

Eingereicht on 17. Februar 2020 – 15:51

Die Vollversammlungen der Ölarbeiter in Venezuela: Zur Verbesserung ihrer Lage, in Verteidigung ihrer Rechte – gegen alle Seiten, trotz Repression.

Auch zum Jahresbeginn 2020 haben die Ölarbeiter Venezuelas – wie schon zuletzt im Herbst 2019 – eine ganze Reihe betrieblicher Vollversammlungen in den verschiedenen Regionen des Landes organisiert, auf denen über die Situation des staatlichen Ölbetriebs und den sich daraus ergebenden Forderungen diskutiert wurde. Und wie immer, wenn solche Aktivitäten in der nach wie vor zentralen Wirtschaftsbranche des Landes stattfinden, widmen ihnen die politischen Akteure, sowohl die Regierung Maduro, als auch die rechte Opposition samt ihrer Freundeskreise in Washington und Berlin, erhöhte Aufmerksamkeit – in verschiedener Weise. Angesichts der formulierten und erwartbaren Politik des „Gegenpräsidenten“ von Imperialismus Gnaden ist seine Popularität bei den ÖlarbeiterInnen, gelinde gesagt, gering. Von einer Privatisierung (zugunsten von – vor allem – US-Konzernen) versprechen sie sich nicht wirkliche Verbesserungen. Vielschichtiger ist die Beziehung zur Regierung, die selbstverständlich auch hier über ihre gewerkschaftlichen Transmissionsriemen einigen Einfluss besitzt – der aber keineswegs unumstritten ist, wie auch die jüngsten Versammlungen abermals deutlich machten. Zu der aktuellen Versammlungsreihe und ihrer Bedeutung einige aktuelle Beiträge:

„Asambleas extraordinarias de petroleros a partir del jueves 30, para tomar decisiones de lucha“ am 29. Januar 2020 bei Clajadep-LaHaine dokumentiert, ist der Aufruf der Gewerkschaft Asociación Sindical Nacional de Supervisores y Operadores Petroleros, Similares, Afines y Conexos (ASINSUOPET) zu betrieblichen Versammlungen in allen Niederlassungen zwischen dem 30. Januar und dem 21. Februar 2020. Die Gewerkschaft ist eine Neugründung, nachdem die Federación Unitaria de Trabajadores Petroleros de Venezuela (FUTPV) seit Jahren durch interne Auseinandersetzungen lahmgelegt ist und nimmt ihre verfassungsgemäßen Rechte wahr. Die Lösungsvorschläge für die Probleme der Kaufkraftverluste, Sicherheitsverbesserungen und generelle betriebliche Beziehungen sollen, laut Vorschlag der Gewerkschaft, im Mittelpunkt der Debatten stehen.

„Trabajadores de Pdvsa piden salarios justos durante asamblea en Tía Juana“ von Mayreth Casanova am 27. Januar 2020 bei El Pitazo berichtet von einer betrieblichen Vollversammlung, in der nahezu ausschließlich die niedrigen Löhne Thema gewesen seien.

„Esta vez en Cabimas, Zulia: Continúan las grandes asambleas de trabajadores petroleros“ von G. Martínez am 13. Februar 2020 bei Aporrea.org ist einer der Berichte über die zahlreichen Versammlungen, hier eben aus Cabimas. Wobei laut diesem Bericht die bei der Versammlung diskutierten Fragen in der Tat jene waren, die der gewerkschaftliche Katalog als die wichtigsten eingeordnet hatte.

„Expresiones de la catástrofe: Banco Central de Venezuela reporta inflación superior al 9.500% en 2019“ am 05. Februar 2020 bei La Izquierda Diario meldet die offizielle Inflationszahl für das vergangene Jahr – der Hauptgrund für die massive Forderung nach Lohnerhöhung.

„Imponen casa por cárcel a trabajadores petroleros de la Refinería El Palito“ von M. Faria am 03. Februar 2020 bei Aporrea.org berichtet von Machtkämpfen in der traditionellen Ölgewerkschaft FUTPV. So waren hier zwei lokale Aktivisten einer Raffinerie unter Hausarrest gestellt worden – laut dem Autor Ergebnis einer Aktion, die verhindern soll, dass eine neue Gewerkschaftsführung entstehen könnte…

„PCV repudia agresiones contra dirigentes petroleros“ am 15. Februar 2020 bei Aporrea.org ist eine Erklärung der KP Venezuela, in der die Verfolgung von gewerkschaftlichen Aktivisten, sowohl der KP, als auch der Corriente Clasista de Trabajadores Petroleros “Jesús Faría” (also einer oppositionellen Klassengewerkschaftsströmung in der FUTPV) scharf kritisiert wird, weil sie gegen die Gesetze und gegen das Recht der Arbeiter, ihre Interessen zu vertreten, verstoße.

„Por la unidad y la independencia política de las trabajadoras y trabajadores petroleros“ am 20. Dezember 2019 bei La Clase.info ist ein Aufruf zur Solidarität mit Aktivisten der oppositionellen Gewerkschaftsströmung C-Cura (Corriente Clasista, Unitaria, Revolucionaria y Autónoma) – die das „arbeiterfeindliche Gesetzespaket der Regierung Maduro“ kritisiert hatten.

„Die Rohstoffparty ist vorbei“ von Stefan Peters im September 2019 in der ila (Ausgabe 428) hält zu grundlegenden Perspektiven unter anderem fest: „… Die Renteneinnahmen aus dem Erdölexport prägen aber nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik und die Gesellschaft. Der Zugriff auf die Renteneinnahmen stabilisierte bis zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschiedene Diktaturen und ermöglichte ab 1958 über die Finanzierung des Elitenpaktes von Punto Fijo die Etablierung der liberaldemokratischen Demokratie. De facto brachte der Erdölexport dem Land aber nicht nur politische Stabilität, sondern auch beachtliche soziale Entwicklungserfolge. Dies übertrug sich für breite Teile der Bevölkerung in eine kollektive Aufwärtsmobilität, einschließlich eines besseren Zugangs zu Bildung, Gesundheit sowie eines höheren Konsumniveaus. Die sozialen Entwicklungserfolge beruhten allerdings auf der ungleichen Verteilung der Renteneinnahmen durch den Staat. Sie umfassten die direkte Subventionierung von Grundnahrungsmitteln, Energie und Treibstoff sowie die indirekte Subventionierung des Konsums mittels der Überbewertung der Währung. Hinzu kamen die Schaffung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst, die Unterbesteuerung der Bevölkerung sowie vielfältige Möglichkeiten der legalen und illegalen Bereicherung durch die Vergabe von Aufträgen auf der Basis von sozialen Beziehungen oder der politischen Nähe zur Regierung. Während bei der staatlichen Rentenverteilung für die Bewohner*innen der ländlichen Gebiete und der urbanen Armenviertel allenfalls die Brotkrumen der Erdölbonanza abfielen, profitierten formell beschäftigte Arbeiter*innen, die Mittelschicht und die Eliten überproportional stark. Caracas entwickelte sich zu einer der teuersten Städte der Welt und die venezolanische Mittel- und Oberschicht wurde zunehmend bekannt für ihren ausgeprägten Hang zum Luxuskonsum sowie für ihre Vorliebe, ihre Petrodollar auf Bankkonten in den USA oder Europa zu sichern. Die venezolanische Bevölkerung beschränkte sich jedoch keineswegs auf die Rolle der passiven Rentenempfänger*innen. Im Gegenteil: Aus der Beteiligung an der Rentenverteilung erwuchsen quasi-naturalisierte Rechte auf einen Anteil am Rohstoffreichtum, die im Zweifel auch massiv eingefordert werden. Die Aufrechterhaltung extrem hoher Subventionen für Benzin sollten deshalb nicht einfach kopfschüttelnd als Politikfehler betrachtet, sondern eher als Ausdruck dafür analysiert werden, wie die Bevölkerung einen Teil des Erdölreichtums einklagt. In der Konsequenz gibt es also nicht nur vom Staat, sondern auch von breiten Teilen der Bevölkerung handfeste Interessen an der Fortführung des Entwicklungsmodells Erdölexport...“

„Aufweichung der staatlichen Kontrolle des Ölsektors in Venezuela?“ von Marta Andujo am 03. Februar 2020 bei amerika21.de zur privaten Einflussnahme: „…Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet zum Thema, eine Gruppe venezolanischer Abgeordneter der Nationalversammlung suche gegenwärtig nach Möglichkeiten, die Beteiligung privater Unternehmen an den Ölfeldern des Opec-Staates zu erhöhen. Leandro Dominguez, einer der Oppositionsabgeordneten, die mit der sozialistischen Regierung des Landes für eine Lösung der schweren wirtschaftlichen und politischen Krise kooperieren, erklärte gegenüber Reuters, er werde Reformen in Betracht ziehen, die es privaten Unternehmen erlauben, Mehrheitsbeteiligungen an Joint Ventures zu halten. “Bei einigen Joint Ventures, warum nicht? Warum sollte man das nicht zulassen?”, so Dominguez. Er fügte hinzu, dass die Regierung die vollständige Kontrolle über die staatliche Erdölgesellschaft PDVSA behalten werde. Bloomberg zufolge sollen Vertreter von Maduro Gespräche mit der russischen Rosneft PJSC, der spanischen Repsol SA und der italienischen Eni SpA, alle drei Unternehmen des Ölsektors, geführt haben. Die Übergabe von bisher staatlich kontrollierten Anteilen der Ölwirtschaft des Landes solle die Umstrukturierung eines Teils der Schulden der PDVSA im Tausch gegen Vermögenswerte ermöglichen, wie laut Bloomberg “sachkundige Personen” erklärt hätten…“

Quelle: labournet.de… vom 17. Februar 2020

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