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Corona-Krise: Für ein egalitäres, demokratisches Gesundheitssystem

Eingereicht on 27. April 2020 – 11:13

BFS Zürich. Angesichts der Covid-19 Pandemie treten die Missstände in den Gesundheitssystemen aller Länder offen zutage. Dies ist eine Folge der über die vergangenen Jahrzehnte durchgezogenen neoliberalen Gegenreformen.

Konkret zeigen sich nun folgende Mängel: Die materielle, organisatorische und personelle Unterausstattung der Einrichtungen; die Priorisierung von profitorientierten, betriebswirtschaftlichen Kriterien gegenüber der Gesundheit der Bevölkerung; die unsolidarische Finanzierung der Kosten und der mehr oder weniger beschränkte Zugang zu den Leistungen (Zwei-Klassen-Medizin); äusserst undemokratische Entscheidungsinstanzen v.a. im privatwirtschaftlichen Bereich; ein noch weiteres Auseinanderklaffen der Gesundheitsversorgung in den imperialistischen Zentren einerseits und der Peripherie andererseits sowie zwischen den Reichen und Marginalisierten; die massive Anspannung der Arbeitssituation im Spital- und Pflegebereich; und schliesslich die für den Kapitalismus typische Individualisierung der Verantwortung in Bezug auf die eigene Gesundheit. All dies sind unmittelbare Konsequenzen der neoliberalen Privatisierungs- und Sozialabbaupolitik.

Angesichts dieser Mängel des Gesundheitssystems wird nun die Corona-Pandemie mit einer repressiven Politik bekämpft, und die Auswirkungen auf die Lohnabhängigen abgewälzt, insbesondere im Gesundheitswesen. Ganz in der neoliberalen Logik.

7 Forderungsachsen

  1. Aufbau eines egalitären, durch die Beschäftigten und die Benutzer*innen kontrollierten Gesundheitswesen, das mit entsprechenden materiellen und personellen Reserven und Szenarien pandemieresistent ist.
  2. Soziale Einheitskrankenkasse. Finanzierung durch Einkommens-, und Vermögens- und Unternehmenssteuern. Abschaffung der Kopfsteuer. Alle, auch Geflüchtete, Obdachlose und Sans-Papiers, werden versichert.
  3. Die Massnahmen zur Ausrichtung des Gesundheitswesens an Markt und Wettbewerbsfähigkeit (DRG, Managed Care, Tarmed etc.)[i] werden ebenso wie die Privatisierungen entschädigungslos rückgängig gemacht. Als oberste Priorität wird die Gesundheit der Bevölkerung festgelegt, denn Gesundheit ist keine Ware.
  4. Pharma- und Diagnostikindustrie unter öffentliche demokratische Kontrolle stellen. Beseitigung des Patentschutzes auf pharmakologischen Wirksubstanzen und Herstellungsverfahren.
  5. Massiver Ausbau der Personalkapazitäten im Gesundheitswesen mit einer deutlichen Reduktion der Arbeitszeit und mit einer Verbesserung der Anstellungsbedingungen und Löhne.
  6. Die multinationalen Konzerne, die eine wesentliche Rolle in der Schaffung von ökologischen, sanitarischen, politischen und sozialen Problemen in der imperialistischen Peripherie haben, werden mit einem besonders hohen Steuerfuss belegt. Diese Gelder werden u.a. für den Aufbau von umfassenden Gesundheits- und Sozialsystemen im Globalen Süden unter der Kontrolle der dort Arbeitenden und der ansässigen Bevölkerung eingesetzt.
  7. Die staatlichen Institutionen, die die neoliberale Gesundheitspolitik zu verantworten haben, darunter gerade das Bundesamt für Gesundheit (BAG), müssen durch andere öffentliche demokratische Strukturen ersetzt werden.

Es ist klar, dass solche Forderungen, bei all ihrer Richtigkeit und Berechtigung, vorläufig nur durch eine radikale politische Linke und vor allem durch die sich sehr wahrscheinlich entwickelnden sozialen Kämpfe in die politische Arena eingebracht werden können. Denn die institutionelle Linke akzeptiert einmal mehr den «Burgfrieden» mit den bürgerlichen Parteien und wird weiterhin nach faulen Kompromissen mit der Bourgeoisie suchen – und wird damit selber zum Faktor der Verschärfung der Krise im Lebens- und Arbeitsalltag der Bevölkerung.

Quelle: sozialismus.ch… vom 27. April 2020


[i] Für eine detailliertere Erklärung dieser Gegenreformen verweisen wir auf https://sozialismus.ch/artikel/2020/schweiz-die-oekonomisierung-des-gesundheitswesens/. Hier nur folgendes:

  • DRG (Fallkostenpauschale) werden die einzelnen standardisierten Behandlungsarten mit einem Preisschild versehen; die Spitäler, Patient*innen und Krankenkassen verrechnen untereinander auf dieser Basis.
  • Managed Care beruht auf Methoden zur Einschränkung der Wahlfreiheit von Leistungen und Leistungserbringern.

Tarmed basiert auf einem Punktesystem für Leistungen, die dann als Grundlage für die Kostenberechnung genutzt werden.

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