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Italien 1945: Sieg und mässige Veränderungen

Eingereicht on 24. Mai 2020 – 10:34

Nach zwanzig Jahren faschistischer Diktatur in Italien und dem Kriegseintritt an der Seite Nazideutschlands kämpften von 1943 bis 45 viele Frauen* und Männer* als Partisan*innen gegen die Besatzungstruppen und italienische Faschist*innen.

Es ist ein aufopferungsvoller und verlustreicher Kampf mit der Hoffnung auf eine grundlegend veränderte Gesellschaft. Vor 75 Jahren, im Frühjahr 1945, geht der Kampf in seine letzte und entscheidende Phase. Nach der Winterkrise nimmt die bewaffnete Resistenza den Kampf wieder auf. Dabei kann sie sich auf massive Hilfe verlassen: In nur drei Monaten liefern alliierte Fallschirmabwürfe mehr leichte Waffen, Sprengstoff, Militärkleidung und Geld als in den gesamten 15 Monaten davor.

Italienische Partisaninnen

Es ist so weit

Das Guerillahandwerk erlernt man nicht in wenigen Wochen, aber tagtäglich wachsen Ausstattungsgrad, Mitgliederzahl und Erfahrung der Einheiten. Bis April erlangen die Formationen die Stärke vom vorherigen Sommer zurück, sind aber viel besser gerüstet. Das seit jeher erstrebte Ziel ist ein allgemeiner Aufstand, zu oft schon für greifbar gehalten und dann doch wieder in die Ferne gerückt. Nun steht er endlich vor der Tür, der Krieg neigt sich wirklich dem Ende zu. Die Deutschen wissen das. Heimlich führen sie Kapitulationsverhandlungen, ohne ihre faschistischen Komplizen einzubeziehen. Die zusammengewürfelten, durch opportunistische Desertionen dezimierten Truppen der RSI (Repubblica Sociale Italiana, oft auch Republik von Salò genannt) wissen ebenfalls, dass die Niederlage unausweichlich ist. Der Einzug der Widerstandsgruppen aus den Bergen in die Poebene und die Befreiung der grossen Städte Norditaliens noch vor Eintreffen der Alliierten sind ein Riesenerfolg. Vergeblich versuchen die moderaten Parteien innerhalb der Resistenza das zu behindern. Der Wunsch vieler Partisan*innen nach radikalen Veränderungen und neuen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen lässt sich jedoch nur teilweise umsetzen. Aus dem Befreiungskrieg wird ein neuer Staat hervorgehen, der nicht annähernd so neu gestaltet wird, wie man es sich in den Bergen erträumt hat. Dennoch sind für die Geschichte Italiens wichtige Veränderungen errungen worden, zum Beispiel die republikanische Staatsform und ihre Verfassung.

Aufstand und Landarbeit

Seit Anfang April verläuft der alliierte Vormarsch viel schneller als erwartet. Die Streitkräfte der RSI und der deutschen Besatzer werden überrannt, Flucht und Desertion vermengen sich mit Vergeltungen und Zerstörungen. Starken Partisanenformationen gelingt es, den Alliierten bei der Befreiung der grossen Städte zuvorzukommen. Sie haben zwei Ziele: die politisch-militärische Stärke der Resistenza zu demonstrieren und rigoros gegen alle vorzugehen, die freiwillig in den bewaffneten Einheiten oder in der Verwaltung der RSI die deutsche Besatzungsmacht unterstützt haben. Partisanengruppen helfen in längeren Kampfpausen bei der Landarbeit und tauschen so Arbeit gegen Solidarität.

Modena, Reggio Emilia, Mailand, Turin und Genua werden zwischen dem 22. und 30.April 1945 befreit. Das CLNAI (Comitato di liberazione nazionale per l’Alta Italia – Komitee zur nationalen Befreiung Oberitaliens) übernimmt sämtliche Verwaltungs- und Regierungsbefugnisse. Bis zum Eintreffen der Alliierten sind die siegreichen Partisaninnen und Partisanen für wenige aussergewöhnliche Tage die uneingeschränkten Hauptdarsteller. Dann übernehmen im Schutz der US-Armee schrittweise der bürgerliche Staat und die kapitalistische Wirtschaft.

Wenige Urteile vollstreckt

Nach zwei Jahren blutigen Bürgerkriegs ist die Hoffnung auf Gerechtigkeit eng verwoben mit einem nachvollziehbaren Wunsch nach Rache. Im Chaos der Aufstandstage und in den folgenden Wochen werden vielerorts Faschisten getötet. Erst ab Ende Mai nehmen Sondergerichte ihre Arbeit auf, um die Rechtmässigkeit der Säuberungen zu gewährleisten. Sie führen tausende Prozesse und fällen rund 500 Todesurteile, von denen jedoch nur 90 vollstreckt werden. Die Togliatti-Amnestie im Juni 1946 und ein in seinem Innersten weiterhin faschistisches Gerichtswesen lassen zu, dass selbst Folterer in Freiheit gelangen.

Quelle: Katalog Wanderausstellung «Banditi e ribelli», Institut für Geschichte der Resistenza, Reggio Emilia.

Quelle: vorwaerts.ch… vom 24. Mai 2020

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