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Schweiz: Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)»

Eingereicht on 29. Oktober 2021 – 14:01

Trotz jahrelangem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege ist auf Bundesebene wenig geschehen. Darum hat der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK die Pflegeinitiative lanciert. Sie fordert: Die Schweiz muss mehr Pflegefachpersonen ausbilden und es braucht bessere Arbeitsbedingungen, damit sie im Beruf bleiben. Denn diese Berufsgruppe ist unverzichtbar für die Grundversorgung… Die Gewerkschaft Unia unterstützt die Initiative: “JA zur Pflegeinitiative! Gute Pflege braucht Menschen. Für eine gute Pflege in Alters- und Pflegeheimen braucht es genügend Personal, welches seinen Beruf langfristig ausüben kann und möchte. Das geht nur mit guten Arbeitsbedingungen in der Pflege! Mit der Volksinitiative «Für eine starke Pflege» (Pflegeinitiative) kommen wir diesem Ziel einen wichtigen Schritt näher…” Siehe alle Infos auf der Homepage der Pflegeinitiative und hier dazu:

  • Pflegeinitiative: Das Ja muss der Anfang sein 

Ohne die vielen Pflegefachleute aus EU-Staaten wäre das System längst kollabiert. Doch selbst mit dieser unsolidarischen Politik auf Kosten ärmerer Länder ist die Gesundheitsversorgung in der Schweiz gefährdet. Der breiten Bevölkerung jedoch scheinen der Personalmangel und die chronische Überlastung des Pflegepersonals erst mit Bildern von Covid-Kranken auf Intensivstationen bewusst geworden zu sein – nachdem die Politik jahrelang zusammen mit den Krankenkassen eine Sparmassnahme nach der anderen durchgeboxt hatte. 2017, als der Berufsverband der Pflegefachleute (SBK) die Pflegeinitiative lancierte, wurde sie belächelt. Nun müsste ein Wunder geschehen, dass sie nicht angenommen würde. Inzwischen sind laut SBK schon über 11 700 Pflegestellen unbesetzt. Bis 2029 braucht es voraussichtlich über 70 000 zusätzliche Pflegende, mindestens 43 000 mit höherer Fachausbildung. Es ist klar: Der Pflegeberuf ist zu wenig attraktiv. Dauerstress – weshalb sonst verlässt jede dritte Pflegefachperson schon vor dem 35. Lebensjahr ihren Job? Was tun? Ginge es nach der Pflegeinitiative, sollen Bund und Kantone nicht nur grosszügig in die Ausbildung investieren und Pflegefachleute pflegespezifische Leistungen ohne ärztliche Unterschrift abrechnen lassen, sondern vor allem: bessere Arbeitsbedingungen garantieren, wozu nebst genügend Fachpersonal in allen Arbeitsschichten, verlässlichen Dienstplänen und familienkompatiblen Strukturen auch angemessene Löhne gehören. Und der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrats? Beschränkt sich auf die Ausbildung: Knapp eine Milliarde Franken (je die Hälfte von Bund und Kantonen) sollen während acht Jahren in Ausbildungs- und Praktikumsplätze fliessen. Von einer festgeschriebenen Verbesserung der Arbeitsbedingungen sieht der Bundesrat ab; dafür seien die Kantone zuständig. Ein weiteres Argument, mit dem sich Gegner:innen der Initiative aus der Verantwortung reden: dass ohne Umsetzung des Gegenvorschlags nie mehr so generös in die Ausbildung investiert würde. Faule Ausreden: Ohne insgesamt mehr Geld für die Pflege und klare Vorgaben zur Personaldotierung kann auch eine solche Offensive nicht verhindern, dass weiterhin unzählige Pflegeprofis den Beruf verlassen. Wird die Initiative angenommen, stellt sich die Frage, wie viel Zeit sich Parlament und Kantone für die Umsetzung nehmen werden. Und was bezüglich Arbeitsbedingungen herauskommt. Sollte das Prozedere zu lange dauern, wäre zu befürchten, dass immer noch mehr Pflegende krank werden oder den Beruf aufgeben…” Artikel von Adrian Riklin vom 28.10.2021 bei der WOZ online

: “… Gesundheitspersonal arbeitete schon vor der Pandemie seit langem am Anschlag. 10 000 Pflegestellen sind in der Schweiz unbesetzt. Durch die Pandemie hat sich die Situation weiter zugespitzt. Das Pflegepersonal ist körperlich wie psychisch am Rand seiner Kräfte. Viele haben deshalb während der Pandemie ihren Beruf aufgegeben und fehlen nun in der aktuellen vierten Welle. Der Druck auf die verbleibenden Fachkräfte nimmt dadurch noch weiter zu. Besserung ist nicht in Sicht. Die Spitäler jammern zwar über den Personalmangel, gleichzeitig tun sie nichts, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und somit auch den Personalmangel zu beheben. (…) Wenn man die Spitäler auf die Missstände anspricht, sagen sie, dass die Politik diese verursache. Die Politik erwidert, dass die Spitäler in der Verantwortung stünden. Wir haben es mit einem systemischen Versagen zu tun. Das ganze Spitalsystem ist auf Wettbewerb ausgerichtet. Dadurch steigen die Gesamtkosten. In den Spitälern herrscht gleichzeitig ein enormer Kostendruck. Beim Personal wird seit vielen Jahren massiv gespart. Dabei müsste in diesem Bereich eigentlich investiert werden. So bildet die Schweiz nur gut vierzig Prozent der benötigten Pflegefachkräfte selbst aus. (…) Die Schweiz wirbt im Ausland Personal ab – dieses Vorgehen ist nicht nur unsozial, sondern stösst auch an seine Grenzen. Denn der Bedarf der Schweiz ist enorm. In den kommenden Jahren benötigt die Schweiz über 60 000 zusätzliche Pflegefachkräfte. Dieser sich zuspitzende Personalmangel ist nicht nur für das Personal untragbar, sondern gefährdet auch die Versorgung und die Sicherheit der PatientInnen. Deshalb muss sich Grundlegendes ändern. (…) Die politischen Verhältnisse sind so, dass sich im Gesundheitswesen nicht von selbst etwas zum Guten verändert. Es braucht Druck von der Basis – durch ein Ja der Bevölkerung zur Pflegeinitiative und dadurch, dass die Gesundheitsangestellten damit beginnen, für ihre Rechte und für Verbesserungen im Gesundheitswesen zu kämpfen.”

  • Abstimmung am 28. November 2021
    Der Bundesrat hat entschieden: Über die Volksinitiative für eine starke Pflege wird am 28. November 2021 abgestimmt.” Meldung der Pflegeinitiative vom 14. Juli 2021
  • Diesseits von Gut und Böse. Geizbasierte Krankheitsgewinne
    Dass unser Gesundheitssystem Profit bringen muss, finde ich pervers; der Begriff «pervers» steht laut Duden heute nämlich auch für «unerhört», «schlimm», «absurd» oder «höchst merkwürdig». Im übertragenen Sinn wäre ein Profit ja noch sinnvoll, indem etwa kranke Menschen von Behandlungen profitieren und – wie zum Glück in den meisten Fällen – wieder gesund werden. Doch dass medizinische Güter und Dienstleistungen Gewinn abwerfen müssen, weil sie sonst gestrichen werden, scheint mir unerhört, schlimm und absurd. «Das ist der Gang der Dinge: Wenn man Angst hat in einer Krisenzeit, klatscht man», sagte kürzlich in der «Rundschau» der Ärztliche Direktor des Zürcher Unispitals, doch nach eineinhalb Jahren ärgere man sich wieder «über ein Unispital, das keinen Gewinn schreibt». In der Sendung ging es um die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals, die schon vor Corona belastend waren. Wenn man einmal begonnen hat, darüber nachzudenken, kann man nicht mehr aufhören, sobald man selbst oder ein naher Mensch ins Spital muss…” Artikel von Karin Hoffsten in der WoZ Nr. 25/2021 vom 24.06.2021
  • Schaut her, ein Kugelschreiber! Ruth Wysseier über einen hausgemachten Notstand
    11 000 Stellen sind in der Pflege schon heute unbesetzt, bis ins Jahr 2030 würden sogar 65 000 zusätzliche Leute gebraucht, warnt die Gesundheitsbranche. Da sollte es einem doch etwas mulmig zumute werden, mitten in der Pandemie. Zum Glück gibt es eine Pflegeinitiative, die mehr Kompetenzen, bessere Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen verlangt. Eingereicht wurde sie vor drei Jahren, und diesen Sommer hat das Parlament um einen Gegenvorschlag gefeilscht, der Ständerat hat die Nationalratsversion abgeschwächt, sie war ihm zu teuer. Höchstens 400 Millionen Franken sind dem Stöckli eine verbesserte Ausbildung und die Sicherung der Krankenpflege wert…” Artikel von Ruth Wysseier in der WoZ Nr. 42/2020 vom 15.10.2020
  • Gesundheitspolitik: Geplante Unterversorgung
    Die Schweiz hat in den letzten Jahren Dutzende Spitäler geschlossen und Tausende Betten abgebaut. In der Coronakrise rächt sich das. Kommt es jetzt zum Kurswechsel?…” Artikel von Renato Beck in der WoZ Nr. 13/2020 vom 26.03.2020
  • Pflege: Chrampfen bis zum Umfallen
    Die Coronakrise offenbart, was schon vorher ein Skandal war: Menschen in systemrelevanten Berufen wie dem Gesundheitswesen tragen unter schlechten Arbeitsbedingungen ein Übermass an gesellschaftlicher Last, gesundheitlichen Risiken und Verantwortung…” Artikel von Adrian Riklin in der WoZ Nr. 13/2020 vom 26.03.2020

Quelle: labournet.de… vom 29. Oktober 2021

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