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Spanien: Arbeiter in direktem Kampf gegen schwer bewaffnete Polizei

Eingereicht on 22. November 2021 – 17:25

Seit Dienstag, den 16.11.2021 befinden sich die Arbeiter:innen der Metallindustrie in der spanischen Stadt Cádiz und dem Nachbarort Puerto Real bis auf unbestimmte Zeit im Streik. Der Aufruf der Gewerkschaften dazu richtet sich an ca. 20.000 Beschäftige in der Region, nachdem langwierige Verhandlungen und vorangegangene kurze, friedliche Streiks keine Lösungen erzielten. Anders als zuvor gehen die Streikenden diesmal kompromisslos und kämpferisch vor. Seit Dienstag Mitternacht legten sie nicht nur die Lohnarbeit nieder, sondern errichteten an den Zugängen zu zentralen Produktionsstätten und Industriehäfen Barrikaden. Die Polizei reagierte prompt mit dem Einsatz bereits vorher aus anderen Regionen zusammengezogener Spezialeinheiten. Ganz im Sinne der Arbeitgeberverbände versuchten sie, den Protest bereits in der ersten Nacht im Keim zu ersticken. Dabei gingen sie mit äußerst brutaler Repression vor, auf Steinwürfe und brennendes Sperrholz folgten Gummigeschosse und Tränengas. Der Widerstand konnte aber bisher nicht gebrochen werden. Entschlossen und militant setzen sich die Arbeiter:innen aktuell zur Wehr und haben sogar seitdem die Fernverkehrsstraße und Bahnstrecke in Cádiz besetzt…” Bericht vom 17. November 2021 bei Resistance – siehe weitere Informationen zu den Hintergründen:

  • „Wir sind Arbeiter, keine Kriminellen!“ – Blockaden und Straßenkämpfe bei Metallstreik im spanischen Cádiz / Cádiz war nur der Anfang: Unmut über Verarmung bringt landesweit ArbeiterInnen auf die Straße 
    • „Wir sind Arbeiter, keine Kriminellen!“ – Blockaden und Straßenkämpfe bei Metallstreik im spanischen Cádiz
      In der Region rund um die spanische Kleinstadt Cádiz findet seit Montag ein unbefristeter Streik der Metallarbeiter:innen statt. Bei Demonstrationen kommt es zu Konfrontationen mit der Polizei. Straßen, Fabriken und Zugverbindungen werden blockiert. Dennoch erhält der Streik eine breite Unterstützung. Am Dienstag wollen sich auch Studierende anschließen. Die spanische Stadt Cádiz liegt im Südwesten Spaniens, Marokko kann man von dort aus in einer Stunde per Schiff erreichen. Seit der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 hat sich die Lage der Arbeiter:innenklasse in und um die Stadt massiv verschlechtert. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 23,16% – weit über dem nationalen Durchschnitt von 14,57 %. Unter Jugendlichen sind es fast 40%, die arbeitslos sind. Rund 120.000 Einwohner leben in der Cádiz, das auch als touristischer Ort bekannt ist. Doch es gibt vor allem einen umfassenden Metallsektor um die Stadt herum. In diesem kommt es derzeit zu heftigen Klassenkämpfen, die auf den gesamten spanischen Staat ausstrahlen. (…) Der Streik hat mittlerweile nationale und internationale Aufmerksamkeit erregt – auch durch die Heftigkeit der Straßenkämpfe. Die Fabriken wurden – ebenso wie zentrale Zufahrtsstraßen und Hauptstraßen in der Stadt – mit brennenden Barrikaden blockiert. Die Arbeiter:innen sehen dies als Kampf zwischen zwei Klassen: In einem Video ist die Parole „Es lebe der Kampf der Arbeiterklasse“ zu hören. (…) Die Metallarbeitergewerkschaft von Cádiz erklärte auf einer Pressekonferenz, dass ihr Kampf – der unbefristete Streik für die Erhaltung der Kaufkraft der Arbeiter:innen – zu einer „Referenz“ für andere Sektoren und Gebiete des Landes werde, ein Faktor, der „uns dazu zwingt, aufzustehen“ und den Kampf nicht aufzugeben, ohne dass Forderungen erfüllt worden seien. „Es gibt eine nationale Bewegung, die erwartet, was passiert“, sagte der Provinzsekretär für Industrie der „Unión General de Trabajadores“ (UGT), Antonio Montoro, der erklärte, dass viele andere Sektoren darüber nachdenken, warum sie den Kampf für einen Inflationsausgleich aufgegeben hätten und Tarifverträge mit nur 1% Lohnsteigerung unterzeichneten. Derweil versuchen rechte Medien die Ausschreitungen als „kriminell“ darzustellen, was von den Arbeiter:innen aufgegriffen wird: Auf Demonstrationen rufen sie deshalb: „Wir sind Arbeiter, keine Kriminellen!“.
      In der Zwischenzeit geht der Streik weiter, und die Demonstrierende planen bereits für diesen Samstagmorgen eine Streikpostenkette vor den Toren des Unternehmens „Navantia San Fernando“. Ebenfalls für diesen Samstag hat die Gewerkschaft „Confederación General del Trabajo“ „CGT“ zu einer Demonstration ab 17.00 Uhr in Cádiz aufgerufen. Tatsächlich scheint der Streik auch andere Teile der Gesellschaft zu mobilisieren. Die Gewerkschaftsbünde UGT und CCOO („Comisiones Obreras“) rufen zu einer Massendemonstration am kommenden Dienstag um 11.00 Uhr in Cadiz auf, am selben Tag, an dem die Studierendenvereinigung einen Unistreik zur Unterstützung der Metallarbeiter:innen vorgeschlagen hat
      .” Beitrag vom 20. November 2021 bei Perspektive Online
    • Siehe auch einen (span.) Bericht vom 20.11.21 bei 20minutos.es  von den Demos am Samstag und ein Video von IzquierdaDiario.es auf Twitter
    • Cádiz war nur der Anfang. Spanien: Nach eskaliertem Streik der Metallarbeiter in Cádiz bringt Unmut über Verarmung landesweit Beschäftigte auf die Straße
      Rund 29.000 Metallarbeiter in der südspanischen Provinz Cádiz in Südspanien sind am Dienstag in einen unbefristeten Streik getreten. Sie hatten sich mit den Unternehmen nicht auf einen neuen Tarifvertrag einigen können. Betriebe von Airbus, Navantia, Alestis, Acerinox und Dragados sind von dem Arbeitskampf betroffen, aber auch zahlreiche kleine und mittlere Subunternehmen. Die Gewerkschaften UGT und CCOO, die zum Streik aufgerufen hatten, erklärten am Donnerstag in einer Mitteilung, die ­Fabriken seien zur Zeit »praktisch leer«. (…) Skandalöse 75 Prozent der Stellen in dem Sektor seien lediglich befristet, erklärte der Sekretär für Industrie in der UGT, Antonio Montoro, am Mittwoch. In der vergangenen Woche hatten Arbeiter durch die Errichtung von Barrikaden wichtige Straßen und Eisenbahnverbindungen der Provinz blockiert. Die Polizei ging brutal dagegen vor. Am Mittwoch demonstrierte nun der Bürgermeister von Cadiz, José María González Santos (Bürgerplattform »Adelante Cádiz«), gemeinsam mit den Arbeitern und rief per Megaphon: »Wir müssten Cádiz in Flammen setzen, damit sie uns in Madrid hören!« Die Arbeiter seien keine Delinquenten, sondern kämpften hier, »um ihre Familien ernähren zu können«. Die Partei »Adelante Cádiz« ist eine Abspaltung von Podemos. In der Vergangenheit hatte González Sántos den Bau von Kriegsschiffen für Saudi-Arabien in seiner Provinz mit dem Hinweis verteidigt, es gehe dabei um den Erhalt von Arbeitsplätzen. (…) Als erste gingen die Metallarbeiter aus Cádiz wegen des sinkenden Lebensstandards auf die Straße. Inzwischen sind viele ihrem Beispiel gefolgt. Am Mittwoch kam es in der galicischen Region Marina Lucense zu einem Generalstreik. In mehreren Städten protestierten insgesamt 70.000 Einwohner gegen die steigenden Preise, den Arbeitsplatzmangel und Kürzungen im Gesundheitsbereich. Ein Vorgeschmack auf größere, landesweite Proteste. Kurz vor Weihnachten, nämlich vom 20. bis zum 22. Dezember, wollen die Lkw-Fahrer die Arbeit niederlegen. Ihre Kosten sind allein, was die Treibstoffe angeht, in den vergangenen Monaten um rund 30 Prozent gestiegen, erklärte das Nationale Komitee für den Straßentransport (Comité Nacional del Transporte por Carretera, CNTC). Zudem wolle die Regierung eine Art Mautgebühr einführen, deren Höhe vom Grad der Verschmutzung abhängen soll, die die Fahrzeuge verursachen. Der Unmut darüber ist groß. In vielen Fällen würden Existenzgrundlagen zerstört. Rund die Hälfte der Lkw-Fahrer im Lande sind Selbständige. Und schließlich haben inzwischen auch die Landwirte einen Streik angekündigt…” Artikel von Carmela Negrete in der jungen Welt vom 20.11.2021
    • Spanien: PSOE/Podemos-Regierung mobilisiert Polizei gegen streikende Metallarbeiter
      “… Der Kampf hat sich in kurzer Zeit zu einer Rebellion gegen die Gewerkschaftsbürokratien entwickelt. Er hat zum Zusammenstoß mit der spanischen Regierung geführt, die aus einer Koalition der sozialdemokratischen Partido Socialista Obrero Español (PSOE) mit der pseudolinken Podemos besteht. Arbeiter haben das Industriegebiet Puerto Real besetzt und aus Industriegeräten, brennenden Autos und Eisenbahnschienen Barrikaden errichtet, um die Polizei aus dem Gebiet fernzuhalten. An den Fabriktoren brennen Lagerfeuer. Die Streikposten haben die gesamte Produktion zum Erliegen gebracht. Der Streik betrifft u.a. die Militärwerft Navantia, den Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus, den Baumaschinenkonzern Dragados, den Zulieferer Alestis und den Stahlkonzern Acerinox, sowie deren Subunternehmen. Auch Arbeiter der Petrochemiewerke in La Linea, Algeciras und Los Barrios haben die Arbeit niedergelegt, und Streikposten blockieren die wichtigen Autobahnstrecken. (…) Die PSOE/Podemos-Regierung steht jedoch auf Seiten des Metall-Arbeitgeberverbands von Cádiz (FEMCA). Dieser lehnt alle Zugeständnisse ab und will nur eine Lohnerhöhung von 0,5 Prozent zulassen. Die Gewerkschaften (die Podemos-nahe CCOO und die PSOE-nahe UGT) fordern für dieses Jahr zwei Prozent und für nächstes Jahr drei Prozent, was jedoch noch deutlich unter der Inflationsrate liegt und eine massive Reallohnsenkung für die Arbeiter bedeuten würde. (…) Mittlerweile geben die Gewerkschaftsspitzen offen zu, dass sie die Kontrolle über die Situation verloren haben und nicht wissen, wie sie die Arbeiter dazu bringen sollen, den Streik abzubrechen. Das würde bedeuten, Lohnsenkungen und Arbeitsplatzabbau zu akzeptieren. Der Regionalsekretär der stalinistischen CCOO, Fernando Grimaldi, erklärte: „Die Leute sind äußerst wütend. Wir wissen nicht, wie wir das unter Kontrolle halten können.“ (…) Die nationalen Gewerkschaftsbünde UGT und CCOO forderten die Streikenden in einer Stellungnahme auf, die Blockaden der Autobahnen zu beenden: „Wir müssen diesen Konflikt gut organisieren, deshalb halten wir es für notwendig, unser Vorgehen auf die Zugänge zu den wichtigsten Arbeitsstätten zu konzentrieren. Daher bitten wir darum, die Autobahnblockaden einzustellen.“…” Artikel von Alejandro López und Alex Lantier vom 20.11.2021 bei wsws
  • Dritter Tag des Metallarbeiterstreiks in Cádiz: Scheitern der Verhandlungen und Fortsetzung der Streikposten und Barrikaden
    Die Sitzung des Verhandlungstisches in Sevilla dauerte zwölf Stunden, aber es kam zu keiner Einigung. Infolgedessen haben die Arbeiter am Donnerstag die Barrikaden, die Verkehrsblockaden und die Konzentrationen vor den Toren von Traktorunternehmen wie Navantia, Airbus und Alestis wieder aufgenommen. Die Mahnwachen haben die Zufahrt nach Cádiz über die Carranza-Brücke blockiert, bis ein starker Polizeieinsatz eintraf, um die Demonstranten zu vertreiben und den Verkehr wiederherzustellen. Die Nationalpolizei, die in den letzten zwei Tagen hart gegen die Arbeiter vorgegangen ist, die auch heftigen Widerstand geleistet haben, hat einen starken Einsatz ab dem frühen Morgen auf der Industriestraße nach Cádiz vorbereitet. (…) Der CCOO-Vertreter ist besorgt, und zwar nicht, weil die Forderungen der Arbeitnehmer nicht erfüllt werden, sondern weil die Belegschaft beginnt, sich zu radikalisieren und bereit ist, den Kampf selbst in die Hand zu nehmen, um den Bossen das Handwerk zu legen. Deshalb hat die Regierung, ein direkter Vertreter der Bosse, die Polizei und die Bereitschaftspolizei geschickt, um die Arbeiter anzugreifen.
    Die Metallarbeiter streiken seit vier Tagen, weil die Arbeitgeber sich weigern, Lohnerhöhungen zu gewähren, die es ihnen ermöglichen würden, ihre inflationsbedingten Verluste auszugleichen. Während CCOO und UGT am Verhandlungstisch Erhöhungen von 2, 2,5 und 3 % fordern, verlangen andere Gewerkschaften, wie die CGT, Erhöhungen von 6 und 7 %.
    Aber sie kämpfen auch für ein Ende von Prekarität und Arbeitgeberwillkür, für einen angemessenen Tarifvertrag und eine Verkürzung der Arbeitszeit von vier auf zehn Stunden pro Jahr im Rahmen des neuen Tarifvertrags, für Mindestwerte des TTP Plus, für eine Lohnrevisionsklausel am Jahresende entsprechend dem kumulierten VPI am Jahresende, einen Mindestlohn von 1500 Euro in der Branche, neben anderen Forderungen. Und auch gegen die Schließung von Airbus Puerto Real, gegen die Entlassungen bei Alestis und gegen die Vernichtung von Arbeitsplätzen in der Zulieferindustrie, die die Schließung des Werks in Puerto Real mit sich bringen würde, wie die CGT vorschlägt.
    Der Arbeitgeberverband beklagt sich wie üblich und sagt, dass diese grundlegenden Forderungen zum “Verschwinden der Industrie in Cádiz führen würden, die dann mit der Industrie anderer Provinzen konkurrieren müsste, die eine günstigere Ausgangssituation haben”. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Seit Jahren verdienen sie ihr Geld auf Kosten der Überausbeutung, des Missbrauchs und der Prekarität der Metallarbeiter.
    Die Metaller haben in diesen Tagen gezeigt, dass sie die Kraft haben, diesen Kampf zum Sieg zu führen. Der Schlüssel ist das Vertrauen in die eigene Stärke. Und vor allem, dass keine Entscheidung, die nicht von der Versammlung getroffen wird, in die Hände der am Verhandlungstisch teilnehmenden Führungen gelegt wird
    .” Maschinenübersetzung des (span.) Beitrags vom 18.11.21 bei sindicalismo
  • Siehe im o.g. Bericht auch noch zu den Hintergründen: “… Die Streikenden treiben nicht nur die Debatten um marginale Lohnerhöhungen, wie sie die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände rechtlich führen: In der Provinz Cádiz herrscht eine Arbeitslosenquote von fast 30 Prozent, viele Menschen können sich auch durch Lohnarbeit nur ein Leben am Existenzminimum finanzieren. Wie überall hat auch hier die Coronakrise diese Lage vor allem für diese Teile der Bevölkerung stark erschwert. Die Metallindustrie stellt einen der größten regionalen Arbeitgeber dar. Nun will der internationale Riesenkonzern Airbus seine Fertigungsanlage in Puerto Real in eine für sie lohnendere Stadt umlegen. Gegen die Schließung formiert sich seit dem Sommer ein breiter Widerstand. Die Begründung: Verluste durch die Coronakrise. Und das, obwohl der Konzern (im Gegensatz zu z.B. Boeing) mittlerweile wieder Gewinne verzeichnen kann. Die Lohnerhöhungen von gerade mal 0,5 Prozent, die der Arbeitgeberverband „Femca“ vorschlägt, kann also nur wie blanker Hohn erscheinen. Sie stellen die legitimen und verzweifelten Proteste als simple Akte des „Vandalismus“ dar. Sie beklatschen die einrückenden und brutal agierenden Spezialeinheiten. All dies passiert unter den Augen der sozialdemokratischen spanischen Zentralregierung von Pedro Sánchez, dessen Partei sich als „sozialistisch“ bezeichnet und vor der Wahl falsche Versprechen gab, die Lage der Arbeiter:innenklasse zu verbessern…”
  • Bilder und Vides auf Twitter gibt es u.a. bei Sindicato del metal de la Bahía de Cádiz und unter #HuelgaDelMetal oder #HuelgaIndefinida, siehe auch ein Video der Auseinandersetzung mit der Polizei

Quelle: labournet.de… vom 22. November 2022

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