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Flüchtlinge als „Konkurrenz am Arbeitsmarkt“

Eingereicht on 13. Juli 2016 – 15:00

Das neue Integrationsgesetz schafft 1-Euro-Jobs für Geflüchtete. Interview mit Annelie Buntenbach, Mitglied des Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), über den Sinn und die Problematik des Programms.

Frau Buntenbach, die Bundesregierung will 100.000 1-Euro-Jobs für Flüchtlinge schaffen. Ist das jetzt die Mindestlohn-Ausnahme durch die Hintertür?

Annelie Buntenbach: Das nicht, aber trotzdem halten wir dieses Programm für hoch problematisch. Stundenweise ausgeübte Ein-Euro-Jobs in Aufnahmeeinrichtungen können allenfalls in der Anfangsphase sinnvoll sein. Aber das Programm bietet auch Privatunternehmen, die in den Einrichtungen tätig sind, die Möglichkeit, auf diese Form von Beschäftigung zuzugreifen. Das kann schnell auch zu Konkurrenz am lokalen Arbeitsmarkt führen. Wenn man so etwas überhaupt macht, sollten wenigstens die Verwaltungsausschüsse, die Sozialpartner vor Ort, einbezogen werden.

Ein-Euro-Jobs führen in aller Regel nicht in den ersten Arbeitsmarkt, sondern sind eine Sackgasse. Für eine stabile Integration in den Arbeitsmarkt braucht es reguläre Arbeitsplätze und ausreichende Qualifizierungsmöglichkeiten, auch parallel zu einer Teilzeitbeschäftigung. Doch dafür stellt die Bundesregierung immer noch nicht genug Geld zur Verfügung. Gerade im Hartz-IV-System sind die Mittel für Arbeitsmarktförderung in den letzten Jahren viel zu sehr runtergefahren worden.

Was bedeutet das für GeringverdienerInnen insgesamt? Bestätigt das die, die Flüchtlinge als Gefahr für einheimische Beschäftigte darstellen, wenn AsylbewerberInnen jetzt doch offiziell zu Billigarbeitskräften gemacht werden?

Dass die Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge nur 80 Cent wert sind, weil bei ihnen ein geringerer Aufwand unterstellt wird, ist ein fatales Signal. Auch Geflüchtete brauchen zum Beispiel Arbeitskleidung und haben keinen geringeren Aufwand als andere Menschen. Hier und erst recht bei Mindestlohn und Tarifverträgen muss gelten: Anerkannte Geflüchtete sind – wie andere Arbeitnehmer mit und ohne Migrationsgeschichte – beim Zugang zu Beschäftigung gleich zu behandeln. Jede Schlechterstellung lehnen wir ab, sie dürfen nicht in Dumping-Bedingungen abgedrängt werden.

Das würde zu gesellschaftlicher Spaltung und Konkurrenz führen, die niemand wollen kann, wir jedenfalls nicht. Geflüchtete brauchen mehr gezielte Unterstützung, damit sie in gute Arbeit und Ausbildung integriert werden können – bei der Ausbildung, Kompetenzfeststellung, Qualifizierung. Ebenso setzen wir uns für die Unterstützung anderer Gruppen ein, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben, insbesondere Langzeitarbeitslose und junge Leute, die eine zweite Chance für einen guten Berufsabschluss brauchen. Für all diese Gruppen müssen die nötigen Mittel aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt werden. Wir werden als Gewerkschaften nicht zusehen, wie diese Gruppen gegeneinander ausgespielt werden.

Die Bundesregierung nennt die 1-Euro-Jobs einen „ersten Schritt auf den Arbeitsmarkt“ für Flüchtlinge. Stimmt das nicht?

Das versprochene Arbeitsmarktprogramm steht noch aus, und es ist dringend nötig: Es gibt weiter großen Handlungsbedarf in Sachen Investition in Qualifizierung, in Integrationskurse, in gute Arbeit und Ausbildung.

In dieser Woche hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung herausgefunden, dass die 30 größten Dax-Konzerne zusammen insgesamt gerade 54 Flüchtlinge eingestellt haben. Haben die ganzen Selbstverpflichtungen und Beschäftigungspakte aus dem letzten Jahr am Ende nichts als ein paar Praktika für Flüchtlinge gebracht?

Betriebe dürfen nicht warten, bis sie passgenau einsetzbare Geflüchtete vermittelt bekommen. Sie müssen mehr tun, um Geflüchteten eine Chance für den Einstieg zu geben. Dafür gibt es genügend Programme der Bundesagentur für Arbeit, sie müssen nur genutzt werden.

Quelle: taz.de… vom 13. Juli 2016

 

 

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