Nur eine militärische Niederlage Israels wird den Völkermord in Gaza stoppen
Mouin Rabbani. Israels Massaker an der Zivilbevölkerung in den vergangenen militärischen Auseinandersetzungen haben die USA nie dazu veranlasst, Israel zu einem Waffenstillstand zu drängen. Nur wenn Israel eine militärische Niederlage erlitten hat, haben die USA eine Einstellung der Feindseligkeiten gefordert.
Angesichts der intensivsten Bombardierung des Gazastreifens in der Geschichte des ohnehin schon konfliktreichen Nahen Ostens und der täglichen Massentötungen palästinensischer Zivilisten durch das israelische Militär wächst die Überzeugung, dass es ein Maß an Tod, Zerstörung und Leid gibt, über das hinaus westliche Regierungen ihre Beteiligung an Israels Krieg gegen den Gazastreifen sowie ihre Unterstützung für dessen Aktionen einstellen oder deutlich reduzieren werden.
Diese Annahme widerspiegelt jedoch ein grundlegendes Missverständnis darüber, wie diese Regierungen ihre Politik festlegen. Bislang hat Israel eine umfassende Belagerung des Gazastreifens verhängt, die eine ganze Gesellschaft von allen lebenswichtigen Gütern außer Sauerstoff abschneidet, ganze Städte und Stadtteile dem Erdboden gleichmacht und innerhalb eines Monats mehr als 10.000 Menschen getötet und etwa dreimal so viele verwundet, davon mehr als ein Drittel Kinder.
Dies geschah im Rahmen einer Bombardierungskampagne, die nachweislich keinen legitimen militärischen Zweck oder ein legitimes Ziel verfolgt, sondern deren durchsichtiges Ziel Terror, Rache, physische Zerstörung und die Bestrafung einer ganzen Gesellschaft ist. Auch die militärischen Fähigkeiten der palästinensischen Organisationen im Gazastreifen wurden durch die Bombardierung in keiner Weise beeinträchtigt. Nach eigenen Angaben hat Israel mehr UN-Mitarbeiter als palästinensische Militärkommandeure getötet.
Wenn das Ausmaß des palästinensischen Todes, der Zerstörung und des Leids tatsächlich eine Rolle in den Berechnungen der westlichen Regierungen spielen würde, hätte es das bereits getan. Das hat es aber nicht, und unabhängig von anderen Entwicklungen wird es das auch nicht. Während die israelischen Streitkräfte Schulen, Krankenhäuser, Flüchtlingskolonnen, UN-Einrichtungen, selbsternannte Schutzzonen und alle Formen der zivilen Infrastruktur direkt und wiederholt bombardieren, stehen die meisten westlichen Regierungen weiterhin stolz in voller Solidarität mit Israels Regierung. Papst Franziskus ist praktisch der einzige westliche Führer, der nicht zu Netanjahu gepilgert ist.
Wie schon bei der Belagerung von Beirut 1982, den früheren israelischen Angriffen auf den Gazastreifen und praktisch jeder anderen israelischen Kampagne gegen die Palästinenser seit 1948 und insbesondere nach 1967 haben die westlichen Regierungen ihre Politik auf Israels „Recht, sich selbst zu verteidigen“ ausgerichtet, was nur allzu oft auch als seine Pflicht und Schuldigkeit dargestellt wird. Ein Recht, das diese Regierungen dem palästinensischen Volk seit 1917 buchstäblich kein einziges Mal zugestanden haben.
Im Jahr 2023 beispielsweise bezeichneten Beamte der USA und der EU zum ersten Mal bestimmte Siedlerpogrome im Westjordanland als „Terrorismus“. Sie unterließen es jedoch, zu erklären, dass die Palästinenser das Recht haben, sich gegen den Terrorismus zu verteidigen. Stattdessen forderten sie den Staat, der die Siedler bewaffnet, diese als Hilfsmilizen zur Durchsetzung seiner Politik einsetzt und Straffreiheit für ihre Taten gewährleistet, auf, sie zu zügeln. Wenn Regierungen sich auf das israelische Recht auf Selbstverteidigung gegen ein besetztes Volk berufen, unterstützen sie in Wirklichkeit das Recht Israels, ein ganzes Volk zu enteignen und sich dessen Land anzueignen. Sie können sich dessen nur bewusst sein, und ihre Aufforderung an die israelische Regierung, die Siedler zu kontrollieren, die sie im Rahmen ihrer Staatspolitik entfesselt hat, ist ähnlich wie das derzeitige Gezeter über die Entsendung humanitärer Hilfe in die Todesfelder von Gaza: sinnloses Gefasel.
Was eine Änderung der westlichen Politik bewirken wird, ist eine militärische Niederlage Israels. Deshalb hat die Regierung Biden mehr Energie darauf verwendet, Israel zu zwingen, erreichbare Ziele zu formulieren, als auf die Wiederherstellung der Versorgung der Krankenhäuser in Gaza mit Treibstoff und Wasser hinzuwirken.
Ein prominentes Beispiel aus jüngster Zeit: 2006 begrüßte US-Außenministerin Condoleezza Rice Israels Krieg gegen den Libanon euphorisch als die „Geburtswehen eines neuen Nahen Ostens“. Im Vertrauen darauf, dass Israel die Hisbollah pulverisiert, wiesen die USA Bemühungen um eine Einstellung der Feindseligkeiten entschieden zurück. Sobald jedoch israelische Panzerkolonnen und Bodentruppen bei ihrem Versuch, in den Südlibanon vorzudringen, abgeschlachtet wurden, änderten die USA sofort ihre Haltung und baten den UN-Sicherheitsrat, eine Waffenstillstandsresolution zu verabschieden.
In ähnlicher Weise ließen die USA 1982 Israel freie Hand bei der Auslöschung der PLO im Libanon. Als klar wurde, dass Israel nicht in der Lage war, Westbeirut zu besetzen, schickte die Reagan-Regierung Philip Habib, um ein Abkommen auszuhandeln, das die PLO weiterbestehen liess. Mit anderen Worten: Solange die USA und andere westliche Regierungen einen Waffenstillstand für den Gazastreifen ablehnen und sich auf bedeutungslose Obszönitäten wie „humanitäre Pausen“ konzentrieren, bedeutet dies, dass sie immer noch glauben, dass Israel Erfolg haben wird oder kann. Wenn sie ihre Position ändern, können Sie alle Predigten über das Leiden der Zivilbevölkerung, die ihre neue Position begründen, mit einem Körnchen Salz nehmen. Augenwischerei. Es bedeutet, dass sie zu dem Schluss gekommen sind, dass Israel gescheitert ist.
Ein alternatives Szenario wäre, dass die westlichen Regierungen zu dem Schluss kommen, dass ihr und Israels Verhalten eine erhebliche Bedrohung für ihre eigenen Interessen darstellt und dass es an der Zeit ist, die Uhr zurückzudrehen. Gründe dafür könnten die wachsende Instabilität in der Region und die Bedrohung der dortigen Klientelregime sein, die Aussicht auf einen ausgeweiteten Krieg, der ein direktes Eingreifen erfordern würde, was die USA lieber vermeiden würden, sowie die Besorgnis über die wirtschaftlichen oder sicherheitspolitischen Auswirkungen im eigenen Land oder potenziell parteipolitisches oder wahltaktisches Kalkül. In Ermangelung dessen klingen Berichte, wonach diejenigen, die den israelischen Angriff ermöglichen, mit der israelischen Regierung über verschiedene Themen „diskutieren“ oder „verhandeln“, aber auf den Widerstand Netanjahus stoßen, ziemlich richtig. In Ermangelung von Konsequenzen für sein Verhalten – und seit 1948 gibt es keinen einzigen Fall, in dem Israel aufgrund seiner Politik nennenswerte, nachhaltige Auswirkungen zu spüren bekommen hätte – weiß es, dass es ungehindert weitermachen kann.
#Titelbild: Israelische Truppen führen Bodenoperationen im nördlichen Gazastreifen durch, 10. November 2023. (Foto: © Chen Junqing/Xinhua via ZUMA Press/APA Images)
Quelle: mondoweiss.net… vom 17. November 2023; Übersetzung durch die Redaktion maulwuerfe.ch
Tags: Europa, Imperialismus, Palästina, Repression, Strategie, USA, Widerstand, Zionismus
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