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Wall Street Journal: Selenskyj genehmigte Nord-Stream-Anschlag

Eingereicht on 17. August 2024 – 9:10

Peter Schwarz. Der Sprengstoffanschlag, der am 26. September 2022 die Gaspipeline Nord Stream auf dem Boden der Ostsee zerstörte, wurde von Ukrainern mit Unterstützung höchster staatlicher und militärischer Stellen verübt. Das berichtete das Wall Street Journal am 14. August unter Berufung auf mehrere namentlich nicht genannte Quellen im ukrainischen Militärapparat.

Laut dem Bericht des WSJ hat Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich den Anschlag genehmigt. Auf Drängen der amerikanischen CIA habe er aber einen Rückzug gemacht und den Abbruch der Aktion angeordnet. Der mittlerweile abgesetzte Oberkommandierende der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, habe die Anordnung ignoriert und den Anschlag zu Ende geführt.

Der Bericht des WSJ erschien einen Tag, nachdem deutsche Zeitungen berichtet hatten, dass der deutsche Generalbundesanwalt Jens Rommel bereits im Juni einen Haftbefehl gegen einen Tatverdächtigen erwirkt habe. Der ukrainische Tauchlehrer Wolodymyr Z., der als Tiefseetaucher ausgebildet ist, soll Mitglied der sechsköpfigen Crew gewesen sein, die im September 2022 die Segeljacht „Andromeda“ mietete und nach Ansicht der Ermittler die Sprengladungen installierte und zur Explosion brachte.

Obwohl der Europäische Haftbefehl noch im Juni an die Behörden Polens übermittelt wurde, wo Wolodymyr Z. inzwischen offiziell wohnte, unternahmen diese nichts und ließen ihn in die Ukraine ausreisen. Er wurde offenbar gewarnt.

Mit dem Haftbefehl gegen einen ukrainischen Tatverdächtigen war aber klar, dass nach fast zweijährigen Ermittlungen nun auch die ukrainische Staats- und Parteiführung in den Kreis der Verdächtigen geriet.

Zuvor waren die Ermittlungen von allen Seiten verzögert und verschleppt worden. Dänemark und Schweden, auf deren Hoheitsgebiet der Anschlag geschah, unternahmen kaum etwas und stellten die Ermittlungen nach eineinhalb Jahren ein. Polen sabotierte die Untersuchungen und die Ukraine verweigerte jede Zusammenarbeit. In beiden Ländern wird der Anschlag als Heldentat gefeiert.

Aber auch die USA und Deutschland, das neben Russland am stärksten betroffen war, bremsten die Aufklärung.

Die USA hatten ein offensichtliches Interesse daran, die Pipeline zu zerstören, die Deutschland von russischen Gaslieferungen abhängig machte. Präsident Joe Biden hatte zwei Wochen vor Beginn des Ukrainekriegs sogar offen mit einem Anschlag gedroht. „Wenn Russland einmarschiert“, sagte er auf einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz, „dann wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben. Wir werden ihr ein Ende setzen.“

Deutschland seinerseits fürchtete, die Identifikation der wirklichen Täter werde seine Kriegsoffensive gegen Russland beeinträchtigen, die es mit Waffenlieferungen in Milliardenhöhe und der größten Aufrüstung seit Hitler vorantreibt.

„Die Erkenntnisse könnten die Beziehungen zwischen Kiew und Berlin erschüttern, das nach den USA den größten Teil der Finanzierung und der militärischen Ausrüstung für die Ukraine bereitgestellt hat“, schreibt das WSJ und zitiert einen mit der Materie vertrauten deutschen Beamten: „Ein Angriff dieses Ausmaßes ist ein ausreichender Grund, um den kollektiven Verteidigungsfall der NATO auszulösen, aber unsere kritische Infrastruktur wurde von einem Land in die Luft gesprengt, das wir mit massiven Waffenlieferungen und Milliarden an Bargeld unterstützen.“

Der Artikel, der sich auch auf gemeinsame Recherchen der deutschen Medien ARD, Süddeutsche Zeitung und Die Zeit stützt, zeichnet ein vernichtendes Bild der ukrainischen Verantwortung für den Anschlag. Zwar soll er von privaten Geschäftsleuten finanziert und von einem gemischten Team aus Soldaten und Zivilisten durchgeführt worden sein, doch die Führung lag eindeutig beim ukrainischen Militär: „Ein amtierender General mit Erfahrung in Sondereinsätzen würde die Mission leiten, die ein Teilnehmer als ‚öffentlich-private Partnerschaft‘ bezeichnete. Er würde direkt an den Chef der ukrainischen Streitkräfte, den Vier-Sterne-General Saluschnyj, berichten.“

Weiter schreibt das WSJ: „Der mit der Leitung der Operation beauftragte General zog einige der besten ukrainischen Offiziere für Sondereinsätze heran, die Erfahrung mit der Durchführung hochriskanter geheimer Missionen gegen Russland haben, um den Angriff zu koordinieren. Einer von ihnen war Roman Tscherwynsky, ein hochdekorierter Oberst, der zuvor im wichtigsten Sicherheits- und Nachrichtendienst der Ukraine, dem SBU, diente.“

Nicht nur die CIA, auch der deutsche Auslandsgeheimdienst BND wussten bereits vor dem Anschlag über die Pläne Bescheid, unternahmen aber nichts. Sie waren vom niederländischen Geheimdienst gewarnt worden, der nach dem Abschuss des Flugs MH-17, bei dem zahlreiche Niederländer ums Leben kamen, in der Ukraine intensiv tätig ist. Wenige Tage nach dem Anschlag erhielt der BND vom niederländischen Militärgeheimdienst einen weiteren detaillierten Bericht über den Tathergang, den die ermittelnden Polizeibehörden aber nicht lesen durften.

Vor der Öffentlichkeit wurden diese Erkenntnisse ganz verheimlicht. Stattdessen verbreiteten Medien und Politiker die absurde Behauptung, Russland selbst habe die Pipeline zerstört, mit der es jährlich Milliarden verdiente und die zur Hälfte der staatsnahen russischen Firma Gazprom gehört.

Der Artikel des WSJ ist trotz seiner Enthüllungen ein Versuch der Schadensbegrenzung. Er gibt zu, was bereits bekannt ist, enthüllt, was sich ohnehin nicht mehr lange verheimlichen lässt, und bemüht sich gleichzeitig, die Hauptverantwortlichen aus der Schusslinie zu ziehen.

Er erklärt Saluschnyj, der inzwischen als ukrainischer Botschafter in London sitzt, zum Hauptverantwortlichen, um Selenskyj zu schützen. Die Behauptung, die CIA habe Selenskyj von den Anschlagsplänen abgebracht und Saluschnyj habe sich dem widersetzt, ist absurd. Saluschnyj konnte – wie Selenskyj – keinen Schritt ohne Einwilligung der USA machen.

Saluschnyj war sogar ein besonders enger Vertrauter der USA. Als Selenskyj sich mit ihm zerstritt und ihn absetzen wollte, widersetzte sich Washington lange Zeit. Die ukrainische Armee war von den USA nach dem Maidan-Putsch neu aufgebaut, ausgebildet und bewaffnet worden. Saluschnyj stand in regelmäßigem Telefonkontakt mit US-Generalstabschef Mark Milley. „Ich spreche jede Woche mit ihm, manchmal zweimal, manchmal dreimal die Woche“, berichtete Milley CBS News.

Auch die Story des WSJ, die Pläne seien vier Monate vor dem Anschlag von einer Handvoll Offizieren und Geschäftsleuten während eines Saufgelages spontan ausgeheckt worden, ist absurd. Entsprechende Pläne gab es seit langem. Die USA übten seit Jahren Druck auf Deutschland aus, Nord Stream 1 abzuschalten und Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen. Bidens bereits zitierte Drohung war nur eine von vielen.

Die wirkliche Rolle der amerikanischen und der deutschen Regierung beim Nord-Stream-Anschlag bleibt weiter im Dunkeln. Aber eines ist inzwischen unbestreitbar: Der Anschlag, der Schäden in Milliardenhöhe verursachte und die Energiepreise in schwindelnde Höhen trieb, kam nicht von außen, von Russland, sondern von innen, aus der Ukraine und der Nato selbst.

Er wirft ein grelles Licht auf den räuberischen Charakter des Kriegs, den die Nato in der Ukraine gegen Russland führt. Die Methoden des Kriegs entsprechen seinen Zielen. Es geht nicht um Freiheit und Demokratie für die Ukraine, die durch den Krieg ausgeblutet und zerstört wird, sondern um die Eroberung und Aufteilung der gewaltigen Ressourcen Russlands. Deshalb bekämpfen sich die Nato-Partner auch untereinander mit Methoden, wie man sie von Mafia-Clans kennt.

#Titelbild: Walerij Saluschnyj, damals Oberkommandierender der ukrainischen Armee, soll den Anschlag auf Nord Stream überwacht haben [Photo by armyinform.com.ua / CC BY 4.0]

Quelle: wsws.org… vom 17. August 2024

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