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Unternehmenssteuerreform III : Das Beispiel Neuchâtel

Eingereicht on 16. Dezember 2016 – 15:38

José Sanchez. Der Staatsrat, die Regierung des Kantons Neuchâtel, hat einen eigenen Stil. Drei Stunden vor dem Treffen mit den Gewerkschaften hat er allen Angestellten des Kantons per e-Mail einen neuen Angriff angekündigt. Übergang von 40 auf 41 Arbeitsstunden pro Woche, ohne Kompensation. Kürzung des Stellenetats um 2,5 % der Vollzeitstellen. Gemäss seiner Berechnung macht dies ungefähr 60 Stellen aus. Für den Kanton mit der schweizweit höchsten Arbeitslosenrate ist diese Nachricht wenig erfreulich. Das Ziel des neuen Sparplans ist die Einsparung von 100 Millionen Franken.

Budget-Titanic

Die Kantonsregierung war sicher nicht erfreut über die gewerkschaftliche Opposition, vor allem seitens des VPOD-SSP, gegen das neue Lohnschema für die Kantonsangestellten. Die Raffinesse seiner Ankündigung zeugt von seinem Willen zur Einschüchterung und von seiner Verachtung gegenüber Verhandlungen. Zu ihrer Absicht, die Aktionen gegen das neue Lohngesetz abzuschrecken, gesellt sich ihre Verblendung in Budgetangelegenheiten. Dies ist gerade die Titanic: indem sie auf den Eisberg der Unternehmenssteuerreform aufgelaufen ist, haben sich die Wasserschleusen geöffnet, durch die sich die Steuereinbussen ergiessen.

Ein kurzer Blick zurück. 2010 wurde ein ehrgeiziges Reformprogramm beschlossen. Ein Untersuchungsbericht für 16 Millionen Franken wurde vom Parlament in Auftrag gegeben. Das Ziel war klar: 2015 soll ein Budgetgleichgewicht mit einer Kontrolle der Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben erreicht werden, was als «rollende Finanzplanung» bezeichnet wurde. Mit diesem Instrument wollte die Regierung das Ausgabenwachstum auf 0,7 % einschränken während sie ein durchschnittliches Wachstum der Einnahmen um 1,2 % eingeplant hatte. Von daher ihr Optimismus.

Steuerpolitische Umwälzungen

Der Steuersatz für Unternehmen, insbesondere für Gewinne von über 40´000 Franken, wird stark vermindert (um 1 % jährlich), sowohl auf kantonaler wie auf Gemeindeebene. Indem er zwischen 2010 bis 2016 von 10 % auf 5 % gesunken ist, macht sie aus dem Kanton ein Schweizer Steuerparadies. Im Gegensatz zu den Behauptungen der Steuersenkungsfundamentalisten fand der Ansturm auf das Steuerparadies Neuchâtel nicht statt. Und wenn die Steuereinnahmen zwischen 2012 und 2014 tatsächlich angestiegen sind, so war dies keinesfalls eine Folge der Steuerreform, sondern das Ergebnis der fabelhaften Profite, die dem Wachstum der Märkte, insbesondere für Luxusprodukte zu verdanken sind.

Jetzt, wo der globale Kapitalismus in eine Rezession gerät, stehen unsere Zauberlehrlinge vor einem grossen Einbruch der Steuereinnahmen, die einem Rückgang der industriellen Tätigkeit geschuldet sind, und sich zudem noch mit der Senkung des Steuerfusses kombinieren. Dieses Ergebnis steht in absolutem Widerspruch zu den durch unsere Finanz- und Wirtschaftsgurus geweckten Hoffnungen. Panik an Bord. Zusammenstoss mit dem Eisberg.

Aber die Sparfanatiker gehen erneut auf Angriff. Eine Motion der FdP und der SVP, über die 2014 abgestimmt wurde, fordert einen neuen Sparplan über 8 % des Budgets, was die hübsche Summe von 168 Millionen ausmacht. Unsere in Rosen gekleidete Regierung geht auf das Anliegen ein und beginnt niederzusäbeln. Für das Personal bedeutet das eine Einfrierung der Löhne. Die gesetzlich vorgesehenen Mechanismen zur Lohnerhöhung werden für zwei Jahre (2015 und 2016) blockiert.

Die Zauberlehrlinge der Steuerreformen haben eine Teufelsspirale in Gang gesetzt. Die angekündigten Steuersenkungen haben eine unmittelbare Auswirkung – einen Einnahmenverlust – und eine mittelbare Auswirkung – die Schwächung des Verteilungsmechanismus im interkantonalen Steuerausgleich. Diese Spirale, die an die Fortführung der interkantonalen Steuerkonkurrenz gekoppelt ist, zieht in ihrem Gefolge weitere Sparmassnahmen nach sich.

Die nächsten Opfer

Dabei dürfen die politischen Verantwortlichkeiten nicht verschwiegen werden. All diese Vorschläge gehen von einer Regierung mit einer Mehrheit der SPS aus. Sicher, man kann die Augen verschliessen und sagen, dass alles noch viel schlimmer wäre mit einer rechten Mehrheit. Solche Spekulationen dürfen uns nicht blind machen. Eine sogenannte «linke» Mehrheit ist kein Hindernis für eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Löhne im öffentlichen Sektor. In den letzten Jahren häufen sich die Sparpläne – trotz «linker» Regierungsmehrheiten.

«Der Kanton Neuchâtel hat heute pro Kopf Ausgaben über 30 %». Die Studie des BAK vom 23. März 2016 meint die Ausgaben für Invalidität, die Berufsbildung, die Gesundheit, für ältere Personen. In all diesen Bereichen stellt das BAK eine öffentliche Kostenbeteiligung fest, die weit über dem Schweizer Durchschnitt liegt. Bezüglich der Spitäler und der älteren Personen, wo ein Ausgabenwachstum absehbar ist, «ist es speziell notwendig, Massnahmen zu ergreifen». Die Warnung ist deutlich. Ein grosser Teil der öffentlichen Beiträge muss gesenkt werden – massiv gesenkt werden.

Einzige Alternative: Die Reichen und das Kapital besteuern

Wenn wir eine noch stärkere Verschlechterung der öffentlichen Beiträge und der Arbeitsbedingungen der öffentlich Beschäftigten vermeiden wollen, ist ein Paradigmawechsel notwendig.

Die aktuelle Politik der Steuersenkungen muss beendet und umgekehrt werden. Die Aktionäre und die Unternehmer, die sich bereichern und gleichzeitig immer weniger Steuern bezahlen, dürfen nicht immer stärker privilegiert werden. Eine starke Besteuerung muss diese Situation korrigieren und so für den öffentlichen Sektor ein akzeptables und nachhaltiges Funktionieren gewährleisten. Der öffentliche Sektor ist für ein normales Funktionieren der Gesellschaft unabdingbar und muss vom unersättlichen Hunger der Finanzhaie und der Dividenden ferngehalten werden. Ein Nothalt drängt sich auf.

Kurzfristig kann man sofort auf zwei steuerpolitischen Achsen vorgehen, als Alternative zum vorgeschlagenen Kürzungsprogramm von über 100 Millionen Franken.

Eine ausserordentliche Steuer für Millionäre. 2013 gab es im Kanton 2664 Steuerpflichtige (2,4 %), deren steuerbares Vermögen über einer Million lag. Der durchschnittliche Steuersatz dieser Klasse lag bei 0,467 %, was 4´670 Franken pro Million gleichkommt. Wir schlagen einen Steuersatz von 1 % vor, was ganz und gar tragbar ist für diese Klasse. Da das gesamte steuerbare Vermögen in dieser Kategorie sehr hoch ist (7,7 Milliarden Franken), würde diese Steuer 77 Millionen einbringen.

Mit dem zweiten Vorschlag soll die Besteuerung des Kapitals wieder auf das Niveau von 2007 angehoben werden. In der Tat wurde die Besteuerung des Kapitals im Verlaufe der letzten zehn Jahre stark reduziert, von 0,06 % im Jahre 2007 auf 0,016 % 2013. Mit dieser Massnahme würden 27,4 Millionen anstelle der 7,6 Millionen Steuereinnahmen generiert.

Diese beiden Vorschläge würden um die 100 Millionen Mehreinnahmen bringen. Sie entsprechen dem Umfang der Sparmassnahmen. Dazu aber müsste Schluss gemacht werden mit der Liebedienerei der Regierung gegenüber den Reichen und den Unternehmern!

Übersetzung aus dem Französischen durch die Redaktion maulwuerfe.ch

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