Zur Bedeutung des britischen Bergarbeiterstreiks 1984/85
Helmuth Schneider. Heute wird der britische Bergarbeiterführer Arthur Scargill 80 Jahre alt Als die ehemalige britische Premierministerin Margret Thatcher am 8.4. 2013 starb, hat er auf die SMS „Thatcher tot“ nicht wie üblich pflichtschuldiges Bedauern geäußert, sondern nur lapidar geantwortet „Scargill lebt“. Die Rede ist von Arthur Scargill, in den 1980er Jahren der legendäre Führer der britischen Bergarbeitergewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) und erbitterter Thatcher-Gegner. Am 11. Januar 2018 ist Arthur Scargill 80 Jahre alt geworden.
Die britischen Bergarbeiter haben ihren einjährigen Kampf (1984/85) gegen Privatisierung und Zechenschließungen trotz ihres großen Engagements und ihres enormen Kampfeswillen am Ende verloren. Daran konnten auch die gewerkschaftlichen Solidaritätsbewegungen mit den streikenden Bergleuten in anderen Ländern nichts ändern. Die Solidaritätskampagne mit den britischen Miners hatte etwa in Deutschland eine erstaunliche Resonanz, aber sie musste gegen den hinhaltenden Widerstand der sozialpartnerschaftlichen Gewerkschafsführungen namentlich der IG Bergbau und der IG Metall durchgesetzt werden, nur unterstützt von führenden Funktionären der damals noch selbständigen IG Druck und Papier. Aber den Export von Streikbrecherkohle nach Großbritannien konnte auch diese Solidaritätsbewegung nicht verhindern.
Sozialpartnerschaftliche Gewerkschaftsführungen und Sozialdemokratie haben damals und bis heute nicht begriffen, welche Zäsur die Niederlage der britischen Bergarbeiter und ihrer Gewerkschaft NUM bedeutet hat. Diese Niederlage hat nicht nur den Einfluss der britischen Gewerkschaften, sondern der Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung in ganz Europa geschwächt. Widerstand gegen Privatisierungen, den Abbau von Industriearbeitsplätzen und die Folgen der neoliberalen Globalisierung gab es auch anderswo, wirklich erfolgreich waren diese Abwehrkämpfe aber nirgends mehr. In Deutschland wehrten sich nur wenige Jahre später (1987/88) die Stahlarbeiter in Duisburg-Rheinhausen mit z.T. spektakulären Aktionen gegen die Schließung des dortigen Krupp-Stahlwerks. Zwar konnte die sofortige Schließung noch abgewendet werden, aber das war nur ein kurzlebiger Scheinerfolg, die endgültige Schließung von Krupp-Rheinhausen erfolgte 1993 als der letzte Hochofen heruntergefahren wurde.
Im Rückblick zeigt sich: Der britische miner’s strike wie auch zwei Jahre später der Kampf um Rheinhausen gehören zu den letzten großen gewerkschaftlichen Abwehrkämpfen in Europa gegen den Durchmarsch von Neoliberalismus und Finanzkapitalismus, die sich seitdem weitgehend ungebremst entfalten konnten. Die Eigenlogik des finanzialisierten Kapitalismus hat die Welt im Jahr 2008 in die größte Wirtschaftskrise seit 1929 ff. gestürzt, von deren Folgen sie sich bis heute nicht vollständig erholt hat. Die antikapitalistische Bewegung einschließlich der Arbeiterbewegung steht heute vor der großen Herausforderung, sich angesichts der veränderten Kräfteverhältnisse im globalisierten und finanzialisierten Kapitalismus neu zu formieren, um die Initiative wieder zurück zu gewinnen.
Arthur Scargills Rolle als charismatischer Arbeiterführer, als Führer der kleinen, aber militanten britischen Bergarbeitergewerkschaft NUM, die ihren großen Kampf gegen Privatisierungen und Zechenschließungen Ende zwar verloren hat, die aber den Mut und die Entschlossenheit hatte, dem Neoliberalismus in Gestalt der „Eisernen Lady“ hartnäckig die Stirn zu bieten und damit auch ein bleibendes Zeichen zu setzen, diese politisch bedeutende Rolle Arthur Scargills ist und bleibt unbestritten. Vor diesem Hintergrund wollen wir über seinen späteren erfolglosen Versuch einer Parteigründung am linken Rand der Labour Party und sein politisch falsches Eintreten für den Brexit milde hinwegsehen.
Cheers and Happy Birthday, comrade Arthur!
Tags: Arbeiterbewegung, Grossbritannien, Neoliberalismus, Widerstand
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