Klimastreiks brauchen Allianz mit Gewerkschaften
Manfred Ecker. Schüler_innen haben mit ihren Klimastreiks den Durchbruch für die Klimagerechtigkeitsbewegung geschafft. Um die nötige politische Macht zu erlangen, brauchen sie eine strategische Allianz mit der Arbeiter_innenbewegung.
Appelle an die herrschenden Eliten sind vergebene Liebesmüh, wie die Entwicklung des letzten Jahres gezeigt hat. Entgegen allen internationalen Verpflichtungen sind 2018 die weltweiten Emissionen von Kohlendioxid auf ein neues Rekordmaß gestiegen – um ca. 37 Gt CO2 (37 Gigatonnen oder 37 Milliarden Tonnen Kohlendioxid) – die zehn Jahre davor waren es im Schnitt 34 Gt CO2 pro Jahr.
Man möchte meinen, dass alle Schichten der Bevölkerung ein Interesse daran haben, Klimawandel aufzuhalten. Aber die herrschende Elite hat andere Interessen als die Masse der Bevölkerung. Profite gehen ihr vor Menschen und vor Natur. So ist die Arbeiter_innenklasse gezwungen, eine gestaltende Rolle in der Geschichte einzunehmen. Klimawandel ist auch ohne diesen Überlegungen aus demselben Grund wichtig für Arbeiter_innen wie etwa für Kaiserpinguine: Er wird sie treffen und er wird schrecklich!
Umstellung und Arbeiterklasse
Der Weltklimarat IPCC weist schon seit geraumer Zeit darauf hin, dass die Zeit drängt, und wir bis 2030 die CO2-Emissionen halbiert haben müssen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Bis 2050 müssen wir die CO2 Emissionen auf Netto-Null gesenkt haben. Die wichtigste Maßnahme von allen ist ein Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe – Öl, Gas und Kohle. Entscheidend dabei wird, die Welt mit neutralen Energiequellen zu versorgen, allen voran Sonnen- und Windkraftwerke, um Strom zu erzeugen.
Eine deutsch-finnische Studie hat errechnet, dass eine Energiewende mit den heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten machbar ist. Über 100 weiterer Studien kommen zu demselben Ergebnis: Wir könnten bis 2050 den gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken, weltweit und zu jeder Zeit. Alleine im Stromsektor würden so weltweit zusätzliche 15 Millionen Arbeitsplätze, insgesamt 35 Millionen, bis zum Jahr 2050 entstehen.
Trump Digs Coal
Was passieren kann, wenn die Arbeiter_innenbewegung die kommenden Herausforderungen ignoriert oder noch schlimmer, sich auf Seiten der Industrie stellt, hat der US-Wahlkampf 2017 gezeigt. Klimaschutz habe nur dazu geführt, dass die Chinesen einen unfairen Konkurrenzvorteil bekommen hätten, so Trump, während die reicheren Nationen sich mit den höheren Kosten von Klimaschutz herumschlagen müssten. Die USA werde so daran gehindert von seinen Bodenschätzen zu profitieren und deshalb wären ganze Regionen verarmt.
Diese Wahlkampfslogans sind in manchen Industrieregionen auf offene Ohren gestoßen und Trump konnte in entscheidenden Bundesstaaten, die bislang Hochburgen der Demokraten waren, die Wahlen gewinnen. Prominente Gewerkschaftsführer unterstützen Trump, weil er versprochen hat, die unter Obama eingeführten Emissionsbeschränkungen aufzuheben. Das zeigt, wie wichtig es auch politisch ist, dass die Arbeiterbewegung für Klimajobs kämpft und eine gerechte Umstellung auf erneuerbare Energie zu ihrer eigenen Sache macht. Niemandem, weder in der Klimagerechtigkeitsbewegung noch in den Gewerkschaften, sollte es egal sein, wenn die Arbeiter_innen Klimaleugnern wie Trump oder seinen Pendants in der österreichischen Regierung zugetrieben werden.
Österreich
Aus den Gewerkschaften selbst kommen gemischte Signale: Eine großartige Unterstützungserklärung erreichte Fridays for Future, die die Schulstreiks im Frühjahr 2019 organisiert haben: „Wir stehen daher mit voller Solidarität hinter den Kämpfen der FridaysForFuture-Bewegung und unterstützen insbesondere auch eure Schulstreiks. Es entspricht unserem demokratischen Selbstverständnis, gegen das bewusste Wegschauen der Politik auf die Straße zu gehen – auch oder gerade während der Unterrichtszeit! In eurer Generation liegt unsere Hoffnung – lasst euch euren Kampfgeist nicht nehmen! Mit einem herzlichen Glück Auf! Die Produktionsgewerkschaft (PRO-GE)“.
Das ist tatsächlich eine tolle Haltung, wenn damit auch nicht gesagt wurde: Wir unterstützen eure Kämpfe mit unserer ganzen Kampfkraft und Streiks in den Betrieben. Aber der Schwung der Schulstreiks hat Türen geöffnet und vielleicht auch Wege geebnet, die in Zukunft gemeinsam beschritten werden können. Bei dem Megaprojekt Dritte Piste am Flughafen Schwechat dagegen gab es Zustimmung aus der Gewerkschaft vida: „Gerade aufgrund der momentanen Situation am Arbeitsmarkt sind Investitionen in Infrastrukturprojekte immens wichtig. Die 3. Piste kann verhindern, dass tausende gute Jobs nach Bratislava oder München exportiert werden.“
Auf das Arbeitsplatz-Argument gibt es einige gute Antworten. Zuallererst die ganz grundsätzliche Antwort, die beim Klimaprotest am 5. April von der Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) als Transparent getragen wurde: „Auf einem toten Planeten wird es auch keine Jobs geben!“ Das stimmt natürlich, allerdings kann die Klimaschutzbewegung die Sorge um Arbeitsplätze nicht einfach vom Tisch wischen.
Die Österreichische Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) war Mitorganisatorin des Klimaprotests „Zukunft für Alle – Alle für die Zukunft!“ am 5. April 2019 in Wien. ©ÖGJ Österreichische Gewerkschaftsjugend (Facebook)
Transformation
Die Reduktion von Treibhausgasen wird Arbeitsplätze kosten – sogar sehr viele – wenn die Transformation unter den aktuellen politischen Konstellationen vonstattengeht. Aber sie wird sehr viele gute Arbeitsplätze schaffen, wenn die Arbeiter_innen die treibende Kraft sind.
In Großbritannien ist die Kampagne „One Million Climate Jobs“ unter Gewerkschaften populär geworden, und es gibt Klimajobs-Kampagnen in Südafrika, Norwegen, Kanada und, am prominentesten, in den USA. Die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die sich selbst als Sozialistin bezeichnet, hat eine Resolution mit der Forderung nach einem Green New Deal (GND) eingebracht. Der GND setzt zu 100% auf emissionsfreie, erneuerbare Energie und auf eine Umstellung, die fair und gerecht gegenüber allen Gemeinden und Arbeiter_innen ist. Der Plan soll Millionen hochqualitativer und gut bezahlter Jobs und Wohlstand und soziale Sicherheit für alle Einwohner der USA schaffen.
Nehmen wir einmal an, Ocasio-Cortez oder Bernie Sanders, der ebenfalls den GND unterstützt, kommen 2020 an die Macht. Sie hätten mit massivem Widerstand zu kämpfen. Zuerst von den größten Verschmutzern: Sechs der zehn weltgrößten Unternehmen sind Erdölkonzerne. Ihnen droht das komplette Aus. Dann von den Neoliberalen, dazu zählen praktisch alle führenden Politiker und Entscheidungsträger der Welt, sie kämpfen seit 40 Jahren gegen jegliche solidarische und soziale Politik. Drittens von den Militärs, sie bereiten schon jetzt eine ganz andere Reaktion auf den Klimawandel vor, mit militärisch bewachten Grenzzäunen, Anhaltelagern und schnellen Interventionstruppen, die darauf spezialisiert sind, Aufstände niederzuschlagen.
Um die nötige Transformation durchzuziehen, brauchen Ocasio-Cortez, Sanders oder wer auch immer, die Arbeiter_innen auf ihrer Seite, die ihre Betriebe und die gesamte Wirtschaft gegen den Willen der Bosse werden umstrukturieren müssen. Der Widerstand der Kapitalisten wird mit Sicherheit mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geführt werden. Ihnen droht ein kompletter Machtverlust. Denn, sollte es ein siegreiches Programm geben, um den Globus zu retten, dann werden die Menschen dasselbe für andere Bereiche durchsetzen wollen, für Pensionen, für Bildung, für Spitäler und alles andere. Es wäre das Ende der neoliberalen Ära oder von Kapitalismus als Ganzes.
Der globale Süden
Es sind die ärmsten Regionen der Welt, die am schlimmsten vom Klimawandel verwüstet werden. Der Zyklon Idai in Südost-Afrika hat mit aller Brutalität gezeigt, wie wir uns die Zukunft vorstellen müssen. Manche Regionen werden von Sturmkatastrophen heimgesucht, andere, wie die afrikanische Sahelzone, in der an die 200 Millionen Menschen zuhause sind, werden zu Wüsten. Tiefliegende Küstenregionen, wie Bangladesch und eine Reihe von Inseln, können nach wiederholten Katastrophen unbewohnbar werden. Hunderte Millionen werden zu Flüchtlingen.
Aber auch im reichen Norden trifft es die Ärmsten zuerst. Es sind alleinstehende Pensionist_innen, die in Hitzeperioden zuerst sterben. Menschen in Rollstühlen sind unter den Todesopfern des Hurricane Katrina besonders hervorgestochen. Wir haben erlebt, wie westliche Regierungen solche Katastrophen ausnutzen, die betroffenen Regionen unterwerfen und danach verschärft ausbeuten. Das mag ein Horrorszenario sein und deshalb ein unliebsames Argument, aber die Arbeiter_innenbewegung kann auch vor den schlimmsten Bildern die Augen nicht verschließen.
Internationale Solidarität ist ein Schlüsselelement dieser Bewegung und ein weiterer wichtiger Grund, warum die organisierte Arbeiter_innenbewegung sich den Kämpfen der Klimagerechtigkeitsbewegung anschließen muss.
Quelle: linkswende.org… vom 13. Juni 2019
Tags: Arbeiterbewegung, Gewerkschaften, Ökosozialismus, Österreich, Strategie
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