Ein paar Erkenntnisse zur 31. «Bilanz»-Reichenliste
Clemens Studer. Für Honoré de Balzac (1799 – 1850), den grossen französischen Autor des 19. Jahrhunderts («Die menschliche Komödie»), war klar: «Hinter jedem grossen Vermögen steht ein grosses Verbrechen.» In diesem Sinn hat das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» mit seiner aktuellsten Ausgabe die «Meist-Gesuchten-Liste» 2019 vorgelegt. Die journalistische Fleissarbeit listet die 300 reichsten Menschen der Schweiz auf. Zum 31. Mal.
1989 besassen die aufgelisteten 100 Reichsten zusammen 66 Milliarden Franken. Heute besitzen die 300 Reichsten zusammen 702 Milliarden. Oder anders herum: Das Durchschnittsvermögen der Aufgelisteten betrug damals pro Kopf 1’989’660 Millionen, heute sind es 2,35 Milliarden. Rund 3,5 Mal so viel. Oder noch einmal anders herum: Heute besitzen die Reichsten von Platz 1 und 2 mehr Vermögen als alle 100 Reichsten von 1989 zusammen. Und das trotz allen Börsencrashs, Immobilien- und Finanzkrisen. Auch der Teufel des Kapitalismus scheisst also immer auf die gleichen Haufen.
Die «Bilanz»-Liste erfasst die Reichsten, die in der Schweiz wohnen oder einen Schweizer Pass haben. Auf Platz eins sind die Ikea-Erben Jona, Mathias und Peter Kamprad. Sie wohnen zwar im Ausland, haben aber den Schweizer Pass. Zusammen sind sie 54 – 55 Milliarden schwer. Auf Platz zwei folgen die Familien Hoffmann und Oeri (Pharma-Multi Roche) mit einem Vermögen von 27 – 28 Milliarden. Mit 23 – 24 Milliarden folgt Gérard Wertheimer, der zusammen mit seinem Bruder den Luxusgüterkonzern Chanel besitzt.
BLOCHER-CLAN
Ganz knapp die Top Ten verpasst hat der Blocher-Clan. Mit dem klassischen Oligarchen-Portfolio aus Chemie, Kunststoff und Medien, ergänzt um das Basler «Läckerli Huus», kommt die SVP-Sippe auf ein gemeinsames Vermögen von 11 bis 12 Milliarden. Das ist eine ganze Milliarde mehr als im vergangenen Jahr. Die von SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher geleitete EMS-Chemie spürte zwar in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres die abkühlende Konjunktur in der Autoindustrie und verlor 5,4 Prozent Umsatz. Aber die Aktien stiegen. 77 Prozent davon besitzen Blocher-Töchter. Miriam Baumann-Blocher gehört ausserdem das «Läckerli Huus». Und Rahel Blocher ist Verwaltungsratspräsidentin des Medienimperiums von Vater Christoph (Ex-Zehnder-Zeitungen, «Tagblatt der Stadt Zürich», «Tele Blocher»).
ABZOCKER STEIGEN AUF
Keine neue Erkenntnis, aber auch eindrücklich belegt von der neuen Reichsten-Liste: es wird weiter munter abgezockt. Während 99 Prozent der Menschen in der Schweiz immer weniger im Portemonnaie bleibt, weil die Krankenkassenprämien steigen, die Löhne stagnieren und die BVG-Renten schmelzen. Doch es gibt eine kleine Anzahl Angestellte, die davon ausgenommen sind: Die sogenannten Top-Manager, besonders von Banken. So hat es jetzt auch UBS-Chef Sergio Ermotti unter die 300 Reichsten geschafft. Die «Bilanz» schätzt sein Vermögen auf 100-150 Millionen. Sein Jahreseinkommen 2018 lag bei 14 Millionen Franken. In den acht Jahren, in denen Ermotti bereits an der UBS-Spitze ist, kassierte er nach offiziellen Bankangaben fast 90 Millionen Franken. Und das alles für eine Leistung, die selbst in der innerkapitalistischen Logik mehr als durchzogen ist.
Erfolgreicher als Ermotti arbeitete unbestritten Ernst Tanner. Er leitet seit über 25 Jahren die Schoggifabrik Lindt& Sprüngli. Kassierte zuerst als CEO immer wieder kritisierte exorbitante Löhne – und gilt heute mit einem Salär von 4 Millionen Franken im Jahr als einer der höchstbezahlten Verwaltungsratspräsidenten der Schweiz. Ergebnis: Er hält sich schon länger als Angestellter unter den Reichsten. Die Bilanz schätzt sein Vermögen auf 700-800 Millionen Franken. Ein bisschen weniger als im Vorjahr – weil der Euro schwächer ist und rund die Hälfte von Tanners Vermögen in der Holding des österreichischen Immobilienspekulanten René Benko angelegt ist.
WAHNSINNS-ZUWACHS
Allein die zehn Personen mit dem grössten Vermögenszuwachs im vergangenen Jahr sind 27 Milliarden Franken schwerer geworden. Das sind rund 3 Milliarden Franken mehr, als der Bund 2020 für soziale Wohlfahrt (AHV, IV, Prämienverbilligungen usw.) budgetiert hat.
WAS TUN?
Die Reichen werden immer reicher. Global – und auch in der Schweiz. Die Konzentration der Vermögen in immer weniger Händen gehört zum Wesen des Kapitalismus. Das wusste schon Karl Marx. Und unterdessen macht das sogar linker Umtriebe unverdächtigen Institutionen wie dem Internationalen Währungsfond und der OECD sorgen. Sie fürchten um das System und wollen den sozialen Sprengstoff Ungleichheit entschärfen. Ein Weg dazu sind Anpassungen des Steuersystems.
So wie es etwa die eingereichte 99%-Initiative der Juso verlangt. Sie schlägt vor, Kapitaleinkommen (Zinsen, Dividenden usw.) ab einem Freibetrag 1,5 Mal so stark zu besteuern wie Einkommen aus Arbeit. Die Mehreinnahmen sollen dazu dienen, die Einkommenssteuern für Personen mit tiefen und mittleren Einkommen zu senken. Ebenfalls könnten die Mehreinnahmen für Leistungen der sozialen Wohlfahrt wie Familienleistungen, Bildung und Gesundheit verwendet werden.
Quelle: workzeitung.ch… vom 16. Dezember 2019
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