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Arbeitsniederlegungen der US-Hafenarbeiter*innen

Eingereicht on 18. Juni 2020 – 10:40

 17.06.2020: US-Hafenarbeiter solidarisch mit Black Lives Matter ++ symbolische Arbeitsniederlegungen in den Häfen ++ für 19. Juni achtstündiger Streik geplant ++ Gabriel Prawl: „Dies ist der erste Schritt auf dem Weg zum Aufbau einer Kraft, die sich um die Welt kümmert und die Welt verändern kann.“ ++ Debatte, ob Polizeigewerkschaften zur Arbeiterbewegung gehören ++ Communications Workers of America CWA: jeder Arbeiter und jede Arbeiterin muss den Kampf um Gerechtigkeit für die Schwarzen als seinen/ihren eigenen aufnehmen.

Tausende us-amerikanische Hafenarbeiter*innen der Internationalen Vereinigung der Hafenarbeiter*innen (International Longshoremen’s Association, AFL-CIO) und der Internationalen Vereinigung der Hafen- und Lagerarbeiter*innen (International Longshore- and Warehouse Union – ILWU) haben am Montag (15.6.) ihre Arbeit niedergelegt und Gerechtigkeit für George Floyd und zahllose andere gefordert, die vor ihm gelitten haben.

Die Docker*innen haben die Arbeit für acht Minuten und 46 Sekunden unterbrochen – die gleiche Zeit, in der der Polizeibeamte Derek Chauvin aus Minneapolis auf dem Hals von George Floyd kniete und ihn ermordete.

„Aktionen zu unternehmen und die Arbeit zu stoppen, selbst wenn es nur symbolisch ist, hat seinen eigenen Wert, denn es zwingt die Menschen dazu, auch am Arbeitsplatz über das Thema zu sprechen“, sagte Zack Pattin, Gewerkschafter im Hafen von Tacoma im Pierce County im US-Bundesstaat Washington.

Die US-Seeleutegewerkschaften haben eine stolze Geschichte des Kampfes gegen Ungerechtigkeit im In- und Ausland. Die ILWU ist dafür bekannt, dass sie in Fragen aktiv wird, die andere Gewerkschaften als außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs liegend betrachten, von der Weigerung, während der Apartheid südafrikanische Schiffe in San Francisco zu entladen, bis hin zur Schließung der Häfen im Widerstand gegen den Irakkrieg.

In einer Erklärung der Longshore-Division der ILWU heißt es: „Es ist an der Zeit, dass die ILWU, im Einklang mit unserer Geschichte des Kampfes für rassische und soziale Gerechtigkeit, gehört wird“.

„Unsere Gewerkschaft hat eine lange Geschichte der Auseinandersetzung mit Rassismus am Arbeitsplatz, in unseren Gemeinden und auf der ganzen Welt“, sagte der Präsident der ILWU International, Willie Adams, „Heute schließen wir uns Millionen von Menschen an, die Gerechtigkeit und grundlegende Veränderungen fordern. Die Gewerkschaft ruft alle Mandatsträger auf lokaler, bundesstaatlicher und zentraler Ebene auf, ihre Augen und Herzen zu öffnen, einen wirklichen Wandel in unserem gegenwärtigen System einzuleiten und den institutionalisierten Rassismus und die Polizeibrutalität, die unser Land und unsere Bürger*innen schon viel zu lange plagen, an der Wurzel auszurotten. ”

Der internationale Präsident der ILA, Harold J. Daggett, sagte: „Gemeinsam werden wir unsere Kräne und Computer abschalten; unsere Maschinen abstellen, um innezuhalten und darüber nachzudenken, wie wir einen Weg finden können, um als Individuen und als ein Land, in dem allen Bürgern*innen der gleiche Respekt, die gleichen Freiheiten und Freiheiten garantiert werden sollten, besser zu sein.

Gabriel Prawl, Ex-Präsident der ILWU Ortsgruppe von Seattle’s Local 52, sagte: „Es gibt nichts Erfreuliches an dem heutigen Tag – wir reden hier über das Leben von jemandem, dem das Leben genommen wurde. Dies ist der erste Schritt auf dem Weg zum Aufbau einer Kraft, die sich um die Welt kümmert und die Welt verändern kann.“

Prawl sieht Arbeitsniederlegungen als eine der wichtigsten Rollen an, die die Arbeiter*innen in den gegenwärtigen Black Lives Matter-Aufständen spielen können: „Der einzige Weg, wie wir Veränderungen durchsetzen können, ist, wenn die Gewerkschafter*innen ihre Arbeitskraft zurückhalten“, sagt er, „um unsere wirtschaftliche Macht zu nutzen, um die Menschen an der Macht unter Druck zu setzen“.

Polizisten: Dabei oder nicht dabei?

Ein Ziel der Aktion sei auch gewesen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Polizeigewerkschaften zur Arbeiterbewegung gehören, so Gabriel Prawl. Ein wachsende Zahl von Stimmen, von der Gewerkschaft der Lehrer*innen und Erzieher*innen in Minneapolis bis hin zur internationalen Gewerkschaft United Steelworkers fordern wie auch die ILWU den Rücktritt des Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft von Minneapolis.

„Ich weiß, dass dieselben Leute, die die Gräueltaten begehen, mit denen wir heute konfrontiert sind, Teil der Gewerkschaften sind“, sagte Prawl. „Gewerkschaftsmitglieder schützen Gewerkschaftsmitglieder – sie schlagen sie nicht, sie töten sie nicht, sie ermorden sie nicht. Wir müssen unsere Häuser säubern“, sagt Prawl.

  1. Juni: nächster Aktionstag

Die ILWU-Führung ruft auch zu einer zweiten, längeren Aktion auf: eine achtstündige Schließung der Häfen an der Westküste für den 19. Juni. Am 19. Juni, dem »Befreiungs- oder Freiheitstag« wird die Befreiung der Schwarzen von der Sklaverei am 19. Juni 1865 gefeiert. Eine solche küstenweite Arbeitsniederlegung in den Häfen wäre die erste ganztägige Arbeitsniederlegung, die die ILWU seit derjenigen im Mai 2008 aus Protest gegen den Irak-Krieg. 

In einer Zeit, in der wir die tragische Wegmarke von über 100.000 Todesfällen aufgrund von COVID-19 erreichen, sehen wir uns mit der anderen Seuche konfrontiert, die schon lange vor der Pandemie in unseren Gemeinden wütet: Rassismus. Zusätzlich zu der Zerstörungskraft einer globalen Pandemie, die die schwarzen Gemeinden überproportional getroffen hat, werden schwarze Menschen in Amerika weiter bedroht, sind Brutalität und Tod ausgesetzt, weil sie joggen gehen. Weil sie arm sind. Weil sie in ihrem eigenen Bett schlafen. Weil sie im Park Vögel beobachten. Wie sie Schwarze sind.

Die Morde an Ahmaud Arbery, George Floyd, Breonna Taylor und die offene Zurschaustellung von Rassismus beim Vorfall mit Christian Cooper im Central Park zeigen erneut diese düstere Realität. Diese Namen sind nicht die ersten, und ohne eine tiefgreifende Veränderung in uns und diesem Land werden sie nicht die letzten sein.

Der CWA-Vorstand sieht sich in der Pflicht, mehr zu tun als eine nicht endende Kette von Erklärungen in Reaktion auf Vorfälle abzugeben und will das kontinuierliche Engagement für Gerechtigkeit für Schwarze in der gesamten Organisation zum Ausdruck bringen: bei der Mitgliederwerbung, in der Interessenvertretung, bei der politischen Arbeit und in der Arbeit als soziale Bewegung. Wir verpflichten uns, für unsere Mitglieder und Führungskräfte gezielt Räume für einen offenen Dialog über Rassismus zu schaffen, in denen sie Ziele und konkrete Schritte festlegen, die die Gewerkschaft gehen muss, um Rassismus in der Gewerkschaft zu bekämpfen, in den von uns vertretenen Branchen und im Gemeinwesen.

Dazwischen gibt es nichts. Es gibt keine neutrale Option. Der einzig richtige Weg, Rassismus zu zerstören und die Macht der Arbeiterklasse aufzubauen, den wir anstreben, besteht darin, dass jeder Arbeiter und jede Arbeiterin den Kampf um Gerechtigkeit für die Schwarzen in diesem Land als seinen/ihren eigenen aufnimmt und die Handlungen folgen lässt, die der Standpunkt „Die Verletzung eines Einzelnen ist eine Verletzung von uns allen“, von uns einfordert.

Es reicht nicht aus, die Täter zu bestrafen, die das Leben dieser Schwarzen genommen haben. Es reicht nicht aus, nur ein paar „faule Äpfel“ zu identifizieren, die gefeuert oder strafrechtlich verfolgt werden können – eine Vorgehensweise, die unser stark fehlerbehaftetes Rechtssystem nur schwer verfolgen kann. Wir müssen auch die schwere, transformierende Arbeit leisten, Rassismus im amerikanischen Bewusstsein und in den Institutionen, die ihn unterstützen, auszurotten.

Diese Arbeit ist notwendig, da diese Vorfälle nicht isoliert aufgetreten sind. Sie ereigneten sich im Kontext von 400 Jahren strukturellen und systematischen Rassismus gegen Schwarze. Diese Vorfälle geschahen vor dem Hintergrund von über Jahrhunderte hinweg gestohlener Arbeit, wirtschaftlicher Ausbeutung der schwarzen Gemeinschaften durch die amerikanischen Unternehmen, durch die Unterfinanzierung von öffentlichen Schulen und Dienstleistungen, vor dem Hintergrund von Überkriminalisierung und Inhaftierung schwarzer Körper sowie durch den Einsatz der Polizei als militärähnliche Kräfte in armen, schwarzen und braunen Vierteln. Sie entstehen im Kontext der Verlagerung guter Arbeitsplätze mit gewerkschaftlicher Interessenvertretung, dem Fortbestehen von städtischen Gebieten mit eingeschränkter Nahrungsmittelversorgung, der Behandlung von Sucht als Verbrechen statt als Krankheit, im Kontext eines zersplitterten, gewinnorientierten Gesundheitssystems und einer geradezu „chirurgische Präzision“, mit der schwarzen Wählerinnen und Wählern ihre Grundrechte vorenthalten werden.

Der einzige Weg zu einer gerechten Gesellschaft für alle ist ein tiefgreifender Strukturwandel. Gerechtigkeit für Schwarze ist untrennbar mit Gerechtigkeit für alle Werktätigen verbunden – auch für Weiße. Die Chefs, die Reichen und die Führungskräfte der Unternehmen haben diese Tatsache erkannt und Rassismus als eine der effektivsten und destruktivsten Methoden zur Spaltung der Arbeitnehmerschaft eingesetzt. Gewerkschaften haben die Pflicht, für Macht, Würde und das Recht zu leben einer jeden Arbeiterin und eines jeden Arbeiters an jedem Ort zu kämpfen. Unser Kampf und die Themen, die uns wichtig sind, hören nicht auf, wenn Arbeiter am Ende des Arbeitstages ausstempeln und die Garage, das Callcenter, das Büro oder das Werk verlassen.

Wir werden als arbeitende Menschen niemals genug Macht aufbauen, wenn eine ganze Gemeinschaft unter Androhung des Todes lebt und aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert wird. Wir werden niemals genug Macht aufbauen, wenn eine ganze Gemeinschaft ihren Hals unter dem Knie eines Unterdrückers hat.

Wenn wir Fortschritte machen wollen, müssen wir uns die Erfahrungen und Geschichten der schwarzen CWA-Mitglieder, der schwarzen Arbeiter und der schwarzen Gemeinschaft anhören. Wir müssen uns zusammenschließen – jeder von uns -, um dieses Unterdrückungssystem einzureißen. Dies bedeutet, dass jedes weiße Gewerkschaftsmitglied, jedes schwarze Gewerkschaftsmitglied, jedes lateinamerikanische Gewerkschaftsmitglied und jeder Verbündete für das Leben der Schwarzen kämpfen und sich organisieren muss. Gedanken und Gebete sind nicht genug. Keine Vielzahl von Statements und Pressemitteilungen wird die verlorenen Leben zurückbringen und das Leid beseitigen, das unsere Gemeinden zu tragen haben.

Wir müssen handeln.

President Christopher Shelton

Secretary-Treasurer Sara Steffens

District 1 Vice President Dennis Trainor

District 2-13 Vice President Edward Mooney

District 3 Vice President Richard Honeycutt

District 4 Vice President Linda Hinton

District 6 Vice President Claude Cummings, Jr.

District 7 Vice President Brenda Roberts

District 9 Vice President Frank Arce

AFA-CWA President Sara Nelson

IUE-CWA President Carl Kennebrew

TNG-CWA President Jon Schleuss

NABET-CWA President Charles Braico

T&T Vice President Lisa Bolton

PHEW Vice President Margaret Cook

CWA Canada President Martin O’Hanlon

Diversity At-Large Member Dante Harris

Diversity At-Large Member Vera Mikell

Diversity At-Large Member Carolyn Wade

Diversity At-Large Member Erika White

Quelle: https://cwa-union.org/news/releases/statement-cwa-executive-board-on-need-dismantle-racism-plagues-our-communities

deutsche Übersetzung: ver.di https://tk-it.verdi.de/themen/nachrichten/++co++ee71be90-a5a0-11ea-8a7a-001a4a160119

[1] Die Communications Workers of America vertritt 700.000 Beschäftigte im privaten und öffentlichen Sektor. Die CWA-Mitglieder arbeiten in den Bereichen Telekommunikation und Informationstechnologie, Luftfahrtindustrie, Nachrichtenmedien, Rundfunk und Kabelfernsehen, Gesundheitswesen, öffentlicher Dienst und Bildung, Strafverfolgung, Fertigung und anderen Bereichen.

Quelle: kommunisten.de… vom 18. Juni 2020

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