USA: Der Streik der Profisportler gegen Rassismus, Polizei- und Nazimorde
Kenosha/Wisconsin, der Ort, an dem der (an sein Krankenbett gefesselte) von Polizisten (nirgends gefesselt) in den Rücken geschossene Jacob Blake offensichtlich der Besserung entgegen geht (hoffentlich), liegt eine Autostunde entfernt von Milwaukee. Weswegen es kein Zufall war, dass das Team der dortigen Bucks mit der Verweigerung des Spielbetriebs begonnen hat, dem nicht nur weitere Basketball-Mannschaften, sondern auch nach und nach (und teilweise zögerlich) alle anderen Ligen populärer Sportarten bestreikt wurden – Schluss mit der Beschränkung auf inzwischen völlig abgedroschene „BLM“-T-Shirts oder Transparenten (die bleiben wahlkämpfenden Gewerkschaftsbünden in der Resterampe überlassen, um sie an ihre Gewerkschaftsbunker zu hängen), es ist die Zeit des Handelns, das war das Signal. Dass bei den erneut massiven Protesten wegen dem Mordanschlag auf Blake ein Jungnazi weitere unbewaffnete Menschen erschoss, macht nicht nur einmal mehr deutlich, wie stark sich feige Mordbuben unter Trumps Regierungsschutz fühlen, sondern auch, wie (im besten Falle) hohl und leer die ständigen Appelle an „friedliche Proteste“ sind.
Zumal der Mörder zunächst von der Polizei keineswegs festgenommen wurde, sondern ganz direkt zu jenen gehörte, bei den sich die Polizei für ihre bewaffnete Hilfe bedankte. Was auch durch Angaben der Dokumentations-Webseite Killed by Police (siehe den Verweis in der Sammlung) deutlich wird, die in den vier Tagen zwischen den Schüssen auf Blake und dem Streikbeginn drei weitere Todesopfer von Polizeiaktionen meldet. Siehe zum aktuellen Kampf gegen mörderischen Rassismus in den USA – und die Rückwirkungen auf und vom Wahlkampf (inklusive gewerkschaftlicher Hilfstruppen) eine Materialsammlung vom 30. August 2020:
„Gelähmter Jacob Blake nicht mehr an Krankenbett gekettet“ am 28. August 2020 in der Zeit online ist eine Meldung, die nun wahrlich keines Kommentars bedarf: „… Der von einem Polizisten niedergeschossene Schwarze Jacob Blake ist nicht mehr an sein Krankenhausbett gekettet. Polizisten hätten Blake die Handschellen abgenommen, sagte sein Anwalt Patrick Cafferty am Freitagmittag. Auch sei die polizeiliche Bewachung des 29-Jährigen eingestellt worden. Mehrfach hatte ein Polizist dem Schwarzen Jacob Blake am Sonntag in den Rücken geschossen. Nach Angaben seiner Familie und Anwälte wird er womöglich nie wieder gehen können. Dennoch wurde der Schwerverletzte im Krankenhaus an sein Bett gefesselt. “Warum haben Sie diesen kalten Stahl am Knöchel meines Sohnes?”, fragte Blakes Vater im Nachrichtensender CNN. “Er kann nicht aufstehen, er könnte selbst dann nicht aufstehen, wenn er es wollte.” Blakes Onkel sprach von einer “Beleidigung”. “Er ist gelähmt und kann nicht laufen, und sie ketten ihn an das Bett. Warum?” Der Gouverneur des Bundesstaats Wisconsin, Tony Evers, hatte bereits am Donnerstag Unverständnis über die Sicherheitsmaßnahme gezeigt...“ – wobei die anschließende Bekanntgabe der Parteizugehörigkeit des Gouverneurs angesichts der aktuellen Entwicklung und des transportierenden Mediums keine Überraschung darstellt…
„Nach brutalen Polizeischüssen: Nationalgarde greift in Proteste ein“ von Jacob Crosse am 26. August 2020 bei wsws sah die Haltung der Oppositionspartei in Washington wenig überraschend ganz anders: „… Der demokratische Präsidentschaftskandidat und führende Architekt des modernen US-Strafrechtssystems Joe Biden, der Anfang des Jahres als Lösung für die nicht enden wollenden Polizeigewalt empfahl, dass Polizisten „ins Bein statt ins Herz schießen“ sollten, forderte ebenfalls eine „vollständige und transparente Untersuchung“ sowie Schritte, um „den systemischen Rassismus abzubauen“. Am Montag erließ Evers eine Verordnung, in der er eine Sondersitzung des Parlaments für den 31. August forderte, um eine Reihe von Gesetzen zu beraten, die Evers im Sommer eingebracht hatte und die kaum zur Eindämmung des Polizeiterrors beitragen werden. Unter den Maßnahmen findet sich eine „landesweite Strategie der Gewaltanwendung“, ein Verbot von Würgegriffen und „Deeskalationstraining“. Gleichzeitig kündigte Evers an, er werde 125 Soldaten der Nationalgarde von Wisconsin nach Kenosha entsenden, um „die Infrastruktur zu bewachen und sicherzustellen, dass unsere Feuerwehrleute und andere Beteiligte geschützt werden“. „Andere Beteiligte“ meint die Polizei, mit der das Militär eng zusammenarbeiten wird, um Demonstrationen zu unterdrücken und Demonstranten festzunehmen, die sich der Ausgangssperre widersetzen. Die Spannungen in der verarmten deindustrialisierten Stadt im Südosten von Wisconsin mit einer Arbeitslosenquote von 9,9 Prozent blieben den ganzen Montag über auf Messers Schneide, nachdem eine Pressekonferenz mit Bürgermeister John Antaramian am Nachmittag in zu einem weiteren Schauplatz von Polizeibrutalität wurde. Die Bereitschaftspolizei setzte Pfefferspray gegen die versammelte Menge von Journalisten sowie Bürgerinnen und Bürgern ein, die Zutritt zu dem Gebäude und zur Pressekonferenz forderten…“
„Jacob Blake protests: Timeline of unrest over police shooting“ (hier) bis zum 26. August 2020 bei Al Jazeera ist eine chronologische Zusammenstellung aller (oder der meisten) Protestaktionen gegen und wegen „Kenosha“ im Laufe der vergangenen Woche…
„Protest gegen Polizeigewalt: NBA-Teams boykottieren Play-off-Spiele“ am 27. August 2020 im Kicker meldete die Aktion (nachdem die Liga zwangsweise „grünes Licht“ gegeben hatte) unter anderem so: „… Die NBA hat alle für Mittwoch geplanten Play-off-Spiele abgesagt und damit auf einen Boykott der Milwaukee Bucks reagiert. Der Titelkandidat war aus Protest gegen Polizeigewalt nicht zum Duell gegen Orlando Magic angetreten. Die Bucks reagierten mit dem drastischen Schritt auf den Fall Jacob Blake. Der Schwarze war am vergangenen Wochenende von einem Polizisten von hinten niedergeschossen worden. Den 29-Jährigen sollen sieben Kugeln im Rücken getroffen haben. Die Tat ereignete sich in Kenosha/Wisconsin – Milwaukee liegt im gleichen Bundesstaat. Das Spiel hätte am Mittwochabend um 22 Uhr deutscher Zeit beginnen sollen, die Bucks blieben aber in ihrer Kabine. Wenig später sagte die Liga alle weiteren für Mittwoch geplanten Spiele ab. Damit finden auch die Duelle zwischen den Houston Rockets und Oklahoma City Thunder mit dem deutschen Nationalspieler Dennis Schröder sowie zwischen den Los Angeles Lakers und den Portland Trail Blazers nicht statt. Sie sollen nach aktuellem Stand neu angesetzt werden. Bucks-Guard George Hill sagte der Online-Plattform “The Undefeated”: “Wir haben das Töten und die Ungerechtigkeit satt.”… Im Anschluss ließen die Reaktionen aus der Liga nicht lange auf sich warten. “Respekt, Bucks”, schrieb beispielsweise DeMar DeRozan von den San Antonio Spurs bei Twitter. Donovan Mitchell (Utah Jazz) und Superstar LeBron James (Los Angeles Lakers) teilten im sozialen Netzwerk mit: “Wir fordern Veränderung”. James ergänzte: “Ich habe es satt.”...“
„Kareem Abdul-Jabar: Athletes Have Rekindled the Ember of Hope“ am 28. August 2020 bei Portside dokumentiert (ursprünglich im Guardian), ist ein Beitrag der vielleicht immer noch größten „Basketball-Ikone“ – der einen Vergleich zieht zwischen seinem Boykott der Olympiade 1968 und der heutigen Aktion – wo er von Mitspielern damals „geschnitten“ wurde, beteiligen sich heute auch die weißen Spieler an der Streikaktion – und geben gemeinsam ein Zeichen, wie dringend die Angelegenheit ist.
„Tödliche Schüsse und rechte Milizen“ von Alexander Isele am 26. August 2020 in nd online meldete den Nazimord bei den Protesten gegen den Polizeimordversuch unter anderem so: „… Bei erneuten Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus in Kenosha im Bundesstaat Wisconsin sind zwei Menschen nach Schüssen ums Leben gekommen. Eine weitere Person sei bei dem Vorfall in der Nacht zum Mittwoch mit ernsten, aber nicht lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht worden, teilte die Polizei noch in der Nacht zum Mittwoch mit. Auf Twitter hochgeladene Handyaufnahmen zeigen, wie ein Mann mehrere Schüsse mit einem Sturmgewehr abfeuerte. Eine Person soll dabei am Kopf getroffen worden sein, wie Stimmen auf den Aufnahmen zu hören sind. Der mutmaßliche Schütze soll das Feuer eröffnet haben, nachdem Protestierende versucht haben sollen, ein Autohaus in Brand zu stecken. Ein weiteres Video zeigt, wie der Schütze eine Straße entlang rennt und dabei von Protestierenden verfolgt wird. Beim Versuch, ihn zu entwaffnen, feuert er mehrfach in die Menge und trifft dabei eine Person am Arm und eine weitere in die Brust. Auf den Aufnahmen ist auch zu sehen, wie der Mann danach versucht, sich der Polizei zu stellen und wie er von Polizeibeamten Wasser angeboten bekommt. Über Lautsprecher dankt die Polizei außerdem bewaffneten Zivilisten, unter ihnen der mutmaßlichen Schütze, für deren Anwesenheit. Verhaftet wurde der Mann zunächst nicht, mittlerweile lässt die Polizei in Kenosha sowie das FBI nach ihm suchen…“
„Eskalation mit Ansage“ von Bernd Pickert am 26. August 2020 in der taz online zur „Vorgeschichte“ der Nazimorde: „… Die Vermutung liegt nahe, dass der Mann zu einer Gruppe der „Kenosha Guard“ gehört, einer lokalen Miliz, die auf Facebook dazu aufgerufen hatte, am Abend bewaffnet gegen Plünderungen, Zerstörungen und Brandstiftungen vorzugehen. Die Polizei wollte sich zu dieser Vermutung zunächst nicht äußern. Möglich ist auch, dass der Schütze dem Aufruf der Miliz auf eigene Faust gefolgt ist, ohne ihr aber persönlich anzugehören. Auf Videoaufnahmen war zu sehen, wie schwer bewaffnete Mitglieder der Miliz sich in der Nähe der Proteste aufhalten und mit Anwohner*innen diskutieren. Auf Twitter ist auch ein Video aufgetaucht, das Milizmitglieder vor ihrem „Einsatz“ zeigt – in dem entsprechenden Posting wird suggeriert, dass es sich bei einem von ihnen, der sich selbst als Kyle R. identifiziert, um den späteren Schützen handelt. Tatsächlich ist ein Mann mit gleichem Outfit in späteren Videos zu sehen, wie er nach Schüssen mit einer umgehängten Waffe davonläuft. Jener Kyle R. ist auf Social Media als Anhänger von „Blue Lives Matter“ bekannt, jener Pro-Polizei-Bewegung gegen die Schwarzen „Black Lives Matter“-Proteste. In einem Interview mit dem Rechtsaußen-Magazin „The Blaze“ soll er über die Miliz gesagt haben, sie verfüge nicht über nicht tödliche Waffen, nur über tödliche. Ob er aber tatsächlich der Todesschütze aus der Dienstagnacht ist, müssen die polizeilichen Ermittlungen klären...“ – wobei sich ja die Frage aufdrängt: WER soll da ermitteln..?
„“Not a Family Friendly Event”: Militia Leader Invokes Kenosha Killer on Eve of “Straight Pride” Rally Backed by Local Pastors“ am 28. August 2020 bei It’s Going Down ist ein Beitrag zu Aufrufen einer Miliz in Modesto (Kalifornien) gegen Initiativen für freie Abtreibungswahl. Dabei nimmt die Bande direkt Bezug auf Drohungen, zu handeln „wie in Kenosha“ – und verweist auf die mit ihnen zusammen arbeitenden Kräfte unter evangelikalen Pastoren und republikanischen Politikern – „familienfreundlich“ (ungestört Frauen schlagen und Pastoren mit – wie anderswo auch – so sieht ihre Familie aus)…
„RNC Gave Prime Time to Vigilantes. The Next Day a Gunman Shot BLM Protesters“ von Mark Bray am 26. August 2020 bei truthout ist ein Beitrag über den Republikanischen Parteitag (RNC) auf dem ein Ehepaar, das mit Gewehren auf Demonstranten zielte (und auch hierzulande des Öfteren in den Medien auftauchte) einen Gastauftritt als Redner für Trumps Wiederwahl halten durfte. Der bejubelt wurde – und am nächsten Tag in Kenosha dann auch befolgt – ein Betrag aus der „Serie“, wie Rechtsradikalismus zum Mainstream gemacht werden soll
„Professional Athletes Are Showing America Just How Powerful Labor Really Is“ von dave Zirin am 28. August 2020 ebenfalls bei Portside (ursprünglich in The Nation) ist ein Beitrag, der den Konjunktiv vergisst: Die Streikaktion der Profis zeigt – zumindest unserer bescheidenen Ansicht nach – nicht, wie stark die Gewerkschaftsbewegung ist, sondern leider nur, wie sie sein könnte. Vielleicht. Wären da nicht die, die solche Aktionen nicht eben kräftig vorbereiten, sondern lieber – bestenfalls – unterstützend kommentieren, dann ließe sich das heraus finden… Aber der Autor drückt damit natürlich einmal mehr die Hoffnung der auch in den USA trotz allen Betons weiterhin auf Veränderung drängenden und dafür arbeitenden Gewerkschaftslinken und Basis-GewerkschafterInnen aus…
„AFL-CIO seeks ‘tangible reform’ in wake of Jacob Blake shooting“ am 28. August 2020 in The Stand (dem Medium des AFL-CIO in Washington) ist eine Positionierung, bei der einem kaum noch was anderes einfallen mag als Zynismus (oder, vielleicht, für Alte, die Erinnerung an die Polemik zwischen den KPs der UdSSR und der VR China, also etwa „ein abscheuliches Dokument der Selbstentlarvung?“). „Natürlich“ stellt sich diese Föderation, samt ihres eigens dazu eingerichteten Anti-Rassismus-Komitees, an die Seite der „friedlichen Demonstrationen“. Wie man sich gegen Mordnazis und die mit ihnen verbündete Polizei wehrt, ist bei diesem Verein ja wohl auch praktisch kein Thema und wird deswegen ausgeblendet. Dafür wird die Forderung nach einer „konkreten (oder: Spürbaren) Polizeireform“ erhoben (schließlich will man nach wie vor die Polizeigewerkschaften, rechtsradikal wie hierzulande, als Mitglied behalten – und erhebt deswegen eine Forderung, die wirklich jede und jeder Liberale in den USA heute erheben wird, oder sagen wir alle jene, die keine Nazis und Rassisten sind. Die man dann auch konsequent zum Marsch auf Washington am 28. August (der Demokratischen Partei, die zu jenem Zeitpunkt dafür auch noch Großunternehmen als Sponsoren dafür suchte) zu orientieren versuchte (der Jahrestag des damaligen u.A. von Martin Luther King organisierten Marsches), ist ja schließlich Wahlkampf. Dass der Verein außer mordenden Nazis dabei auch noch streikende Profisportler „vergisst“ zu erwähnen, rundet das unerfreuliche Bild lediglich ab (und legt höchstens die Frage nahe: „Braucht die wer?“).
„Commitment March: Get Your Knee Off Our Necks“ ist die Webseite für diesen ominösen Marsch auf Washington – die wir hier deswegen verlinken, damit niemand denkt, die Hilfsfunktion des AFL-CIO für die Demokratische Partei sei eine Erfindung des LabourNet Germany beispielsweise.
„We stand in solidarity with the NBAstrike and all players taking direct action against systemic racism” am 27. August 2020 bei der IWW steht hier, um zwei Dinge beispielhaft zu verdeutlichen: Zum einen, dass die AFL-CIO „Nichterwähnung“ des NBA-Streiks nicht zeitlich begründet sein kann und zum anderen, dass zumindest die Wobblies den Gedanken, es den Profis „nachzumachen“ verbreiten…
„656 People Have Been Shot and Killed by Police in 2020 – Updated: 08/26/2020“ ist die eingangs erwähnte Dokumentationsseite (auf die wir in der Vergangenheit, vor allem seit „Ferguson“ immer wieder verwiesen haben), die die Todesopfer immer weiter zählt (alle, auch bewaffnete) und so unter anderem auch eine heftige Kritik an besonders friedlichen Washington-Latschereien ist…
- Siehe zum Thema zuletzt am 22. Juli 2020: Zehntausende am 20. Juli im Streik quer durch die USA: Gegen den Rassismus in den Arbeitsbedingungen
Quelle: labournet.de… vom 31. August 2020
Tags: Arbeiterbewegung, Arbeitskämpfe, Gewerkschaften, Rassismus, Repression, USA, Widerstand
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