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Frankreich: Regierung will ArbeiterInneneinheitsfront spalten

Eingereicht on 16. Januar 2020 – 11:21

KD Tait. Am Freitag, dem 10. Januar, gingen die Beschäftigten in ganz Frankreich zum 37. Tag der Streiks und Demonstrationen gegen den Versuch der Regierung Macron, das Rentenalter zu erhöhen und die Renten im öffentlichen Sektor massiv zu kürzen, hinaus.

Der Frontalangriff auf die Altersversorgung des öffentlichen Sektors zielt auf die Einführung eines einheitlichen punkte-basierten Systems ab, das die 42 sektoralen Rentensysteme des Landes wegfegen und ein „Schlüsselalter“ einführen würde, das bedeuten würde, bis 64 zu arbeiten, um eine volle Rente zu erhalten, zwei Jahre über das derzeitige offizielle Rentenalter von 62 Jahren hinaus.

Die Rentenreform ist ein entscheidender Test für beide Seiten. Ein Sieg für Macron wird den Weg für die neoliberale Schocktherapie ebnen, die den Kern seiner innenpolitischen Agenda bildet.

Auf der anderen Seite würde eine Niederlage für den Mann, der seine Präsidentschaft darauf setzte, sich den Gewerkschaften in den Weg zu stellen, einen großen Rückschlag für das Projekt der französischen KapitalistInnen bedeuten, die Beschäftigungsverhältnisse zu deregulieren und die Art von Niedriglohn- und unsicheren Wirtschaftsmodellen einzuführen, die Großbritannien drei Jahrzehnte lang verdorben haben.

Eine Bewegung von unten

Im vergangenen September wurde die Pariser Metro durch einen massiven eintägigen Streik lahmgelegt. Im Oktober streikten ohne Vorwarnung mehrere Bahnwartungszentren einige Wochen lang. Ein Eisenbahner, der in einer Vollversammlung sprach, erklärte:

„Wir drängten sie [das Management] zum Rückzug. Sie gaben ihr Projekt in diesem Zentrum auf. Es ist schon lange her, dass wir sie zum Rückzug zwingen konnten. Warum haben wir diesmal gewonnen? Ich glaube, weil diesmal alles von der Basis aus begann. Wir sagten ,genug, damit, ihnen [den GewerkschaftsführerInnen] zu gehorchen und darauf zu warten, dass sie uns sagen, wir sollten mobilisieren. Wir haben die Werkzeuge niedergelegt und dann hat sich die Belegschaft versammelt und die Situation diskutiert. Durch diese Diskussion kamen wir zu einer Einigung und dann handelten wir alle zusammen. Das ist es, was sie fürchten, dass wir uns organisieren‘“.

Der Druck von der Basis war von zentraler Bedeutung, um die zögerlichen Gewerkschaftsführungen zum Handeln zu zwingen, nachdem sie immer wiederkehrende Niederlagen durch Macron hingenommen hatten. Die Streiks der A&E-Beschäftigten im Frühjahr 2018, die nicht von den nationalen Gewerkschaften, sondern von einer Basiskoordination (Collective Inter-Urgence) angeführt wurden, zeigen die zunehmende Fähigkeit und Bereitschaft der einfachen Mitglieder, erforderlichenfalls auch ohne ihre FührerInnen wirksame Maßnahmen zu ergreifen.

Zum ersten Mal seit Jahren wird die Taktik der Gewerkschaftsführung, eintägige Streiks oder Aktionstage „ohne Morgen“ durchzuführen, offen kritisiert. Im vergangenen Jahr traten die EisenbahnerInnen in einen längeren Streik mit einer besonders selbstzerstörerischen Taktik: zwei Streiktage pro Woche über zwei Monate lang. In der Folge wurden sie geschlagen. Jetzt haben sie ihre Lektion gelernt und streiken seit Wochen mit aller Kraft.

Ein weiteres Merkmal dieser Bewegung ist die Anzahl der Vollversammlungen, AGs, die in den Betrieben schon vor dem Streik stattfinden. Normalerweise werden die AGs erst nach Beginn eines Streiks einberufen. Seit Wochen bereiten sich die ArbeiterInnen in AGs vor und diskutieren in ihnen, und die politisch bewusstesten in „branchenübergreifenden AGs“, die verschiedene Sektoren und Gewerkschaften umfassen, die Streiks planen.

Viele Streikende sind sich bewusst, dass sie nicht nur gegen die Rentenreform, sondern auch gegen die gesamte neoliberale Reformpolitik inmitten der Amtszeit von Emmanuel Macron kämpfen. Seine Regierung ist heute schon geschwächt. Die Gelbwesten-Bewegung hat trotz ihrer gefährlichen politischen Widersprüche den Glauben daran gefördert, dass ein anhaltender militanter Widerstand die Regierung destabilisieren und den Weg zu Siegen öffnen kann. Dies ist wahr – vorausgesetzt, die Bewegung organisiert sich von unten und behält eine strenge Kontrolle über Ablauf und Ergebnisse.

Teilen und herrschen

Trotz des entschlossenen Widerstands der kämpferischen Sektoren ist es klar, dass die Dauer des Streiks und das Versäumnis, breitere Forderungen zu stellen, die die Beschäftigten des privaten Sektors in den Widerstand hineinziehen können, ihren Tribut fordern, da die Zahl der StreikteilnehmerInnen zurückgeht.

Macrons Premierminister Édouard Philippe hat seine Gelegenheit genutzt, um die zerbrechliche Einheit der Bewegung zu nutzen, indem er einen zynischen „Kompromiss“ vorschlug, der diejenigen, die vor 2027 in den Ruhestand treten, von der höheren Altersgrenze ausnimmt. Indem er die älteren Arbeitskräfte von den jüngeren trennt, setzt Philippe darauf, die gemäßigten Gewerkschaften von den MilitantInnen zu trennen und der Regierung einen Sieg zu sichern, indem er genau die gleichen Methoden anwendet, die seine VorgängerInnen bei früheren Rentenreformen zur Spaltung des öffentlichen und privaten Sektors angewandt haben.

Philippe hätte nicht gehandelt, wenn er sich nicht einer positiven Reaktion der Gewerkschaft CFDT sicher gewesen wäre, und er wurde nicht enttäuscht. Die Gewerkschaft, die nur widerwillig und unter dem Druck ihrer Basis Aktionen unterstützte, machte das so genannte „Schlüsselalter“ zu ihrer roten Linie, und so hat ihr dieser Trick den Vorwand geliefert, den sie gesucht hat, um die CGT und andere Gewerkschaften im Stich zu lassen – wieder einmal.

Die CGT reagierte auf den Vorschlag der Regierung und forderte die Beschäftigten auf, den Konflikt zu eskalieren und am 14., 15. und 16. Januar zu streiken. Es gibt keine Alternative zum Zurückschlagen – aber wieder einmal geben die AnführerInnen der „linken“ Gewerkschaften Frankreichs die Verantwortung auf, von der Front aus zu führen, und weigern sich, das zu tun, was für einen entscheidenden Schlag notwendig ist: d. h. den Streik über die Bahn- und Bildungsbastionen des öffentlichen Sektors hinaus zu verallgemeinern.

Wie bei den Protesten gegen das Arbeitsgesetz im Jahr 2017 besteht die Gefahr, dass die CFDT bereit ist, einen Bruch in der Einheitsfront der ArbeiterInnen herbeizuführen. Selbst dann war die Regierung gezwungen, das Gesetz per Präsidialdekret unter Umgehung des Parlaments durchzusetzen – eine diktatorische Maßnahme, auf die Philippe erneut zurückzugreifen droht.

Eine Strategie zum Sieg

Die einzige Möglichkeit, die Einheitsfront aufrechtzuerhalten und die Initiative gegen die Regierung zurückzuerobern, besteht darin, die Front zu erweitern, die LehrerInnen und das Gesundheitspersonal auf unbestimmte Zeit an der Seite der EisenbahnerInnen in Aktion zu bringen und die Kontrolle der Mitgliederbasis über die Strategie auf nationaler Ebene zu behaupten. Das bedeutet, die Vollversammlungen der Betriebe auf regionaler und nationaler Ebene zu koordinieren und, was entscheidend ist, die Streiks auf den privaten Sektor auszuweiten.

Eine Ausweitung der Streiks auf den privaten Sektor, die ein entscheidender Schlag gegen Macron wäre, erfordert eine effektive Organisation, um Streikposten zu bilden und die nicht streikenden Beschäftigten zum Beitritt zu bewegen. Aber hier sind Ziele erforderlich, die über die Rücknahme der Rentenreform hinausgehen.

Eine erste Maßnahme, um die Einheit der Bewegung zu erhalten, ist die Forderung nach einer Angleichung der sektoralen Renten und einer schrittweisen Senkung des Rentenalters. Darüber hinaus sollte die Bewegung die Forderungen gegen die Demontage der öffentlichen Dienstleistungen, für mehr Stipendien für die Studierenden, aber auch für höhere Löhne und gegen zeitweilige und unsichere Beschäftigung, die Prekarität, aufgreifen. Diese sollten in den AGs demokratisch diskutiert und demokratisch und landesweit in eine einheitliche Forderungsplattform aufgenommen werden.

Quelle: arbeiterinnenmacht.de… vom 16. Januar 2020

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