Schweiz
International
Geschichte und Theorie
Debatte
Kampagnen
Home » Debatte, Geschichte und Theorie, International

Anti-Imperialismus und sozialistisch-feministische Perspektive

Eingereicht on 8. Oktober 2021 – 15:15

Vor zwanzig Jahren setzten liberale Feministinnen, gemeinsam mit anderen linksliberalen und sozialdemokratischen Kräften auf die Nato-Intervention in Afghanistan. Angeblich, um gegen die Unterdrückung der Frauen und undemokratische Verhältnisse und den islamischen Terrorismus vorzugehen. Die aus dieser imperialistischen Intervention hervorgehende Zerstörung der Lebensgrundlagen des eh schon äusserst armen Landes und die Erstarkung der reaktionärsten Kräfte, wie der Taliban und weiterer religiös fundamentalistischen Kräften war vorhersehbar. Zudem wurden die Frauen in der ländlichen Bevölkerung und in der kleinen Arbeiterklasse vollends zurückgeworfen – auch dies war vorhersehbar. Das katastrophale Ergebnis dieser Intervention ist für revolutionäre Marxisten keine Überraschung: sie waren – neben pazifistischen und kirchlichen Kreisen – beinahe die Einzigen, die damals gegen diesen Feldzug der Zerstörung mobilisierten.

Der Feminismus trägt seit dem Ende der 1960er Jahre schon immer auch irrationalistische-antimarxistische Strömungen mit sich, die sich vor allem in postmodernistischen und diskurstheoretischen Ansätzen äussern; dies ist unter anderem auf seine organische Verbindung zu dem Aufstieg der Neuen Mittelschichten geschuldet. [Siehe Diskurs gegen Klasse. Über anti-marxistische Modeströmungen] Diese Mittelschichten sind in der sozialen und politischen Realität vor allem der imperialistischen Zentren so verankert, dass sie sich durch die neoliberale Umgestaltung der globalen polit-ökonomische Ordnung eine individuelle Perspektive versprechen. Dies ergibt oft eine beinahe «natürliche» Affinität zu den imperialistischen Offensiven, seien diese militärischer, politischer, kultureller, humanitärer oder ökonomischer Natur.

Die neoliberale Offensive der vergangenen 4 bis 5 Jahrzehnte richtete sich in erster Linie gegen die kämpferischen Ansätze in der Arbeiterbewegung in den Zentren, um die Warenform und damit das private Eigentum an den Produktionsmitteln weiter durchzusetzen. Dies geschah auf verschiedenen Achsen. Hauptsächlich wurde die internationale Arbeitsteilung durch die Erschliessung der Länder der imperialistischen Peripherie auf der Suche nach billigen und wehrlosen Arbeitern und Arbeiterinnen neu strukturiert. Mittlerweile ist beinahe die Hälfte der weltweiten Arbeiterklasse weiblich, deren Arbeits- und Lebensbedingungen sind geprägt durch die spezifischen Formen der Geschlechterunterdrückung. Von daher haben weder die je lokalen noch die imperialistischen Eliten ein wirkliches Interesse an der Beseitigung der Geschlechterunterdrückung.

Die Notlage der afghanischen Frauen und Kinder wurde lange Zeit als Vorwand für eine ausländische Intervention in dem Land missbraucht. Dieselben Argumente werden auch heute wieder angeführt, um die fortgesetzte US-Präsenz trotz des offiziellen Abzugs der US-Truppen aus dem Land zu rechtfertigen. Die schrecklichen Bedingungen, denen afghanische Frauen heute unter der brutalen Kontrolle der Taliban ausgesetzt sind, sind in Wirklichkeit das Ergebnis des US-Imperialismus, des religiösen Fundamentalismus und des Bürgerkriegs. Sie sind das Ergebnis eines imperialistischen Systems, das auf der Ausbeutung der grossen Mehrheit für den Profit einiger weniger beruht.

Es ist dringend notwendig, eine antiimperialistische Perspektive einzunehmen, um gegen die reaktionären Massnahmen der Taliban zu kämpfen und die Befreiung aller Frauen vom Joch der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung zu erreichen. Aus einer sozialistischen feministischen Perspektive greift dieser Artikel die Frage des Imperialismus und des liberalen Feminismus sowie die Geschichte der feministischen Bewegung in Afghanistan auf und diskutiert andere Strömungen des antiimperialistischen Feminismus. [Redaktion maulwuerfe.ch]

***

Madeleine Freeman und Sou Mi. Der verheerende Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan hat die Regierung Biden in eine tiefe Krise gestürzt und das hässliche Gesicht des US-Imperialismus und seiner schwindenden Hegemonie offengelegt. Selbst wenn sie Bidens Entscheidung zum Abzug verurteilen, müssen grosse Teile des bürgerlichen politischen und medialen Establishments eingestehen, dass 20 Jahre US-Besatzung in Afghanistan – und davor jahrzehntelange Konflikte im Rahmen des Kalten Krieges und von Bürgerkriegen – die grosse Mehrheit der Bevölkerung des Landes nur in immer prekärere Verhältnisse gebracht haben: völlige Abhängigkeit von internationaler Hilfe, krasse Spaltung zwischen städtischen und ländlichen Gebieten, Massenarmut und Arbeitslosigkeit, weit verbreitete Vertreibung, zerfallende oder nicht vorhandene Infrastruktur und die Vorherrschaft reaktionärer und repressiver lokaler Herrschaft durch die Taliban und andere Kräfte.

Diese Niederlage der US-Hegemonie auf internationaler Ebene hat die Lüge des liberalen Feminismus in Frage gestellt, die Frauen und Kinder Afghanistans durch kapitalistische Entwicklung aus den Fesseln des islamischen Fundamentalismus und der Frauenfeindlichkeit zu befreien, sei es mit der Waffe oder mit dem Geldbeutel einer NGO. Diese besondere Form des liberalen Feminismus vertrat die Auffassung, dass die Befreiung der Frauen am besten durch imperialistische Intervention erreicht werden kann, indem kapitalistische «Demokratie» und Gleichheit vor dem Gesetz durch Bündnisse mit Marionettenregierungen durchgesetzt werden können; dabei wurde ein kleiner Teil der Frauen über die grosse Mehrheit der arbeitenden und armen Frauen im ganzen Land gestellt, deren Lebensbedingungen sich nach Jahren des Bürgerkriegs und der Invasion kaum verändert oder sogar meistens verschlechtert haben.

Während viele Politiker und Analysten den raschen Fall Afghanistans durch die Taliban als Beweis dafür anführen, dass eine fortgesetzte US-Intervention die nötige Stabilität zur Verbesserung der Lebensbedingungen der afghanischen Frauen gebracht hätte, spricht die 20-jährige Geschichte der US-Besatzung – einer der teuersten Kriege in der Geschichte der USA – eine andere Sprache.

Die durch die US-Invasion versprochene neue kapitalistische Ära konnte die Frauen in Afghanistan niemals emanzipieren. Eine neue Verfassung, in der von Frauenrechten die Rede ist, bedeutet für die Arbeiterklasse in einem Land, in dem mehr als 47 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben und Millionen von Menschen durch den Bombenhagel der USA und der Taliban vertrieben wurden, wenig. Das leere Versprechen der Gleichstellung von Männern und Frauen bedeutet noch weniger, wenn Allianzen mit regionalen Kriegsherren es zulassen, dass Frauen regelmässig verprügelt werden, wenn sie ohne Anstandsdame das Haus verlassen, und wenn abweichende Meinungen von der Polizei und den mit US-Waffen bewaffneten Milizen brutal unterdrückt werden. Die US-Intervention – in all ihren Formen – war nie dazu gedacht, afghanischen Frauen zu helfen. Wie wir bereits erklärt haben:

«Aufrufe, die Frauen Afghanistans im Namen von „Menschenrechten“ und „Demokratie“ aus den Klauen der reaktionären Taliban zu „retten“, sind kaum mehr als eine erneute Rechtfertigung für die fortgesetzte imperialistische Intervention in Afghanistan und anderswo, sei es in Form von militärischer Unterstützung oder „humanitärer Hilfe“.»

Der liberale Feminismus ist nicht in der Lage, einen Weg nach vorne zu bieten Damit öffnet sich der Raum für eine Debatte um die Bedeutung des Kampfes für die Emanzipation der Frauen, der sich an einer entschieden antiimperialistischen Perspektive orientiert, die den falschen Universalismus des liberalen Feminismus ablehnt, der lediglich einen Unterdrücker durch einen anderen ersetzt. Dies ist eine dringende Frage der Strategie für Feministinnen in der ganzen Welt, sowohl in imperialistischen als auch in halbkolonialen Ländern.

Die reiche Geschichte des feministischen Kampfes in Afghanistan deutet auf einen alternativen Weg hin, der mit den Kämpfen gegen Kolonialismus, Imperialismus und religiösen Autoritarismus verwoben ist. Aber ein wirklich antiimperialistischer Feminismus ist einer, der über einen bestimmten nationalen Kontext hinausgeht, um zu verstehen, wie diese Bedingungen der Geschlechterunterdrückung als Produkt eines globalen Systems kapitalistischer Herrschaft geschaffen werden, das alle Ressourcen der Welt in die Hände einiger weniger legt, um sie durch die Ausbeutung und Unterdrückung des Rests von uns in Profit zu verwandeln. Ein solcher Feminismus erkennt die Schlüsselrolle an, die Frauen in der globalen Wirtschaft spielen, und kämpft für die Befreiung der gesamten Menschheit, wobei er davon ausgeht, dass der Kampf gegen Unterdrückung der Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung ist.

Anti-imperialistischer Feminismus ohne Strategie

In ihrem Essay «Auf dem Weg zu einem dekolonialen Feminismus» argumentiert María Lugones, dass das binäre Geschlecht im kolonialen Projekt verwurzelt ist. Anhand von Beispielen vorkolonialer, einheimischer Formationen argumentiert Lugones, dass das Geschlecht eine koloniale Auferlegung ist, die weiterhin alle Aspekte der sozialen Existenz durchdringt und neue soziale und geokulturelle Identitäten hervorbringt, wodurch geschlechtsspezifische Identitäten ebenso wie rassische Identitäten und Klassenidentitäten entstehen würden.

Lugones verfolgt in ihrem Verständnis der Konstruktion dieser Identitäten einen klassisch intersektionalen Ansatz und behauptet, dass jede Spezifität – die in ihrem Ansatz auf «Hierarchie» reduziert wird – für diese Kategorien eine inhärent kolonialisierte Logik bedeutet. In diesem Schema wird die Klasse als eine weitere Identität in einem Meer von Identitäten verwässert, wodurch die Grenzen zwischen Unterdrückung und Ausbeutung verschwimmen.

Für Lugones ist es notwendig, den Feminismus zu dekolonisieren, indem man die «Kolonialität des Geschlechts» abstreift, vor allem indem man diese kolonialen Beziehungen durch einen ständigen Prozess des individuellen und gemeinschaftlichen «Widerstands» verlernt. Aber bezüglich dieser Aufgabe des Widerstands scheinen Lugones und der Rahmen des dekolonialen Feminismus, der abstrakte Begriffe von «Macht» in den Mittelpunkt stellt, etwas vager zu sein. Lugones stellt klar, dass die Aufgabe nicht darin besteht, die «Auferlegung der Dichotomien Mensch/Nicht-Mensch, Mann/Frau oder männlich/weiblich» im täglichen Leben zu übersehen. «Man widersetzt sich ihr von einer Art und Weise aus, die Welt zu verstehen», schreibt sie, «und in ihr zu leben, die geteilt wird und die die eigenen Handlungen verstehen kann und somit Anerkennung bietet». Der Akt des Widerstands ist also nicht individuell, sondern gemeinschaftlich; er zielt auf eine Gemeinschaft und das menschliche Leben, die über den Profit gestellt werden. Für Lugones ist es diese Bejahung der Vielfältigkeit, die zur Aufgabe des Widerstands wird, im Gegensatz zur Umgestaltung der materiellen Bedingungen, die die Beziehung zwischen Unterdrücker und Unterdrückten hervorbringen und aufrechterhalten, die sich scheinbar von selbst ergibt. Die Frage des feministischen Widerstands erfordert in dieser Perspektive, die vorkoloniale Pluralität und Gemeinschaft anzunehmen und einer solchen Pluralität in der Welt Raum zu geben, um das patriarchalische, profitgetriebene kapitalistische System zu ersetzen.

Was in diesen Argumenten fehlt, ist die Rolle, die der Kapitalismus und der ihn stützende Staat spielen, der das heteronormative patriarchale Geschlechterbinärsystem zu seinem eigenen Vorteil aufrechterhält. Indem sie die Grenze zwischen Kolonialismus und Imperialismus verwischt, ignoriert Lugones die Tatsache, dass, wie José Carlos Maríategui einmal erklärte, «der internationale Charakter der heutigen Wirtschaft … es keinem Land erlaubt, sich den Transformationen zu entziehen, die sich aus den gegenwärtigen Produktionsbedingungen ergeben».[1] Es stimmt, dass der Kolonialismus, indem er den unterdrückten Nationen neue Produktionsverhältnisse aufzwang, auch gewaltsam neue soziale Beziehungen, einschliesslich der Geschlechterrollen, auferlegte. Er tat dies, wie Marx einmal sagte, «von Kopf bis Fuss aus jeder Pore mit Blut und Schmutz triefend». Doch diese Beziehungen veränderten sich und wurden während der imperialistischen Epoche auf neue Weise durchgesetzt und erreichten einen neuen Höhepunkt, als die Weltwirtschaft tiefgreifende strukturelle Veränderungen erfuhr. Während der Kolonialismus das Entstehen des Industriekapitalismus ermöglichte, bedeutete die imperialistische Durchdringung die massive Integration von Menschen – insbesondere von Frauen – in das Proletariat. Der Imperialismus setzte auch eine neue internationale Arbeitsteilung durch, die auf imperialistischer Unterdrückung, der Ausplünderung der natürlichen Ressourcen der Halbkolonien und in jüngster Zeit auf der Schaffung billiger Arbeitskräfte in den Halbkolonien beruht, die die Profite der grossen imperialistischen Konzerne in die Höhe treiben.

Auch wenn Lugones einräumt, dass es kein Zurück zu einer utopischen Vision «vorkolonialer» sozialer Beziehungen in einer vorderhand durch den Kolonialismus veränderten Welt gibt, unterschätzt sie die tiefgreifenden strukturellen Veränderungen, die der Imperialismus bewirkt hat. Und so unterschätzt Lugones auch die Aufgabe der Emanzipation als eine des realen Kampfes zum Sturz der kapitalistischen Produktionsverhältnisse in ihrer gegenwärtigen Form. Die Unterdrückung der Frauen ist nicht nur eine ideologische Hürde, die es zu überwinden gilt, um danach die Gesellschaft nach dem Bild des Pluralismus umzugestalten, sondern sie hat die Form einer aktiven sozialen, politischen und wirtschaftlichen Barriere, die die Frauen in der Prekarität hält.

Für uns als sozialistische Feministinnen beginnt die Aufgabe des Widerstands daher nicht im Bereich der ideologischen Transformation. Der Widerstand beginnt mit dem kompromisslosen Kampf, der kollektiven Aktion der Arbeiterklasse und der Unterdrückten auf der Strasse und am Arbeitsplatz, die gegen jeden Angriff auf ihre sozialen und politischen Rechte kämpfen. Die Befreiung beginnt insbesondere auf der am weitest fortgeschrittenen Stufe dieses Kampfes, auf der Ebene der sozialen Umgestaltung der Gesellschaft und des Umsturzes der kapitalistischen Produktionsverhältnisse in der derzeitigen Periode der imperialistischen Epoche. Während die Zerstörung der Fesseln dieser ausbeuterischen Produktions- und Gesellschaftsverhältnisse nicht automatisch Sexismus, Rassismus, Transphobie oder jede andere Unterdrückung auslöscht, ist es die materielle Veränderung im Leben der Unterdrückten – in diesem Fall das Leben der afghanischen Frauen – die die Bedingungen für eine stärkere soziale und politische Teilhabe und ideologische Transformation schaffen wird.

Der Kolonialismus hat, um im Zuge des gesellschaftlichen Wandels vom Feudalismus zum Kapitalismus neue Absatzmärkte zu finden, die kulturelle Pluralität in der Welt nicht einfach durch einen ideologischen Apparat ausgelöscht, sondern er hat die bestehenden sozialen Beziehungen durch die Institutionen der bürgerlichen Familie, des Privateigentums und der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ersetzt oder ihnen angepasst. Der Kapitalismus hat sich jahrhundertelang des Sexismus bedient, um die Hälfte der Bevölkerung zu unterdrücken, das Privateigentum zu erhalten, die Arbeit der gesellschaftlichen Reproduktion zu subventionieren und die Arbeiterklasse zu spalten. Die Schaffung einer Gesellschaft, die frei von geschlechtlicher und sexueller Ausbeutung ist und in der alle ihre Identität zum Ausdruck bringen können, ist nur möglich, wenn zunächst die materielle gesellschaftliche Grundlage des Geschlechts beseitigt wird, die im Kapitalismus tief verwurzelt ist. Wir können es nicht einfach abschaffen oder als soziale Konstruktion ignorieren; wir müssen es durch neue soziale und wirtschaftliche Beziehungen ersetzen, die die Grundlage für eine Überwindung der bürgerlichen Familienordnung bilden können. Indem das Projekt der Dekolonialisierung die materiellen Grundlagen der sehr realen Unterdrückung ignoriert, der Frauen auf der ganzen Welt tagtäglich ausgesetzt sind, gibt es den wirklichen Kampf für die Emanzipation von imperialistischer Unterdrückung auf und macht seinen Antiimperialismus zahnlos und ohne Verbündete.

Für einen internationalistischen Feminismus, nicht für internationale Wohltätigkeit

In Afghanistan spielen die Frauen eine Schlüsselrolle in der Wirtschaft. Wie wir bereits erklärt haben:

«Diese Frauen sind nicht nur passive Opfer der Unterdrückung, sondern tragen auch zum Funktionieren eines Grossteils der Gesellschaft bei. Selbst in der Vorkriegszeit war ein Grossteil der ländlichen Gesellschaft verwandtschaftlich organisiert und die Arbeit weitestgehend aufgeteilt. Neben Aufgaben der sozialen Reproduktion wie Kinderbetreuung, Kochen und Haushaltsführung spielen Frauen auch eine zentrale Rolle auf dem Feld, von der Ernte über die Vorbereitung des Bodens für die Saison bis hin zur Bodenbearbeitung. Frauen sind auch die traditionellen Schöpferinnen der berühmten Teppiche und des Kunsthandwerks in Afghanistan. Heute beteiligen sie sich auch zunehmend an der Viehzucht und der Milchverarbeitung.»

Dank der wichtigen Stellung, die sie in der Wirtschaft einnehmen, können die Frauen sowohl gegen die anhaltende Unterdrückung durch ausländische Mächte als auch gegen die zunehmend autoritäre Herrschaft der Taliban kämpfen. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Die Mehrheit der Frauen wird überwiegend in der informellen Arbeitswelt gehalten, ist an traditionelle Geschlechterrollen gebunden und wird mit gewalttätigen Übergriffen diszipliniert. Daher muss der Kampf für die Rechte der Frauen notwendigerweise zuerst die feudalen und kapitalistischen Verhältnisse angreifen, die die Grundlage für diese Unterdrückung bilden.

Proletarische Frauen in Afghanistan, wie auch in den Ländern des Globalen Südens, haben mehr mit anderen arbeitenden Frauen in der ganzen Welt gemeinsam als mit den bürgerlichen Frauen in ihrem eigenen Land. Die städtische Bourgeoisie und das Kleinbürgertum haben nicht nur Zugang zu den Bürgerrechten, die Millionen anderen verwehrt wurden, sondern halten durch ihre Beteiligung an der Regierung, an der Armee oder durch ihre Zusammenarbeit mit den vielen Organisationen, die internationale «Hilfe» fördern, weiterhin einen kapitalistischen Staatsapparat aufrecht, der von der Unterdrückung der Frauen auf dem Lande und der Arbeiterinnen profitiert. Von Myanmar bis Bolivien standen die Frauen der Arbeiterklasse in den letzten Jahren an vorderster Front des Klassenkampfes und zeigten deutlich den Zusammenhang zwischen ihrer Identität als Frauen und der Klassenunterdrückung, der sie unter kapitalistischer Ausbeutung ausgesetzt sind.

Doch in einem Land, in dem die Arbeiterklasse schwach und unterentwickelt ist und in dem Millionen von Menschen immer noch von der Subsistenzlandwirtschaft leben, ist die internationale Solidarität von entscheidender Bedeutung für den Kampf gegen die Unterdrückung der Geschlechter und für eine eventuelle revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Arbeiter auf der ganzen Welt nicht auf den guten Willen ihrer Unterdrücker und des Staates, der sie unterstützt, angewiesen sind, sondern sich unabhängig organisieren und den Kampf der Unterdrückten auf der ganzen Welt unterstützen. Wie Trotzki schreibt:

«Internationalismus ist kein abstraktes Prinzip, sondern eine theoretische und politische Widerspiegelung des Charakters der Weltwirtschaft, der weltweiten Entwicklung der Produktivkräfte und des weltweiten Ausmasses des Klassenkampfes.»

Diese Produktivkräfte haben in der Weltwirtschaft zwar Ausbeutung und Unterdrückung ausgeweitet, sie haben aber auch unsere gemeinsamen Feinde zum Vorschein gebracht. Für Feministinnen bedeutet dies, dass der Kampf gegen die Unterdrückung der Geschlechter einen internationalen Charakter hat. Weit davon entfernt, einen falschen Universalismus anzubieten, der die kulturellen Besonderheiten der Unterdrückung auslöscht und die Ziele der Frauenbefreiung auf die der am besten gestellten Frauen in der Gesellschaft reduziert, bedeutet diese Erkenntnis, wie sich die Besonderheiten dieser Unterdrückung in ein grösseres Schema kapitalistischer Herrschaft einfügen, und diese Kämpfe über Grenzen und andere fabrizierte Trennungen hinweg mit einer vereinten Faust aufzunehmen, die den Kapitalismus an seinen Wurzeln angreift. Dieser gemeinsame Kampf muss von Feministinnen sowohl in imperialistischen als auch in halbkolonialen Ländern aufgenommen werden.

Als Reaktion auf die Grausamkeiten, die der Imperialismus auf der ganzen Welt angerichtet hat, und unter dem Einfluss des postmodernen Kulturrelativismus leugnen einige Feministinnen die Möglichkeit dieses gemeinsamen Kampfes, indem sie sagen, dass es keine gemeinsame Erfahrung für «alle Frauen» gibt und daher eine gemeinsame Vision der Befreiung nur begrenzt oder gar nicht möglich ist. Für manche bedeutet dies, alle Menschen, die in imperialistischen Ländern leben, als «Kolonisatoren» zu bezeichnen, sie mit den bürgerlichen Kapitalisten gleichzusetzen, die die arbeitenden Menschen im In- und Ausland unterdrücken und ausbeuten, und die Spaltungen zu verstärken, die der Kapitalismus der internationalen Arbeiterklasse auferlegt. Diese Sichtweise beschränkt uns bestenfalls auf abstrakte Vorstellungen von Solidarität zwischen atomisierten Kämpfen.

In einer solchen Weltanschauung nimmt «Solidarität» die Form an, dass man die Kräfte unterstützt, die sich dem US-Imperialismus widersetzen – seien es ausländische Mächte, die ihren internationalen Einfluss ausbauen wollen, oder nationale Kapitalisten und Politiker, die Demokratie versprechen – und den «richtigen» Organisationen oder Einzelpersonen als eine Art Wiedergutmachung spendet. Auch wenn sie sich in eine radikalere Rhetorik hüllen, ist dies letztlich nichts anderes als eine Anpassung an die Konturen des Neoliberalismus, der den Einfluss des Staates durch die Vorherrschaft von Nichtregierungsorganisationen (NGO) und anderen sozialen und gewerkschaftlichen Organisationen ausweitete, um die Klassengegensätze eindämmen und zerstreuen zu können. Seit dem Friedensabkommen zwischen den USA und den Taliban im Februar 2020 haben immer mehr NGOs begonnen, mit den Taliban zusammenzuarbeiten, um die kapitalistische Stabilität aufrechtzuerhalten und „business as usual“ fortzusetzen, selbst wenn die Frauen, denen sie angeblich dienen, zunehmenden Einschränkungen und Unterdrückung ausgesetzt sind. Anstatt einen kämpferischen Pol zu schmieden, unterhalten die NGO eine klientelistische Beziehung zu denjenigen, denen sie Hilfe leisten, und halten sie als passive Kraft in Abhängigkeit von den Brosamen des globalen Kapitalismus.

Es stimmt zwar, dass die Geschlechtsidentität die Kämpfe der Frauen nicht als eine gemeinsame Erfahrung eint, und es stimmt auch, dass die spezifischen Formen der Geschlechterunterdrückung in nationalen und kulturellen Kontexten wirken, aber eine solche Sichtweise verleugnet die globale Reichweite des Kapitalismus und seine Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen. Wie Andrea D’Atri in Bread and Roses erklärt:

«Im kapitalistischen System wird jede Einzigartigkeit der Gebrauchswerte unter die universelle Abstraktion der Tauschwerte subsumiert; jede Individualität der Subjekte – ob sie nun ausgebeutet werden können oder im Gegenteil Ausbeuter sind – wird unter die Formalität der Gleichheit vor dem Gesetz in der Figur des freien Bürgers subsumiert. Die Willkür der Universalisierung auf rechtlicher oder politischer Ebene ist nur die Kehrseite einer in Klassen zersplitterten Gesellschaft. Ersteres in Frage zu stellen, ohne letzteres zu verurteilen, bedeutet, die materielle Grundlage der Klassengesellschaft, die in den ökonomischen Strukturen der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse verankert ist, durch Auslassung aufrechtzuerhalten.»

Indem sie die materielle Grundlage der Klassengesellschaft ausblenden und sie durch abstrakte Begriffe wie Intersektionalität und Machtdynamik ersetzen, verkennen diese Feministinnen, dass der Kampf gegen die Unterdrückung der Geschlechter in der Kultur und im «Diskurs» verwurzelt ist. Sie unterschätzen den Staatsapparat und die Produktionsverhältnisse, die die Geschlechterunterdrückung aufrechterhalten, und geben damit jede Hoffnung auf einen wirklich antiimperialistischen Feminismus auf, der für die Befreiung kämpft – denn der Kampf zum Sturz der imperialistischen Unterdrücker ist der Kampf gegen den Kapitalismus als Ganzes, ein globales Projekt, das die Anstrengungen einer vereinigten Arbeiterklasse erfordert.

Hinzu kommt, dass die Prämisse des Kulturrelativismus, die von solchen Ansichten übernommen wird, Unterdrückung zu einer moralischen Kategorie macht, die jeder Kultur eigen ist, was bedeutet, dass das, was zum Beispiel als Geschlechterunterdrückung gilt oder nicht, von Kultur zu Kultur unterschiedlich ist und daher nur innerhalb dieser Kulturen selbst gelöst werden kann. Die gewaltsame Unterdrückung afghanischer Frauen unter der Herrschaft des religiösen Autoritarismus, die nicht nur die Taliban betrifft, kann jedoch nicht einfach dadurch gelöst werden, dass man die Lehren des Islams überprüft oder sie auf magische Weise vom Einfluss des Kolonialismus befreit. Eine solche Sichtweise verkennt die Ursprünge dieser Unterdrückung und führt zu einer Zersplitterung und Überlokalisierung des Kampfes gegen die Unterdrückung der Geschlechter. Sie kann sogar so weit gehen, die Unterdrückung im Namen des Respekts für kulturelle Unterschiede zu entschuldigen.

Aber die imperialistische Auferlegung «universeller» Frauenrechte ist auch nicht die Antwort. Die Unterdrückung der Geschlechter kann nicht mit dem «kleineren Übel» der militärischen Besatzung und finanziellen Abhängigkeit bekämpft werden. Sie lässt sich auch nicht durch islamfeindliche Dekrete zum Verbot des Schleiers beseitigen. Diese dienen lediglich dazu, Unterdrückung und Intervention unter dem Deckmantel der Menschenrechte zu rechtfertigen.

Stattdessen müssen wir den Kampf gegen alle Formen des religiösen Fundamentalismus und die Versuche, den Körper der Frauen zu kontrollieren, anprangern und unterstützen. In Afghanistan bedeutet dies, gegen die Einschränkungen und die Gewalt der Taliban sowie gegen die imperialistische Islamophobie zu kämpfen.

Dieser Kampf beginnt mit der Bewegung afghanischer Feministinnen, die ihre Rechte vor dem Ansturm der Taliban schützen wollen. Selbst jetzt, da die Auswirkungen der Taliban-Herrschaft spürbar werden, verschwinden immer mehr Frauen wieder in ihre Häuser. Aber sie gehen nicht stillschweigend. Selbst angesichts der brutalen Unterdrückung stehen Frauen und Jugendliche an vorderster Front im Kampf gegen die Taliban-Herrschaft. Wir müssen alle Bemühungen der afghanischen Feministinnen unterstützen, ihre Zahl und Stärke zu nutzen, um sich sowohl gegen Taliban-Funktionäre als auch gegen die Mitglieder der gestürzten afghanischen Regierung zu wehren, die jetzt mit ihren vermeintlichen Feinden kollaborieren. Der Kampf um den Schutz der Errungenschaften, die die feministische Bewegung im Laufe der Jahre erreicht hat, wird von der Selbstorganisation der Afghanen gegen die Taliban und andere nationalistische Kräfte sowie von der imperialistischen Einmischung in den Kampf um ihr Schicksal abhängen.

Wir müssen uns jedoch darüber im Klaren sein, dass es sich um einen Kampf gegen den kapitalistischen Staat handelt, sei es in Afghanistan oder in den Vereinigten Staaten. Während einige antiimperialistische Feministinnen die Notwendigkeit eines gemeinsamen und internationalen Kampfes anerkennen, sehen sie dies als Teil der Umgestaltung des kapitalistischen Staates in ein humaneres und «feministisches» Gebilde, als ob wir Kapitalismus und Imperialismus trennen könnten. Internationale Nichtregierungsorganisationen wie MADRE, die sich sowohl gegen die US-Intervention als auch gegen die Lage der Frauen in Afghanistan unter der Taliban-Herrschaft ausgesprochen haben, sehen den Weg nach vorn in Afghanistan in der Schaffung einer globalen «feministischen Wirtschaft» und der Unterstützung vor Ort. In diesem Schema sollte die US-Militärintervention durch humanitäre Hilfe ersetzt werden, die in irgendeiner Weise gerecht und unter Mitwirkung des afghanischen Volkes verteilt wird. Aber das gibt der imperialistischen Ausbeutung nur ein neues Gesicht und ignoriert die realen Hindernisse, mit denen arbeitende Frauen und alle unterdrückten Menschen in Afghanistan konfrontiert sind, einem Land in Aufruhr und mit wenig Ressourcen oder Infrastruktur. Stattdessen wird die treibende Kraft des gesellschaftlichen Wandels nicht dem afghanischen Volk zugeschrieben, das diese Organisationen aus Unterdrückung und Elend befreien wollen, sondern dem verlängerten Arm des kapitalistischen Staates und in Zusammenarbeit mit den nationalen Regierungen, in diesem Fall den Taliban. Indem sie den Kampf gegen die Unterdrückung der Geschlechter an die Regierungen und Behörden verweisen, die das System aufrechterhalten, das diese Unterdrückung überhaupt erst geschaffen hat, genau wie Feministinnen, die ein Lippenbekenntnis zum Antikapitalismus ablegen, wenn sie von Dekolonisierung sprechen, beschränkt sich ihre Strategie darauf, die Symptome der Geschlechterunterdrückung zu behandeln, anstatt deren Ursache zu bekämpfen. Sie beschränkt sich auf ständigen Widerstand, ohne jemals die Frage zu stellen, wie man die Wurzeln der Geschlechterunterdrückung endgültig beseitigen kann.

Der sozialistische Internationalismus bietet eine alternative Lösung. Der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Unterdrückung wird, wie schon immer, von Feministinnen in Afghanistan geführt werden. Aber ihr Erfolg hängt davon ab, dass sie jede Allianz mit den wenigen Leuten ablehnen, die von der Entwicklung des Kapitalismus in Afghanistan profitiert haben. Da Afghanistan von einer fortgesetzten internationalen Intervention als Reaktion auf die Taliban-Herrschaft bedroht ist, müssen wir bedingungslos das Recht des Landes auf Selbstbestimmung unterstützen, ohne dabei stillschweigend nationale bürgerliche Kräfte zu unterstützen, die versprechen, die Taliban zu bekämpfen und wieder «Demokratie» einzuführen – das haben die letzten 20 Jahre bewiesen. Stattdessen muss anerkannt werden, dass sie in der Arbeiterklasse und den armen Frauen, von denen viele selbst afghanische Flüchtlinge sind, entscheidende Verbündete haben, die in imperialistischen Ländern leben und schuften und die in einer besonderen Position sind, um gegen die imperialistischen Machenschaften ihrer eigenen Bourgeoisie zu kämpfen. Und die Feministinnen in diesen imperialistischen Ländern müssen erkennen, dass ihr eigener Befreiungskampf mit der Zerstörung dieser imperialistischen Maschinerie mit der Kraft der vereinigten internationalen Arbeiterklasse verbunden ist. Die Politiker, die jetzt ihre Hände ob der Notlage der afghanischen Frauen ringen, die unter dem Joch des religiösen Fundamentalismus leiden, sind diejenigen, die jetzt den Weg für die Zurücknahme der reproduktiven Rechte im Namen des religiösen Fundamentalismus in den Vereinigten Staaten ebnen.

Ein wahrhaft internationalistischer Feminismus in Afghanistan muss den Kampf für die Befreiung der Frauen sowohl innerhalb Afghanistans als auch in den Ländern aufnehmen, die die Bedingungen der Unterdrückung und Armut geschaffen haben, denen afghanische Frauen heute ausgesetzt sind. In den Vereinigten Staaten bedeutet dies, dass sich die feministische Bewegung nicht darauf beschränken kann, nur für die Rechte der Frauen in den Vereinigten Staaten zu kämpfen. Die jüngsten Angriffe auf die reproduktiven Rechte schaffen die Voraussetzungen für ein Wiederaufleben der feministischen Bewegung in den Vereinigten Staaten; aber jede Bewegung, die für den Schutz dieser Rechte kämpft – ohne nur um ihre formale Anerkennung durch den Staat zu betteln –, muss den Antiimperialismus zu einem zentralen Bestandteil dieses Kampfes machen. Denn die Intervention der USA im Ausland schwächt die internationale feministische Bewegung und schafft die Grundlage für eine fortgesetzte Unterdrückung in der ganzen Welt. Wie wir deutlich gemacht haben, sind unser Feind oder der Feind der afghanischen Frauen nicht die Arbeiter und Unterdrückten in anderen Teilen der Welt, sondern eine kapitalistische Weltordnung, die uns spaltet und isoliert, so dass wir uns nicht wehren können. Anstatt sich zurückzulehnen und passive Unterstützung anzubieten, müssen Feministinnen hier in den USA aktiv den Kampf aufnehmen – mit all unserer Macht als Arbeiterinnen und in der feministischen Bewegung –, um alle Finanzmittel für das US-Militär zu streichen, alle US-Basen zu schliessen und die Grenzen für alle Menschen zu öffnen, die vor der Unterdrückung in ihren Heimatländern fliehen.

Schlussfolgerung: Über die permanente Revolution und den Kampf gegen die Unterdrückung der Geschlechter

Angesichts der Instabilität und Unterdrückung durch die Taliban-Herrschaft, die die Lage der afghanischen Frauen noch verschlimmert, haben wir argumentiert, dass der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt und der Kampf zum Schutz der Errungenschaften der afghanischen Frauenbewegung nicht in den Händen von Politikern, Entscheidungsträgern und Kapitalisten liegt, sondern in der unabhängigen Organisation der afghanischen Frauenbewegung mit der Unterstützung der afghanischen und internationalen Arbeiterklasse. Doch um die Beseitigung der Geschlechterunterdrückung zu ermöglichen, müssen die kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse gestürzt und die Gesellschaft so umgestaltet werden, dass sie ohne Klassen funktioniert. Aber wie ist dies in einem Land wie Afghanistan möglich, dessen Wirtschaft am Boden liegt und dessen Arbeiterklasse durch den jahrzehntelangen Krieg dezimiert wurde? Trotzkis Theorie der permanenten Revolution bietet einen Ausweg.

Wie die Geschichte gezeigt hat, ist der kapitalistische Staat, selbst wenn er vielfältige Formen annimmt, nicht in der Lage, für die grosse Mehrheit der Menschen Gerechtigkeit zu schaffen. Obwohl aus unterschiedlichen Gründen, verweisen sowohl liberale Feministinnen als auch selbsternannte antiimperialistische Feministinnen auf die komplizierte und turbulente Geschichte des Fraktionszwangs in der feudalistischen Gesellschaft Afghanistans, um zu erklären, warum die ausländische Intervention keine Stabilität im Lande geschaffen hat, die die Bedingungen für afghanische Frauen verbessert hätte. Erstere benutzen dies, um die aktive Rolle des US-Imperialismus bei der Schaffung der heutigen Situation in Afghanistan zu entschuldigen; letztere benutzen dies, wie wir gezeigt haben, um einen Kulturrelativismus zu rechtfertigen, der die Klasse zu einem weiteren Glied in einer Reihe von Unterdrückungsverhältnissen macht, die lokal und individuell bekämpft werden müssen, was echte internationale Solidarität und Kampf unmöglich macht.

Dagegen bietet die Theorie der permanenten Revolution einen anderen Weg nach vorn. Für die werktätigen Massen muss der Kampf um die Befreiung von imperialistischer Unterdrückung und islamischem Fundamentalismus der Kampf um den Sturz ihrer nationalen Bourgeoisie sein, die sich an ausländischer Hilfe bereichert und den arbeitenden und bäuerlichen Massen nichts ausser Elend zu bieten hat. Um soziale, wirtschaftliche und demokratische Rechte für die Arbeiterklasse und die Unterdrückten zu erringen, sich gegen die imperialistische Kontrolle zu wehren und die Gesellschaft in eine von jeglicher Unterdrückung freie umzugestalten, ist es notwendig, den Weg hin zu der sozialistischen Revolution einzuschlagen.

Die nationale Bourgeoisie ist aufgrund ihrer Schwäche und ihrer Bindung an den Imperialismus nicht in der Lage, den Kampf für nationale Befreiung, Demokratie, Industrie- und Agrarreform erfolgreich zu führen. Nur die unabhängige Aktion der Arbeiterklasse im Bündnis mit der Bauernschaft kann die demokratischen Aufgaben, vor denen die Gesellschaft steht, erfüllen. Auf diese Weise könnte ein revolutionärer Prozess in einem rückständigen Land direkt von seinem demokratischen Stadium zu einem sozialistischen übergehen. Trotzki schreibt,

«Während die traditionelle Auffassung war, dass der Weg zur Diktatur des Proletariats über eine lange Periode der Demokratie führt, hat die Theorie der permanenten Revolution die Tatsache festgestellt, dass für rückständige Länder der Weg zur Demokratie über die Diktatur des Proletariats führt. Die Demokratie ist also kein Regime, das sich jahrzehntelang selbst genügt, sondern nur ein unmittelbares Vorspiel zur sozialistischen Revolution. Das eine ist mit dem anderen durch eine ununterbrochene Kette verbunden. So entsteht zwischen der demokratischen Revolution und dem sozialistischen Umbau der Gesellschaft ein permanenter Zustand der revolutionären Entwicklung.»

Aber die Revolution hört nicht am Punkt des revolutionären Umsturzes auf. Da die Arbeiterklasse im Bündnis mit der Bauernschaft mit der Aufgabe konfrontiert ist, dem Kapitalismus und dem Privateigentum ein Ende zu setzen, verwandeln sie alle Produktionskapazitäten des Landes nicht in Richtung Profit, sondern in Richtung der Entwicklung der Gesellschaft.

Diese Umwandlung der Eigentumsverhältnisse geschieht in dem Masse, wie der Arbeiterstaat die strukturellen Aufgaben der bürgerlichen Revolution übernimmt, wie die Frage der nationalen Unabhängigkeit und Einheit, die Umverteilung und Neuordnung des Bodens unter der Bauernschaft und andere, die den Funken einer solchen Revolution entzündet hätten. Die Revolution ist von Dauer, weil die Veränderung der materiellen Bedingungen nicht nur die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse verändert, sondern auch gesellschaftliche und kulturelle Umwälzungen zur Folge hat. Die Umgestaltung der Arbeit von einer kapitalistischen Produktionsweise zu einer sozialistischen Produktionsweise eröffnet neue Wege für Veränderungen und schafft die Grundlagen für die Umgestaltung der materiellen Bedingungen, die die Massen, einschliesslich der Frauen, unterdrücken. Unbeeinflusst von der Verzweiflung, Mehrwert und Profite für die Kapitalisten zu produzieren, kann ein solcher Staat die Kinderbetreuung und die Hausarbeit sozialisieren und den Zugang zu Bildung und gleichem Lohn für gleiche Arbeit durchsetzen, was die Frauen aus den traditionellen Geschlechterrollen befreit, in denen die Klassengesellschaft sie gefangen hält, und sie für neue Ideen im andauernden Kampf für die Emanzipation der Frauen bei der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft öffnet. Obwohl dieser Prozess nicht unmittelbar ist und einen aktiven Kampf gegen Frauenfeindlichkeit und alle anderen Unterdrückungen erfordert, sind mit der Beseitigung der materiellen Grundlagen dieser Unterdrückungen die Voraussetzungen für die Entstehung einer Gesellschaft geschaffen, die wirklich gleichberechtigt und befreiend für alle ist, frei von dem Elend der Ausbeutung und Unterwerfung.

Quelle: leftvoice.org… vom 8. Oktober 2021; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch

Tags: , , , , , , , ,