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Deutsche Gewerkschaften: Ver.di auf Kriegskurs

Eingereicht on 18. August 2023 – 12:44

Sascha Schmidt. Gewerkschaftsspitze beantragt Kurswechsel hin zu Aufrüstung und Militäreinsätzen. »Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter!«: Verdi-Mitglieder mobilisieren gegen friedenspolitischen Leitantrag der Gewerkschaftsspitze.

Schwenkt Verdi beim Bundeskongress im September auf den Kriegskurs der NATO und der Bundesregierung ein? Das ist die Sorge einer Gruppe von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, die sich mit einem Appell unter der Überschrift »Sagt nein!« an die Delegierten des obersten Gremiums der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft gewandt haben. Sie werfen dem Verdi-Bundesvorstand und dem Gewerkschaftsrat vor, mit ihrem Leitantrag »Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch« einen Kurswechsel hin zur Befürwortung von Aufrüstung und Kriegseinsätzen deutscher Soldaten vorzunehmen.

»Wir haben nicht vergessen, was 1914 geschah«, kommentieren die Initiatoren. »Die Gewerkschaftsführungen in ganz Europa schickten unter Bruch aller vorherigen Beschlüsse ihre Mitglieder in den Krieg – angeblich gegen den russischen ›Despoten­zaren‹, tatsächlich aber für den Profit von Krupp, Thyssen und Co.« Man lehne »jegliche Parteinahme für jeden kriegführenden Staat oder die Bündnisse, die an den Kriegen der Herrschenden beteiligt sind, kategorisch ab«, heißt es auf der Homepage der Initiative weiter. »Unsere Zukunft ist nicht an der Seite der deutschen Regierung oder irgendeiner anderen Kriegspartei«, man stehe an der Seite der Arbeiter, der Kriegsdienstverweigerer, Deserteure und Flüchtlinge aus und in der Ukraine, Russland, Belarus und weltweit: »Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter!«

Zu den Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichnern der Petition, die auf der Plattform change.org am Montag bereits mehr als 650 Unterstützer aufwies, gehören namhafte Persönlichkeiten wie Mag Wompel vom gewerkschaftspolitischen Onlineportal Labournet, der Sozialwissenschaftler Dario Azzellini oder VVN-Bundessprecher Ulrich Schneider. Zahlreiche weitere Unterstützer weisen darauf hin, dass sie den Vorständen verschiedener Ebenen und Fachbereiche angehören.

Der als Antrag »E 096« den Delegierten des Verdi-Bundeskongresses vorgelegte Antrag ist eine widersprüchliche Aneinanderreihung von Aussagen, die deutlich machen, wie unklar die Haltung zu Krieg und Frieden in den obersten Gewerkschaftsgremien offenkundig ist. Da wird beklagt, dass der »völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die ­Ukraine (…) die europäische Friedens- und Sicherheitsordnung nach dem Ende des Kalten Krieges massiv beschädigt« habe, während der vorangegangene Präzedenzfall des ebenso völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskriegs gegen Jugoslawien 1999 keine Erwähnung findet. »Gewaltsame Grenzverschiebungen dürfen nicht toleriert (…) werden«, heißt es mit Blick auf die Ukraine, während es die herbeigebombte Abspaltung des Kosovo von Serbien offenbar nie gegeben hat.

Zwar wird das im vergangenen Jahr von der Bundesregierung eilig bereitgestellte »Sondervermögen« von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr abgelehnt, und auch gegen das von der NATO proklamierte Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die »Verteidigung« auszugeben, wird Widerspruch angemeldet. Unmittelbar danach wird das jedoch wieder ausgehebelt, indem gefordert wird, »die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr an dem zu bemessen, was zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung erforderlich ist«. Dafür setze man sich »auch im Interesse der Kolleg*innen in der Bundeswehr« ein. Die Auf- und Hochrüstung der NATO und der Bundeswehr dürfe nur nicht »grenzenlos« sein.

Eine Gelegenheit, den Leitantrag intensiver zu diskutieren, könnte es bei den Kundgebungen und Veranstaltungen zum Antikriegstag am 1. September geben, zu denen auch Gewerkschaftsgliederungen aufrufen.

Quelle: jungewelt.de… vom 18. August 2023

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