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Hauptsache Haltung

Eingereicht on 20. Februar 2025 – 13:24

Die sogenannten Linksliberalen sorgen sich um anerkannte Opfergruppen, das Klima und ihre Gesundheit. Ihre Ideologie ist die Identitätspolitik, ihr bevorzugtes Machtmittel die Sprache.  Overton-Autor Hans-Dieter Rieveler hat ein Buch über Grüne und andere Besserwisser geschrieben, die dem Neoliberalismus einen woken Anstrich geben und dabei ihre eigenen Interessen niemals aus den Augen verlieren. Im Folgenden ein Auszug aus dem Einführungskapitel.

Andere mögen die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich haben, die Grünen, die SPD und die kümmerlichen Reste der Linkspartei haben die Moral auf ihrer Seite. Und Moral muss man sich leisten können. Die Mitglieder der Moralelite sind stolz darauf, dass sie es können – und damit indirekt auch auf ihren Geldbesitz, der es ihnen ermöglicht, sich mittels Elektro-SUV, Solardach, vegetarischer Biokost und CO2-Kompensationen für ihre zahlreichen Flugreisen ein gutes Gewissen zu verschaffen. In ihrer Selbsteinschätzung geht es den sogenannten Linksliberalen niemals nicht um Distinktion, sondern ausschließlich um höhere Ziele wie „Klimarettung“ und Menschenrechte.

Moral muss man sich leisten können

Ein fettes Bankkonto und eine sichere Anstellung helfen ungemein dabei, von den negativen Begleiterscheinungen linksliberaler Politik nichts mitzubekommen. Und so ist der typische Linksliberale eine großstädtische Akademikerin mit gutem Einkommen und sicherem Arbeitsplatz im Öffentlichen Dienst. Vielleicht arbeitet sie auch in einem mäßig entlohnten Teilzeitjob und findet es irgendwie ungerecht, dass sie als Germanistin nicht so viel verdient wie ihr Mann, der als Softwareentwickler arbeitet.

Das finden auch ihre ebenfalls den Grünen zugeneigten Freund*innen. Mit Angehörigen der unteren Schichten kommt sie nur selten in Kontakt. Die Putzfrau spricht kaum Deutsch, der Paketbote ebenso wenig, und wenn einmal ein Handwerker vorbeischaut, dann ist er komischerweise immer kurz angebunden. Der Freundeskreis unserer typischen Linksliberalen besteht größtenteils aus anderen Linksliberalen, die ebenfalls keine finanziellen Sorgen kennen.

Wir reden hier nicht von Linksliberalismus im klassischen Sinne. Genauso wenig wie die britische Labour Party heute noch eine Arbeiterpartei ist oder die SPD sozialdemokratisch, sind diejenigen, die heute gemeinhin als Linksliberale bezeichnet werden, linksliberal. Im klassischen Sinne links ist die SPD schon seit langem nur noch, wenn gerade Wahlen anstehen, und die Grünen waren es noch nie. Liberal sind die sogenannten Linksliberalen nur nach deutschen Maßstäben: „Was mir wichtig ist, muss erlaubt sein; was ich nicht brauche, darf gerne verboten werden.“ Das soll uns aber nicht weiter stören. Denken wir uns einfach immer Anführungszeichen dazu. […]

Neoliberalismus mit wokem Anstrich

Vorgeblich bemühen sich die Linksliberalen darum, den Neoliberalismus gerechter zu gestalten, indem sie tatsächlich oder angeblich wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder ihrer sexuellen Identität benachteiligten Minderheiten zu ihrem Recht verhelfen. Nicht mehr Ausbeutung, sondern Diskriminierung steht im Fokus der Linksliberalen. Für das untere Drittel der Gesellschaft fordern sie Respekt und Anerkennung statt Umverteilung. Wenn multinationale Unternehmen so gut wie keine Steuern zahlen und ihre Beschäftigten mit Niedriglöhnen abspeisen, finden sie das zwar nicht wirklich gut, unternehmen aber auch keine allzu großen Anstrengungen, daran etwas zu ändern. Viel wichtiger ist aus ihrer Sicht, dass Frauen und Männer, Einheimische und Zugewanderte das Gleiche bekommen und die Arbeitsverträge in „geschlechtergerechter“ Sprache abgefasst sind.

Eine Besonderheit des deutschen Parteiensystems ist, dass das linksliberale Spektrum von den Grünen dominiert wird. In den meisten anderen Ländern wird der Linksliberalismus zuvorderst von sozialdemokratischen Parteien getragen. In der öffentlichen Wahrnehmung wird bei uns daher mit „linksliberal“ eine Politik assoziiert, die sich neben Antidiskriminierung und offenen Grenzen auch Umwelt- und Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat. Viele glauben, eine Partei stehe umso weiter links, je vehementer sie für offene Grenzen und Klimaschutzmaßnahmen eintrete. Daher rührt das Missverständnis vieler Konservativer und Rechtsradikaler, auch die CDU-Politik unter Kanzlerin Angela Merkel sei irgendwie links gewesen. Mit Klimapolitik war da zwar nicht viel, aber immerhin wurde viel darüber geredet und der Atomausstieg beschlossen, der dem grünen Milieu noch ein wenig wichtiger ist als der Klimaschutz.

Wer keine Probleme hat, macht sich welche

Doch wer sind eigentlich diese Grünen-Wähler? Und wer wählt heutzutage noch die SPD? Die Grünen werden nicht zu Unrecht als Partei der Besserverdienenden bezeichnet. Neben den FDP-Anhängern verfügen ihre Wähler über die höchsten Einkommen. Die Einkommensunterschiede zu Unions-Anhängern sind allerdings nicht so groß, dass sie allzu viel erklären würden. Aufschlussreicher ist der hohe Anteil an öffentlich Bediensteten. Im August 2021, als die Grünen in den Umfragen bei 19 Prozent lagen, unterstützten sie 28 Prozent der im Öffentlichen Dienst Beschäftigten. Unter den Beamten waren es sogar 32 Prozent.[1] Grünen-Anhänger haben überdurchschnittlich hohe Bildungsabschlüsse. Die meisten von ihnen leben in Großstädten im Westen der Republik. Im Osten findet man Grünen-Anhänger am ehesten noch in Universitätsstädten.[2] Rund 60 Prozent der Grünen-Wähler sind Frauen. Besonders beliebt sind die Grünen bei der neuen akademischen Mittelschicht in den gut bezahlten Segmenten des Dienstleistungssektors, vor allem im Bildungsbereich und in den Medien.[3]

Die SPD-Anhängerschaft ist in den letzten Jahren nicht nur massiv geschrumpft, auch ihre soziodemographische Zusammensetzung hat sich stark verändert. Im Jahr 2021 neigten neben Beamten und Angestellten auch noch viele Arbeiter der SPD zu.[4] Von denen, die ihre wirtschaftliche Situation als schlecht einschätzen, stimmten bei der Europawahl 2024 32 Prozent für die AfD. Nur 11 Prozent wählten noch die SPD, 6 Prozent die Grünen und 3 Prozent die Linke.[5] Beliebt ist die SPD vor allem noch bei Rentnern, die sie wohl aus alter Gewohnheit wählen. Offenbar wird die schrumpfende SPD-Wählerschaft den Grünen-Anhängern immer ähnlicher, je stärker die Partei ihre Politik von den Grünen kopiert.

Ein Blick auf die von SPD- und Grünen-Wählern geäußerten Sorgen bestärkt diesen Eindruck. So befürchten nur 27 Prozent der Grünen- und 39 Prozent der SPD-Wähler, ihren Lebensstandard nicht halten zu können, weniger als die Anhänger aller anderen Parteien.[6] Auch hinsichtlich der Sorge vor wachsender Kriminalität belegen Grünen-Wähler mit 24 Prozent und SPD-Wähler mit 43 Prozent die letzten beiden Plätze. Gleiches gilt für die Furcht vor einem wachsenden Einfluss des Islam in Deutschland (Grüne: 25 Prozent, SPD: 46 Prozent) und vor zu viel Zuwanderung (Grüne: 15 Prozent, SPD: 36 Prozent).

Aber auch Linksliberale haben Sorgen, wenn auch keine materiellen. Wie kaum anders zu erwarten, sorgen sich die Grünen-Wähler am stärksten davor, „dass der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen zerstört“ (94 Prozent), gefolgt von den SPD-Wählern mit 73 Prozent.[7] Des Weiteren fürchtet sich die große Mehrheit der Grünen- und SPD-Anhänger vor dem Erstarken des Rechtsextremismus und vor Putin.[8] Und nicht zu vergessen vor Viren und ungesundem Essen. Hinsichtlich ihrer Ängste und Sorgen sind sich SPD- und Grünen-Anhänger also recht ähnlich, allerdings sind die ersteren in allen Punkten näher am Durchschnitt, so wie auch die SPD mit ihrer Grüne-Light-Politik in gewisser Hinsicht eher in der Mitte zu verorten ist. […]

Fußnoten

[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1262353/umfrage/parteipraeferenz-von-oeffentlich-bediensteten, abgerufen am 21.10.2024

[2] Lempp et al.: Lempp, Jakob; Serfling, Oliver; Rolf, Jan Niklas: Parteianhängerschaft in Deutschland. Eine Analyse der Parteien und ihrer Anhängerschaften in Bund und Ländern. Wiesbaden 2023, S. 106.

[3] https://www.bpb.de/themen/parteien/parteien-in-deutschland/gruene/42159/wahlergebnisse-und-waehlerschaft-der-gruenen, abgerufen am 21.10.2024.

[4] Lempp et al.: Parteianhängerschaft, a. a. O., S. 84.

[5] https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-06-09-EP-DE/umfrage-lebensverhaeltnisse.shtml, abgerufen am 28.9.2024.

[6] Hier und im Folgenden: ebd.

[7] Ebd.

[8] Ebd., Lempp et al.: Parteianhängerschaft, a. a. O., S. 90 f., 111.

Quelle: overton-magazin.de… vom 20. Februar 2025

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