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Israel und die arabische Konterrevolution

Eingereicht on 30. Juli 2014 – 17:35

Corey Oakley. Während die furchtbare Kriegsmaschine industriellen Ausmasses todbringend auf Gaza niederprasselt, Körper zerreisst, Menschen unter Trümmerbergen begräbt, und nicht einmal Halt macht vor Ambulanzfahrzeugen, die sich beeilen, um die Verletzten zu bergen, ist es schwierig überhaupt irgendetwas zu tun, als denn gegen die Verbrechen des israelischen Staates zu wettern.

Der endlose Strom schrecklicher Bilder aus Gaza offenbart den moralischen Bankrott Israels und seiner westlichen Schutzmächte. Dabei jedoch ist es wichtig, diese Verbrechen gegen die Menschheit im Zusammenhang mit der umfassenden Konterrevolution zu begreifen, die über die arabische Welt hinweg fegt.

Die Zentren arabischer Reaktion

Die beiden Hauptzentren dieser Konterrevolution sind die Regimes in Kairo und in Riad. Der ägyptische Präsident Abdul-Fattah el-Sisi und der saudische König Abdullah sind entschlossen, alle verbleibenden Überreste der Revolution von 2011 zu zerstören.

In Ägypten hat Sisi in zynischer Weise die tiefe und weitverbreitete Feindschaft gegenüber den Muslimbrüdern benutzt, um dem Land die Autorität der Militärführung aufzudrücken. Tausende sind während Sisis «Krieg gegen den Terror» ins Gefängnis gesperrt worden. Dieser wurde über die Muslimbruderschaft hinaus ausgeweitet, und erstreckt sich über alle Kräfte, die es wagen, die Politik der Regierung zu hinterfragen, oder gar dafür kämpfen, die revolutionäre Bewegung neu zu beleben. Die erneute Festigung der Strukturen des alten Regimes, von dem lediglich wenige Führungspersönlichkeiten ausgewechselt wurden, erfolgte dank der Hilfe von Milliarden von Dollars an saudischen Geldes.

Jetzt, angesichts der Eskalation des israelischen Krieges gegen Gaza, hat sich die Aufmerksamkeit Sisis auf die Hamas gerichtet, die er als einen verlängerten Arm der Muslimbruderschaft betrachtet.

Das vorrevolutionäre ägyptische Regime war seit der Unterzeichnung des Camp David Abkommens von 1978 ein enger Verbündeter Israels, was in Ägypten immer eine Quelle des Zornes war. Sisis Palästina-Politik ist eine verstärkte Version derjenigen Mubaraks. Sisi ist mit der extremen Rechten Israels verbündet, welche zu einem totalen Krieg in Gaza aufruft – bis zu einer erneuten vollumfänglichen  israelischen Besetzung des Gazastreifens.

Der zynische ägyptische Vorschlag für eine Waffenruhe, der ohne irgendwelche Absprache mit der Hamas verkündet wurde, war eine Aufforderung zur bedingungslosen Kapitulation. Er ging selbst über die feigsten pro-israelischen Vorschläge Ägyptens in vergangenen Kriegen hinaus. Anstatt ein Vorschlag für eine Waffenruhe zu sein, lief der Plan auf ein gut eingefädeltes Manöver hinaus, eine politische Deckung für Israels Bodenoffensive in Gaza abzugeben; diese setzte dann auch wie geplant ein, sobald die Hamas ihn unvermeidlicherweise ablehnte.

Sisi wird durch die gefügigen ägyptischen Medien voll und ganz unterstützt. Azza Sami, ein regierungsnaher Journalist, schrieb auf Twitter: «Dank sei Dir, Netanyahu, Gott gebe uns mehr Männer Deines Schlages, um die Hamas zu zerschlagen!»  Tawfik Okasha, Sprecher im Al-Faraeen Fernesehen, sagte: «Die Leute in Gaza sind keine Menschen. Wären sie Menschen, würden sie gegen die Hamas revoltieren.»

Der wichtigste Verbündete von Sisi in der Weiderherstellung der Herrschaft des Militärs und der Zerschlagung der Muslimbruderschaft ist die saudische Monarchie. Zwei Stunden nach Sisis Machtergreifung vom vergangenen Jahr, erhielt er eine Glückwunsch-Botschaft vom saudischen König, in der Abdullah bemerkte: «Es ist Zeit, dieses seltsame Durcheinander zu beseitigen; ansonsten würden jeder Staat oder jede Nation, die unfähig sind, Gesetzesbrecher zu zügeln, letztendlich ihre Würde und Ehre verlieren.»

Mit einer deutlichen Warnung an andere Staaten sagte er: «Ich rufe alle Brüder und Freunde dazu auf, es zu unterlassen, sich auf irgendwelche Weise in die inneren Angelegenheiten Ägyptens einzumischen, denn die Einflussnahme auf die Angelegenheiten dieses Landes bedeuten eine Verletzung des Islams und des Arabismus und werden gleichzeitig als Übergriff gegen das Königreich Saudi Arabien angesehen.»

Während der vergangenen 12 Monate haben die Saudis viel Mühe darauf verwendet, die Muslimbrüder von der arabischen Hilfe abzuschneiden. Der Golfstaat Katar, der sowohl hinter der USA wie auch den Muslimbrüdern steht,  wurde einem starken Druck ausgesetzt, seine Unterstützung der Muslimbruderschaft einzustellen. So haben nicht nur die Saudis Katar Strafaktionen angedroht, sondern auch andere Nachbarn, etwa die Arabischen Emirate, welche gegenüber der Hamas so feindlich gegenüberstehen, dass sie angeblich angeboten haben, Israels Angriff auf Gaza mitzufinanzieren.

Es bleibt unklar, ob sich das Lavieren zwischen den verschiedenen Mächten, u.a. den USA, Ägypten, Katar und der Türkei, günstig auf die Aushandlung eines Waffenstillstands auswirken wird. Während Katar und die Türkei offensichtlich einen für Palästina günstigeren Vorschlag befürworten als es der ägytische ist, wird ein unglaublich starker Druck zugunsten der ägyptischen Position ausgeübt.

Auf jeden Fall bleibt bemerkenswert, dass Ägypten drei Jahre nach der Revolution, in der die Sympathie für die Anliegen der Palästinenserinnen und Palästinenser eine wichtige Rolle spielten, nun eine noch zionistischere Postion einnehmen als die USA und Katar (welches das U.S. Central Command’s Forward Headquarters auf seinem Territorium beherbergt).

Bei den  saudischen und ägyptischen Anstrengungen zu einer Zerstörung der Bruderschaft und der Hamas geht es um weit mehr als um eine schlichte Feindschaft gegenüber diesen Organisaitonen. Die Unterstützung Sisis für einen totalen Krieg Israels gegen die Hamas widerspiegelt seine Feindschaft gegenüber jedwelchem palästinensischen Widerstand. Für das ägyptische Militär war die Zurückdrängung des palästinensischen Widerstandes ein Kernstück ihrer Strategie, die Umwandlung des ägyptischen Aufstandes in einen panarabischen Befreiungskampf zu verhindern, der die korrupten Monarchien und Diktaturen niederreissen und der Region Demokratie und soziale Gerechtigkeit bringen könnte.

Während Sisis Machtposition an der Oberfläche gefestigt erscheint, so könnten die verbreiteten palästinensischen Proteste in der West Bank und in Israel selbst in Ägypteen und in der ganzen Region eine enorme Destabilisierung auslösen, sofern sie sich in eine neue Intifada verwandeln würden.

Die Schaffung des islamistischen Feindes

Die bislang wirksamste Strategie der arabischen Konterrevolution bestand in ihrem Bemühen, den Kampf zwischen den Diktaturen und den aufständischen Massen als einen Kampf zwischen autoritären Regimes – seien diese nun säkular oder nicht – und dem islamistischen Extremismus darszustellen.

Bashar al-Assad hat diese Methode als erster und am dramatischsten in Syrien durchexerziert. Ab dem ersten Tag diffamierte er die syrischen Revolutionäre als rekationäre islamistische Sunni- Terroristen und er unternahm grosse Anstrengungen, diese Beschuldigung in eine Realität zu verwandeln. Bis in den vergangenen Monat haben Assads Streitkräfte kaum einen einzigen Schuss gegen den al-Kaida Sprössling ISIS (mittlerweile einfach Islamischer Staat) abgefeuert. Weshalb sollte er auch? Während die Streitkräfte Assads die Revolutionäre am Boden und aus der Luft abschlachteten, so tat ISIS das selbe von der anderen Seite her.

Die ägyptischen Militärs übernahmen die gleiche Strategie, wenn auch mit etwas veränderten Karten. Sie wurden vergangenes Jahr auf einer Welle tiefer und gerechtfertigter Wut über die Regierung von Mohamed Morsis Bruderschaft und deren Verrat an der Revolution an die Macht getragen. Die Armee behauptete, sie sei zurückgekehrt, um die Revolution vor dem Islamo-Fschismus zu schützen. In Wirklichkeit kam sie, diese zu begraben.

Im Irak beantwortete Premierminister Nuri al-Maliki im vergangenen Jahr Proteste mit neuerlichen Bombardierungen und Angriffen auf die rebellischen Sunni-Regionen wie etwa Falluja, den  Ursprungsort des Widerstandes gegen die Besetzung durch die USA. Seine Antwort auf die militärischen Siege von ISIS war nicht etwa eine Versöhnung zwischen Shia- und Sunni-Führern, sondern eine Mobilisierung von sektiererischen Shia-Milizen, sowie Kräften aus dem Iran, den USA und anderen, um im Namen des «Kampfes gegen den Terrorismus» die Sunni-Bevölkerung niederzumachen.

Der Einsatz des Sektarismus und von Kampagnen gegen den islamistischen Extremismus, sowie die Militarisierung der Konflikte in der ganzen Region hat zerstörerische Auswirkungen gehabt. Was als Aufstand der Massen für demokratische Rechte und soziale Gerechtigkeit begann und die Völker über sektiererische, ethnische und religiöse Grenzen hinweg zusammenbrachte, wurde deutlich zurückgeschlagen. Aber diese Strategie ist voller Widersprüche. Der konterrevolutionäre Druck hat in der Region eine grosse Instabilität erzeugt.

Beispielsweise hat Saudi Arabien zu Beginn die umfassende Finanzierung (meistens über private Kanäle) von Teilen der syrischen Rebellion erleichtert. Die Monarchie ermöglichte dies wegen ihrer Feindschaft gegenüber dem mit dem Iran verbündeten Assad-Regime, aber auch, um die revolutionären Kräfte dazu zu bringen, keinen allzu säkularen und demokratischen Charakter anzunehmen. So hat die Monarchie im Irak sunnitischen Gruppen Gelder zukommen lassen,  um Iran zu blockieren.

Aber während die Saudis glücklich darüber waren, dass die Konflikte in Syrien und im Irak zunehmend militarisiert und sektiererischer wurden, so schuf diese Entwicklung wiederum die Bedingungen für den Aufstieg der brutal anti-saudischen ISIS. Diese festigt seit ihrer teilweisen Machtübernahme im Nordirak  ihre Position in Syrien und stellt mittelfristig eine ernsthafte Gefahr sowohl für Saudi Arabien wie auch für Jordanien dar. Fahad Nazer, ein ehemaliger Analyst der saudischen Botschaft in den USA, sagt dazu: «Saudi Arabien hat mehr als alle seine Nachbarn zu verlieren, sollte der Konflikt im Irak ausser Kontrolle greaten.»

Die Anti-Imperialisten, die keine sind

Die dschihadistischen Gruppen und speziell der ultrareaktionäre ISIS behaupten, sie seien Freunde des palästinensischen Volkes. Sie sind alles andere als dies.

Nicht nur, dass sie für Israel keine militärische Bedrohung darstellen. ISIS hat zu wiederholten Malen angekündigt, dass er eher an einer Kontrolle über die Bevölkerung (einschliesslich der Sunniten) und an einer ethnischen Säuberung interessiert sei, als dass er der palästinensischen Bevölkerung zu Hilfe eilen würde. Grundsätzlicher aber dient ihre ultra-sektiererische und puritanische Version des Islams nur dazu, die arabische Bevölkerung zu spalten und die tatsächliche Spaltung zwischen den Bauern, Arbeiterinnen und den Armen einerseits, und der parasitären Minderheit an der Spitze andererseits zu verschleiern.

Nicht besser steht es mit dem sogenannt «säkularen» und «anti-imperialistischen» Bashar al-Assad in Syrien. Assad spielt seine angeblich pro-palästinensche Postion aus. Aber er, wie sein Vater, dient Israel als loyaler Grenzwächter. Es mag wohl sein, dass er (oder der ISIS) in den gegenwärtigen Aufständen einige symbolische Gesten zur Unterstützung der Palästinenser und Palästinenserinnen macht. Falls er dies tut, ist es reine Propaganda.

Es ist kein Zufall, dass Israel die revolutionäre Bedrohung von Assads Herrschaft mit Angst und nicht mit Wohlwollen begrüsste. Es gibt in Israel natürlich ein paar naïve Leute (gerade unter der Linken), die Assads gelegentlichen antizionistischen Äusserungen für bare Münze nehmen. Aber solche Leute gelangen nicht in Positionen, wo sie die Aussenpolitik bestimmen können. Das israelische Establishment ist überwiegend der Auffassung, dass eine Niederlage von Assad für den zionistischen Staat schlecht wäre.

Auswirkungen auf den palästinensischen Widerstand

Die blutigen, militarisierten, vielschichtigen Konflikte, die in der arabischen Welt wüten und die breiten revolutionären Bewegungen ersticken, haben die Probleme der Palästinenserinnen und Palästinenser nur verschärft. Während es in Europa und anderswo zu eindrücklichen Protesten kommt, kam es bislang in den arabischen Hauptstädten kaum zu Massenprotesten. Die beiden wichtigsten Widerstandsbewegungen gegen Israel – Hezbollah im Libanon und Hamas in Gaza –  wurden durch die Folgen der arabischen Aufstände ernsthaft geschwächt.

Hezbollah hat sich grosse Schande zugezogen und jedes Recht auf arabische Führung verloren, indem sie sich Bashar al-Assads Abschlachtung der syrischen Revolution angeschlossen hat. Führungsfiguren der Hezbollah gestehen heute ein, dass selbst wenn der Gazakrieg sich auf den Libanon ausdehnen sollte, sie zu geschwächt seien wegen des Ausmasses ihrer Unterstützung für die Diktatur von Assad. Während jede Auseinandersetzung der Hezbollah mit Israel von der breiten Bevölkerung in Palästina begrüsst würde, so ist ihre Legitimität, für die arabischen Massen zu sprechen, wohl für lange Zeit nicht mehr vorhanden.

Hamas hat, zum grossen Glück für ihre Glaubwürdigkeit, mit Assad gebrochen und weigerte sich, dessen Krieg gegen das syrische Volk zu unterstützen. Aber die arbaische Revolution zeigte die kritische Schwäche von Gruppen wie Hamas auf, welche weitestgehend von der Unterstützung irgendwelcher despotischer Regimes abhängig sind.

Nach dem teilweisen Bruch mit dem syrischen Regime und seinen iranischen Unterstützern (ihre Kämpfer haben jedoch noch immer Zugang zu einigen iranischen und sogar syrischen Waffen – mehr als dies die Israelis, wie es scheint, vermutet haben), lehnte sich die Hamas stark an die ägyptische Muslimbruderschaft an. Nach dem Sturz von Mursi aber fand sich die Hamas unter den arabischen Regimes weitgehend isoliert – eine Situation, die durch den starken saudischen Druck auf alle, die geneigt waren, sie zu unterstützen, nur verschärft wurde.

Aus diesem Grunde musste Hamas notgedrungen in eine «Einheitsregierung» mit der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland einwilligen. Die Hamas vermochte nicht länger seine Beamten zu bezahlen und war deshalb bereit, einer «Einheit» zuzustimmen, in der beinahe alles Wesentliche an Abbas abgetreten wurde.

Diese düstere Lage, vereint mit der Schwächung der Einheitsregierung durch Israel, bildet den Zusammenhang, in dem Israel die Zuversicht gewann, seine neueste Offensive zu starten.

Eine vertane Chance

Es hätte nicht so kommen müssen. Die Revolution von 2011, die in Tunesien begann und sich über Ägypten, Syrien, Jemen, Lybien, Marokko, Jordanien und weiter ausdehnte, stellte die weitaus beste Gelegenheit dar, aus der lähmenden Sackgasse auszubrechen, in der der palästinensische Kampf festgefahren war.

Der lange hochgehaltene Slogan der Linken, dass der Weg zur Befreiung Jerusalems über die arabischen Hauptstädte führen würde, schien neues Leben zu erhalten. Als Millionen sich gegen die Diktaturen erhoben,  haben sie nicht nur ihre eigenen Fahnen, sondern ebenso diejenige Palästinas hochgehalten.

Ich befand mich im Mai 2011, kurz nach dem Sturz Mubaraks, in Kairo. Die erste Kundgebung, die ich am Tahrir Platz sah, umfasste 50’000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es gab ein Meer von palästinensischen Fahnen aus Solidarität mit den Tausenden von jungen Leuten, die die israelischen Streitkräfte in der West Bank und auf den Golanhöhen am Jahrestag der Nakba bekämpften. Die Demonstrierenden riefen: «Wir werden nach Jerusalem gelangen; Millionen von Märtyrer für Palästina!»

In der folgenden Nacht fuhr ich vom Tahrir über den Nil um mich Tausenden von jungen Leuten anzuschliessen, die die israelische Botschaft in Giza belagerten. An einer späteren Kundgebung wurde die Botschaft vollständig überrannt. Dieses Mal wurde diese durch die Armee bis in die frühen Morgenstunden hinein verteidigt; sie setzte dabei Tränengas und Gummigeschosse ein und schoss mit scharfer Munition auf furchtlose Demonstrantinnen und Demonstranten.

Einige wurden getötet und Hunderte verwundet oder festgenommen. Es war eine Bestätigung dessen, was die Linke damals wusste und was durch Sisi nun vielfach bestätigt wird: das Bündnis zwischen der Führung der ägyptischen Armee und Israel sitzt tief.

Aber nicht nur die Armee und ihre liberalen Helfer verurteilten die Proteste. Ebenso die Muslimbruderschaft tat dies. Diese argumentierte, dass die ägyptische Revolution vorerst ihre eigenen Probleme lösen müsse, bevor sie sich um Aussenpolitik kümmern sollte. Schlimmer noch, die Muslimbrüder, in enger Zusammenarbeit mit der Hamas, unterstützten das Militär bei der Behinderung Hunderter von Ägyptern, zum Rafah Grenzübergang zu reisen und Hilfsgüter nach Gaza zu liefern und die Öffnung des Grenzübergangs zu fordern.

Die Hamas war in Gaza wie Abbas im Westjordanland entschlossen, die palästinensische Bevölkerung daran zu hinern, sich dem arabischen Aufstand anzuschliessen. Selbst die Hamas, die 2006 gewählt wurde, weil sie sich weigerte, sich der verräterische Politik der Fatah anzuschliessen, fürchtete eine Massenerhebung von unten. Denn sie betrachtete dies als eine Gefährdung ihrer zunehmend autoritären Herrschaft über Gaza, wie auch ihres Netzwerkes von Bündnissen, das sie mit benachbarten Staaten errichtet hatte.

Die Hamas mag wohl teilweise mit dem syrischen Regime aus Protest gegen Assads Repression gebrochen haben., aber sie hat nicht mit der Logik gebrochen, die den palästinensischen Widerstand seit Generationen heimgesucht hat: Unterstützung der – oder dann zumindest Nicht-Einmischung in die – arabischen Regimes.

All dies jedoch soll keinesfalls den Heroismus des palästinensischen Widerstandes schmälern, der heute unter der Flagge der Hamas in Gaza kämpft und stirbt. Wenn man heute auch Kritik an der Hamas üben muss, so gebührt deren Kämpfern gegen den brutalen israelischen Angriff auf Gaza die Solidarität aller, die für ein befreites Palästina eintreten.

Eine neue, tiefere arabische Revolution

Die Schlächterei in Gaza weist deutlich auf die schmerzlichen Widersprüche dieser wenigen vergangenen Jahre hin.

Einerseits haben die arbaischen Revolutionen die arabische Welt verwandelt und bei Millionen Hoffnungen geweckt, dass ein neuer Mittlerer Osten möglich sei. Andererseits sind an den meisten Orten die alten Regimes immer noch im Sattel, neue, blutige Konflikte trennen diejenigen, die einst vereint vorangingen, und Israel geht erneut mit blutiger Straflosigkeit gegen die Palästinenserinnen und Palästinenser vor und die arabische Welt schaut zu.

Daraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen:

Eine ist, dass ein Mittlerer Osten frei von Klassenspaltung, Unterdrückung, Imperialismus, Zionismus und Sektarismus unmöglich ist. Dies ist die Schlussfolgerung, die uns die saudischen, ägyptischen und syrischen Herrscher, wie auch der ISIS, [und vor allem auch Israel und die USA mit ihren Verbündeten; Anm. maulwuerfe.ch] glauben machen wollen. Es gibt keine Hoffnung, also nimm einen von uns – es ist das Beste, was du kriegen kannst.

Die zweite mögliche Schlussfolgerung ist, dass die arabische Revolution nicht geglückt ist, da sie nicht weit genug gegangen ist.

Es genügte nicht, einzelne Diktatoren zu stürzen – das gesamte System der Klassenherrschaft, deren Ausdruck sie waren, muss gestürzt werden. Es genügte nicht, auf die Strassen zu gehen oder zu den Waffen zu greifen – die gesellschaftliche Macht der Massen, deren Gewicht die Räder am Laufen hält, die die Profite für die arabischen Milliardäre ausstossen, muss entscheidend zum Tragen gebracht werden.

Es genügte nicht, sich gegen die imperialistischen Betrügereien zusammenzutun – die Revolution muss die Imperialisten und die Heerschar von deren Helfern aus jedem Winkel der arabischen Gesellschaft vertreiben. Es reicht nicht, die alte Gesellschaft zu desorganisieren – es wäre notwendig, die Organisationen zu schaffen, die als Vehikel für die neue dienen könnten. Es reichte nicht, auszurufen «nieder mit den alten Ideologien» – die Revolution müsste ihre eigene Sicht auf eine neue Welt klar ausdrücken, eine neue Ideologie, die Fleisch an die Knochen ihrer grossen Losungen fügt: «Demokratie, Freiheit, soziale Gerechtigkeit.» Es gibt selbstverständlich keine einfache Antwort, wie diesen schlichten Begriffen eine lebendige Bedeutung verliehen werden kann. Sie sind aber, angesichts der Verzweiflung, ein Anfang.

Und was auch immer kommen mag, so gibt es zwei Dinge, die gewiss sind. Einerseits ist die Krise aus Armut, Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die die arabische Revolution hervorrufen hat, nicht gelöst, und sie wird nicht verschwinden.

Zweitens wurde die Flamme der Revolution nicht ausgetreten, trotz aller schrecklichen Niederlagen, die die Revolutionäre und Revolutionärinnen in der arabischen Welt in den vergangenen Jahren erlitten haben. Es gibt zur Zeit kein grösseres Beispiel dafür, als die Palästinenserinnen und Palästinenser, deren Widerstand von den Strassen Gazas bis zur West Bank und den arabischen Städten Israels den Glauben an die Intifade neu belebt.

Die geschichtlichen Träger des arabischen Leidens, aber auch der geschichtliche Funke des arabischen Widerstandes wurden während dem arabischen Frühling weitergereicht. Vielleicht können sich die Palästinenserinnen und die Palöstinenser jetzt, da die Reaktion durch die arabische Welt stürmt, aus dem Schutt und der Verwüstung von Shudschaia erheben, um der arabischen Revolution neues Leben zu verleihen.

(Publiziert am 28. Juli 2014 auf Red Flag, Übersetzung durch Redaktion maulfwuerfe.ch)

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