Der neue GAV 2015 in der SBB: Und niemand verteidigt die Bähnler
Willi Eberle. Vor wenigen Wochen wurden die Verhandlungen für den neuen GAV bei den SBB von den Gewerkschaften und der SBB-Führung «erfolgreich» abgeschlossen, wie es in der gemeinsamen Medienerklärung heisst. Erfolgreich für wen?
Der neue GAV soll ab 1. Januar 2015 bis Ende 2018 gelten. Davon sind etwa 26‘000 Lohnabhängige der SBB betroffen; er hat erfahrungsgemäss Leitfunktion für die anderen Bahnunternehmen, etwa die Südostbahn oder die BLS. Im Vorfeld veranstaltete die Gewerkschaft SEV eine Umfrage, an der sich mehr als 5‘500 Mitglieder beteiligten; zuoberst unter den Forderungen rangierten eindeutig Fortschritte bei den Löhnen und beim Kündigungsschutz, aber auch bei der Arbeitszeit und hinsichtlich vorzeitiger Pensionierungen. Wie ist der neue GAV vor diesem Hintergrund zu beurteilen?
Wenig gewonnen, viel zerronnen
Das Positive zuerst: Es wird Verbesserungen beim Vaterschafts- und beim Mutterschaftsurlaub (eine Erhöhung von 5 auf 10 Tage bzw. von 16 auf 18 Wochen) wie auch hinsichtlich vorzeitiger Pensionierungen geben. Dabei werden drei Modelle angeboten, deren Finanzierbarkeit aber für einen grossen Teil ausser Reichweite ist, da die SBB-Angestellten aufgrund der Sanierung ihrer Pensionskasse schwere Einbussen bezüglich Rentenalter, Rentenansprüchen und mit laufenden Sanierungsbeiträgen in Kauf nehmen mussten. Dies ist eine der problematischen nachhaltigen Folgen der Überführung der SBB in eine Aktiengesellschaft des Bundes, wie sie 1999 unter Bundesrat Moritz Leuenberger (SP) und dem damaligen SBB-Chef Benedikt Weibel (SP) durchgezogen wurde.
Auch diesmal wurde in der gemeinsamen Medienerklärung die rituelle Formel wiederholt: «Die SBB und die Sozialpartner sind sich einig, dass die SBB wie jedes Unternehmen möglichst effizient produzieren muss». Und der SEV bot auch diesmal wieder Hand dafür, wie bereits beim GAV 2011, wo das neue Lohnsystem Toco eingeführt wurde. Dieses führte zu einer Reduktion der Lohnstufen und zu entsprechenden Änderungen bei den Qualifikationssystemen. Zwar wurden Regelungen zur Besitzstandswahrung vorgesehen, aber das System stiess von Anbeginn an – zu Recht wie sich mittlerweile herausstellt – auf grossen Unmut an der Basis. Dieser Unmut hat sich zwar in der Umfrage geäussert, der neue GAV nimmt jedoch keine Rücksicht auf die Anliegen der Basis.
Kündigungsschutz, flexible Arbeitszeiten, Temporäre
Mit der 1999 eingeschlagenen Liberalisierung geht es darum, «aus der SBB ein normales privatrechtliches Unternehmen zu machen». Das heisst insbesondere, den Kündigungsschutz und weitere Garantien, wie sie ursprünglich an den Beamtenstatus gebunden waren, zu beseitigen. Seit 1999 wurde mit der Abschaffung des Beamtenstatus in den GAVs am Verbot von Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen festgehalten und die Betroffenen konnten Kündigungen bis heute juristisch anfechten, bis zu einem Recht auf Wiedereinstellung. Diese Bestimmungen sind nun weitgehend beseitigt.
Ebenfalls eindeutige Verschlechterungen für die Bähnler wurden bezüglich Flexibilisierung der Arbeitszeiten eingefahren. Zwar gibt es eine Erhöhung der Zuschläge für Arbeit an Sonn- und Feiertagen von ca. 48.- pro Tag, aber die Vorgesetzten erhalten dafür volle Oberhoheit bei der Arbeitseinteilung.
Die Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen wird vermutlich durch die neuen Bestimmungen zu der Einstellung von Temporären am stärksten gefördert. Zwar gibt es dafür eine Obergrenze von 4% über das gesamte Unternehmen. Aber erstens sind davon die IT und RailClean, die interne Reinigungsfirma, ausgenommen; dies sind aber gerade die Bereiche, die am meisten Temporäre beschäftigen. Und zweitens gibt es keine Beschränkung für einzelne Abteilungen. So arbeiten bei den SBB Werkstätten in Bellinzona 70 bis 80 Temporäre, was ca. 18% der Festangestellten sind. Gerade dort geht es ja der SBB darum, den Widerstandswillen der Arbeiter strukturell zu brechen, wie er sich beim grossen Streik vom Frühjahr 2008 manifestiert hat.
Die SBB kann sich also zufrieden die Hände reiben mit diesem GAV 2015!
Dieser Artikel erscheint im vorwärts vom 31. Oktober 2014
Neueste Kommentare