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Die Unternehmer auf Angriff im Baugewerbe – und die Gewerkschaften?

Eingereicht on 15. Mai 2018 – 19:41

Anthea Nauer. Der Kampf im Bauhauptgewerbe beginnt: Die Neuverhandlung des Landesmantelvertrags (LMV) ist eröffnet. Während die BauarbeiterInnen ihren langersehnten Zahltag fordern, setzen die Unternehmer zum Frontalangriff an.

Die Interessen bei der Neuverhandlung des LMVs sind offen entgegengesetzt. Auf der einen Seite wehren sich die BauarbeiterInnen gegen immer härtere Arbeitsbedingungen und fordern eine Lohnerhöhung, auf der anderen Seite will der Baumeisterverband die Zügel straffen: Platz für Zugeständnisse an die rund 100’000 Angestellten bestünde keiner, im Gegenteil! Dies obschon die Branche zuletzt floriert, die Kassen klingeln.

Stagnierende Löhne trotz Bau-Boom

Während der Umsatz im Bauhauptgewerbe in den letzten zehn Jahren um fast 30 Prozent wächst, steigen die Reallöhne um gerade mal acht Prozent, seit zwei Jahren sinken sie gar. Vor allem die grossen Bauunternehmen steigern ihre Gewinne während dieser Zeit massiv. So macht Branchenprimus Implenia 2017 neun Millionen Franken mehr Gewinn als 2007 und streicht in dieser Zeit über 1.5 Milliarden Gewinn ein.

Seit vier Jahren fordern die BauarbeiterInnen deshalb eine Lohnerhöhung – stets erfolglos. “Die Baubranche boomt. Das ist nicht zuletzt das Verdienst der hart arbeitenden Bauleute. Immer weniger Bauarbeiter leisten immer mehr. Nun müssen sie endlich anständig am Erfolg beteiligt werden”, schreibt die Unia. Sie beharrt auf den neulich an der Bauarbeiter-Konferenz beschlossenen Forderungen: Keine Erhöhung der Arbeitszeiten, weiterhin die Rente mit 60 und die nächsten zwei Jahre jeweils 150 Franken mehr Monatlsohn.

Von Lohnkürzungen bis zur 50-Stunden-Woche

Während die Unia also in erster Linie auf Verteidigung des bereits Erreichten setzt, zeigt sich der Baumeisterverband kompromisslos. Er will weiterhin von der harten Arbeit der unter steigendem Zeitdruck schuftenden BauarbeiterInnen profitieren und fordert: die 50-Stunden-Woche, tiefere Einstiegslöhne, Lohnkürzungen für Ältere und Abbau des Kündigungsschutzes bei Krankheit und Unfall.

Der Erhaltung der Arbeitsplätze wegen bleibe kein Spielraum für bessere Arbeitsbedingungen, so die Patrons. Die Unternehmen seien auf eine möglichst flexibel einsetzbare Arbeitskräfte angewiesen, da Bauherren ihre Aufträge immer kurzfristiger vergeben. So wollen sie bei der Verhandlung eine „moderne Regelung” der Arbeitszeiten erreichen, was übersetzt unter anderem die Verdrängung von Festangestellten durch Temporärarbeitende bedeutet. Die Angriffspläne legen nahe, dass die Zukunftsaussichten in der Baubranche alles andere als stabil sind.

Das hinkende Zugpferd – der Wohnungsbau

Hinter der massiv erhöhten Bautätigkeit der letzten Jahre steckt eine zentrale Triebfeder: der tiefe Leitzins. Dieser veranlasst bei krisenbedingtem Ausbleiben profitabler Investitionen in den Produktionsapparat zu spekulativen Investitionen in der Baubranche. Allen voran im Mietwohnungs- und teilweise auch im Gewerbebau baut man in den letzten Jahren deutlich über die Nachfrage hinaus, was zu einer Blasenbildung auf dem Immobilienmarkt führt.

Die Leerstände haben nun den höchsten Wert seit fast 20 Jahren erreicht – die Investoren werden folglich vorsichtiger: Die Auftragseingänge im Wohnungsbau des letzten Quartals liegen bereits deutlich unter dem Vorjahresniveau. Auf Pump weiterbauen, führt irgendwann zum Crash. Früher oder später muss der Leitzins angehoben und der Druck hinter dem Immobilienboom somit gedämpft werden.

Auch die warnenden konjunkturellen Einbrüche, wie sie die Baubranche nach acht Jahren stetigen Wachstums 2012 und 2015 erlebte, bereiten vor allem den Kleinunternehmern Sorgen. Diese kämpfen zusätzlich mit dem Preisdruck, der von den Grossfirmen ausgeübt wird ums Überleben. Sie werden in den Verhandlungen alles daransetzen, ihre Profite auf Kosten der BauarbeiterInnen sichern zu können – und dienen den Grossen dabei als Strohmänner.

Keine Einigung ohne Lohnerhöhung

Ein zähes Ringen steht bevor: In keinem anderen Sektor sind so viele Arbeitnehmende Mitglied einer Gewerkschaft wie im Bau. Der hohe Organisationsgrad hat den BauarbeiterInnen schon zu hart geführten und damit gewonnenen Kämpfen verholfen. Auch letzten Oktober begeben sich wieder 5’500 unter ihnen auf die Strasse; fordern mehr Lohn und wollen die 2002 hart errungene Frühpensionierung verteidigen. Genau diese ist den Baumeistern nämlich nach wie vor ein Dorn im Auge. So soll das Rentenalter 60 zwar beibehalten werden, dem Baumeisterpräsidenten schweben aber Lösungen wie zum Beispiel 30 Prozent weniger Rente pro Monat vor, was im Schnitt gerade mal noch 3’000 Franken bedeuten würde.

Kontinuität!

Die momentane Aktivität der GewerkschaftssekretärInnen auf den Baustellen ist wichtig und notwendig, um mit der Mobilisierung der  BauarbeiterInnen den Druck von unten aufzubauen und sich so durchsetzen zu können. Die Verankerung der Unia bei den älteren ArbeiterInnen ist viel stärker – langfristig ist sie also nicht gesichert. So liegen die gesammelten Erfahrungen gewonnener Kämpfe also oft bereits eine Generation zurück und viele der GewerkschafterInnen, die beispielsweise 2002 im Kampf für die Frühpensionierung dabei waren, stehen nun kurz vor der Pension oder sind schon pensioniert. Ob die Unia es schafft, gegen die Offensive der Baumeister standzuhalten, hängt also davon ab, ob es gelingt, eine neue, kämpferische Generation zu gewinnen.

Um längerfristig die Arbeiterschaft zu organisieren, muss von der Unia die Bildung von Gruppen aus den BauarbeiterInnen auf ihren Baustellen angestrebt werden. Eine kämpferische Tradition kann sich nur entwickeln, wenn die Gewerkschaftsbasis sich bewusst ist, dass sie sich nur selbst gegen die Baumeister durchsetzen kann. Diese Tradition ist nötig, um die Arbeiterschaft für kommende Angriffe zu rüsten, gestärkt aus der diesjährigen Neuaushandlung des LMV hervorzugehen und beim nächsten Mal nicht wieder von null starten zu müssen.

Unia unter Zugzwang

Für die Unia steht mehr auf dem Spiel als nur die aktuellen Vertragsinhalte. Sie bezieht viel Geld über den GAV-Vollzug (die Kontrolle, dass der Vertrag eingehalten wird). Ein vertragsloser Zustand im Baugewerbe wäre für die Gewerkschaft verheerend. Das Ausbleiben des Geldes, das sie für den Vollzug des LMVs bekommt, könnte bald einen grossen Stellenabbau bei den GewerkschaftssekretärInnen bedeuten.

Um einen Abschluss zu erreichen bevor der Vertrag ausläuft, müssen die Bauleute entschlossen für ihre Forderungen einstehen. Die Teilnehmenden an der Demo im Oktober 2017 und die Delegierten an den Unia-Konferenzen zeigen sich kämpferisch.

So wollen die Delegierten keine Einigung ohne Lohnerhöhung akzeptieren und sie stimmten dieser Tage auf den Baustellen über Streik ab – für den Fall, dass die Baumeister von ihrem harten Kurs nicht abweichen.

Solange der aktuelle Vertrag noch läuft, ist die Unia an den Arbeitsfrieden gebunden und wird sich daran halten. Dies bedeutet wohl, dass ein Streik nur in Form von Protesttagen stattfindet – den Arbeitenden die Tage, an denen sie die Arbeit niederlegen, also als Ferien oder Minusstunden verbucht werden.

Für den 23. Juni ist eine Grossdemo in Zürich angesagt. Diese muss genutzt werden, um die Mobilisierung der BauarbeiterInnen so stark wie möglich auszuweiten und sich für die weiteren Protest- und Streikaktionen im Herbst zu wappnen.

Wir rufen dazu auf, die BauarbeiterInnen solidarisch in ihrem Kampf zu unterstützen. Beteilige dich an den Aktionen! Der LMV ist mehr als nur ein Branchen-GAV. Er ist immer ein Gradmesser für den Klassenkampf in der Schweiz.

Für eine Verbesserung des LMV!

Für eine kämpferische Gewerkschaft mit militanter Basis!

Quelle: derfunke.ch… vom 15. Mai 2018

 

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