Die braune Saat. Antisemitismus und Neonazismus in der DDR
Olaf Kistenmacher. Judenhass, rassistische Ausschreitungen und Neonazi-Gewalt sind nicht allein im Osten Deutschlands eine ernsthafte Gefahr. Doch unverkennbar ist, dass diese Bedrohung in den fünf neuen Ländern gegenwärtig größer ist als in den elf alten. Zu den vielen Gründen für diese Entwicklung gehören die Erosion staatlicher Strukturen in Ostdeutschland nach 1989 und die dubiose Rolle des Verfassungsschutzes. Harry Waibel geht in der Ursachenforschung noch einen Schritt weiter zurück und rekonstruiert die Geschichte des Antisemitismus und des Neonazismus in der DDR seit ihren Anfängen. Was er in Die braune Saat zusammenträgt, sind verschiedene Facetten eines komplexen Problems: Erstens hat der antifaschistische Anspruch der DDR nicht bei allen Bürgerinnen und Bürgern gegriffen. Zweitens haben die Volkspolizei und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) das Problem mit Neonazis marginalisiert und verschleiert, gerade weil es dem Selbstverständnis des sozialistischen Deutschland widersprach. Drittens, so Waibel, habe das MfS mitunter Neonazis im Westen unterstützt, um in der Blockkonfrontation Unruhe zu schüren.
Viertens habe der marxistisch-leninistische Antizionismus der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) antisemitische Vorstellungen befördert – ein Thema, zu dem der Arbeitskreis »Stalin hat uns das Herz gebrochen« kürzlich einen lesenswerten Band herausgegeben hat. Anfang der fünfziger Jahre gerieten in der DDR die jüdischen Gemeinden unter Generalverdacht, was im Zusammenhang mit dem Schauprozess gegen Rudolf Slánský in der ČSR und der Verhaftung Paul Merkers und mehrerer Gemeindemitglieder zur Flucht von rund 400 Jüdinnen und Juden aus der DDR führte.
Dieser vierte Punkt, mit dem Waibel sein Buch beginnt, ist für seinen Erklärungsansatz allerdings heikel. Denn ein Antisemitismus von links befördert nicht unbedingt den Judenhass bei alten und neuen Nazis. Um die Entwicklung des Rechtsextremismus in Ostdeutschland zu erklären, müsste man außerdem zeigen, inwiefern der marxistisch-leninistische Antizionismus auch eine »rechte Bewegung« begünstigte, die sich gerade »gegen die kommunistische Herrschaft richtete«.
Ganzen Beitrag lesen: Harry Waibel – Die braune Saat. Antisemitismus und Neonazismus in der DDR
Quelle: rote-ruhr-uni.com… vom 1. Januar 2019
Tags: Deutschland, Faschismus, Neue Rechte
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