Offener Brief an Alexis Tsipras von linken US-amerikanischen Solidaritäts-Netzwerken
Am 29. April trafen sich die Regierungschefs Zyperns (Nikos Anastasiades), Griechenlands (Alexis Tsipras) und Ägyptens (Abdel Fattah Al Sisi) in der zypriotischen Hauptstadt Nikosia. Das Ziel des Treffens war, die diplomatische und politische Zusammenarbeit der drei Länder im Mittelmeerraum auszubauen; dabei trat der Anspruch des reaktionären Regimes in Kairo auf eine Führungsrolle klar zutage. An diesem Treffen haben sich die drei Regierungschefs, also auch Tsipras, auf ein gemeinsames Vorgehen im «Krieg gegen den Terror» geeinigt.
Das ägyptische Regime ist mittlerweile durch seine Verletzungen der Menschenrechte und sein brutales Vorgehen gegen jede Form von demokratischen Aktivitäten, insbesondere natürlich gegen die Arbeiterbewegung berüchtigt. So wurde beispielsweise einen Tag vor diesem Treffen, unter Berufung auf die Scharia, das Streikrecht rückwirkend unter Strafe gestellt. Am Treffen wurde ein Foto der drei Regierungschefs aufgenommen, auf das sich der untenstehende Brief an Tsipras bezieht. Dieser Brief wurde in seiner englischen Version vom 13. Mai 2015 der Seite www.europe-solidaire.org entnommen und von uns ins Deutsche übertragen [Redaktion maulwuerfe.ch]
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Offener Brief an Premierminister Alexis Tsipras
Von Freunden des griechischen Kampfes für soziale Gerechtigkeit und Freiheit
Lieber Herr Tsipras
Wir sind Griechinnen und Griechen, Griechisch-Amerikanerinnen und –Amerikaner, Ägypterinnen und Ägypter, Ägypter-Amerikanerinnen und – Amerikaner, Einwohnerinnen und Einwohner von Ländern rund um das Mittelmeer und aus anderen Ländern. Wir haben mit Freude und Bewunderung beobachtet, wie Syriza, andere politische Kräfte und soziale Bewegungen dafür kämpfen, Griechenland vom Diktat der herrschenden europäischen Eliten zu befreien und eine Gesellschaft aufzubauen, die von der arbeitenden Bevölkerung angeführt wir und in deren Dienst steht. Deshalb schreiben wir Ihnen nun.
Das Foto, auf dem Sie Ägyptens Diktator, Präsident Abdel Fattah al-Sisi, die Hände schütteln, hatten den Freundinnen und Freunden einen Schrecken eingejagt. Wir verstehen nur zu gut, dass Diplomatie in der heutigen Welt eine abstossende Angelegenheit sein kann. Gleichzeitig sind wir auch nicht so naiv anzunehmen, dass ein Land, das unter das finanzielle Joch der Troika geraten ist, Handelsbeziehungen und – verträge mit doch recht unappetitlichen Kräften und Regimes ganz ausschliessen kann.
Uns beunruhigt jedoch die politische Botschaft, die mit diesem Foto nun verbreitet wird. Denn es wurde aufgenommen, um einen Eindruck von einem Treffen zu vermitteln, bei dem es um die Bildung eines Bündnisses zwischen Ägypten, Zyern und Griechenland im «Krieg gegen den Terror» ging.
Griechinnen und Griechen, die wie Ägyperinnen und Ägypter (und Irakerinnen und Iraker, Syrerinnen und Syrer, Jemenitinnen und Jemeniten und viele andere) unter Diktaturen gelebt haben ,wissen nur zu gut, dass diese Phrase vom «Krieg gegen den Terror» lediglich ein Deckmantel für Repression, Folter, Verweigerung der bürgerlichen Freiheiten, Verbot von gewerkschaftlicher Organisation, von Gefängnis und Mord ist. Dies alles ist heute unter dem Regime von al-Sisi die Norm, und es ist auch in diesem Sinne, wenn er diese Phrase gebraucht.
Vor kurzem lud Ägypten in Sharm el-Sheikh zu einer Konferenz für ausländische Investoren, den IWF und ähnliche Ausbeuter ein. Die repressive und mörderische Politik von al-Sisi werden vor allem durch die Absicht motiviert, diesen Kräften zu zeigen, dass Ägypten ein sicherer Hafen für Investitionen ist. Demgegenüber hat Syriza ihre Absicht erklärt, einen genau gegenteiligen Pfad zu verfolgen, das heisst, den Forderungen des ausländischen Kapitals nach Repression und Abbauprogrammen um seine Profite zu sichern, zu widerstehen und sich stattdessen auf die Seite der Armen, der Arbeitslosen, der Rentnerinnen und Rentner usw. zu stellen.
Die Massenaufstände in Ägypten und in Griechenland haben die Linke, die Arbeiterbewegung, die Frauenbewegung und andere soziale Bewegungen im internationalen Massstab wachgerüttelt und auf die Strassen getrieben, gerade auch um Ägypten und Griechenland gegen die drohenden reaktionären Rückschläge zu verteidigen. Im selben Sinne hat Syriza selbst auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, das griechische Beispiel über Europa zu verbreiten, um den Kampf in Griechenland zu stärken, etwa durch die Hoffnung, die beispielsweise durch einen Sieg von Podemos in Spanien entstehen würde. Diese internationalistische Perspektive ist etwas, das wir bewundern.
Wir versichern Euch unserer andauernden Solidarität mit Griechenland und versprechen unsere Unterstützung in diesem entscheidenden Moment auszubauen, wo sich die entscheidenden Verhandlungen mit den Bankern und ihren Staaten zuspitzen. Wir sehen dies als Teil unserer Pflicht gegenüber unseren Verbündeten weltweit – wie auch unsere Solidarität mit den Zehntausenden der eingekerkerten politischen Gefangenen in Ägypten, mit all denen, die durch Repression und Gewalt bedroht werden, weil sie versucht haben, die Revolution in Ägypten (und im ganzen Mittleren Osten und in Nordafrika) weiterzutreiben; diese ist sehr eng verflochten gewesen mit der griechischen Rebellion und Standfestigkeit. Im Rahmen dieser fortgesetzten Solidarität bitten wir Sie, Herr Tsipras, auf unsere Freunde weltweit zu zählen, um das griechische Beispiel auszudehnen und nicht stattdessen dem verständlichen aber fehlgeleiteten Streben nach falschen Freunden in den Marmorhallen und in den Stahlbaracken zu erliegen.
Solidarisch
AKNY – Greece Solidarity Movement
Antarsya-US
Campaign for Peace and Democracy
MENA [Middle East North America] – Solidarity Network-US
Tags: Arabische Revolutionen, Breite Parteien, Griechenland, Imperialismus, Repression
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