Schweiz
International
Geschichte und Theorie
Debatte
Kampagnen
Home » Kampagnen

Demonstration sind in Israel weiterhin verboten. Und größer denn je…

Eingereicht on 12. Oktober 2020 – 17:22

„… Israelische Medien berichteten von Tausenden Menschen im ganzen Land, die am Samstagabend entlang großer Straßen, an Kreuzungen oder auf Brücken demonstrierten. Unter anderem in Jerusalem und Tel Aviv forderten sie mit “Hau ab”-Sprechchören den Rücktritt von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Dieser steht wegen Korruptionsvorwürfen und seines Umgangs mit der Corona-Krise seit Wochen in der Kritik. Nach Angaben der Bewegung “Schwarze Flaggen” waren Proteste an insgesamt mehr als 1200 Orten geplant.Die Demonstranten befolgten weitgehend die Corona-Schutzmaßnahmen, wie es hieß. Das israelische Parlament hatte in der vergangenen Woche ein Gesetz verabschiedet, das als Bestandteil des Ausnahmezustands wegen der Pandemie die Demonstrationsfreiheit einschränkt. Kritiker sehen die neuen Regeln als Versuch, die seit Wochen andauernden Proteste gegen Netanjahu zu ersticken.

Die neuen Vorschriften untersagen es den Bürgern, sich weiter als einen Kilometer von ihrem Zuhause zu entfernen, um an Demonstrationen teilzunehmen. Zudem waren vor den jüngsten Protesten die Regeln von der Polizei nochmals verschärft worden: Demonstranten durften höchstens in Gruppen von bis zu 20 Menschen auf die Straße, sollten in der Gruppe zwei Meter Abstand voneinander halten und eine Schutzmaske tragen. Zwischen den einzelnen Gruppen wiederum sollte ein Mindestabstand von 20 Metern eingehalten werden. In der Küstenmetropole Tel Aviv kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Aus den Reihen der Protestierenden seien Steine auf Polizisten geworfen worden, die daraufhin zu Gegenmaßnahmen gegriffen hätten, sagte ein Polizeisprecher. Außerdem seien Distanzregeln nicht eingehalten worden…“  – aus der Meldung „Netanjahu kann Proteste nicht ersticken“ am 10. Oktober 2020 bei der Deutschen Welle über die erneuten Massenproteste am vergangenen Wochenende – trotz aller Verbote und Einschränkungen… Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge zum Wachstum der Proteste – und zu Netanjahus Versuchen, seine rechte Basis zu befrieden – sowie den Hinweis  auf unseren bisher letzten Beitrag zu den Massenprotesten in Israel:

  • „Gegen Netanjahu“ von Knut Mellenthin am 12. Oktober 2020 in der jungen weltdazu unter anderem: „… Der Versuch der israelischen Regierung, die seit Monaten andauernden Proteste durch strenge Regeln zu ersticken, ist sichtbar missglückt. Seit zehn Tagen dürfen sich keine Gruppen von mehr als 20 Menschen zu Kundgebungen und Demonstrationen versammeln, Teilnehmer nicht mehr als einen Kilometer entfernt wohnen. Diese Anordnung schien zunächst geeignet, die Protestbewegung zum Sturz von Premierminister Benjamin Netanjahu, der wegen Bestechung, Betrug und Veruntreuung vor Gericht steht, auszutrocknen. Aber das Gegenteil trat ein, weil die nicht parteigebundenen Bündnisse, die die Aktionen organisieren, klug reagierten. Während die Aktivitäten der letzten Monate sich bis zu den Beschränkungen, die am 18. September in Kraft traten, an jedem Sonnabend um Netanjahus Amtssitz in Jerusalem konzentrierten, gibt es seither regelmäßig Hunderte von kleinen, aber auch größeren Versammlungen im ganzen Land. Schwerpunkt ist gegenwärtig wieder, wie schon in der Anfangszeit der Bewegung im Frühjahr, die größte Stadt des Landes, Tel Aviv. Aber während sich auf dem Höhepunkt der Aktionen in Jerusalem maximal 20.000 Menschen versammelten, wurde schon vor einer Woche nach Aussagen der Organisatoren landesweit die Teilnehmerzahl von 100.000 überschritten. Die meisten Medien des Landes zweifeln diese Angaben nicht grundsätzlich an. Dass die Bewegung durch die staatlichen Zwangsregelungen nicht verloren, sondern sogar noch gewonnen hat, ist offensichtlich. Am Sonnabend meldeten die Organisatoren über 1.000 Protestaktionen in ganz Israel. Die Teilnehmerzahl gaben sie mit mehr als 200.000 Menschen an. Die weitverbreiteten Fernsehsender Kanal 12 und Kanal 13 übernahmen diese Zahl und kommentierten, dass es mit Sicherheit die umfangreichsten Proteste seit Beginn der Bewegung gewesen seien…“
  • „Im Schatten der Pandemie“ von Judith Poppe am 11. Oktober 2020 in der taz onlinekommentiert zur jüngsten Entwicklung unter anderem: „… Doch ob dies noch in der Zukunft gelten kann, ist seit Corona fraglich: Denn aus Unmut vonseiten der Säkularen ist in der Krise mitunter blanker Hass geworden. Viele haben das Gefühl, wegen der Ultraorthodoxen erneut im Lockdown zu sitzen, und fürchten um ihre ökonomische Existenzgrundlage. Denn Netanjahu hatte im vergangenen Monat auf Druck der strenggläubigen Communitys den Ampelplan des Coronabeauftragen Ronni Gamzu zurückgewiesen. Gamzus Plan hätte lediglich die Corona-Hotspots abgeriegelt, die meisten von ihnen sind ultraorthodox geprägt. Stattdessen wurde kurz darauf landesweit der Lockdown verhängt. Doch nicht nur dies: Von den Ultraorthodoxen geht für viele die Gefahr einer Ansteckung aus. 40 Prozent der mit Corona Infizierten in Israel sind Ultraorthodoxe. Die Infektionsrate ist damit fünfmal höher als im Rest der Bevölkerung. Das liegt an der höheren Bevölkerungsdichte und an der vorhandenen Armut. Teilweise haben sich die Strenggläubigen aber auch nicht an die Regeln der sozialen Distanz gehalten. September und Oktober ist die Zeit zahlreicher jüdischer Feste. Angesichts der Infektionszahlen, denen Israel gegenüberstand, war es gerade für diese Zeit entscheidend, mit den Lockdown-Regelungen vor allem große Veranstaltungen, wie sie in religiösen Kreisen zu den Feiertagen üblich sind, zu verhindern. Stattdessen gab es jeden Tag neue Medienberichte über illegale Massenveranstaltungen von Ultraorthodoxen, die von der Polizei nicht aufgelöst wurden: 4.000 Gläubige sollen danach vor drei Wochen zum Feiertag Rosch ha-Schana ungestört in der Belz-Synagoge in Jerusalem gebetet und gesungen haben. Zu der Beerdigung von Rabbi Mordechai Leifer, der an Komplikationen von Covid-19 gestorben war, versammelten sich Tausende von Männern Schulter an Schulter. Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete zuletzt von einer Reihe von Vereinbarungen zwischen radikalen haredischen Gruppierungen in Jerusalem und der Polizei. Die Polizei soll den Ultraorthodoxen erlaubt haben, Massenversammlungen abzuhalten, solange diese in keiner Weise dokumentiert und öffentlich gemacht würden – und zudem in Innenräumen abgehalten werden, damit sie vor der säkularen Öffentlichkeit verborgen bleiben...“
  • Zu Netanjahus vergeblichem Versuch, die Epidemie gegen die Massenproteste auszunutzen zuletzt:  „„Und wer schützt sie vor dem Schmerz – wenn sie verbieten und keiner hörts?“ – trotz allgemeinem Verbot durch die Rechtsregierung neue Großdemonstrationen in Israel“ am 05. Oktober 2020 im LabourNet Germany

Quelle: labournet.de… vom 12. Oktober 2020

Tags: , , , , ,