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Covid-19 Pandemie und fiktives Kapital

Eingereicht on 27. Januar 2021 – 17:00

Weshalb steigen die Börsenindices seit bald 40 Jahren unaufhörlich während die Reallöhne nahezu stagnieren und die Profitrate nur schwach wächst? Weshalb hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass die Aktienkurse fast durchs Band immer weitere Höhen erklimmen, während die Produktion fast überall eingebrochen ist? Wie lange kann dies noch «gut» gehen? Die Corona-Pandemie ist nicht nur eine Naturgewalt; sie ist eine Naturgewalt, die sich ihren Weg unter den Bedingungen des neoliberalen Kapitalismus bahnt und die Menschheit immer tiefer in mehrachsige Krisen verstrickt – sofern kein massenhafter Widerstand erwächst. Michael Roberts, der bekannte marxistische Ökonom geht im folgenden Beitrag diesen Fragen nach. Der Beitrag wurde von uns übersetzt und leicht bearbeitet. Sein Blog enthält zudem einige weitere Beiträge zu Fragestellungen der marxistischen politischen Ökonomie. [Redaktion]

Michael Roberts. Im Verlaufe eines Jahres der COVID-Pandemie brachen Produktion, Investitionen und Beschäftigung in fast allen Volkswirtschaften der Welt ein, da Sperren, soziale Isolation und die Schrumpfung des internationalen Handels die Produktion und die Ausgaben gedrosselt haben. Bei den Aktien- und Obligationenmärkten der grossen Volkswirtschaften war das Gegenteil der Fall. Die US-Börsenindizes (wie auch diejenigen in anderen imperialistischen Ländern) beendeten das Jahr 2020 auf einem Allzeithoch. Nach dem anfänglichen Schock der COVID-Pandemie und den darauffolgenden Schliessungen und Sperrungen, als die US-Aktienmarktindizes um 40% fielen, erholten sich die Börsen dramatisch und übertrafen schliesslich das Niveau von vor der Pandemie.

Es ist klar, weshalb dies passiert ist. Dies kam durch die Einschiessung von riesigen Mengen von Kreditgeld in die Volkswirtschaften zustande. Die US-amerikanische Zentralbank Federal Reserve und andere grosse Banken haben durch den Kauf von Staatsanleihen von Banken und von Unternehmensanleihen eine Flut an Bargeld / Krediten in das Bankensystem und sogar direkt in Unternehmen gepumpt. Zudem wurden grosszügige direkte staatliche COVID-Kredite an Unternehmen vergeben. Die Zinssätze für diesen Kredit fielen gegen Null, und bei sogenannten «sicheren Vermögenswerten» wie Staatsanleihen wurden die Zinssätze sogar negativ. Obligationenkäufer zahlten der Regierung Zinsen, um deren Papiere zu kaufen!

Ein Grossteil dieser grosszügig vergebenen Kredite wurde nicht dazu verwendet, die Beschäftigten in Lohn und Beschäftigung zu halten oder die Geschäftstätigkeit der Unternehmen aufrechtzuerhalten. Stattdessen wurden die Kredite als sehr billige oder nahezu kostenlose Kredite verwendet, um mit finanziellen Vermögenswerten zu spekulieren. Was als «Margin Debt» bezeichnet wird, misst, wie viel Börsenkäufe durch Kreditaufnahme getätigt wurden. Die jüngste Margenverschuldung ist im Monatsvergleich um 7,7% gestiegen und befindet sich auf einem Rekordhoch.

Marx bezeichnete finanzielle Vermögenswerte, Aktien und Anleihen als «fiktives Kapital». Engels beschrieb den Sachverhalt hinter diesem Begriff erstmals in seiner frühen Arbeit zur Kritik der politischen Ökonomie von 1843/44, der Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie; und Marx entwickelte ihn im Band III des Kapital (Kapitel 25 und 29) weiter, wo er das fiktive Kapital als akkumulierte Ansprüche oder Rechtstitel auf zukünftige Einnahmen aus der kapitalistischen Produktion definierte; mit anderen Worten, Ansprüche auf «reales» Kapital, d.h. Kapital, das tatsächlich in physische Produktionsmittel und Arbeitskräfte investiert wird; oder auf Geldkapital, Bargeldmittel die vorgehalten werden. Ein Unternehmen sammelt Mittel für Investitionen usw. durch Ausgabe von Aktien und / oder Anleihen. Die Eigentümer der Aktien oder Anleihen haben dann Anrecht auf einen entsprechenden Teil des zukünftigen Gewinns des Unternehmens. Für diese Ansprüche gibt es einen «Sekundärmarkt», d.h. für den Kauf und Verkauf dieser bestehenden Aktien oder Anleihen. ein Markt für die Zirkulation dieser Eigentumsrechte.

Aktien und Anleihen / Obligationen fungieren nicht als reales Kapital; sie stellen lediglich einen Anspruch auf künftige Profite dar. «Der Kapitalwert eines solchen Papiers ist… völlig illusorisch… Die Papiere gelten als Eigentumstitel, die dies Kapital vorstellen.» Marx fährt in seinen Ausführungen fort: «Die Aktien von Eisenbahn-, Bergwerks-, Schiffahrts- etc. Gesellschaften stellen wirkliches Kapital vor, nämlich das in diesen Unternehmungen angelegte und fungierende Kapital oder die Geldsumme, welche von den Teilhabern vorgeschossen ist, um als Kapital in solchen Unternehmungen verausgabt zu werden. Wobei keineswegs ausgeschlossen ist, dass sie auch blossen Schwindel vorstellen. Aber dies Kapital existiert nicht doppelt, einmal als Kapitalwert der Eigentumstitel, der Aktien, und das andre Mal als das in jenen Unternehmungen wirklich angelegte oder anzulegende Kapital. Es existiert nur in jener letztern Form, und die Aktie ist nichts als ein Eigentumstitel, pro rata, auf den durch jenes zu realisierenden Mehrwert. A mag diesen Titel an B, und B ihn an C verkaufen. Diese Transaktionen ändern nichts an der Natur der Sache. A oder B hat dann seinen Titel in Kapital, aber C sein Kapital in einen bloßen Eigentumstitel auf den von dem Aktienkapital zu erwartenden Mehrwert verwandelt.». (MEW 25, 484f)

#Bild: Dow Jones Aktienindex 2020 bis Januar 2021

Quelle: thenextrecession..com…

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