Democratic Socialists of America (DSA) unterstützen US-Demokraten
Eric London. Vom 1. bis 8. August treffen sich 1.300 Delegierte der Democratic Socialists of America (DSA) online zu ihrem Parteitag, der alle zwei Jahre stattfindet. Die DSA präsentiert sich in den Vereinigten Staaten als wachsende linke Bewegung, deren Ziel es sei, „eine Welt zu gewinnen, organisiert und regiert von der großen Mehrheit, der Arbeiterklasse, und für diese“. So steht es im Entwurf ihrer Hauptresolution, ihrer Plattform, die dem Parteitag zur Diskussion vorliegt.
Die DSA ist eine Fraktion der US-Demokraten. Sie wird von Funktionären der Demokratischen Partei geführt, und ihr wirkliches Ziel besteht darin, den Widerstand gegen den Rechtsruck des politischen Establishments aufzufangen.
Es ist die erste Versammlung der nationalen DSA-Delegierten seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie, den Wahlen 2020, den Streiks und Massenprotesten 2020–2021 und dem Putschversuch von Donald Trump am 6. Januar 2021. Sie findet in einer Situation sechs Monate nach Joe Bidens Amtsantritt statt, und es steht außer Zweifel, dass die Demokraten die Politik der Trump-Regierung fortsetzen. Die Demokraten heben die Covid-19-Beschränkungen auf, sie erklären China zum Sündenbock für die Pandemie, verweigern den Migranten die Einreise in die USA und weigern sich, die soziale Sicherheit spürbar zu verbessern.
Diese grundlegenden politischen Fragen finden keinen Eingang in die Tagesordnung des DSA-Parteitags, und sie werden auch im Entwurf der Hauptresolution entweder komplett ignoriert oder als nebensächlich behandelt. Viel wichtiger ist das zentrale Bemühen der Organisation, sich in mehreren bundesstaatlichen Parlamenten und Stadträten in die Fraktionen der Demokraten einzureihen.
Der Entwurf der Plattform enthält keinen einzigen Verweis auf Joe Biden oder seine Regierung und nur einen flüchtigen Hinweis auf die Demokratische Partei. Er enthält keinerlei Kritik an der Politik der Demokraten im Weißen Haus oder im Kongress. Auch gibt es keinen Hinweis auf „Faschismus“, auf Trumps Versuche, das Wahlergebnis zu kippen, oder auf die Ereignisse des 6. Januar 2021 – gerade so, als sei der Putschversuch des damaligen Präsidenten ohne jede politische Bedeutung. Donald Trump oder die Trump-Administration werden nur im Zusammenhang mit einer Darstellung des Mitgliederwachstums der DSA in den letzten vier Jahren überhaupt erwähnt.
Der Entwurf der Plattform erwähnt die Covid-19-Pandemie nur kurz, wo es heißt, das Virus habe „Hunderttausende von Menschen getötet“. In Wirklichkeit hat die Pandemie weltweit weit über vier Millionen Menschen getötet, in den USA wahrscheinlich, gemessen an der Übersterblichkeit, mehr als eine Million. Der Resolutionsentwurf übt keine Kritik an der Art und Weise, wie die Kapitalistenklasse auf die Pandemie reagiert hat, und dass sie das Leben so vieler Arbeiter ihrem Profit geopfert hat.
Im Gegensatz dazu enthält der Resolutionsentwurf mehrere Vorschläge für kleine Wahlreformen, wie zum Beispiel eine Änderung der Filibuster-Taktik im Senat, mehr Bundesrichter, die Beschränkung der Amtszeit für Richter am Obersten Gericht oder die Verabschiedung mehrerer Wahlrechtsentwürfe der Demokraten, die im (demokratisch kontrollierten) Senat bisher vor sich hin dümpeln. Daneben gibt es Dutzende von Hinweisen auf die Identitätspolitik der Mittelklasse. Dreizehnmal kommen die Begriffe „Gender“ und „Feminismus“ vor, achtmal „Sexualität“ und mehr als zehnmal „Rasse“, sowie im Zusammenhang mit Hautfarbe elfmal „schwarz“ und zwölfmal „weiß“.
Auf der Tagesordnung stehen vier Sitzungen zur Erörterung taktischer Fragen bei der Durchführung von Wahlkämpfen in der Demokratischen Partei. Eine Thema lautet: „Using Elected Office to Build Socialism“ (‚Als gewählter Amtsträger für den Sozialismus wirken‘). Nicht weniger als drei Sitzungen sind der Religion gewidmet, und ein Thema lautet: „Was kann die Linke aus religiösen Traditionen gewinnen“. In einer Sitzung sollen Mitglieder lernen, wie man das Bremslicht eines Autos repariert. Kein einziges Thema befasst sich mit Trump, der Demokratischen Partei oder Fragen wie Imperialismus und Krieg.
Das ist kein Zufall. Die DSA-Führung ist nicht in der Lage, in ihrer Hauptresolution zu grundlegenden politischen Fragen Stellung zu nehmen, denn dies würde sofort den Widerspruch im Kern ihrer Organisation aufdecken: Die Aufgabe der DSA-Führung besteht darin, die wachsende sozialistische Stimmung innerhalb der kapitalistischen, imperialistischen US-Demokraten aufzufangen und unschädlich zu machen.
Auch die Politiker, welche die DSA unterstützt, entsprechen dieser Dynamik, und wenn sie diese Demokraten als lebendigen Beweis dafür anführt, dass sie die Demokratische Partei erfolgreich nach links drücken können, so beweist die wirkliche Rolle dieser Politiker das Gegenteil. Der Resolutionsentwurf verweist auf den Erfolg der „zwei demokratisch-sozialistischen Präsidentschaftswahlkämpfe von Bernie Sanders“ und brüstet sich mit „Wahlsiegen der Arbeiterklasse auf allen Regierungsebenen“.
Im Resolutionsentwurf findet sich jedoch kein Versuch, die Erfahrungen der Sanders-Wahlkämpfe zu analysieren. Sonst müsste man zugeben, dass Bernie Sanders‘ Wahlkämpfe die amerikanische bürgerliche Politik keineswegs zu einem Linksruck veranlasst hat, sondern im Gegenteil weiter nach rechts getrieben hat. Bei den Vorwahlen der Demokraten im Frühjahr 2020 gewann Bernie Sanders die Stimmen von fast zehn Millionen Menschen – nur um dann im April aus dem Rennen auszusteigen und Biden zu unterstützen. Sein Wahlkampf hat nicht, wie angekündigt, zu einer „politischen Revolution“ geführt. Stattdessen hat Sanders den Vorsitz des Senatsausschusses übernommen, der den Haushalt des kapitalistischen Staates abgesegnet hat!
Bei den Parlamentswahlen 2020 trommelten Bernie Sanders, die New Yorker Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez (ein DSA-Mitglied) und ein Großteil der DSA-Führung aktiv für den rechten Joe Biden, einen Mann der Banken, des Militärs, der Kreditkartenkonzerne und des Gefängnis–Industriekomplexes. Die bürgerliche Presse schwärmt nun von Sanders‘ deutlichem Bemühen, die Regierung Biden zu stützen, und lobt seine Hinwendung zu einem, wie sie es nennen, „pragmatischen“ Ansatz.
Diese Woche half Sanders im Senat, mit Unterstützung der Republikaner ein konservatives Infrastrukturpaket durchzubringen. Schon im März 2020 hatte er für das CARES-Gesetz gestimmt: ein milliardenschweres Corona-Hilfspaket als Geschenk an die Konzerne. Heute blockiert Sanders jeden Versuch, einige Milliarden Dollar für ein Beschäftigungsprogramm oder für Sozialleistungen zur Bekämpfung der Armut und der Ungleichheit auszugeben. So hat auch David Axelrod, Obamas ehemaliger Berater, gegenüber Politico bestätigt, dass Sanders „auf prinzipielle Weise pragmatisch geworden“ sei. Politico berichtete auch, dass der gemäßigte Demokratische Senator Brian Schatz „auf die Frage, ob Sanders konservativer geworden sei, mit einem knappen ‚Ja‘ antwortete, aber hinzufügte: ‚Ich möchte ihm keine Schwierigkeiten bereiten‘.“
Wie Associated Press am Mittwoch berichtete, will Sanders seine politische Organisation „Our Revolution“ neu aufstellen. Im Wahlkampf waren seine Markenzeichen die Forderungen nach „Medicare for All“ bzw. einer universellen, staatlich finanzierten Krankenkasse und einem „Green New Deal“ gegen den Klimawandel. Jetzt konzentriert sich „Our Revolution“ auf die bescheideneren Alternativen, die Präsident Joe Biden zu bieten hat.
Die DSA-„Mannschaft“ im Kongress spielt die gleiche Rolle. Die New Yorker Demokraten und DSA-Mitglieder Jamaal Bowman und Ocasio-Cortez haben sich letzte Woche mit dem Bürgermeisterkandidaten von New York City, Eric Adams, einem rechten Demokraten und ehemaligen Polizisten, getroffen. Bowman sagte danach, es sei „ein gutes Meeting“ gewesen, und fügte hinzu: „Es geht nicht um Ideologie oder um Parteien, all diesen Unsinn. Darüber reden wir nicht.“
Die DSA-Führer können den rechten Flügel der Demokraten noch so sehr mit Lob überhäufen. Diese rechten Demokraten haben völlig klargemacht, dass sie der DSA keine politischen Zugeständnisse machen werden. Erst vor kurzem haben Eric Adams und Biden sich deutlich gegen Sozialismus ausgesprochen. Biden erklärte: „Der Kommunismus ist ein gescheitertes System, ein universell gescheitertes System. Und ich sehe den Sozialismus nicht als einen besonders nützlichen Ersatz an, aber das ist eine andere Geschichte.“ Während Biden damit den linken Flügel seiner eigenen Partei vor den Kopf stößt, unterstützte er ganz offen die Republikaner. „Wir brauchen eine republikanische Partei“, sagte Biden wenige Tage nach Trumps Putschversuch vom 6. Januar. „Wir brauchen eine Opposition, die prinzipiell und stark ist.“
Ein weiteres Ziel des DSA-Parteitags besteht darin, die AFL-CIO-Bürokratie zu stärken. Auf der Rednerliste steht das DSA-Mitglied Sara Nelson, Präsidentin der Gewerkschaft der Flugbegleiter. Die DSA und die Demokratische Partei sind sich der wachsenden Rebellion der Arbeiter gegen die AFL-CIO-Bürokratie durchaus bewusst, und sie stellen die Gewerkschaften lediglich als Opfer von „Union Busting“ dar, der gewerkschaftsfeindlichen Manöver der Bosse. In Wirklichkeit sind die Gewerkschaften Komplizen der Bosse, und im letzten halben Jahrhundert haben sie die Arbeiterklasse immer wieder verraten. Der Resolutionsentwurf stellt die spontane Streikwelle der Lehrer von 2018 als „Bewegung für eine Gewerkschaftsreform“ dar, nicht als Aufstand der Basis gegen die Gewerkschaftsbürokratie. Der Resolutionsentwurf sieht vor, die Kontrolle der AFL-CIO über die Arbeiterklasse auszuweiten, insbesondere durch die Förderung des PRO Act [des Gesetzesentwurfs ‚Protecting the Right to Organize Act‘, der den Einfluss der Gewerkschaften in den Betrieben stärken soll].
Inzwischen hüllen sich die DSA und die ihr nahestehenden Medien, darunter die Zeitschrift Jacobin, in völliges Schweigen über den Streik der Volvo-Arbeiter in Dublin, Virginia. Dieser Streik hat sich zu einer Rebellion der einfachen Arbeiter gegen den Verrat der Gewerkschaft United Auto Workers entwickelt.
Während die DSA den Parteitag vorbereitet, gerät sie selbst immer tiefer in die Krise. Der Grund dafür ist, dass ein Teil der Parteibasis, der tatsächlich auf Sozialismus und einen Bruch mit den Demokraten hofft, die Führung immer stärker als eine Kraft empfindet, die ihr feindlich entgegensteht. Ein wichtiger Führer ist zum Beispiel David Duhalde, der früher als Mitarbeiter des Demokratischen Nationalkomitees arbeitete.
Im März haben Tausende von DSA-Mitgliedern auf ein Interview von Ocasio-Cortez verärgert reagiert. Darin erklärte sie dem DSA-Magazin Democratic Left, die Biden-Regierung und die amtierenden Demokraten hätten sich „völlig neu erfunden, und zwar in eine viel progressivere Richtung“. Der Druck von unten habe „einen beinahe radikalen Wandel“ in der Führung der Demokraten bewirkt. Ocasio-Cortez griff sozialistische Gegner der Biden-Regierung als „Kritiker in böser Absicht“ an; nur „Privilegierte“ könnten Biden derart von links angreifen, und das würde nur den Rassisten nützen. Ocasio-Cortez‘ Ausführungen verrieten die DSA-Wurzeln im Antikommunismus der Max-Shachtman-Bewegung und ihres Gründers Michael Harrington, als sie sich über die „Klassen-Essenzialisten“ [die sich ausschließlich mit Klassenfragen beschäftigen] ereiferte, weil für sie Menschenrechte angeblich „nachrangig“ seien.
Als die World Socialist Web Site das Interview von Ocasio-Cortez in einem Artikel enthüllte, der von über 100.000 Menschen gelesen wurde, darunter Tausende DSA-Mitglieder, entfesselte ein Teil der DSA-Führung eine Hetzkampagne, in der sie sich über die stalinistische Ermordung von Leo Trotzki lustig machte und die Verbrechen des Stalinismus verniedlichte. Am 22. Mai schrieb David North, der Vorsitzende der internationalen WSWS-Redaktion, einen offenen Brief an die politische Direktorin der DSA, Maria Svart. Darin forderte er die Organisation auf, Maßnahmen gegen die Verantwortlichen zu ergreifen, aber Svart weigerte sich, auch nur auf den Brief zu antworten. Mehrere DSA-Ortsverbände unterbanden die Forderung ihrer Mitglieder nach einer demokratischen Diskussion über diese Frage.
Inmitten des Corona-Massensterbens, des explosionsartigen Anwachsens des Klassenkampfs, der immer bedrohlicheren Klimakrise und der Gefahr von Krieg und Faschismus spielt die DSA ihre Rolle in der absurden Dynamik der kapitalistischen Politik. Sie ist eine wichtige Stütze der Demokratischen Partei, einer 200 Jahre alten Institution der imperialistischen Weltreaktion. Die Demokraten wiederum verschaffen den Republikanern die notwendige soziale Stabilität, während diese sich in wachsendem Maß an Trump als Verkörperung von „Recht und Ordnung“ und als Retter der Unternehmensgewinne wenden.
Das gesamte politische Establishment treibt immer weiter nach rechts und reißt die DSA mit sich. Für Revolutionäre liefert die DSA vor allem eins: das Beispiel für all das, was der Sozialismus gerade nicht ist.
Quelle: wsws.org… vom 31. Juli 2021
Tags: Breite Parteien, Imperialismus, Sozialdemokratie, Strategie, USA
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