Schweiz
International
Geschichte und Theorie
Debatte
Kampagnen
Home » Geschichte und Theorie, International, Kampagnen

Der Bankrott der britischen Neoliberalen im Nationalen Gesundheitsdienst (NHS)

Eingereicht on 8. Februar 2023 – 17:01

Dossier. In den letzten 10 Jahren sind in Großbritannien jedes Jahr mehr als 1.500 Betten in NHS-Krankenhäusern abgebaut worden. Obwohl die Bertelsmann-Stiftung ihr wenig segensreiches Wirken in Großbritannien nicht betreibt, gibt es auch hier neoliberale Ideologen und Schreibtischtäter zuhauf, die ein Gesundheitswesen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen haben wollen – und Regierungen, die diese Orientierung massiv umsetzen. Im Angesicht der Corona-Epidemie müssen diese Verteidiger von Profit und Privileg jetzt kapitulieren: Die fehlenden Betten müssen angemietet werden (die Alternative „Beschlagnahmung“ kann eine Rechtsregierung heute nicht wagen). Für sage und schreibe 300 Pfund – pro Nacht. Und die nicht besonders profitable Produktion von Beatmungsgeräten per Appell an Produktkonversion ankurbeln: Autokonzerne sollen das machen. Siehe zur Entwicklung der Situation in Großbritannien und dabei insbesondere zur jahrelangen Demontage des NHS und der Streiks dagegen:

  • Größter Streik in der Geschichte des NHS: 300.000 Arbeitende legten am 6. und 7. Februar 2023 Arbeit nieder / Krankenstand durch Stress höher als durch Covid
    • „Zehntausende von Krankenschwestern und Krankenpfleger legten am Montag [06. Februar 2023] im Rahmen eines Lohnstreits die Arbeit nieder (…) Krankenschwestern und Krankenpfleger streiken seit Ende letzten Jahres getrennt voneinander, aber die Arbeitsniederlegung am Montag, an der sich beide vor allem in England beteiligen, ist die größte in der 75-jährigen Geschichte des NHS. Krankenschwestern und -pfleger werden auch am Dienstag, Krankenwagenpersonal am Freitag und Physiotherapeut:innen am Donnerstag die Arbeit niederlegen, was die Woche wahrscheinlich zur störungsreichsten in der Geschichte des NHS macht, so der medizinische Direktor Stephen Powis. Die Beschäftigten des Gesundheitswesens fordern eine Lohnerhöhung, die die schlimmste Inflation in Großbritannien seit vier Jahrzehnten widerspiegelt. Die Regierung behauptet, das sei unbezahlbar und würde nur zu weiteren Preissteigerungen führen, die Zinsen und Hypothekenzahlungen weiter in die Höhe treiben. „Die Regierung muss zuhören und über die Gehälter diskutieren, statt nur zu sagen, dass der NHS kein Geld hat“, sagte Krankenschwester Ethna Vaughan, die an einer Demonstration vor dem St. Thomas‘ Hospital im Zentrum Londons teilnahm. „Mit dem, was wir bekommen, können wir nicht überleben“. Rund 500.000 Beschäftigte, viele davon im öffentlichen Dienst, streiken seit letztem Sommer und erhöhen den Druck auf Premierminister Rishi Sunak, die Streitigkeiten beizulegen und die Unterbrechung öffentlicher Dienste wie Eisenbahnen und Schulen zu begrenzen. Die Gewerkschaft Royal College of Nursing (RCN) forderte Sunak am Wochenende schriftlich auf, den Streik der Krankenschwestern und -pfleger durch „sinnvolle“ Lohnangebote „schnell zu beenden“. Ein Sprecher von Sunak sagte am Montag, es sei nicht geplant, dass sich der Premierminister in die Gespräche einmischt, und fügte hinzu: „Wir wollen weiter darüber diskutieren, wie wir mit den Gewerkschaften einen Weg nach vorne finden können.“ „Maria Caulfield, Ministerin für psychische Gesundheit und Frauengesundheit, sagte am Montag gegenüber Sky News: „Wir haben einen der arbeitsreichsten Winter, den wir je hatten, und der NHS erhält Mittel in Rekordhöhe, um die Leistungen zu sichern. (…) Der RCN sagt, dass ein Jahrzehnt schlechter Bezahlung dazu beigetragen hat, dass Zehntausende von Krankenschwestern und -pflegern den Beruf verlassen haben – 25.000 allein im letzten Jahr – und dass sich der gravierende Personalmangel auf die Patientenversorgung auswirkt. (…) Der RCN hatte ursprünglich eine Gehaltserhöhung von 5 % über der Inflationsrate gefordert und seitdem erklärt, dass er der Regierung „auf halbem Weg“ entgegenkommen könne. In der Zwischenzeit werden Tausende von Krankenschwestern und -pflegern, die von den Gewerkschaften GMB und Unite vertreten werden, am Montag in ihrem eigenen Tarifstreit streiken. Beide Gewerkschaften haben mehrere weitere Tage des Arbeitskampfes angekündigt. Es werden nicht alle Krankenschwestern und Krankenpfleger gleichzeitig streiken und Notfälle werden versorgt. In Wales haben Krankenschwestern und -pfleger und einige Sanitäter:innen ihre für Montag geplanten Streiks abgesagt, da sie die Lohnangebote der walisischen Regierung prüfen.“ Artikel von Sachin Ravikumar und Natalie Thomas vom 6. Februar 2023 auf Saltwire („Workers stage largest strike in history of Britain’s health service“)
    • Siehe #AmbulanceStrikes und die Berichterstattung von Unite auf Twitter
    • Tory-Gesundheitsministerin verurteilt den Streik der Krankenpfleger:innen – obwohl sie selbst Mitglied des RCN ist„… Das Royal College of Nurses (RCN) führt am 6. und 7. Februar zwei Streiktage für Krankenschwestern durch. Am ersten Tag streiken auch die Krankenschwestern und Krankenpfleger, und am Freitag, den 10. Februar, werden einige von ihnen erneut in den Ausstand treten…“ Artikel von Steve Topple vom 6. Februar 2023 auf The Canary („Tory health minister condemns the nurses’ strike – while being an RCN member“)
    • Stresslevel sorgt im NHS für höheren Personalausfall als Covid
      „‘Burnout‘ und Stress unter Ärzt:innen, Krankenpfleger:innen, Sanitäter:innen und anderem Gesundheitspersonal haben den NHS in England seit März 2020 mehr als 15 Millionen verlorene Arbeitstage gekostet, etwa 50 % mehr als die Tage, die durch Covid-Infektionen und Selbstisolation verloren gingen, wie eine Analyse offizieller Zahlen durch den Observer zeigt. Die Krankenstandszahlen des NHS zeigen, dass zwischen März 2020, dem Monat des ersten Covid-Lockdowns, und dem vergangenen September 15,4 Mio. Arbeitstage im NHS aufgrund von stressbedingten Fehlzeiten verloren gingen, verglichen mit 9,8 Mio. Tagen, die durch Personal verloren gingen, das sich selbst isolieren musste oder an Covid erkrankt war. (…) Neue Zahlen aus der jüngsten BMA-Umfrage unter Assistenzärzten in England zeigen, dass sich mehr als drei Viertel der Befragten (78 %) im vergangenen Jahr aufgrund von arbeitsbedingtem Stress unwohl fühlten. Die meisten angehenden Ärztinnen und Ärzte (81 %), die an der Umfrage teilnahmen, gaben an, dass sich ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden seit Dezember 2021 verschlechtert oder nicht verbessert haben. (…) Eine weitere Umfrage unter den Mitgliedern des Royal College of Radiologists (RCR) ergab, dass die Hälfte über eine Reduzierung der Arbeitszeit nachdenkt und fast ein Drittel (31%) erwägt, den NHS zu verlassen, um woanders zu arbeiten. (…) Einige Ambulanzgesellschaften meldeten, dass mehr als einer von zehn Mitarbeitern während der Pandemie ausfiel. Der Gesamtkrankenstand im NHS in England lag im September 2022 bei 5 %, den neuesten verfügbaren Zahlen. Informationsfreiheitsanfragen der Liberaldemokraten zeigen, dass allein im Jahr 2022 mehr als 154.000 Tage des Personals von Ambulanzgesellschaften wegen schlechter psychischer Gesundheit ausgefallen sind…“ Artikel von Jon Ungoed-Thomas, Shanti Das and Miranda Bryant vom 5. Februar 2023 im Guardian Online („Stress led to more NHS staff absences than Covid, new figures show“)
  • Ärzt:innen aus dem Sudan senden „uneingeschränkte Solidarität“ mit NHS-Streik – 4.000 Pflegekräfte Nordirlands im Streik am 26. Januar und am 16., 17., 23., und 24. Februar 2023
    • Sudanesische Ärzt:innengewerkschaft sendet „uneingeschränkte Solidarität“ mit NHS-Streiks
      „Wir vom Sudanese Doctors Syndicate erklären unsere uneingeschränkte Solidarität mit dem Royal College of Nursing, dem NHS und den Arbeitenden im Rettungsdienst über das Middle East and North Africa Solidarity Network. Wir sind uns der Verschlechterung der Gesundheitsdienste in Großbritannien bewusst, die auf die Verschlechterung der Löhne und das Versäumnis, die Sicherheit der Patient:innen zu verbessern, zurückzuführen ist. Früher waren die Gesundheitsdienste in Großbritannien in Bezug auf Organisation und Funktionalität vorbildlich. Auch wir im Sudan leiden unter der Verschlechterung der Gesundheitsdienste, der Auszehrung der Ressourcen der Krankenhäuser und der Umwandlung von Gesundheitsdiensten in Investitionsmöglichkeiten. Die sudanesischen Bürgerinnen und Bürger hetzen derweil zwischen privaten Krankenhäusern hin und her, die sie sich angesichts der sich verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen nicht leisten können. Wir stehen fest zu euren dringenden Forderungen. Es lebe die gewerkschaftliche Solidarität. Lang lebe der Kampf der Arbeitenden für die Wiederherstellung ihrer Rechte…“ Solidaritätsbotschaft vom Sudanese Doctors Syndicate vom 20. Januar 2023 beim MENA Solidarity Network („Sudanese doctors’ union sends “unlimited solidarity” to NHS strikes“)
    • 4.000 Unite NHS-Mitglieder streikten am 26. Januar 2023 in ganz Nord Irland zusätzlich sind zwei Mal 48h Streiks am 16./17. und 23./24. Februar geplant
      „Vertreter:innen der Gewerkschaft Unite, die 4.000 Arbeitende im Gesundheits- und Sozialwesen in ganz Nordirland vertritt, werden sich morgen (Donnerstag, 26. Januar) den Mitgliedern anderer Gesundheitsgewerkschaften anschließen und in den Streik treten. Der Streik ist eine Folge der nicht erfolgten Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Die Unite-Mitglieder aller fünf Gesundheitsbehörden und des Northern Ireland Ambulance Service haben sich mit durchschnittlich 87 Prozent für den Streik ausgesprochen. Unite-Generalsekretärin Sharon Graham sagte: „Die Unite-Mitglieder haben mit überwältigender Mehrheit für Streiks gestimmt und das lächerliche Lohnangebot der Regierung abgelehnt, das eine reale Lohnkürzung bedeutet. Diese Streiks sind das absolut letzte Mittel, das wir ergreifen. Unsere Mitglieder sehen, wie der NHS vor ihren Augen ausgehöhlt wird und das Leben der Patient:innen aufgrund der chronischen Unterfinanzierung gefährdet ist. In Ermangelung einer funktionierenden Stormont-Exekutive liegt die Verantwortung für diesen Streik eindeutig bei Rishi Sunak, der es versäumt hat, Führungsstärke zu zeigen und sicherzustellen, dass die NHS-Bosse den Arbeitenden, die unsere Gesundheits- und Sozialfürsorgedienste am Laufen halten, ein realistisches Angebot machen. Der leitende Unite-Regionalbeauftragte für das Gesundheitswesen in Nordirland, Kevin McAdam, sagte: „Niemand sollte Zweifel an der Entschlossenheit unserer Mitglieder haben, ihren Lebensstandard inmitten einer beispiellosen Lebenskostenkrise zu verteidigen. Unsere Mitglieder werden morgen gemeinsam mit Mitgliedern anderer Gesundheitsgewerkschaften an den Streikposten stehen, und Unite hat den Arbeitgebern bereits mitgeteilt, dass wir auch am 16., 17., 23. und 24. Februar Aktionen durchführen werden.“ Pressemitteilung von UNITE vom 25. Februar 2023 („4,000 Unite NHS members to strike across NI tomorrow“)
    • Siehe dazu auch den Artikel von Peter Stäuber vom 20. Januar 2023 in der WorkZeitung

: „Ein Kampf um Leben und Löhne“

  • Neue NHS-Streikwelle: Rettungsfachkräfte am 23.1. und an weiteren 10 Tagen – Physiotherapeut:innen am 26.1. und 9.2. – Pflegekräfte am 6.-7.2. im 48-Stunden-Streik
    • Unite kündigt 10 neue Streiktermine an, da der Streit beim Krankenwagentransport eskaliert
      „… Die Mitglieder der Unite werden in den kommenden Wochen zehn weitere Streiks durchführen (…). Weitere Termine könnten in den nächsten Tagen bekannt gegeben werden. Die Ankündigung neuer Streiks erfolgt im Vorfeld des jüngsten Arbeitskampftages der Unite-Beschäftigten im Rettungsdienst, die am kommenden Montag (23. Januar) die Arbeit niederlegen werden.
      Irreführung der Öffentlichkeit
      Unite-Generalsekretärin Sharon Graham sagte: „Anstatt zu handeln, um den NHS zu schützen und ein Ende des Konflikts auszuhandeln, hat sich die Regierung schändlicherweise dafür entschieden, die Beschäftigten im Rettungsdienst zu dämonisieren. Die Minister:innen führen die Öffentlichkeit absichtlich in die Irre, wenn es um die Absicherung von Leib und Leben geht und darum, wer die Schuld an den übermäßigen Todesfällen trägt. Unsere Mitglieder leisten an Streiktagen treue Dienste für Leib und Leben, und es sind nicht die Gewerkschaften, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen: Es ist der katastrophale Umgang der Regierung mit dem NHS, der ihn an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat. Und während sich die Krise auftürmt, wäscht der Premierminister seine Hände in Unschuld. Was für eine Schande. (…)
      Streikende Regionen
      Die neu angekündigten Streiks betreffen die Unite-Mitglieder im Nordwesten, Nordosten, in den East Midlands, West Midlands, Wales und Nordirland. Wie bei früheren Streiks werden die Unite-Vertreter:innen auf regionaler Ebene Ausnahmeregelungen vereinbaren, um sicherzustellen, dass die Notfallversorgung für Leib und Leben während der Streiks gewährleistet ist. Andere Ausnahmeregelungen stellen sicher, dass Patient:innen, die lebensrettende Behandlungen benötigen, wie Nieren- und Krebsbehandlungen, zu ihren Terminen transportiert werden. (…) Aktuelle Informationen darüber, wann Unite-Mitglieder, die bei verschiedenen Ambulanz-Trusts beschäftigt sind, streiken werden: West Midlands: 6. und 17. Februar sowie 6. und 20. März; North East: 6. und 20. Februar sowie 6. und 20. März; East Midlands: 6. und 20. Februar und 6. und 20. März; Wales: 6. und 20. Februar und 6. und 20. März; Nordwesten: 6. und 22. Februar 6. und 20. März; Nordirland: 26. Januar und 16, 17, 23 und 24. Februar; Der Arbeitskampf in Nordirland betrifft mehr als 4.000 Beschäftigte im gesamten Gesundheits- und Sozialwesen, einschließlich der Beschäftigten im Rettungsdienst…“ Stellungnahme von UNITE vom 20. Januar 2023 („Unite announces 10 fresh strike dates as ambulance dispute escalates“)
    • NHS-Physiotherapeut:innen schließen sich der Pflegestreikwelle an und streiken am 26. Januar und 9. Februar
      „NHS-Physiotherapeut:innen werden am 9. Februar in weiteren 32 Gesundheitseinrichtungen in England streiken, hat die CSP heute bekannt gegeben. (…) Der Streiktag im Februar folgt auf den bereits angekündigten Arbeitskampf der CSP-Mitglieder in 30 weiteren Gesundheitseinrichtungen, der am 26. Januar stattfinden soll. Der Arbeitskampf, zu dem der CSP-Rat aufgerufen hat, folgt auf den Streik der CSP bei 119 NHS-Arbeitgebern in ganz England – durch Urabstimmungen, die Ende letzten Jahres und Anfang dieses Monats stattfanden. Alle acht Gesundheitsämter in Wales haben ebenfalls ein Streikmandat erhalten. Die CSP wird weiterhin an den Gesprächen mit den jeweiligen Regierungen teilnehmen. Sollte jedoch kein verbessertes Angebot vorgelegt werden, werden zu gegebener Zeit weitere Streiktermine bekannt gegeben…“ Pressemitteilung der CSP vom 19. Januar 2023 („CSP announces further employers affected by strike action in England“)

      • Siehe für weitere Infos #CSP4FairPay
    • Pflegepersonal des NHS in ganz England wird an zwei aufeinanderfolgenden Tagen streiken
      „… Wenn bis Ende Januar keine Fortschritte erzielt werden, werden wir unseren Streik am 6. und 7. Februar ausweiten und die Mitglieder von 73 NHS Trusts in England und allen NHS-Arbeitgebern in Wales mit einer Ausnahme mit einbeziehen. Pat Cullen, Generalsekretärin und Geschäftsführerin des RCN, sagte: „Der heutige Streik des Pflegepersonals ist eine bescheidene Eskalation, bevor es in weniger als drei Wochen zu einer drastischen Verschärfung kommt. Wenn eine Woche für Rishi Sunak eine lange Zeit ist, sind drei Wochen die Zeit, die er braucht, um eine Lösung zu finden. Die Menschen sterben nicht, weil die Pflegekräfte streiken. Die Pflegekräfte streiken, weil die Menschen sterben. So ernst ist es um den NHS bestellt und es ist an der Zeit, dass der Premierminister einen Kampf um seine Zukunft führt. Die heutige Rekordzahl unbesetzter Stellen für Krankenschwestern und Krankenpfleger darf nicht weiter steigen. Bezahlt das Pflegepersonal fair, um die Situation zu ändern und der Öffentlichkeit die Pflege zu bieten, die sie verdient. (…) Unser Konflikt erstreckt sich auch auf Nordirland, wo in den kommenden Wochen über weitere Streiks entschieden wird, wenn sich die britische Regierung nicht bewegt. In Schottland ruhen die Streiks, während die Verhandlungen weitergehen…“ Stellungnahme der RCN vom 18. Januar 2023 („NHS nursing staff across England will join picket lines for two consecutive days after the UK government refuses to open formal pay negotiations.“)

      • Weitere Infos unter #RCNStrike
  • Zwei Tage Streik, zwei Tage Solidarität: Der britische Gesundheitssektor legte am 18. und 19. Januar 2023 die Arbeit nieder / Tories ließen sich von privaten Gesundheitsfirmen einladen
    • Öffentliche Zustimmung für Streikende hält an, während Krankenschwestern und -pfleger zwei Tage lang in den Arbeitskampf treten
      „Heute, am 18. Januar [2023], finden in ganz England Streiks des Pflegepersonals statt, nachdem sich die Regierung weiterhin weigert, über die Gehälter zu diskutieren. Ein zweiter Streiktag wird am 19. Januar stattfinden. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage zeigt, dass die öffentliche Unterstützung für solche Aktionen nicht nachlässt. Das Royal College of Nursing (RCN) warf der Regierung vor, nicht ernsthaft über eine Verbesserung der Gehaltsvereinbarung für das laufende Jahr zu verhandeln. Die Gewerkschaft erklärte, sie setze sich für eine Gehaltserhöhung ein, „um dem chronischen Personalmangel entgegenzuwirken“. Sie erklärte im September 2022, dass mehr als 40.000 Krankenschwestern und -pfleger im vergangenen Jahr aufgehört hätten, für den NHS zu arbeiten…“ Artikel von Glen Black vom 18. Januar 2023 auf The Canary („Public approval for strikers continues as nurses begin two days of industrial action“)
    • Personalmangel kostet Leben: Krankenpfleger:innen streiken, weil Patient:innen sterben
      „…Während sich die Minister darauf konzentrieren, die grundlegenden bürgerlichen Freiheiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu beschneiden und einen Krieg gegen ihre Gewerkschaften zu führen, geht die NHS-Krise, die jede Woche zu Hunderten von Todesfällen führen soll, weiter. Der Grund für diese Krise sind eine Reihe politischer Entscheidungen zur Unterfinanzierung des Gesundheitswesens und zur Unterbewertung der Beschäftigten in diesem Bereich. Allein die Gehälter der Krankenschwestern und -pfleger sind in den letzten zehn Jahren um 20 % gesunken, was zu einer Spirale der Rekrutierung und Bindung von Personal führt, die dazu führt, dass die Krankenstationen hoffnungslos unterbesetzt sind und die dort Beschäftigten bis zum Burnout überlastet sind. Eine Umfrage der Wohltätigkeitsorganisation für Krankenschwestern und Krankenpfleger Cavell Trust im Januar und Februar ergab, dass fast ein Drittel der Krankenschwestern und Krankenpfleger Probleme hat, ihre Wohnung zu heizen und etwas zu essen auf den Tisch zu bringen. 14 Prozent der Befragten gaben an, dass sie auf Lebensmittelbanken angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund beginnen Tausende von Krankenschwestern und -pflegern in England heute und morgen mit zwei zwölfstündigen Arbeitsniederlegungen ihre zweite Streikrunde. Tribune sprach mit Denise Kelly, Vorsitzende des Gewerkschaftsausschusses des Royal College of Nursing und Krankenschwester in Nordirland, über den Kampf auf den Stationen, die leeren Worthülsen der Regierung und darüber, warum den Krankenschwestern und -pflegern jetzt keine andere Wahl bleibt, als sich zu wehren. (…)
      In erster Linie streitet das Royal College of Nursing (RCN) über die Gehaltserhöhung der Agenda for Change 2022-2023, die uns auferlegt wurde. Wir forderten eine allgemeine Lohnerhöhung in Höhe der aktuellen Inflationsrate (gemessen am Verbraucherpreisindex) plus 5 %. Wir forderten die britische Regierung auf, die Gehaltsrunde des Pay Review Body zu überdenken, weil wir der Meinung waren, dass sie nicht unabhängig war und das Angebot nicht die zwölf Jahre der Sparmaßnahmen widerspiegelte, mit denen das Pflegepersonal konfrontiert war, denn unser Gehalt wurde real um 20% gekürzt. Aber der andere Grund für unseren Streik ist der Schutz der Patient:innen. Das war einer der Gründe, warum unsere Mitglieder auf die Straße gegangen sind und für den Streik gestimmt haben. Die Patient:innen sterben nicht, weil die Pflegekräfte streiken, sondern die Pflegekräfte streiken, weil die Patient:innen sterben. (…) Wie ich immer sage: Personalmangel kostet Leben. Eine Umfrage im Health Service Journal hat gezeigt, dass für jede fehlende Krankenschwester in einer Schicht die Zahl der Patienten, die zu Schaden kommen, um 7 % steigt. Wir versuchen, diese Botschaft zu verbreiten. Allein in England gibt es fast 50.000 freie Stellen in der Pflege. Tausende von denen, die jetzt arbeiten, sind völlig ausgebrannt, vor allem nach dem, was sie durch die Pandemie erlebt haben. Sie sind an einem Punkt angelangt, an dem sie denken, dass ein Streik die einzige Möglichkeit ist, sich Gehör zu verschaffen und sich effektiv für die Patientensicherheit und die langfristige Zukunft des Pflegeberufs einzusetzen. Wir sind uns bewusst, dass die Pläne der Regierung zur Deprofessionalisierung und Deregulierung des Pflegeberufs wahrscheinlich irgendwo auftauchen. Auch hier ist die Einführung von Gelegenheitsarbeitskräften eine Möglichkeit, die Gehälter zu deckeln und Arbeitnehmer mit niedrigeren Löhnen zu beschäftigen, die versuchen, die Arbeit einer examinierten Krankenschwester oder eines Krankenpflegers zu leisten und zu erfüllen. An dieser Stelle müssen wir eine Grenze ziehen und sagen, dass es einen Unterschied gibt. Sie wollen sparen, aber man muss investieren, wenn man hochqualifizierte Arbeitskräfte haben will, die die Pflege leisten, die unsere Patient:innen und die Öffentlichkeit brauchen. (…)
      Die Moral wird immer besser. Durch unsere Organisierungs- und Kampagnenarbeit haben wir die Mitglieder an der Basis angesprochen, aufgeklärt und gestärkt. Sie sehen, hören und spüren, wie schlecht die Lage vor Ort ist, und sie sind entschlossen, sich Gehör zu verschaffen. Die Krankenschwestern und Krankenpfleger werden durch die öffentliche Unterstützung, die Freundlichkeit und die Solidarität der anderen Gewerkschaften sehr motiviert. Wir stehen alle zusammen und kämpfen gemeinsam für eine bessere Zukunft. Wir wissen, dass wir nicht allein dastehen. Wir sind zu diesem absolut letzten Ausweg gekommen. Tausende von Krankenschwestern und Krankenpflegern waren der Meinung, dass sie für sich selbst und für ihre Patient:innen streiken müssen. Wenn diese Grenze einmal überschritten ist, ist es sehr schwer, ihre Entschlossenheit zu erschüttern. Wir lassen uns von den Plattitüden und Drohungen der Regierung nicht beeindrucken. Wir sehen die Realität, wie es kein Minister kann. Wir haben in den letzten zwölf Jahren mit dieser Tory-Regierung ein Chaos ertragen, das immer schlimmer wurde, und wir werden es nicht mehr lange ertragen. Wir stehen auf und kämpfen, bis wir gewonnen haben.“
      Interview mit Denise Kelly von Ronan Burtenshaw vom 18. Januar 2023 in Tribune Magazine („‘Nurses Are Striking Because Patients Are Dying’“)
    • Gekauft für über 800.000 Pfund: Tories ließen sich Dinnerpartys von privaten Pflegeunternehmen finanzieren, die kriegen Zuschläge während NHS zusammenbricht
      „Private Gesundheitsmagnaten haben hochrangige Minister zu Tisch gebeten, während sie mit NHS-Verträgen abkassierten – Private Gesundheitsunternehmen haben in den letzten zehn Jahren mehr als 800.000 Pfund an die Konservative Partei gespendet, wie openDemocracy herausgefunden hat. Darunter sind auch Unternehmen, die von reichen Tycoons geführt werden, die die ehemaligen Premierminister Boris Johnson und Theresa May und andere hochrangige Minister zum Essen eingeladen haben. Das Ergebnis kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Regierung mehr NHS-Verträge an den privaten Sektor vergibt, um den Rückstau im Gesundheitswesen zu beseitigen. Die British Medical Association hat davor gewarnt, dass der Rückgriff auf den privaten Sektor die „Nachhaltigkeit des NHS“ bedroht, der unter „einem Jahrzehnt der Unterinvestition“ leidet. Eine Untersuchung von openDemocracy enthüllt nun, dass Rishi Sunaks Partei mindestens 800.000 Pfund von mehr als 35 privaten Unternehmen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich erhalten hat. Die tatsächliche Summe könnte sogar noch höher sein, denn die Spender müssen ihren Tätigkeitsbereich nicht angeben, was bedeutet, dass einige unter dem Radar durchgeschlüpft sein könnten. Dazu kommen noch die hohen persönlichen Spenden einiger Geschäftsmogule, die hinter diesen privaten Gesundheitsunternehmen stehen…“ Artikel von Martin Williams vom 12. Januar 2023 auf openDemocracy („Revealed: Conservatives took more than £800,000 from private health firms“). Siehe dazu auch:

      • Artikel von Adam Bychawski vom 10. Januar 2023 auf openDemocracy („Five political decisions that drove the NHS to the brink“): „Die Wartelisten des NHS platzen aus allen Nähten. Von der Sparmaßnahme bis zur Privatisierung der Sozialfürsorge: So ist es dazu gekommen…“
      • Artikel von Ruby Lott-Lavigna vom 10. Januar 2023 auf openDemocracy („Government won’t rule out plugging NHS holes with retired medics“): „… Die Regierung könnte den Einsatz von pensionierten Ärzten und Krankenpflegeschüler:innen in Erwägung ziehen, um den Personalmangel im NHS zu lindern – in Anlehnung an die Maßnahmen, die während der Pandemie eingesetzt wurden…“
  • Rettungsdienste streiken am 11.1. weiter / Nächster Pflegestreik im NHS am 18./19.1 / Regierung fordert mehr „Produktivität“ – wird sie an der Zahl der Toten gemessen oder an den Lebensmittelbanken für NHS-Pflegekräfte?
    • Streiks der Rettungsdienste werden nach gescheiterten Gesprächen am 11. Januar fortgesetzt
      Mehr als 10.000 Beschäftigte des Rettungsdienstes werden trotz der Gespräche mit dem Gesundheitsminister am heutigen Montag wie geplant am Mittwoch (11. Januar) in den Streik treten, so die Gewerkschaft GMB. Rachel Harrison, GMB National Secretary, sagte: „Bei den heutigen Gesprächen wurde nichts Wesentliches erreicht, das die Streiks in dieser Woche verhindern könnte. „Es gab ein gewisses Engagement bei der Bezahlung – aber kein konkretes Angebot, das dazu beitragen könnte, diesen Konflikt zu lösen und einen bedeutenden Fortschritt bei der Einstellungs- und Bindungskrise zu erzielen. „Die Öffentlichkeit erwartet von der Regierung, dass sie diese Gespräche ernst nimmt – es ist an der Zeit, dass sie sich der Sache annimmt.“ engl. Meldung von RMT am 9.1.23
    • Regierung fordert mehr „Produktivität“: Nächster Pflegestreik im NHS am 18./19. Januar – auch Assistenzärt:innen planen Streik
      „Mach mit, wenn wir am nächsten #NHSStreik-Tag, dem 18. Januar, zum Downing St marschieren. Das NHS-Personal streikt für UNS ALLE! 14:30 Kundgebung UCLH; 15:00 Marsch zur Downing St; 16:00 Kundgebung in Downing St; Bring Lärm, Plakate, Freunde und Familie mit. Lasst uns für unseren NHS kämpfen!“ engl. Tweet von Holly (NHS-Pflegerin) vom 9. Januar 2023
    • Wie misst man Produktivität in der Pflege, durch steigende Anzahl der Toten? Regierung verlangt im Gespräch mit Unite mehr von dieser „Produktivität“ im Tausch für höhere Löhne
      „Obwohl nicht klar ist, ob es bei den heutigen Gesprächen um den Tarifvertrag für dieses oder für das nächste Jahr geht, ist es lächerlich, dass die Regierung behauptet, sie sei an die Entscheidungen unabhängiger Lohnprüfungsgremien gebunden, während sie gleichzeitig sagt, die Löhne stünden zur Diskussion, wenn „Produktivitätssteigerungen“ erzielt würden.“ engl. Tweet von Polly Smythe vom 9. Januar 2023 (mit Video): Im Interview mit Sky News antwortet Unite Repräsentant Onay Kasab: „Die Regierung hat eine weitere Gelegenheit verpasst, es richtig zu stellen. Wir sind in gutem Glauben hierher gekommen. [Aber] worüber sie reden wollen, ist die Produktivität. Produktivität! Wenn unsere Mitglieder bereits 18-Stunden-Schichten arbeiten! Ich weiß nicht, wie man damit produktiver werden kann…“ (engl.)
  • 45.000 Assistenzärt:innen stimmen über einen 72 Stunden-Streik geplant im März 2023 ab
    „… Die British Medical Association führt ab heute eine Urabstimmung über einen Streik von 45.000 Assistenzärzten in England durch. Wenn sie dafür stimmen, ist ab März ein 72-stündiger Streik geplant. Heute Morgen sagte Dr. Emma Runswick, die stellvertretende Vorsitzende der BMA, gegenüber Sky News, dass die Wahrscheinlichkeit eines Streiks „sehr hoch“ sei. Sie erklärte: „Gesundheitsminister] Steve Barclay plant, sich am Mittwoch mit uns zu treffen, aber nur, um eine sehr begrenzte Anzahl von Dingen zu besprechen. Er spricht über die Beweise, die die Regierung dem Gremium zur Überprüfung der Gehälter vorlegen wird. Leider hat die Regierung dem Gremium zur Überprüfung der Löhne und Gehälter bereits ein Schreiben vorgelegt, in dem sie uns und ihnen mitteilt, dass wir nächstes Jahr nur 2 % erhalten sollen. Das ist eine weitere massive Lohnkürzung, nachdem wir in diesem Jahr und in den vergangenen 15 Jahren bereits eine Lohnkürzung hinnehmen mussten. Eine weitere Gehaltskürzung zusätzlich zu der vierteljährlichen Gehaltskürzung, die wir bereits erhalten haben. Ich bin also nicht optimistisch, was die Treffen angeht, aber wir werden hingehen und verhandeln, wenn das eine Option für uns ist. Auf die Frage, ob die Assistenzärzte eine Gehaltserhöhung von 26 % fordern, sagte Runswick: „… Wir fordern die Rückgängigmachung der Gehaltskürzung [der letzten 15 Jahre]. Rein rechnerisch könnte es sogar mehr sein, und wenn wir dieses Jahr eine weitere Gehaltskürzung haben, wird es wieder mehr sein. Wir fordern also nur das zurück, was man uns gekürzt hat. Runswick sagte auch, dass sie eine Kolleg:innen hat, die nach Australien gegangen ist, wo sie „weniger Stunden arbeitet als ich und 1,7 Mal so viel verdient„…“ Bericht von Andrew Sparrow vom 9. Januar 2023 im Guardian online („Junior doctors very likely to vote for strike, says BMA, as ministers hold meetings with health, education and rail unions“)
  • Lebensmittelbanken für NHS-Pflegekräfte: Viele sind auf Tafeln und anderen Unterstützung angewiesen, um über die Runden zu kommen
    „… In einer Umfrage, die die katastrophalen Auswirkungen der steigenden Lebensmittel-, Energie- und Wohnungskosten auf die Arbeitenden im Gesundheitswesen aufzeigt, haben NHS Charities Together und der Beobachter:innen herausgefunden, dass Tausende von NHS-Mitarbeitern – darunter auch Krankenpfleger:innen – bereits Hilfe bei Lebensmittelbanken suchen und dass die Zahl in den kommenden Monaten noch steigen wird. Das Royal College of Nursing bereitet sich auf weitere Streiks am 18. und 19. Januar vor, nachdem es letzten Monat zum ersten Mal die Arbeit niedergelegt hatte. Mehr als die Hälfte der befragten Krankenschwestern und -pfleger gaben an, dass sie neben den Lebensmittelbanken auch andere Möglichkeiten zur Unterstützung des Personals in Betracht ziehen, z. B. Gutscheinprogramme, subventionierte Kantinenmahlzeiten und kostenlose Frühstücke. Die Wohltätigkeitsorganisation, die alle Trusts und Gesundheitsämter in Großbritannien unterstützt, erklärte, dass ihre Mitglieder zum ersten Mal in der Geschichte des NHS Wohltätigkeitsfonds für Mitarbeiter:innen bereitstellen müssen, die sich die grundlegenden Lebenshaltungskosten nicht leisten können. Traditionell finanzieren Wohltätigkeitsorganisationen Dinge wie Personalausbildung und Forschung. Von den 34 NHS-Wohltätigkeitsorganisationen, die auf die Umfrage geantwortet haben, gaben 21% an, dass sie eine aktive Lebensmittelbank für Mitarbeiter:innen haben oder gerade eine einrichten, während 35% angaben, dass sie dies in Erwägung ziehen. Von den sechs Lebensmittelbanken, die auf die Umfrage geantwortet haben, haben schätzungsweise fast 5.000 Mitarbeiter:innen diese monatlich genutzt, davon etwa 550 Krankenpfleger:innen. Drei der Lebensmittelbanken wurden erst in den letzten drei Monaten eröffnet, was zeigt, wie schnell die Lebenshaltungskostenkrise die Einrichtungen erreicht hat. Ellie Orton, die Geschäftsführerin von NHS Charities Together, nannte es „einen perfekten Sturm“ und fügte hinzu, dass es „herzzerreißend“ sei, dass das Gesundheitspersonal, das unter einem solchen Druck arbeitet, um sein Essen kämpft und die Lebensmittelbanken nutzen muss…“ engl. Artikel von Miranda Bryant vom 8. Januar 2023 im Guardian online („Half of NHS trusts providing or planning food banks for staff“)
  • 20. Dezember: 100.000 Krankenpfleger:innen in England, Wales und Nordirland streiken den zweiten Tag – weitere Streiks für Januar 2023 geplant, sollte Regierung nicht verhandeln
    • „… Bis zu 100.000 Mitglieder des Royal College of Nursing (RCN) beteiligten sich an der Urabstimmung, die im Oktober durchgeführt wurde. Das RCN hat erklärt, dass die niedrige Bezahlung die Ursache für den chronischen Personalmangel ist, der die Patient:innen gefährdet und das NHS-Personal überlastet. Es ist der zweite Streiktag im Dezember, nach dem ersten Streik am 15. Dezember, dem größten in der Geschichte des RCN. Er führte dazu, dass Tausende von ambulanten Terminen und nicht dringenden Operationen abgesagt werden mussten. Für Januar wurden weitere Streiks angedroht, falls es nicht bis Donnerstag zu Gesprächen zwischen den Verhandlungsführern der Gewerkschaft und der Regierung kommt. Der Generalsekretär und Geschäftsführer des RCN, Pat Cullen, sagte: „Für viele von uns ist es das erste Mal, dass wir streiken und unsere Gefühle sind sehr gemischt. Der NHS steckt in der Krise, die Krankenpfleger:innen können nicht noch mehr einstecken und unsere Angehörigen leiden bereits. Es ist nicht unvernünftig, Besseres zu fordern. Das ist etwas, das nicht warten kann. Wir sind unseren Patient:innen verpflichtet und werden es immer sein.“ Die Krankenpfleger:innen in Schottland sollten streiken, aber sie wurden nach einem Lohnangebot aus Holyrood abgesagt. Der Vorschlag wurde den Mitgliedern in Schottland im November unterbreitet, und ein Ergebnis wird diese Woche erwartet, nachdem die Urabstimmung am Montag abgeschlossen wurde. Der erste walisische Minister, Mark Drakeford, sagte, die Minister:innen in Cardiff hätten sich dagegen entschieden, den Krankenpfleger:innen mehr als die 4 % und 5,5 % anzubieten, die ihnen bereits angeboten wurden. Steve Barclay, der Gesundheitsminister, soll die Gewerkschaften schriftlich um neue Gespräche in England gebeten haben, wird aber nicht über eine Gehaltserhöhung sprechen. Eine einmalige Zahlung an das Personal war vorgeschlagen worden, wurde aber von Downing Street abgelehnt. (…) Ruth May, Englands oberste Krankenpflegerin, eine hochrangige Vertreterin des NHS England, besuchte letzte Woche die Streikposten. Sie sagte, sie wolle, dass die Regierung mit den Gewerkschaften zusammenarbeitet, um eine Einigung über die Gehälter zu erzielen. (…) Am Mittwoch werden die Arbeitenden des Rettungsdienstes in England und Wales einen weiteren Streik durchführen, an dem sich bis zu 10.000 Beschäftigte beteiligen werden. Gewerkschaftsvertreter:innen haben angedeutet, dass Sanitäter:innen, Notrufabfertiger:innen und Rettungsassistent:innen in den schwersten Fällen die Streikposten verlassen werden…“ Artikel von Harry Taylor vom 20. Dezember 2022 im Guardian online („Nurses in England, Wales and Northern Ireland strike for second day“)
    • Siehe zum Hintergrund auch folgende Reportagen: Video vom 15. Dezember 2022 auf Peoples Dispatch („Nurses in England, Wales and Northern Ireland strike for second day“)
    • Der erste Streiktag am 15. Dezember: Private Krankenhausgesellschaft verspricht Streikbrechern eine 50%ige Lohnerhöhung
      „Landauf, landab streiken Krankenpfleger:innen für faire Arbeitsbedingungen. Die Zukunft des NHS steht auf dem Spiel. Das Royal College of Nurses (RCN), eine von mehreren Gewerkschaften, die die Arbeitenden im Gesundheitswesen organisieren, spricht vom größten Streik ihrer Geschichte. Es wird auch berichtet, dass es sich um den ersten Massenstreik von Krankenpfleger:innen seit einem Jahrhundert handelt. Doch wo auch immer sich Arbeitende organisieren und streiken, gibt es immer welche, die sich auf die Seite der Bosse stellen und nicht auf die Seite ihrer Kolleg:innen. The Canary hat eine Textnachricht gesehen, die eine streikende Krankenpfleger:innen im West Country von ihrem örtlichen Trust erhalten hat. Aus dem Text geht hervor, dass die Krankenpfleger:innen, die während des Streiks die Tagesschicht übernehmen, eine Gehaltserhöhung von 50 % erhalten. Das ist praktisch ein beträchtlicher Streikbrecher-Bonus für die Arbeit am 15. Dezember (…) Die genauen Budgets, die für Streikbrecher:innen zur Verfügung stehen, sind schwer zu ermitteln. Aber der 50%ige Bonus wirft eine Frage auf. Wenn sie es sich leisten können, so viel Geld auszuzahlen, warum bezahlen sie die Krankenpfleger:innen dann nicht anständig? (…) Die streikenden Krankenpfleger:innen twitterten Videos von ihren Streikposten und sagten, dass die Erfahrung schon jetzt ermutigend sei: In Northampton trotzten die Krankenpfleger:innen dem kältesten Streik, den einige von ihnen je erlebt hatten, um für bessere Bedingungen zu kämpfen. Auch in Südwales hupten die Autofahrer:innen die Streikenden an, als sie an den Streikposten vorbeifuhren Ähnliche Szenen spielten sich in Nordengland ab, wo die Krankenpfleger:innen den Streik bejubelten. Und in Liverpool war es dasselbe, als die Autofahrer ihre Unterstützung ankündigten. (…) Die Krankenpfleger:innen kämpfen nicht nur für Lohn und Arbeitsbedingungen. Sie kämpfen für einen funktionierenden Gesundheitsdienst für uns alle. Eines, das uns von der Wiege bis zur Bahre versorgt, so wie es gedacht war, bevor Labour- und Tory-Regierungen es durch Privatisierung ausgehöhlt haben…“ Artikel von Joe Glenton vom 15. Dezember 2022 auf The Canary

(„As heroic nurses go out on strike, one hospital trust promises scabs a 50% pay enhancement“)

  • Solidarität der EPSU/EGÖD mit dem Streik der Pflegekräfte in Großbritannien
    Stellungnahme von EPSU/EGÖD vom 16. Dezember 2022: „… Die Arbeitenden in ganz Europa reagieren auf die gleichen Probleme mit Aktionen. Im Vereinigten Königreich begannen die Arbeitenden des RCN in England, Wales und Nordirland am Donnerstag, den 15. Dezember, mit einem geschichtsträchtigen Streik. Beschäftigte im Gesundheits-, Pflege- und Rettungswesen von Unison und GMB sind ebenfalls auf die Straße gegangen, um dringende Lohnerhöhungen zu fordern. In Griechenland streikten die Arbeitenden im Gesundheits- und Pflegebereich von POEDN für ein starkes öffentliches Gesundheitssystem. Die italienischen Gewerkschaften FP-CGIL und UIL FPL organisierten Aktionen in allen Regionen und Sektoren und forderten einen fairen Haushalt und eine gerechte Mittelverteilung. Diese Aktionen sind nur die jüngsten – 2022 gab es in ganz Europa eine Welle der Mobilisierung, insbesondere im Gesundheits- und Pflegesektor. Der EGÖD wird auch 2023 an der Seite der Arbeitenden im öffentlichen Dienst stehen und sich für sie einsetzen.“
  • Schrödingers NHS-Pfleger:innen: Zu wichtig, um zu streiken, zu unwichtig, um ordentlich bezahlt zu werden / Streikbruch der Sanitätsdienste durch Polizeibeamte? Selbst die sehen das kritisch
    • „… Die Krankenpfleger:innen des NHS haben zum ersten Mal in ihrer Geschichte für einen Streik gestimmt – Der erste landesweite Streik der Krankenpfleger:innen des NHS beginnt heute (15. Dezember), nachdem sich die Minister:innen geweigert haben, über die Gehälter zu verhandeln. Auch die Krankenpfleger:innen in England, Wales und Nordirland werden am 20. Dezember in den Ausstand treten, nachdem die Regierung behauptet hat, dass sie die von der unabhängigen Tarifkommission für das NHS-Personal vorgeschlagenen Gehälter nicht ändern kann. Die Gewerkschaften hatten angeboten, die Streiks abzubrechen, wenn eine neue Gehaltsvereinbarung zustande käme, und das Royal College of Nursing hat der Regierung vorgeworfen, sich für einen Streik zu entscheiden. In Schottland wurde Anfang der Woche eine Einigung erzielt, die Streiks verhindert hat. In den drei verbleibenden Regionen wird es in allen Bereichen des NHS zu direkten Aktionen kommen, auch bei den Rettungsdiensten, was darauf hindeutet, dass sich die Stimmung unter den Arbeitenden im Gesundheitswesen im letzten Jahr dramatisch verändert hat. (…) Wir hören Berichte über den krisengeschüttelten NHS, über Krankenhäuser, die überlastet sind, und über eine gefährlich niedrige Personalausstattung. Aber ohne in diesen Diensten zu arbeiten, ist es unmöglich, wirklich zu verstehen, wie das für die Beschäftigten und die Patienten aussieht, für die sie ihr Bestes geben. Die Mitarbeiter:innen erleben aus erster Hand, dass die Zahl der unbesetzten Stellen auf 135.000 gestiegen ist und die Patient:innen in Gefahr sind. Wir müssen uns dringend darauf konzentrieren, das Personal zu halten: Wenn wir das nicht angehen, haben wir keine Chance, den Rückstau von sieben Millionen Patient:innen zu beseitigen. Leider bringen weder die Regierung noch die Opposition das Thema Personalbindung jemals ins Gespräch, denn das würde bedeuten, dass die Wiederherstellung der Gehälter auf die Tagesordnung gesetzt wird. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage der Gewerkschaft GMB gab jeder dritte Mitarbeiter im Rettungsdienst an, an einer Verzögerung beteiligt gewesen zu sein, die zum Tod eines Menschen geführt hat. Dies ist eine erschreckende Statistik und nur eine von vielen, die die Regierung viel ernster nehmen sollte. (…) Was wir jetzt erleben, sind immer extremere Angriffe der rechten Presse und Kommentatoren, die versuchen, uns zu dämonisieren und uns dazu zu bringen, unseren Kampf für das, was uns zusteht, aufzugeben. Doch wie ich einem Kollegen sagte, ist nichts, was sie über uns sagen können, so schlimm wie das, was die Beschäftigten Tag für Tag erleben. So kann es nicht weitergehen, und die Beschäftigten sind nicht bereit, die Hände in den Schoß zu legen, während der NHS vor unseren Augen zerrissen wird. Ich arbeite seit 15 Jahren als Krankenpfleger im NHS. Ich liebe meinen Job. Aber mein Gehalt und das meiner Kolleg:innen wird seit über einem Jahrzehnt absichtlich gekürzt, wobei einige Arbeitende real bis zu 29% schlechter gestellt sind. Was übrig bleibt, ist eine Gruppe von Arbeitenden, die die gesamte Last der Patientensicherheit tragen, während die Regierung ihre Hände in Unschuld wäscht und keine Verantwortung für den Zustand des Dienstes übernimmt, in dem sie arbeiten. Das sind die Beschäftigten, die Pausen ausfallen lassen, Überstunden umsonst machen, ihren Jahresurlaub verkaufen, um über die Runden zu kommen, in ihren Autos schlafen, weil sie sich das Benzin für die Fahrt zur Arbeit nicht leisten können – und schließlich kündigen, weil die moralische Verletzung, minderwertige Pflege zu leisten, nicht tragbar ist. Wir alle sollten uns in unserer Empörung einig sein. Bei diesem Arbeitskampf geht es zwar um die Bezahlung, aber es geht um so viel mehr. Während der Pandemie wurden wir Zeuge der verheerenden Auswirkungen der dramatisch gestiegenen Nachfrage auf einen NHS, der bis auf die Knochen ausgebeutet wurde. Das dürfen wir nicht noch einmal zulassen. Deshalb tragen wir unseren Kampf zu dieser Regierung und setzen uns nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Familien und Gemeinden und für die Zukunft des NHS ein. Wenn die Zeit kommt, und das wird sie, schließt euch bitte den NHS-Beschäftigten an den Streikposten an. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es keinen NHS mehr geben, für den wir kämpfen können.“ Artikel von NHS-Pflegekraft Holly Turner vom 15. Dezember 2022 auf openDemocracy („I’ve been an NHS nurse for 15 years. Here’s why I’m going on strike“)
    • Solidarität der RMT mit den Pfleger:innen des NHS und der Post
      „Generalsekretär der @RMTunion Mick Lynch mit einer Botschaft der Einheit der Arbeiterklasse: „Wir senden den Krankenpfleger:innen und ihrer Gewerkschaft RCN bei ihrem morgigen historischen Streik unsere tief empfundene Solidarität, ebenso wie den heldenhaften Arbeitenden bei der Post, die für ganz ähnliche Themen streiken wie wir.“ „Die Krise der Lebenshaltungskosten gerät immer mehr außer Kontrolle, und die Gewerkschaftsbewegung ergreift branchenübergreifend die Initiative, um die Arbeitenden zu schützen. Angesichts der zunehmenden Angriffe der Regierung ist Einigkeit in unserer Bewegung wichtiger denn je.“ Mick Lynch zitiert von Ali Taj im Tweet vom 14. Dezember 2022 (engl.)
    • Streikbruch bei den Sanitätsdiensten durch Polizeibeamte? Angesichts eigener hoher Arbeitsbelastung könnten sie sich weigern
      „… Polizeibeamte und -beamtinnen haben ihre „große Besorgnis“ darüber geäußert, dass sie während der Streiks in diesem Monat für die Arbeitenden im Rettungsdienst einspringen sollen, und das zu einer Zeit, in der die Strafverfolgungsbehörden bereits unter einem nie dagewesenen Druck stehen. Steve Hartshorn, der Vorsitzende der Police Federation, hat die Regierung eindringlich davor gewarnt, dass die Aufforderung an die Polizei, Krankenwagen zu fahren, die überlasteten Beamten „näher an einen Kipppunkt“ bringen würde. Er sagte: „In einer Zeit, in der die dünne blaue Linie überlastet ist und unter Druck steht wie nie zuvor, macht mir diese Forderung große Sorgen um das Wohlergehen unserer Mitglieder. Es sollte nicht nötig sein, das zu sagen, aber Polizisten sind keine Krankenwagenfahrer oder qualifizierte Sanitäter. (…) In der Erklärung vom Dienstag werden die Polizist:innen zwar nicht angewiesen, sich zu weigern, für streikende Sanitäter einzuspringen, aber es wird davor gewarnt, dass die Strafverfolgung darunter leiden würde, wenn sie es täten. Hartshorn sagte: „Wir erkennen zwar die Forderung an, dass die Polizei Krankenwagen fahren soll, und schließen dies auch nicht völlig aus, aber in erster Linie ist es unsere Pflicht, sicherzustellen, dass wir in der Lage sind, unseren Kerndienst zu erbringen, und das ist derzeit für alle Streitkräfte ein Problem. Die Gesundheitsdienste bereiten sich auf die Streiks der Krankenwagen vor, die am 21. und 28. Dezember stattfinden sollen. Letzte Woche warnte der Nationale Rat der Polizeichefs, der die Führung der Polizei vertritt, davor, dass Anfragen zum Fahren von Krankenwagen abgelehnt werden könnten. Letztendlich liegt die Entscheidung, ob die Streiks abgedeckt werden, bei jeder der 43 lokalen Polizeikräfte in England und Wales, die operativ unabhängig sind…“ Artikel von Matthew Weaver vom 13. Dezember 2022 im Guardian Online („Police officers express ‘grave concerns’ at covering ambulance strikes“)
  • Pflegekräfte und Rettungsdienste streiken am 15./21. und 20./28. Dezember – Regierung will Streikrecht verschärfen, um sie zukünftig daran zu hindern
    • „Die Gewerkschaften haben geschworen, sich allen neuen Antistreikgesetzen der Regierung zu widersetzen, während die Innenministerin Suella Braverman die Öffentlichkeit aufforderte, ihre Weihnachtsreisepläne zu überdenken, da durch die geplanten Streiks der Grenzbeamten „ernsthafte Störungen“ zu erwarten seien. Die Regierung liefert sich einen erbitterten PR-Kampf mit den Gewerkschaften darüber, wer die Schuld an der drohenden Streikwelle im öffentlichen Dienst trägt. Da Krankenpfleger:innen und Sanitäter:innen noch vor Weihnachten in den Ausstand treten sollen, schlug Ministerin Gillian Keegan vor, dass die Regierung per Gesetz verhindern könnte, dass Arbeitende im Gesundheitswesen und in „kritischen Infrastrukturen“ in den Arbeitskampf treten. Ein solches Gesetz käme mit ziemlicher Sicherheit zu spät, um die derzeit geplanten Streiks abzuwenden, zu denen auch die zweitägigen Arbeitsniederlegungen der Krankenpfleger:innen am 15. und 20. Dezember gehören. Steve Barclay, der Gesundheitsminister, führte am Donnerstag Gespräche mit Beamten über die Vorbereitungen für den geplanten Streik des Krankenwagenpersonals Ende des Monats. Sein Ministerium erörtert auch, wie das Militär einspringen könnte, obwohl es noch keinen offiziellen Schritt zur Vorbereitung auf den Einsatz gegeben hat. (…) Die Gewerkschaften reagierten wütend auf Keegans Vorschlag, Streiks in Schlüsselsektoren wie dem Gesundheitswesen zu verbieten, und der TUC wies darauf hin, dass ein solcher Schritt illegal sein könnte. „Das Menschenrechtsgesetz schützt die grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zum Streikrecht“, sagte die stellvertretende Generalsekretärin des TUC, Kate Bell, und fügte hinzu, dass ähnliche Verpflichtungen auch im Post-Brexit-Handelsabkommen der Regierung mit der EU enthalten seien. Gary Smith, der Generalsekretär der Gewerkschaft GMB, deren Mitglieder am 21. Dezember an koordinierten Streiks im Rettungsdienst beteiligt sind, sagte: „Durch den Angriff auf das Recht der Beschäftigten des NHS auf Streik: „Indem sie das Recht des NHS- und Krankenwagenpersonals angreift, ihren Lebensstandard zu verteidigen, zeigt die Regierung, wie realitätsfremd sie ist. Die Öffentlichkeit weiß, wer die Schuld an der Krise in unserem NHS trägt – es ist diese diskreditierte Regierung“…“ Artikel von Heather Stewart, Rajeev Syal und Peter Walker vom 8. Dezember 2022 im Guardian Online („Trade unions vow to oppose anti-strike laws for NHS and „critical infrastructure““)
    • Streikdaten der Sanitäts- und Krankentransportbereiche für 21. und 28. Dezember angesetzt
      „Die Gewerkschaft GMB hat Streiktermine für mehr als 10.000 Arbeitende im Rettungsdienst in neun Trusts in England und Wales angekündigt. Sanitäter:innen, Notfallsanitäter:innen, Call-Handler:innen und andere Mitarbeiter:innen werden am 21. und 28. Dezember in den folgenden Trusts die Arbeit niederlegen: [Die genauen Zeiten für die einzelnen Ambulanzgesellschaften findest du in den Hinweisen für Redakteure]. South West Ambulance Service, South East Coast Ambulance Service, North West Ambulance Service (Nordwest Ambulanzdienst), South Central Ambulance Service, North East Ambulance Service (Rettungsdienst), East Midlands Ambulance Service (Rettungsdienst), Rettungsdienst West Midlands, Walisischer Ambulanzdienst, Yorkshire Ambulance Service (Rettungsdienst). Die Arbeitenden des Rettungsdienstes und einiger NHS Trusts haben für einen Streik gestimmt, um gegen die von der Regierung auferlegte Gehaltserhöhung von 4 Prozent zu protestieren – eine weitere massive reale Lohnkürzung. GMB-Vertreter:innen werden sich nun mit den einzelnen Trusts treffen, um die Anforderungen an die Rettung von Leib und Leben zu besprechen. Rachel Harrison, GMB National Secretary, sagte: „Nach zwölf Jahren konservativer Kürzungen im Gesundheitswesen und bei den Gehältern haben die Beschäftigten des NHS genug. Das Letzte, was sie wollen, ist ein Streik, aber die Regierung lässt ihnen keine andere Wahl. Steve Barclay muss uns zuhören und mit uns über die Gehälter sprechen. Wenn er nicht in der Lage ist, mit uns über diese grundlegende Personalfrage zu sprechen, wozu ist er dann Gesundheitsminister? Die Regierung könnte diesen Streik im Handumdrehen beenden – aber sie muss endlich aufwachen und über die Löhne verhandeln.“ Stellungnahme der GMB vom 9. Dezember 2022 („Ambulance strike dates announced“)
  • Indirekte Kriegsprofite durch Lohnverzicht – Tory-Vorsitzender behauptet, dass Pfleger:innen durch Streik Putin in die Hände spielen, sie sollen weniger fordern
    • „Nadhim Zahawi lügt nicht nur über das Anfangsgehalt von Krankenpfleger:innen, sondern erklärt auch, dass Krankenpfleger:innen weniger akzeptieren sollten, um Putin zu zeigen, dass wir zusammenstehen. Die Gehälter der Abgeordneten sind in nur sieben Jahren um 28% gestiegen: 18.000 Pfund.“ Tweet von Mettlesom_Teri vom 4. Dezember 2022 (engl)
    • Der Vorsitzende der Konservativen Partei hat behauptet, dass ein Streik der Krankenpfleger:innen des NHS „genau das ist, was Putin sehen will“. Bis zu 100.000 Krankenpfleger:innen werden am 15. und 20. Dezember im Streit um die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen in den Streik treten. In der BBC-Sendung Laura Kuenssberg am Sonntag wies Nadhim Zahawi die Forderungen der Krankenschwestern und Krankenpfleger zurück und stellte einen Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine her. „Kurz vor Weihnachten ist es meiner Meinung nach unfair, wenn die Gewerkschaften das Leben und die Lebensgrundlage der Menschen wirklich schädigen und stören“, sagte er. „Sie sollten das wirklich überdenken und nachdenken. Das ist genau das, was Putin sehen will – diese Spaltung. Lasst uns nicht spalten, lasst uns zusammenkommen. Pat Cullen, Generalsekretärin und Geschäftsführerin des RCN, sagte: „Russlands Krieg in der Ukraine als Rechtfertigung für eine reale Lohnkürzung für Krankenpfleger:innen in Großbritannien zu benutzen, ist ein neuer Tiefpunkt für diese Regierung. „Die Öffentlichkeit glaubt diese Art von Rhetorik nicht und will, dass die Minister:innen auf unseren Streit eingehen. Die Krankenpfleger:innen können sich ihre Lebensmittel und andere Rechnungen nicht leisten und befürchten in diesem Winter das Schlimmste, was die Energiekosten angeht. Christine Jardine, Sprecherin für das Kabinettsbüro der Liberalen, bezeichnete Zahawi als „lächerlich und beleidigend“, weil er behauptete, Putin sei für den Streik der Krankenpfleger:innen verantwortlich. „Die Verantwortung liegt eindeutig bei der konservativen Regierung, die es nicht geschafft hat, eine Lösung zu finden“, sagte sie. „Die konservativen Minister:innen haben Milliarden von Steuergeldern für fragwürdige PSA-Verträge verschwendet und weigern sich nun, den Krankenpfleger:innen eine faire Lohnerhöhung anzubieten. „Das ist ein klarer Beweis dafür, wie realitätsfremd Zahawi und die konservative Regierung wirklich sind.“ Das Royal College of Nursing (RCN) fordert eine Gehaltserhöhung von 5 % über der RPI-Inflation, die derzeit bei etwa 14 % liegt. Das RCN hat bereits erklärt, dass erfahrene Krankenpfleger:innen trotz der diesjährigen Gehaltserhöhung von 1.400 Pfund real um 20 % schlechter gestellt sind, weil die Gehälter seit 2010 immer wieder unter der Inflationsrate lagen. Während der Streiks werden Chemotherapie, Dialyse und Intensivstationen wie die Intensivstation und die neonatologische und pädiatrische Intensivstation geschützt sein. Andere Dienste werden jedoch auf das Niveau des Weihnachtstags- oder Nachtdienstes reduziert, so die Gewerkschaft. Das Land sieht sich in der Weihnachtszeit mit einer Streikwelle konfrontiert, von der Züge, Busse, Straßen, Postdienste und das Bildungswesen betroffen sind.“ Artikel von Ned Simons vom 4. Dezember 2022 auf Huffington Post Online („Vladimir Putin Wants NHS Nurses To Go On Strike, Says Conservative Party Chairman“)
    • „… Der Streik der Krankenpfleger:innen steht nun an der Spitze eines weit verbreiteten Arbeitskampfes, der von Belegschaften im ganzen Land unterstützt wird, die ähnlich besorgt und wütend über die Verschlechterung der realen Lohn- und Arbeitsbedingungen in den letzten 15 Jahren sind. Malcolm Bennison, 37, Krankenpfleger in einem Krankenhaus im Zentrum Londons, der bei der RCN-Abstimmung für den Streik gestimmt hat, sagte: „Wenn ich in die Unfall- und Notaufnahme gehe, ist sie so voll, dass die Patienten fast nirgendwo untergebracht werden können. Sie sitzen auf Stühlen oder werden in Fluren, Lagerräumen oder an Orten untergebracht, die früher für die klinische Versorgung genutzt wurden. „Niemand, der Krankenpfleger wird, erwartet, dass er mit einem Sportwagen nach Hause fährt oder auf einer Superyacht Urlaub macht, aber wir erwarten, dass wir unsere Rechnungen bezahlen können und die Mittel haben, um unsere Arbeit zu machen.“ (…) Die Gewerkschaften GMB und Unison kündigten letzte Woche an, dass das Rettungsdienstpersonal, das für einen Arbeitskampf gestimmt hat, wahrscheinlich noch vor Weihnachten streiken wird. Andere Beschäftigte, darunter auch Ärzte in der Ausbildung, werden im neuen Jahr abstimmen. Matthew Taylor, Geschäftsführer der NHS Confederation, forderte die Regierung und die Gewerkschaften auf, sich an einen Tisch zu setzen, um die Herausforderungen der Wintermonate zu meistern. Er sagte: „Die Auswirkungen [des Arbeitskampfes] werden sich hauptsächlich auf Routinetermine beziehen, aber je länger er andauert, desto mehr Probleme werden aufgestaut und die Wartelisten werden länger. Selbst wenn es keine Urabstimmungen für Streiks gäbe, hätten wir im NHS immer noch eine Krise bei der Einstellung, Bindung und Motivation von Personal. Unter den NHS-Führungskräften herrscht das Gefühl, dass die offenen Stellen die Arbeit noch schwieriger machen und dazu führen, dass noch mehr Leute weggehen.“ Während die Krankenpfleger:innen-Gewerkschaften an diesem Wochenende zwei Streiktage vor Weihnachten planen und weitere Streiks im gesamten Schienennetz und in weiten Teilen des öffentlichen Sektors angedroht werden, sucht die konservative Regierung in Westminster unter der Führung von Rishi Sunak nach einer politischen Botschaft, mit der sie ihr Schicksal retten und die öffentliche Meinung wieder zu ihren Gunsten drehen kann…“ Artikel von Toby Helm, Jon Ungoed-Thomas und Tom Wall vom 4. Dezember 2022 im Guardian Online („December of discontent: will strikers or government and management take the blame?“)
  • Pflegestreik im NHS für 15. und 20. Dezember 2022 geplant, nachdem Regierung Nachverhandlung abgelehnt hat
    „Unsere erste Streikphase wird am Donnerstag, den 15. und Dienstag, den 20. Dezember stattfinden, nachdem die britische Regierung unser Angebot für formelle, detaillierte Verhandlungen als Alternative zu Streiks abgelehnt hat. Die Streiks werden in England, Nordirland und Wales stattfinden. Eine Liste der Arbeitgeber, bei denen gestreikt wird, wird nächste Woche bekannt gegeben. Die Streiks werden phasenweise stattfinden, was bedeutet, dass nach der ersten Aktion im Dezember weitere Streiktermine angekündigt werden könnten, wenn die Regierungen nicht in formelle Verhandlungen eintreten. Sie haben die Macht und die Mittel, Streiks jederzeit zu beenden, haben sich aber für diesen Weg entschieden. Nicht alle Mitglieder bei Arbeitgebern, für die ein Streikmandat besteht, werden an diesen ersten beiden Terminen zum Streik aufgerufen. Die erste Phase könnte nur der Anfang einer längeren Streikperiode sein. Die Ankündigung der Streiktermine folgt auf das Ergebnis unserer jüngsten Urabstimmung, bei der die Mitglieder bei der Mehrheit der NHS-Arbeitgeber im Vereinigten Königreich für einen Streik gestimmt haben. In dem Konflikt geht es um die Bezahlung, aber auch um die Sicherheit der Patient:innen. Die Personalausstattung ist so niedrig, dass die Patient:innenversorgung beeinträchtigt wird. Nur wenn wir Krankenpfleger:innen fair bezahlen, werden wir Menschen für unseren Beruf gewinnen und halten können. Bei unseren Gesprächen mit der britischen Regierung haben die Minister:innen die ernsten Fragen der NHS-Besoldung und der Patientensicherheit bisher ignoriert. Unterdessen wurden die Streikpläne in Schottland auf Eis gelegt, nachdem die schottische Regierung beschlossen hatte, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um Streiks abzuwenden. In Nordirland gibt es keine funktionierende Regierung. Die walisischen Minister:innen haben sich trotz unserer Bitten noch nicht zu einem Treffen bereit erklärt. Pat Cullen, Generalsekretär und Geschäftsführer des RCN, sagte: „Die Minister:innen haben mehr als zwei Wochen Zeit gehabt, seit wir bestätigt haben, dass sich unsere Mitglieder so ungerecht behandelt fühlen, dass sie zum ersten Mal streiken werden. (…) „Die Krankenpfleger:innen haben genug davon, als selbstverständlich angesehen zu werden, genug von niedriger Bezahlung und unsicherer Personalausstattung, genug davon, dass wir unseren Patient:innen nicht die Pflege geben können, die sie verdienen…“ Pressemitteilung der RCN vom 25. November 2022 („NHS pay dispute: first nursing strike dates announced“)

  • Zum ersten Mal im Streik: Berufsverband Royal College of Nursing (RCN) ruft 300.000 Kolleg:innen in den Ausstand für 17% Lohnerhöhung
    • „Abgeordnetenbezüge 2010 £65k
      Abgeordnetenbezüge 2022 £ 84,1k
      28% Anstieg und realer Anstieg von über £4k
      Krankenpfleger:innen verdienen im gleichen Zeitraum 8% weniger als die Inflation, mit einer realen Gehaltskürzung von £3k
      ReTweet, wenn du denkst, dass Abgeordnete, die Krankenpfleger:innen sagen, dass sie keine Gehaltserhöhung verdienen, sich über sie lustig machen“
      Tweet von UCU Vorsitzender Joe Grady vom 11. November 2022 (engl.)
    • Stellungnahme des Berufsverbandes der Royal Nurses
      „… Das Gesamtergebnis zeigt, dass die Mitglieder bei der Mehrheit der NHS-Arbeitgeber in ganz Großbritannien für einen Streik gestimmt haben, um für faire Löhne und eine sichere Personalausstattung zu kämpfen. Die Streiks werden nun in den NHS Trusts oder Health Boards stattfinden, die die entsprechenden gesetzlichen Anforderungen erfüllt haben. Viele der größten Krankenhäuser in England werden von RCN-Mitgliedern bestreikt werden, aber andere haben die gesetzliche Mindestbeteiligung knapp verfehlt. Alle NHS-Arbeitgeber in Nordirland und Schottland werden in den Streik einbezogen, und alle Gesundheitsämter in Wales haben die gesetzlichen Schwellenwerte erreicht. Die Mitglieder, die im St. Thomas‘ Hospital in London, gegenüber dem Unterhaus, arbeiten, werden ebenso streiken wie die Mitglieder, die in anderen führenden Krankenhäusern in den Hauptstädten des Vereinigten Königreichs arbeiten – dem Royal Infirmary of Edinburgh, dem University Hospital of Wales in Cardiff und dem Royal Victoria Hospital in Belfast. Es wird erwartet, dass der Arbeitskampf noch vor Ende des Jahres beginnt. Genauere Pläne und Zeitpläne werden in Kürze bekannt gegeben. Der RCN wird dafür sorgen, dass Streiks zu jeder Zeit legal und sicher durchgeführt werden. Unser Mandat zur Organisation von Streiks läuft bis Anfang Mai 2023, sechs Monate nach Abschluss der Mitgliederabstimmung. RCN-Generalsekretärin und Geschäftsführerin Pat Cullen sagte: „Ich möchte mich bei allen Mitgliedern bedanken, die an dieser Abstimmung teilgenommen oder sie unterstützt haben. Ihr könnt sehr stolz sein. Die Ergebnisse sind eindeutig und klar. Dies ist ein entscheidender Moment in unserer Geschichte, und unser Kampf wird durch Streiks und darüber hinaus so lange weitergehen, wie es nötig ist, um Gerechtigkeit für den Krankenpflegerberuf und unsere Patienten zu erreichen. Wut ist zu Aktion geworden – unsere Mitglieder sagen: „Genug ist genug“. Die Stimme der Krankenpfleger:innen in Großbritannien ist stark und ich werde dafür sorgen, dass sie gehört wird. Unsere Mitglieder werden es nicht länger hinnehmen, dass sie zu Hause finanziell auf Messers Schneide stehen und bei der Arbeit schlecht behandelt werden. Die Minister:innen müssen in den Spiegel schauen und sich fragen, wie lange sie den Krankenpfleger:innen das noch zumuten wollen. Während wir unsere Streiks planen, ist der Haushalt nächste Woche die Gelegenheit für die britische Regierung, eine neue Richtung mit ernsthaften Investitionen zu signalisieren. Im ganzen Land haben die Politiker die Macht, dies jetzt und jederzeit zu stoppen. Dieser Streik ist sowohl für die Patienten als auch für die Krankenpfleger:innen wichtig. Die Standards sind zu niedrig und wir haben starke öffentliche Unterstützung für unsere Kampagne zur Anhebung der Standards. In diesem Winter bitten wir die Öffentlichkeit, den Krankenpfleger:innen zu zeigen, dass sie mit uns sind.
      Die Briefwahl fand zwischen dem 6. Oktober und dem 2. November statt und wurde nach der Ankündigung der Agenda für den Wandel im NHS Anfang des Jahres durchgeführt, durch die erfahrene Krankenpfleger:innen real 20 % schlechter gestellt wurden als noch vor zehn Jahren. Wir kämpfen für eine Gehaltserhöhung von 5 % über der Inflationsrate, um diese realen Gehaltskürzungen zu überwinden, die Krankenpfleger:innen bei der Bewältigung der Lebenshaltungskostenkrise zu unterstützen und ihre sicherheitsrelevanten Fähigkeiten anzuerkennen. In den kommenden Wochen werden wir mehrere Stellen für freiwillige Streikunterstützer/innen besetzen. Halte Ausschau nach Möglichkeiten, dich an den Vorbereitungen für den Streik zu beteiligen, und verbreite unsere Kampagnenressourcen, um deine Freunde und Familie daran zu erinnern, dass unser Kampf für faire Löhne auch ein Kampf für die Patientensicherheit ist.“
      RCN vom 9. November 2022 („NHS pay ballot results: members vote to strike at majority of NHS employers across the UK”)
    • Siehe hierzu auch die junge Welt online-Meldung vom 9. November 2022 „Britische Pflegekräfte einigen sich auf landesweiten Streik“
      „London. Im britischen Gesundheitswesen gärt es seit Langem – nun wollen zum ersten Mal in der Geschichte Krankenpflegekräfte im ganzen Land streiken. Wie britische Medien am Mittwoch unter Berufung auf den Berufsverband Royal College of Nursing (RCN) berichteten, kamen unter den mehr als 300.000 Mitgliedern in allen Teilen des Landes die nötigen Stimmen für einen Ausstand zusammen. Mit Streiks wird noch vor Ende des Jahres gerechnet. Die Gewerkschaft fordert ein Gehaltsplus von fünf Prozent oberhalb der Inflationsrate, die derzeit bei zwölf Prozent liegt. Gesundheit ist in Großbritannien Sache der einzelnen Landesteile England, Schottland, Wales und Nordirland. (…) RCN-Generalsekretärin Pat Cullen sagte dem Sender Sky News, der Streik sei genauso im Sinne der Patienten wie der Beschäftigten. »Die Standards fallen zu tief und wir haben eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit, sie anzuheben«, so Cullen. Gesundheitsminister Stephen Barclay sagte, er bedauere die Entscheidung zum Streik. Die Priorität der Regierung sei nun, die Folgen für Patienten während der Streiktage abzufedern.“
  • Streik-Urabstimmung der Unite in England und Wales wegen der von der Regierung verordneten „massiven nationalen Lohnkürzung“ im gesamten NHS
    100.000 Beschäftigte in England und Wales stehen kurz vor einem Streik wegen des miserablen 4%-Angebots. In England und Wales läuft derzeit eine Urabstimmung unter den Mitgliedern der Gewerkschaft Unite, die die Möglichkeit eines Streiks im Zusammenhang mit den Gehaltsvereinbarungen der Regierungen der beiden Länder für das kommende Jahr einen Schritt näher rückt. Die Unite empfiehlt ihren Mitgliedern, für einen Arbeitskampf zu stimmen.
    Die Gewerkschaft hat den auferlegten Tarifvertrag, der für die mittleren Gehaltsgruppen vier Prozent vorsieht, während die Inflation bei knapp 12 Prozent liegt, als „massive nationale Gehaltskürzung“ für NHS-Fachkräfte wie Wissenschaftler, Gesundheitsbesucher und Sprachtherapeuten kritisiert.  Die Gewerkschaft Unite wird sich nun mit ihren 100.000 Mitgliedern aus dem gesamten NHS in England und Wales beraten, ob sie diese auferlegte Vereinbarung akzeptieren oder sie durch Arbeitskampfmaßnahmen anfechten wollen, was in diesem Winter zu Streiks führen könnte. Unite-Generalsekretärin Sharon Graham sagte: „Dieses Angebot ist nichts anderes als eine massive nationale Lohnkürzung für das NHS-Personal. Nach allem, was sie im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie durchgemacht haben, und nach dem Dienst, den diese Beschäftigten tagtäglich für das Land leisten, ist dies ein Tritt in den Hintern der Regierung und eine Beleidigung für Personal und Patienten gleichermaßen.
    „Diese Urabstimmung ist eine Chance für unsere Mitglieder, ihre Meinung zu äußern, und wie auch immer sie sich entscheiden, sie werden die volle Unterstützung ihrer Gewerkschaft, Unite, haben. Da die Regierung kein zusätzliches Geld zur Verfügung stellt, um auch nur diesen dürftigen Lohnabschluss zu finanzieren, ist die Unite verärgert darüber, dass die Löhne der Beschäftigten gegen die Patientenversorgung in einem Gesundheitswesen ausgespielt werden, das bereits am Rande der Belastungsgrenze steht.
    In England endet die Urabstimmung am Sonntag, den 11. September.
    Der nationale NHS-Beauftragte der Unite, Colenzo Jarrett-Thorpe, sagte: „Dass die Regierung verlangt, dass sogar dieses beleidigende Gehaltsangebot mit den vorhandenen NHS-Geldern finanziert wird, ist ein entsetzlicher, unverantwortlicher Schritt. Das Gesundheitswesen ist schon jetzt am Rande der Belastungsgrenze und braucht dringend Investitionen, um den Kollaps abzuwenden, aber wir müssen auch das Personal angemessen entlohnen. Im gesamten NHS gibt es bereits 40.000 freie Stellen. Dieses furchtbare Gehaltsangebot wird es nur noch schwieriger machen, Personal zu finden und zu halten.
    In Wales endet die Urabstimmung am Freitag, den 15. September
    …“ Maschinenübersetzung der engl. Meldung der Unite vom 9. August 2022 („Unite ballots NHS workers over government-imposed `massive national pay cut’“) – siehe die Aktionsseite dazu
  • Krankes System: Großbritanniens staatlicher Gesundheitsdienst NHS in katastrophalem Zustand – Regierung treibt Privatisierung voran, Betroffene wehren sich
    „Eisenbahner, Postler, Hafenarbeiter. All diese Berufsgruppen und viele weitere nehmen inzwischen am »britischen Streiksommer« teil, wie der Aufschwung von Arbeitskämpfen in Großbritannien während der vergangenen Wochen in den Medien genannt wird. Bald könnte auch das Gesundheitspersonal mitmachen. Am Montag waren Hunderte Ärzte, Ärzte in Ausbildung sowie Medizinstudenten bis vor die verschlossene Eingangspforte zur Downing Street gezogen, dem Sitz der britischen Regierung in der Hauptstadt London. »Applaus zahlt keine Rechnungen« war ein zentraler Slogan. »What do we want? Pay restoration! How are we going to get it? Strike!« war ein anderer. Übersetzt bedeutet das: »Was wollen wir? Rückkehr zu vernünftigen Löhnen! Wie werden wir das kriegen? Durch Streik!« (…) In Großbritannien zeigt sich dies an der wachsenden Besorgnis unter Gesundheitspolitikern darüber, dass NHS-Beschäftigte zunehmend mit den Füßen abstimmen und ihre angestammte Branche zugunsten besser bezahlter Anstellungen verlassen. Dieses Phänomen hat inzwischen für den Fortbestand des Gesundheitswesens bedrohliche Ausmaße angenommen, wie aus einem neuen Bericht des Gesundheitsausschusses im britischen Unterhaus hervorgeht. Darin wird ausgeführt, dass es im NHS im September 2021 rund 100.000 offene Stellen gab, die nicht besetzt werden konnten. 2022 fehlen allein in England 12.000 Ärzte und über 50.000 Pflegekräfte. Gleichzeitig warten rund 6,5 Millionen Menschen auf ihre Behandlung. Zielvorgaben, dass innerhalb von 18 Wochen mit einer Therapie zu beginnen sei, wurden seit dem Jahr 2016 nicht mehr erfüllt. Für jene Beschäftigten, die im NHS verbleiben, bedeutet dieser Zustand zunehmende Gesundheitsgefährdung. So gingen dem NHS allein im August 2021 zwei Millionen Äquivalente von Vollzeitarbeitstagen verloren, 560.000 davon aufgrund von Angstzuständen, Stress, Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen. Die Regierung wird in dem Bericht aufgefordert, »aufzuhören, das Problem zu beschreiben, und anzufangen, damit umzugehen«. Doch diese zögert die Sache weiter hinaus. So wird in dem Bericht kritisiert, dass der Gesundheitsminister für den Frühling 2022 eine Strategie für die Gewinnung neuer Arbeitskräfte versprochen, deren Veröffentlichung nun aber auf den Herbst verschoben habe. Inzwischen ist der angesprochene Gesundheitsminister Sajid Javid (Tories) von seinem Amt zurückgetreten. Eines scheint festzustehen: Ohne Streiks wird sich nichts ändern. Die Ausgangslage für deren Erfolg scheint jedoch gut.“ Artikel von Christian Bunke in der jungen Welt vom 30. Juli 2022, siehe auch:

    • Anwerbung zu Armutslöhnen: Britische Regierung setzt auf billige Pflegekräfte aus dem globalen Süden
      “ Um der Personalkrise im NHS Herr zu werden, wird sich nicht erst seit gestern neokolonialer Rekrutierungsmuster bedient. Wenn die nötigen Fachkräfte aufgrund langer und stressiger Arbeitszeiten sowie niedriger Löhne im Inland nicht zu bekommen sind, bedient man sich eben im globalen Süden. Auch mit dieser Frage haben sich die Unterhaus-Abgeordneten im Gesundheitsausschuss befasst. So fordern sie zwar einerseits eine Reihe von langfristigen Maßnahmen, darunter eine Erhöhung der Zahl der in Großbritannien jährlich zur Verfügung stehenden medizinischen Ausbildungsplätze von derzeit 5.000 auf 14.500. Darüber hinaus müsse jedoch »kurzfristig gehandelt werden«, um »mit der derzeitigen Krise umzugehen«. Als wesentliche kurzfristige Maßnahme schlagen die Abgeordneten vereinfachte Visabestimmungen für ausländische Fachkräfte aus dem Gesundheits- und Pflegebereich vor. Außerdem solle eine »grüne Liste« von Ländern eingeführt werden, in denen es »reputables medizinisches Training und Ausbildung« gebe. Ärztinnen und Ärzten aus diesen Ländern solle ein automatisches Recht zur Arbeit in Großbritannien zugestanden werden. Somit wird also geplant, die Ausbildungssysteme anderer Länder auszubeuten und deren Personalressourcen für Großbritannien zu nutzen. Dass dies schon jetzt keine Beziehung auf Augenhöhe ist, wird aus einem anonymisierten Erfahrungsbericht einer Pflegekraft deutlich, der Anfang Juli auf der Homepage der Gruppe »Angry Workers« erschienen ist. Darin beschreibt diese Pflegekraft, wie regionale Strukturen des NHS auf Jobbörsen in Ländern wie Dubai, Indien oder den Philippinen teilnehmen und dort direkt Bewerbungsgespräche führen. Den dort rekrutierten Pflegekräften wird jedoch auferlegt, für mindestens drei Jahre in Großbritannien im Pflegebereich arbeiten zu müssen. Andernfalls müssten sie die »Kosten für ihre Anwerbung« zurückzahlen. Auch würden Unterkünfte nur für drei Monate bezahlt. »Das ist ziemlich schrecklich«, so die bei »Angry Workers« interviewte Pflegekraft. Umgekehrt scheint die Sache anders. So würden britische Pflegekräfte, die ins Ausland nach Saudi-Arabien zum Arbeiten auswandern würden, einen Bonus kriegen, wenn sie drei Jahre lang dort bleiben. Immerhin: Laut dem »Angry Workers«-Interview gibt es inzwischen Ansätze eines Austausches und einer Organisierung der in Großbritannien arbeitenden ausländischen Arbeitskräfte, mit regelmäßigen Onlinetreffen.“ Artikel von Christian Bunke in der jungen Welt vom 30. Juli 2022
  • Die NHS-Lohnerhöhung von 4,5 % ist für die ArbeitnehmerInnen ein Verlustgeschäft – und droht viele aus NHS zu vertreiben
    Mehr als eine Million Mitarbeiter des NHS erhalten eine Gehaltserhöhung von mindestens 1.400 Pfund – die Geringstverdiener erhalten in England bis zu 9,3 %. Durch die Gehaltserhöhung im NHS erhalten die Mitarbeiter eine Lohnerhöhung von 71 Pence pro Stunde, und das trotz der Lebenshaltungskostenkrise im Vereinigten Königreich, die die Inflation auf 9,4 % ansteigen ließ. Zu denjenigen, die diese Lohnerhöhung erhalten, gehören die anspruchsberechtigten Zahnärzte und Ärzte, die eine NHS-Lohnerhöhung von 4,5 % erhalten, sowie die Ärzte in der Ausbildung, die 2019 einem Vierjahresvertrag zugestimmt haben und in diesem Jahr etwas mehr als 2 % erhalten werden. Schließlich erhalten die Geringstverdiener unter den NHS-Mitarbeitern, wie Pförtner und Reinigungskräfte, eine Erhöhung ihres Grundgehalts um 9,3 %. Im NHS teilte die Regierung mit, dass die Gehälter von Krankenschwestern und -pflegern, Rettungssanitätern, Hebammen und Pförtnern pauschal um 1.400 Pfund steigen werden, was im Durchschnitt einer Gehaltserhöhung von 4 % entspricht. Die Gehälter von Ärzten und Zahnärzten werden um durchschnittlich 4,5 % und die der leitenden NHS-Mitarbeiter um 3,5 % angehoben. Dies fällt jedoch mit einem weiteren drastischen Anstieg der Inflationsrate zusammen, der durch die landesweit stark steigenden Benzin- und Lebensmittelpreise verursacht wird. Es wird geschätzt, dass die Inflation bei den Lebensmittelpreisen jetzt den höchsten Stand seit März 2009 erreicht hat – und die Bank of England sagt voraus, dass die Inflation im Laufe dieses Jahres mehr als 11 % erreichen könnte. (…)
    Die Gewerkschaften haben die Regierung gewarnt, dass viele Mitarbeiter lieber kündigen würden, als eine reale Gehaltskürzung zu akzeptieren, was zu Problemen bei der Rekrutierung und Bindung von Mitarbeitern in Schlüsselbereichen wie dem Lehrerberuf, der Krankenpflege und der Sozialfürsorge führen würde – was zweifelsohne die Wartezeiten im NHS verlängern würde, insbesondere bei Operationen und Rettungseinsätzen. Die Gewerkschaften des öffentlichen Sektors haben seitdem die Aussicht auf weitreichende Streiks in Schulen und Krankenhäusern angedeutet, nachdem ihnen mitgeteilt wurde, dass Millionen ihrer Beschäftigten Gehaltserhöhungen unterhalb der Inflationsrate erhalten sollen – zusätzlich zu den vielen anderen Gruppen, die Streiks planen, einschließlich der Beschäftigten der Royal Mail, des Buspersonals, der Bahn und anderer. (…)
    Pat Cullen, die Generalsekretärin des Royal College of Nursing, prognostizierte eine Abwanderung von Krankenschwestern und -pflegern aus dem NHS, die sich nicht ausreichend unterstützt fühlen. Sie sagte: „Dies ist ein schwerer Fehler der Minister … sie haben dem Pflegepersonal eine weitere reale Lohnkürzung auferlegt. Dadurch werden noch mehr Krankenschwestern und -pfleger sowie Pflegehelfer aus dem Beruf gedrängt.“ Christina McAnea, Generalsekretärin der Gewerkschaft Unison, sagte, die Regierung habe einen „großen Fehler“ begangen, indem sie einen Tarifvertrag für NHS-Beschäftigte vorgelegt habe, der „in allen Bereichen versagt“. Sie fügte hinzu: „Die verärgerten Mitarbeiter könnten nun beschließen, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Wenn es zu einem Konflikt im NHS kommt, können die Minister niemandem außer sich selbst die Schuld geben
    „…“ Maschinenübersetzung des engl. Artikels von Eskarina Handley vom 20.7.2022 in Open Access Government („The 4.5% NHS pay rise works out at a loss for workers“)
  • Mehr Privatisierung, mehr Kürzungen und mehr Vetternwirtschaft… Widerstand gegen das Gesundheits- und Pflegegesetz: Aktionsmonat der Unite ab dem 14., landesweiter NHS-Aktionstag am 26. Februar
    Unser NHS ist bedroht und die Zeit läuft ab. Wir brauchen Sie alle, um jetzt zu handeln und an Ihren Abgeordneten zu schreiben und ihn aufzufordern, sich dem Gesetzentwurf über Gesundheit und Pflege zu widersetzen. Sie können dazu unser E-Mail-Aktionstool unten verwenden. Hier ist der Grund dafür:  Die Regierung nutzt das Gesundheits- und Pflegegesetz, um umfassende Umstrukturierungen durchzusetzen, die für die Patienten jederzeit schädlich wären, aber mitten in einer Pandemie eine Katastrophe für die Gesundheitsversorgung bedeuten würden. Wenn dieser Gesetzentwurf verabschiedet wird, werden wir alle davon betroffen sein – es wird mehr Privatisierung, mehr Kürzungen und mehr Vetternwirtschaft geben. Es wird zu Kürzungen bei Dienstleistungen und beim Zugang zu Behandlungen führen.  Das Gesundheits- und Pflegegesetz wird die jahrelange Unterfinanzierung, Unterbesetzung und Privatisierung noch viel schlimmer machen. Es wird die medizinische Versorgung und die Notfallversorgung einschränken, mehr Menschen dazu zwingen, für ihre Gesundheitsversorgung zu zahlen, und es wird mehr privaten Unternehmen die Möglichkeit geben, Dienstleistungen zu übernehmen und Entscheidungen über Budgets zu treffen. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, die Kosten für die Sozialfürsorge für Erwachsene auf 86.000 Pfund zu begrenzen, was den Durchschnittshaushalt hart treffen wird, während die Reichen geschützt bleiben.
    Die Zeit wird knapp. Unite veranstaltet einen Aktionsmonat zum NHS, der sich an die Abgeordneten in den „roten Wänden“ richtet. Ab Montag, dem 14. Februar, werden auf Plakatwänden, Werbefahrzeugen und an Bushaltestellen direkte Botschaften an die Wähler in den Wahlkreisen [siehe Beispiele unten], in denen ihr Tory-Abgeordneter letztes Jahr für den Gesetzentwurf gestimmt hat, verbreitet.
    Die Werbekampagne ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Unite mit
    Your NHS Needs You und Diem 25, um auf die Auswirkungen des Gesetzes über Gesundheit und Pflege auf unseren NHS hinzuweisen…“ Maschinenübersetzung des (engl.) Aufrufs der Unite samt einer Petititon, siehe ebd. die Übersicht der geplanten Aktionen und #ScrapNHSBill #SOSNHS
  • Bei Bedarf Hausverkauf. Kaputtes Pflegesystem in Großbritannien: Premier Johnson bringt knapp seine »Reform« durchs Parlament
    „Eine für das Jahr 2023 anberaumte »Reform« der Pflege lässt in Großbritannien derzeit die Wogen hochschlagen. Konkret geht es um die Finanzierung der Pflegeheime sowie der häuslichen Pflege in England. (…) Die Pflege muss an dieser Stelle getrennt vom öffentlichen Gesundheitswesen NHS betrachtet werden. Das ist steuerfinanziert und stellt einen großen Teil seiner Dienstleistungen bei Bedarf kostenlos zur Verfügung. Für einen Heimplatz oder eine häusliche Pflegekraft müssen Bedürftige aber großteils selber aufkommen. 2019 zog Johnson unter anderem mit dem Versprechen in den Parlamentswahlkampf, dass unter seiner Regierung keiner sein Eigenheim verkaufen müsse, um sich Pflege leisten zu können. Der zur Debatte stehende Vorschlag soll dieses Versprechen umsetzen. Doch das tut er nicht. Eingeführt werden soll eine auf Lebenszeit berechnete Obergrenze von 86.000 Pfund, umgerechnet etwa 102.000 Euro. So viel Geld muss ab 2023 selber aufbringen, wer pflegebedürftig wird. Erst oberhalb dieser Grenze soll es staatliche Zuschüsse geben. Kritiker, vor allem die oppositionellen britischen Sozialdemokraten unter ihrem Vorsitzenden Keir Starmer, stellen nun zur Diskussion, dass Hauspreise in vielen Wohngegenden für Menschen mit mittleren Einkommen bei etwa 100.000 Pfund liegen. Die naheliegende Schlussfolgerung: Johnson hat gelogen, und im schlimmsten Fall ist man eben doch zum Verkauf gezwungen, um sich Pflege leisten zu können. An dieser Stelle offenbart sich wieder einmal der desolate Zustand des englischen Pflegesystems, an dem sich sowohl die Labour-Partei als auch die Konservativen die Schuld teilen. Denn seit den 1990er Jahren läuft in ganz Großbritannien dessen Privatisierung. (…) Initiativen wie die Nichtregierungsorganisation »We own it« (Es gehört uns) beobachten seit Jahren einen ruinösen Wettbewerbs- und Konzentrationsprozess in der Pflege. So seien seit dem Jahr 2010 rund 400 private Unternehmen pleite gegangen. Auch große Ketten sind davon betroffen. 2019 ging der Pflegekonzern »Four Seasons Healthcare« in Insolvenz. Dabei handelte es sich um ein Unternehmen mit 17.000 zu pflegenden Kunden und 22.000 Beschäftigten. Bis zur Insolvenz hatte das Unternehmen 500 Millionen Pfund Schulden angehäuft. Überhaupt scheint das private Pflegemodell nur über die Ausbeutung der Beschäftigten zu funktionieren. »We own it« geht in einem Dossier aus dem Jahr 2019 davon aus, dass 220.000 Pflegekräfte weniger als den gesetzlichen Mindestlohn verdienen und auch sonst die Arbeitsbedingungen extrem schlecht sind. Die Ergebnisse dieser Ausbeutungsstrukturen fasste eine am Mittwoch von der Gewerkschaft Unison veröffentlichte repräsentative Umfrage unter 1.600 Pflegekräften zusammen. Demnach berichteten 97 Prozent der Befragten von Personalmangel wegen Burnouts, Überarbeitung und Niedriglöhnen…“ Artikel von Christian Bunke in der jungen Welt vom 26. November 2021
  • Auf Privatisierungskurs. Großbritanniens staatlicher Gesundheitsdienst soll nach Plänen der Regierung weiter verscherbelt werden
    Während Patienten und Personal im britischen Gesundheitswesen unter Kürzungen leiden, treibt die konservative Regierung eine weitere Privatisierung des nationalen Gesundheitsdienstes NHS voran. Dieser Prozess ist allerdings schon seit Jahrzehnten im Gange. Zu Beginn der 2000er Jahre öffnete die sozialdemokratische Regierung Anthony Blairs erstmals das Gesundheitswesen für private Anbieter. 2012 wurde dies durch ein neues Gesundheitsgesetz der damaligen konservativ-liberaldemokratischen Koalitionsregierung von Premierminister David Cameron institutionalisiert. Das Gesetz entfernte den staatlichen Auftrag zur Bereitstellung einer universellen, für die Nutzer kostenlosen und umfassenden Gesundheitsversorgung aus den Statuten des NHS. Gleichzeitig wurde mit NHS England eine neue Behörde gegründet, die für die Verteilung von NHS-Aufträgen an private Dienstleister zuständig ist. Die Covid-19-Pandemie hat den Einfluss privater Dienstleister weiter erhöht. Die Nachverfolgung von Ansteckungen wurde von privaten, teilweise fachfremden Firmen übernommen. Multinationale Techkonzerne, die unter anderem in der Rüstungsindustrie tätig sind, erhielten Zugang zu Patientendatensätzen. Außerdem erhielt vor kurzem das Gesundheitsunternehmen Centene/Operose einen Vertrag für die hausärztliche Versorgung von 500.000 englischen Haushalten, während mancherorts Konzerne wie Virgin Care bereits im Vorstand lokaler NHS-Körperschaften sitzen. Diese Situation könnte im April kommenden Jahres noch verschärft werden. Dann könnte nämlich ein weiteres Gesetz in Kraft treten, das den Gesetzestext aus dem Jahr 2012 erneuern und ersetzen soll. Der Entwurf wird noch im britischen Unterhaus debattiert. Er sieht unter anderem eine weitere Aufspaltung des NHS in England auf insgesamt 42 Einzelteile vor. Die Vorstände dieser Einheiten sollen mit Vertretern der Lokalpolitik, Krankenhausleitungen sowie Abgesandten von Privatunternehmen bestückt werden. Die Verpflichtung zu einer umfassenden Gesundheitsversorgung für die Allgemeinheit soll noch stärker als bislang aufgeweicht werden. (…) Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov von Anfang September befürworten nur 15 Prozent der britischen Bevölkerung diese Reformvorschläge. Die Parlamentsdebatte am Montag wurde von Protesten von Krankenhausbeschäftigten in London begleitet.“ Artikel von Christian Bunke in der jungen Welt vom 24.11.2021
  • Sehenden Auges: Zehntausende Pflegekräfte fehlen, immer längere Wartelisten: Großbritanniens öffentlicher Gesundheitsdienst jahrelang kaputtgespart
    Jedes Jahr zu dieser Jahreszeit verschärft sich in Großbritannien die Situation im öffentlichen Gesundheitswesen NHS. Deutlichstes Merkmal sind die langen Warteschlangen von Krankenwagen, die stundenlang vor den Eingängen der Notaufnahmen von Krankenhäusern verschiedenster Städte stehen müssen, weil es keine freien Betten für ihre Patienten gibt. Zum Teil liegt das an der Covidkrise, aber auch daran, dass in den vergangenen Jahren Gelder gekürzt wurden. Seit 2010 hat es Kürzungen in Höhe von 40 Millionen Pfund gegeben, berichtete die Initiative »Every Doctor«, die Lobbyarbeit für die Ärzteschaft im öffentlichen Gesundheitswesen betreibt, im September. Die Gesundheitsbehörde NHS England fasst das ganze Ausmaß der Krise auf ihrer Website zusammen. So haben englische Ambulanzen heute im Vergleich zu 2017 die längsten Reaktionszeiten zur Beantwortung von Notrufen. Gerade weil die Fahrzeuge vor den Krankenhäusern festsitzen, dauert es oft Stunden, bis sie zu ihrem nächsten Einsatz fahren können. (…)Die miserablen Arbeitsbedingungen haben Rückkopplungseffekte erzeugt. Inzwischen fehlen allein in England mehr als 90.000 Pflegekräfte. Dieser Trend begann allerdings schon vor der Pandemie. Bereits vor vier Jahren musste das britische Rote Kreuz mit ehrenamtlichen Helfern überlastete Krankenhäuser unterstützen. Schon damals war vorhersehbar, dass das Gesundheitswesen mit einer Pandemielage überfordert sein würde. Deutlichstes Anzeichen dafür war das periodische Auftauchen von sogenannten Superviren, die ganze Krankenhäuser befallen hatten und dort zu Sterbewellen unter den Patienten führten. Mit Covid-19 starben dann nicht mehr nur die Patienten, sondern auch das Pflegepersonal. Laut »Every Doctor« sind seit Beginn der Pandemie 1.500 »Frontline«-Kräfte, also Pflegekräfte mit Patientenkontakt, im Pflege- und Gesundheitsbereich an einer Covid-19-Erkrankung verstorben. Dies sei eine der weltweit höchsten Todesraten im Gesundheitsbereich, so die Initiative in ihrem Schreiben vom September. (…) Das größte unmittelbare Problem sei, dass einerseits der Druck auf die Notaufnahmen auch aufgrund der Covid-19-Pandemie ein Rekordausmaß erreicht habe. Gleichzeitig fehle es an Ressourcen und Personal für die häusliche Pflege von Patienten, die eigentlich aus dem Krankenhaus entlassen werden könnten, aber weiter im Krankenhaus betreut werden müssen. Eines von fünf Betten werde so »blockiert«. Als Sofortmaßnahme brauche es deshalb eine Ausfinanzierung der häuslichen Pflege in den Nachbarschaften. Dafür seien deutliche Lohnerhöhungen nötig, um den vorhandenen Personalmangel zu bekämpfen. Doch gerade die Lohnfrage sorgt im britischen Gesundheitswesen für Unmut. Eine dreiprozentige Lohnsteigerung für das Personal in England durch die britische Regierung wird von den Pflegekräften abgelehnt. Am kommenden Freitag plant die Initiative »NHS Workers Say No!« eine Kundgebung in London, um ihren Widerstand gegen den Gehaltsvorschlag deutlich zu machen und mehr zu fordern. Unterstützt wird die Initiative dabei zumindest auf dem Papier von den Gewerkschaften Unite und GMB.“ Artikel von Christian Bunke in der jungen Welt vom 24.11.2021

  • Millionen warten auf Behandlung: Britischem Gesundheitssystem droht Kollaps
    Die Lage ist ernst: Der britische Gesundheitsdienst NHS steht Analysten zufolge kurz vor dem Zusammenbruch. Inzwischen warten mehrere Millionen Menschen auf eine Behandlung. Die angekündigte Impfpflicht für medizinisches Personal könnte die Situation noch weiter verschärfen. Angesichts rekordverdächtiger Wartezeiten für Operationen in England warnen Gesundheitsexperten vor einem Zusammenbruch des Gesundheitsdienstes. Die Denkfabrik King’s Fund teilte mit, der chronische Arbeitskräftemangel verschärfe den durch die Corona-Pandemie entstandenen Druck noch weiter. Experten warnen, dass die ab April 2022 geltende Impfpflicht für medizinisches Potenzial die Lage verschärfen könnte. Daten des National Health Service (NHS) zufolge warteten im September deutlich mehr als 5,8 Millionen Menschen auf eine Behandlung, so viele wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 2007. Mehr als 300.000 Patienten stehen seit mehr als einem Jahr auf der Warteliste, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahresmonat. Etwa 12.500 Menschen warten bereits seit zwei Jahren…“ Agenturmeldung vom 11. November 2021 bei n-tv
  • „Beds for profit in the UK“ am 17. März 2020 bei Public Services International ist ein Beitrag, der die Aktionen der Regierungen in Spanien und Großbritannien miteinander vergleicht. Dabei wird für Großbritannien der Protest der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst dokumentiert, gegen die Anmietung von Betten privater Krankenhäuser durch die Rechtsregierung, wofür diese täglich 2,4 Millionen Pfund bezahlt – für 8.000 Betten in 570 Einrichtungen. Dies wird kontrastiert mit der Abschaffung von 17.000 öffentlichen Krankenhausbetten, die eine wesentlich geringere tägliche „Einsparung“ erbracht haben…
  • „Ford, Jaguar Land Rover asked to make ventilators to fight coronavirus“ von Nick Gibbs am 16. März 2020 bei den Automotive News berichtet von den Gesprächen der britischen Rechtsregierung mit Autoherstellern, ob sie Beatmungsgeräte produzieren könnten – unabhängig vom Ausgang dieser Verhandlungen ein Eingeständnis der neoliberalen Hardcore-Ideologen, dass sie verloren haben… Die Idee ist aber natürlich nicht schlecht
  • „6 Demands from NHS staff to help us tackle Coronavirus“ seit dem 17. März 2020 bei Change.org ist eine Petition von Beschäftigten des NHS (bereits von weit über 20.000 Menschen unterzeichnet), in der die britische Rechtsregierung aufgefordert wird, allen Zugang zu medizinischer Versorgung zu sichern und dafür auch private Gesundheitsunternehmen heranzuziehen – die, so wird unter anderem darin argumentiert, einen guten Teil ihrer Umsätze deswegen machen, weil Menschen viel zu lange auf den Wartelisten des NHS stehen müssten, nachdem dieser so lange Jahre immer weiter gekürzt worden sei.
  • „Austerität tötet“ von Christian Bunke am 29. Februar 2020 in der jungen welt zur Situation des britischen Gesundheitswesen vor den aktuellen Notmaßnahmen der Rechtsregierung: „… Es ist ein akademischer Bericht, in dem jeder Satz wie ein Faustschlag in die Magengrube wirkt: »Die Reichen werden reicher und damit gesünder, während die Armen ärmer und somit kränker werden«, ist so ein Satz. Die von der britischen »Health Foundation« am Dienstag unter dem Titel »Health Equity in England« veröffentlichte Studie zur Entwicklung des Gesundheitswesens ist eine der detailreichsten Publikationen über den Klassenkampf von oben im Großbritannien in den vergangenen zehn Jahren. Ein Kernergebnis der Untersuchung ist, dass die Lebenserwartung in England seit Beginn der konservativen Austeritätspolitik von 2010 stagniert, beziehungsweise rückläufig ist. Diese Absenkung sei nicht mit harten Winterperioden oder anderen Wettereinflüssen erklärbar. Vielmehr sei die Gesundheit der Bevölkerung eng mit den Bedingungen, »in denen Menschen geboren werden, aufwachsen, leben, arbeiten und altern«, verknüpft. Entsprechend halten die Wissenschaftler fest, dass die größte Senkung der Lebenserwartung für Frauen und Männer in den zehn Prozent der Wohngegenden mit der ärmsten Bevölkerung in Nordostengland zu beobachten sei, während die Lebenserwartung in den zehn Prozent der Nachbarschaften Londons mit den reichsten Bewohnern am stärksten gestiegen sei. (…) Eine Ursache für diese Entwicklung machen die Autoren der Studie in der britischen Kürzungspolitik aus. Einsparungen hätten vor allem soziale Dienstleistungen sowie Gesundheitseinrichtungen in Gegenden getroffen, »in denen sie am meisten gebraucht werden und in denen die Lebensbedingungen generell schlechter sind als anderswo«. Die von der Regierung zur Verfügung gestellten Mittel für Kommunen und Gemeinden seien zwischen 2009 und 2019 um 77 Prozent zurückgegangen. Am meisten sei bei der sozialen Sicherheit und der Bildung gespart worden, beides sei für die Gesundheit »essentiell«…“
  • „Grossbritannien & COVID-19: Die Politik der Pandemie“ von Neil Faulkner am 19. März 2020 bei den Maulwürfen (in deutscher Übersetzung, ursprünglich im australischen Links) zur Entwicklung des NHS und der „Gesundheitspolitik“ insgesamt unter anderem: „… Nehmen Sie, was die Tories in den letzten zehn Jahren mit dem NHS [Nationl Health Service; öffentliches Gesundheitssystem in Grossbritannien; Anm. d. Ü] gemacht haben. Gegenwärtig gibt es im NHS 4.000 Betten für die Intensivpflege, die zu 90% belegt sind. In Deutschland sind es viermal so viele. Eine aktuelle Schätzung geht davon aus, dass die Coronavirus-Pandemie sieben Mal so viele Betten benötigt. Alles andere ist ähnlich heruntergekommen und knapp. Insgesamt wurden seit 2010 17.000 NHS-Betten abgebaut. Der derzeitige Mangel an Ärzten und Krankenschwestern beläuft sich auf 100.000. Natürlich gibt es einen verzweifelten Mangel an Beatmungsgeräten – und so haben wir das erbärmliche Schauspiel, dass der Tory-Gesundheitsminister Hancock, der an private Unternehmen appelliert, die Produktion umzustellen, um den Mangel auszugleichen, nichts tut. Sie kannten die Risiken. Sie wussten, dass das System neue Viren züchtet. Sie wussten, dass eine Legion von Spezialisten seit Jahrzehnten eine Pandemie vorhersagte. Aber dennoch setzten sie ihr Programm der Unterfinanzierung und der Übernahme des NHS durch Unternehmen fort. Die Situation im globalen Süden ist natürlich noch viel schlimmer, denn dort wurde die öffentliche Gesundheitsversorgung durch 40 Jahre Neoliberalismus verwüstet, oft im Zusammenhang mit lächerlich falsch benannten „Strukturanpassungsprogrammen“ – was dazu führte, dass die Armen des globalen Südens in die Pfanne gehauen wurden, um die Bankiers des globalen Nordens zu bezahlen. Big Pharma – die pharmazeutischen Megakonzerne, die die Weltwirtschaft umspannen – sind von zentraler Bedeutung für diese globale Gesundheitskrise. Sie blockieren die Produktion von billigen Medikamenten. Sie weigern sich, in die präventive Impfstoffforschung zugunsten lukrativerer „Behandlungen“ zu investieren. Sie weigern sich, ihr Wissen mit internationalen und staatlichen Stellen zu teilen. Sie weigern sich, bei der Bündelung von Forschung und Entwicklung zusammenzuarbeiten. Patente und Profite stehen an erster Stelle, nicht die öffentliche Gesundheit…“
  • Siehe auch vom Februar 2018: Großdemonstration in London: Zur Verteidigung des nationalen Gesundheitsdienstes

Quelle: labournet.de… vom 8. Februar 2023

Tags: , , , , , , , , , , ,