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Das Weltmärchen des 11. September

Eingereicht on 11. September 2024 – 10:27

 

Tom Appleton. World Trade Center, Pentagon, danach Afghanistan und der Irak, ein Osama, der von Obama getötet werden musste: Das Weltmärchen ist geradezu grotesk.

quid nobis profuit illud latinum quod in schola fecimus? de asteriscis et obelix legitur, nec nunquam apud Platonem legitur, qui veritatem de amore genuino explicavit, et quomodo equos pulchros surripiendo in tenebris nocturnis matribus intulerit. tandem, cum grossum latinum escendimus et diploma scholae nostrae altae egimus, ne cerevisiam quidem ordinare potuimus — “herr ober bitte ein bier” – si forte in schola graduatio antiquae Romae celebritatem nostram impendere contigerat?

Ja, wer hätte das schon je erfahren bis zum Großen Latinum, wieso und weshalb die alten Römer ihren neunten Monat plötzlich “September” nennen mussten, also den “Siebenten”, obwohl sie doch schon einen perfekt passenden Namen für diesen Neunten zur Hand hatten – eben, den “November” – womit sie ja nur lauter Verwirrungen schufen, genau so, als ob sie selber kein Latein mehr draufhätten.

Den elften Monat des Jahres nannten sie nun den Neunten, und den zwölften den Zehnten, als ob das Jahr plötzlich nur noch zehn Monate hätte statt zwölf. Da hatten sie wieder einmal beim Alt-Sumerisch-Unterricht gepennt, und einfach dem Hochmut der Politiker stattgegeben, wenn sie sagten: “Bitte ab jetzt wollen wir den siebten und achten Monat nach uns selber benennen, Julius und Augustus.”

Zahlenverwirrung

Dann kamen die Amerikaner, die natürlich noch weniger Ahnung hatten, und sie benannten zunächst den Monat und dann den Tag, so dass es solche unsinnigen Kombinationen gab wie “Nine Eleven” – der Neunte vom Elften, wie es schien, aber es sollte den Elften vom Neunten darstellen. Oder vielleicht durch die Zahlenverdrehung die Iraner täuschen. Die alten Perser waren ja bekannt für ihren “Parthian shot”, den persischen Schuss. Sie taten so, als ob sie sich den Schild auf den Rücken schnallten und zum Rückzug bliesen, aber in Wirklichkeit bliesen sie zum Angriff und marschierten rückwärts nach vorne. Sie ließen ihre Pfeile aus dem sicheren Versteck hinter ihren Schildern loszischen. Die Technik hat sich bewährt, auch heute noch kündigen die Iraner den Israelis “recht bald” den Krieg an und lassen dann auf ihn warten. Er kann also immer noch kommen.

Die Zahlenverwirrung hatte natürlich schon seit dem Altertum seine Anhänger, und auch alle Politiker zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten ihre Nummerologen und Wahrsager. Woodrow Wilson, der amerikanische Präsident während des Ersten Weltkrieges, mimte bis 1917 den Friedensengel bzw. patriotischen Kriegsgegner, während er zugleich die amerikanischen Truppen zusammenzog.  Und weit draußen im amerikanischen Nirgendwo eine Viruskrankheit züchten ließ, die man später “den Spanischen Reiter” benannte, damit niemand auf die Idee käme, es handele sich um eine amerikanische Erfindung. Andere glaubten, damit sei die Spanische Hofreitschule in Wien gemeint. Dann, danach, am achten Achten, im Jahre 1918 – man beachte die zahlenmäßige Verdoppelung zwecks Vermeidung einer etwaigen Verwechslungsgefahr – zog Amerika in Amiens so richtig vom Leder. Es wurde die größte Schlacht dieses bis dahin größten aller Kriege. Vorsichtshalber zog man sich aber am elften Elften schon wieder aus dem Krieg zurück, nachdem man auf dem amerikanischen Kontinent 200 Todesopfer zu beklagen hatte. In Europa waren es 30.000 tote Amerikaner, dazu 30.000 Virustote und ca. 60.000 Kriegsversehrte. Vor allen Dingen aber konnte sich Amerika Zuhause als Sieger feiern lassen, mit flatternden Papierfetzen in großen Städten.

Dass Polen am elften Elften 1918, als der Erste Weltkrieg aufhörte, in den Krieg einstieg, ist wahrscheinlich nur ein Mythos, aber wer weiß, ob das nicht auch eine polnische Spezialität ist wie der persische rückwärtige Angriff?  Auf alle Fälle gab es im Zweiten Weltkrieg ausgerechnet in Isfahan – im Iran – unzählige polnische Mädchenschulen, die heute auch nur für Märchenerfindungen irgendwelcher Opiumraucher gehalten werden können, aber es gibt Fotos, Leute, Fotos!

Ein anderer elfter Neunter

Ob der Zweite Weltkrieg in Polen am ersten Neunten oder am dritten Neunten begann, hängt ganz davon ab, ob man mit dem Angriff Nazideutschlands auf Polen beginnt oder mit der polnischen Reaktion darauf. Aber vergessen wir nicht, in dieser Geschichte geht es um den September, und so oder so begann auch der Zweite Weltkrieg in Polen im September. Im November, im elften Monat, begann er im Ersten Weltkrieg.

Im neunten Monat, der, wie gesagt, seit den Lateinern als der Siebente bezeichnet wird, im September, und zwar am elften Neunten, begann der Krieg in Chile, den die Amerikaner dort angezettelt hatten. Das heißt, sie selber zogen nicht in den Krieg, aber sie ließen ihn von den heimischen Militärs anzetteln, indem sie – die Amerikaner, Nominativ – wen – die chilenischen Militärs, Akkusativ – zu einem Coup aufhetzten. Das war 1973 so ähnlich wie jetzt, 2024 und wiederum zu einem September, als die Amerikaner den Präsidentenjet des venezolanischen Präsidenten kapern ließen, um dort möglichst bald an das Erdöl ranzukommen, das man jetzt wohl recht bald für den Krieg gegen Russland gebrauchen könnte. Auch in Chile war der Präsident rechtmäßig gewählt worden, aber das war den Amerikanern egal, solange in Santiago kein Weihnachtsbaum mit Coca-Cola-Flaschen geschmückt wurde. Hauptsache, das Nummerische stimmte. Allende in Chile am elften Neunten oder Kennedy am zweiundzwanzigsten Tag – gleich zweimal Elf – des elften Monats – also November – 1963. Und wann wird Maduro jetzt erschossen?, könnte man fragen. Die Saudis sollten ihm ganz einfach einen neuen Jet schenken, zwecks Schubumkehr für größeres Unheil.

Relevant sicher ist jedenfalls, dass der elfte September nach dem US-inspirierten Coup gegen Allende als Datum des Gründungstages gegen Faschismus in der DDR angesehen werden darf, auch wenn man heute die Künstliche Intelligenz eines Quantencomputers aufwenden müsste, um solche Daten bei Google aus den Ritzen zu kratzen.

Die homöopathische Magie des Höhlenmenschen

Die Araber, die ihre Terror-Attacke gegen die USA symbolträchtig am elften Neunten – Nine Eleven in den USA – setzten, dürften dieses Datum mit Bewusstsein oder mit Absicht als Erinnerung an Chile gewählt haben, obwohl die danach sofort hochgefahrene Propagandamaschine ja gerade diesen Umstand aus dem Bewusstsein der gesamten Weltöffentlichkeit herausschütteln wollte. Ich denke, dass der österreichisch-iranische Kabarettist Michael Niavarani viel dazu beigetragen hat, um an dieser Stelle einen willkürlichen Angriffskrieg auf den Iran zu verhindern. Er führt zwei persische Piloten in einem imaginären Flieger vor. “Naa Baba”, sagt der eine Pilot zum anderen, “das da ist doch nicht das World Trade Center.” Niavarani wollte spaßeln, dass die Perser gar nicht genug Technikverstand besäßen, um solch eine Aktion durchzuziehen. Nein, sagte sich Bush II, der Präsident, das stimmt. Es muss der Iraker gewesen sein, der dahintersteckte. “He tried to kill my dad”, sagte er, und startete den zweiten Irak-Krieg, als ein ganz persönliches Rache-Thema, wie aus einem Hollywood-Film.

Hier ging es um ein spiegelbildliches Motiv, der eine Bush und der andere Bush. Der großartige amerikanische Kabarettist Bill Hicks, den man auf Google auch mit KI nur mit einer militärischen Taschenlampe findet, schilderte die gesamte amerikanische politische Klasse als eine Ansammlung von Ausgeburten der Hölle. Kein Wunder, wenn man Hicks in seinen Performance-Filmen heute wiedersieht, dass einem das Lachen wirklich in der Kehle stecken bleibt. Doch was ist das Geheimnis des politischen Weltmärchens?

Es ist die homöopathische Magie des Höhlenmenschen, die uns Menschen bis heute beherrscht. Wenn in der Urzeit die Sonne unterging im Dezember, zündeten die Menschen Tannenbäume an, denn sie glaubten “gleich und gleich gesellt sich gern”, sie würden die Sonne zurückrufen. “Schau her, oh großes Licht, wir machen dir ein kleines Licht, bitte verlass uns nicht.” Als die Besucher auf der Osterinsel weggeschippert waren, stellten ihnen die Inselbewohner große Figuren auf: “Kommt zurück, wir sehnen uns nach euch. ” Wenn die Amerikaner auf den Marianen ihre Vorbereitungen für die Bombardierung Hiroshimas und Nagasakis und Tokios trafen, dann sahen ihnen die Insulaner zu. Sie glaubten an “John From”, John aus – irgendwoher. Und als “John From” – (aus Amerika natürlich) – nimmer kam, weil Tokio, Hiroshima und Nagasaki abgefackelt worden waren, dann zimmerten die Insulaner zentimetergenau mit Bindfaden abgemessene Nachbauten der US-Flieger aus Holz nach, in der Hoffnung, die Männer mit all den guten Sachen, Konserven voll Corned Beef und filterlosen Zigaretten, wieder herbeilocken zu können.

Der New Yorker Lebemann

Und jetzt also die Zauberer in den USA.  Alles hatte nichts genutzt. Saddam war nichts weiter als ein weiterer arabischer Wirrkopf gewesen, der sich irgendwo im unterirdischen Dreck eingebuddelt hatte. Hans Magnus Enzensberger hatte sein Geld bekommen, dafür, dass er im Spiegel den Mann als “Hitler” apostrophiert hatte, aber es war nur ein Lercherlschaaß, wie man in Österreich sagt. Ein kleiner Vogelschiss. Nein, der wahre Bösewicht am Nine Eleven war ein Mann namens Osama gewesen und nur ein homöopathischer Zauberer konnte gegen ihn antreten, kein Bush oder Cheney oder gar Kissinger, obwohl die wirklichen Bösewichte ja wirklich langlebig am Leben kleben – es musste ein spiegelbildlicher Namensvetter sein. Und – Zauberei, man fand ihn.

Man fand ihn in Hawaii, wo es mehr Eskimos als Schwarzamerikaner gibt, den einen Afroamerikaner, der wirklich einen kenianischen Vater hatte, der zwar in Indonesien aufgewachsen war, der zwar möglicherweise in Hawaii geboren war, noch bevor Hawaii je an die US-Staaten angegliedert worden war. Egal. Obama bot das Idiotenprogramm einer Märchengesellschaft, und nur ein New Yorker Lebemann, der vielleicht mal eine Vorstellung mit Bill Hicks erlebt hatte, durchblickte den ganzen Müll. Er machte sich über Obama lustig, und Obama erkannte, als man ihn zum Präsidenten gewählt hatte, dass er eine geheime Mordsache gegen diesen Osama führen musste. Obama, Osama, nur so konnte der Zauber gebrochen werden.  Und dann musste Obama den Osama bei Nacht und Nebel den Haien vorwerfen.

Und dann musste Obama eine nette Hausfrau als Gegenkandidatin gegen den bösen Trump auffahren, weil die einfachen CIA-Morde von 1963 heute nicht mehr funktionieren. Man musste den jugendlichen Killer mit Pillen vollstopfen, und einmal ziemlich genau dem Herrn Trumpfffff … ans Ohr schießen lassen, dann dies, dann jenes, und die ganze Märchenvorführung war vorbei. Der Killer wurde verbrannt und heimlich verscharrt, der unbesiegbare Trump seinerseits als seniler Vollkoffer bezeichnet, und die sexfreudige 59-Jährige, noch längst nicht im Golda Meir-Alter angekommen, kann nun wie die europäische Seniorenschönheit, in der Politik den Kochlöffel schwingen, nach Belieben. Ein Märchen. Und die nächste deutsche Kanzlerin wird natürlich Baerbock heißen, und wie die Ziehmutter aller heutigen Grünen, der Joschka-Freundin Madeleine Albright, aus dem Lehrbuch ihre Weisheit schöpfen. Denn, wen juckt das schon, wenn da mal 500.000 Kinder sterben? Ne? Solange es nicht meine eigenen sind? Eben. Nobody.

Quelle: overton-magazin.de… vom 11. September 2024

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