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Imperialismus. Zum Beispiel die USA

Submitted by on 9. Oktober 2025 – 17:41

Willi Eberle. Weshalb kriecht die europäische politische Elite vor den USA – gerade in dieser aktuellen Periode der grossen Umbrüche und Kriege? Diese Frage hat seit Jahrzehnten hohe Aktualität. Aber spätestens seit 2014, der ersten Phase des Ukraine-Krieges, wird immer offensichtlicher, dass die EU-Führung sich beinahe jeder Forderung der USA bedingungslos beugt, selbst auf die Gefahr

grossen wirtschaftlichen Schadens hin. Es zeigt sich, dass die Durchdringung Europas und der «westlichen Wertegemeinschaft» mit den politökonomischen Interessen der USA über die vergangenen 120 Jahre mittlerweile soweit fortgeschritten ist, dass die politischen, kulturellen und ökonomischen Eliten Europas kaum mehr eigenständig handeln und denken können.

Das Buch von Werner Rügemer (Verhängnisvolle Freundschaft. Wie die USA Europa eroberten. Erste Stufe: Vom 1. Zum 2. Weltkrieg. PapyRossa, Köln, 2023) geht diesen Fragen in einer historischen und strukturellen Herangehensweise nach.

Der Imperialismusbegriff hat erneut Hochkonjunktur gerade seit dem Beginn der speziellen Militäroperation Russlands ab dem 22. Februar 2022. Gerade auf Seiten der Propagandakanäle des selbsternannten «Wertewestens», der grösstenteils in der NATO organisiert ist und diesen Konflikt richtiggehend bewusst aufgebaut hat. Für sie ist dieser Begriff ausschliesslich eine Feindvokabel, die im aktuellen Krieg gegen Russland eingesetzt wird, um Russland und insbesondere Putin zu diabolisieren. Es gibt ebenso eine Unzahl linker politischer Organisationen, die sich selbst als antikapitalistisch oder gar marxistisch-revolutionär bezeichnen, die Russland als imperialistisch bezeichnen; meist wird dabei ohne Umschweife auf die SMO (spezielle militärische Operation) Bezug genommen, ohne sich auf ernsthafte geschichtliche und polit-ökonomische Analysen einzulassen. Viele von diesen Organisationen sehen nicht den US-Imperialismus als Hauptproblem, sondern Russland. Dies trotz der Tatsache, dass die USA weitaus die meisten Kriege angezettelt hat über die vergangenen Jahrzehnte. Sie ziehen sich dann bestenfalls auf eine Position des revolutionären Defätismus zurück und bleiben so in diesem geschichtlich entscheidenden Konflikt letztendlich Seite an Seite mit der NATO.

Nicht so Rügemer in seinem Buch. Er zeigt auf, dass die USA seit mindestens 70 Jahren DIE imperialistische Supermacht ist. Sie hat seit 200 Jahren ein politisch-ökonomisches System entwickelt, wo erstens die grossen Konzerne und die Hochfinanz, insbesondere Wallstreet, die Politik beherrschen, wo sich eine politische Kaste herausgebildet hat, die vor allem aus der Hochfinanz, aus Anwaltskanzleien und dem militärisch-industriellen Komplex stammt, wo konsequent eine Aussenpolitik geführt wird, die die Durchdringung anderer Staaten mit den Interessen des US-Kapitals gefördert wird und alle Kräfte und Massnahmen vorangetrieben werden, die die Arbeiterbewegung entweder handzahm machen oder dann gewaltsam unterdrücken. Auch fremde Kapitalfraktionen werden dienstbar gemacht, wie vor allem die europäische Bourgeoisie, wovon wir ja im gegenwärtigen Zollkonflikt, im Wettbewerb der Automobilindustrie und der Finanzplätze oder dann im Ukrainekonflikt anschauliche Beispiele sehen.

Wichtige Epochen waren die innere Herausbildung des US-amerikanischen Staates mit den Eroberungen, der brutalen Enteignung der Ureinwohner, mit der Sklaverei, mit dem gewaltsamen Ausgreifen in den Pazifik und nach Lateinamerika vor allem im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem spanischen Kolonialreich bis in die1890er Jahre. Dann die Epoche um die beiden Weltkriege, wo die USA ihre Herrschaft innerhalb des imperialistischen Blockes festigen konnte. Dabei hat sie sich allermeistens auf die reaktionärsten Kräfte in Europa und in Japan abgestützt, insbesondere auf die Monarchisten und vor allem auf die rechts-nationalistischen und faschistischen Kräfte, die gerade zwischen den beiden Weltkriegen in Europa starken Einfluss gewannen und die bei der US-amerikanischen Hochfinanz und den Grossindustriellen grosse Sympathie genossen. Der Grund war klar: nur diese Kräfte hatten eine «überzeugende» Herangehensweise an das drohende Gespenst einer kommunistischen Revolution, das seit der russischen Oktoberrevolution nicht nur ein ferner Albtraum war, sondern aufgrund der grossen Arbeiterkämpfe auch in den USA seine drohenden Zeichen an die Wand malte.

Die USA unterstützten das Vorantreiben des Ersten Weltkrieges, da er der US-Industrie und Wallstreet grosse Profite versprach; grosse US-Konzerne waren bereits damals in Europa mächtig vertreten. Zudem konnte eine gegenseitige Schwächung der europäischen Kolonialmächte dem US-Imperialismus nur recht kommen. Was nachher kam – die Oktoberrevolution von 1917 in Russland und die Arbeitererhebungen quer durch Europa – hingegen lief ganz gegen die Interessen der Kapitalisten in Europa und in den USA und musste mit allen Mitteln bekämpft werden. So übernahmen die USA mit Grossbritannien die Führung der militärischen Intervention von 17 Staaten auf Seiten der konterrevolutionären weissen Truppen in Russland ab dem Frühjahr 1918. Bereits damals formierten sich reaktionäre Kräfte in der Westukraine, die sich gerade von der polnischen Herrschaft befreit hatte; aus diesen gingen dann die faschistischen Formationen der Banderisten hervor, die in der heutigen Ukraine eine zentrale Rolle spielen und auf die sich der europäische und der US-Imperialismus abstützen.

Die USA war von Anfang führend in der Entwicklung einer Massenkultur, die entscheidend auf die Wahrnehmung der Realität unter den Massen einwirken konnte, oder sich dieses Ziel zumindest gesetzt hatte. Josef Goebbels, der Reichspropagandaminister der Nazis liess sich davon inspirieren. Mittlerweile sind diese Methoden verfeinert und bestimmen weitgehend das, was heute Kulturindustrie genannt wird; sie strukturiert die Informationspolitik der Massenmedien zum Ukrainekonflikt, wo ja flächendeckend ein Bild vermittelt wird, das den kriegstreibenden Interessen der europäischen und der US-Bourgeoisie entspricht.

Die USA unterstützten auch im Zeiten Weltkrieg mindestens bis in diesen hinein alle kriegsführenden Länder, also auch Nazi-Deutschland, Italien und Japan. Sie waren von Anfang an daran beteiligt, v.a. zusammen mit Grossbritannien, die Nazis diplomatisch, politisch und wirtschaftlich aufzubauen, um diese einen Krieg gegen die Sowjetunion führen zu lassen, mit dem Ziel, dass sich diese beiden Grossmächte gegenseitig aufreiben würden. Als dann nach dem Sieg der Sowjetunion bei Stalingrad ab 1943 absehbar war, dass die Sowjetunion gestärkt aus dem Krieg hervorgehen würde, wurden für die USA der Kriegseintritt in Europa unumgänglich. Dass heute die historische Leistung des Sieges über Nazi-Deutschland der Sowjetunion, oder eben Russland, abgesprochen wird, zeigt nur die Wucht des mittlerweile auf Hochtouren laufenden imperialistischen Propagandaappparates, angesichts der bevorstehenden Niederlage im Ukrainekonflikt.

Das Buch beschreibt auf über 300 Seiten die Herausbildung der Hegemonie des US-Imperialismus und seine Rolle im Ersten und im Zweiten Weltkrieg pointiert und eingehend. Die Jahre ab dem Zweiten Weltkrieg, die die volle Entfaltung der US-Hegemonie und deren beschleunigten Zerfall seit ca 15 Jahren gesehen haben, werden am Ende des Buches gestreift. Man erkennt in dieser Epoche die gleichen Muster des bedenkenlosen Einsatzes aller zur Verfügung stehenden Mittel der Projektion amerikanischer Macht zur Aufrechterhaltung und Durchsetzung eines rücksichtlosen kapitalistischer Ausbeutungssystems bis in die letzten Winkel der Welt. Letztendlich ist dies das Ziel aller Kapitalisten, auch der europäischen und nur der US-Imperialismus hat die Mittel, dies zu leisten. Von daher kommt die Hegemonie des US-Imperialismus. Es ist höchste Zeit, dagegen vorzugehen.

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